Immer noch ist es leider zu häufig anzutreffen, dass Unfallopfer dem Schadensmanagement der Versicherungen aus Bequemlichkeit oder aus Unwissenheit folgen, sich von der Haftpflichtversicherung ihres Unfallgegners die Reparaturleistung und den Mietwagen vermitteln und davon abhalten lassen, die Schadensregulierung über den eigenen Sachverständigen und den eigenen Rechtsanwalt auf diese ebenso bequeme Weise nicht aus der eigenen Hand zu geben.
Ein bekannter Rechtsanwalt hat dazu einmal bemerkt, dass das Vertrauen in die nicht bestehende Objektivität einer unfallgegnerischen Haftpflichtversicherung zwar massiv zurückgeht, aber immer noch erschreckend weit verbreitet ist.
Es ist schlicht unverständlich, dass jeder weiß, dass er seine eigene Steuererklärung nicht vom Finanzamt machen lassen sollte, bei der Abwicklung seines eigenen Schadens aber auf die Dienste seines Schuldners vertraut und erwartet, dass der Schuldner seine Interessen, also die Interessen des Gläubigers, wahrt.
Zum Glück sind solche Denkweisen immer weiter abnehmend. Mittlerweile hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer sehr beachtenswerten Entscheidung die Folgen von Interessenkonflikten für den rechtssuchenden Bürger in einem Spezialfall scharf analysiert und zu Gunsten des rechtssuchenden Verbrauchers entschieden.
Was war der Sachverhalt?
Eine Empfängerin von Arbeitslosengeld II musste ins Krankenhaus. Die Bundesagentur für Arbeit hatte der Patientin wegen der Verpflegungen, die sie während des Krankenhausaufenthaltes erhielt, die Unterstützung empfindlich gekürzt.
Die Frau wollte sich dagegen wehren und wollte sich nun von einem Rechtsanwalt beraten lassen. Sie versuchte, für die Inanspruchnahme der Beratungsdienste des Rechtsanwaltes die Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen.
Diese Beratungshilfe wurde ihr mit der Begründung verweigert, sie könne sich schließlich kostenfrei auch von der Widerspruchsbehörde der Bundesagentur für Arbeit beraten lassen, also gerade derjenigen Behörde, die der bedürftigen Patientin die Unterstützung gekürzt hatte.
Die Patientin erhob daraufhin gegen die letztinstanzlich ihr die Unterstützung versagende Entscheidung Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.
Mit Beschluss vom 11.05.09, Aktenzeichen I BvR 1517/08 hat das Bundesverfassungsgericht der Beschwerdeführerin nun Recht gegeben.
Die Entscheidung, der Beschwerdeführerin die begehrte Beratungshilfe zu versagen, verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundgesetzlich geschützten Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit, der aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz und Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz folgt.
Danach ist es notwendig, die Situation von bemittelten und unbemittelten Bürgern auch im außergerichtlichen Rechtsschutz weitgehend anzugleichen. Vergleichsmaßstab, so das Bundesverfassungsgericht, sei ein bemittelter Rechtssuchender, der auch die Kosten des Rechtsrats vernünftig abwägt.
Ein vernünftiger Rechtssuchender dürfe sich unabhängig von Begründungspflichten aktiv am Verfahren beteiligen. Für die Frage, ob er einen Anwalt hinzu ziehen würde, kommt es insbesondere darauf an, inwieweit er fremde Hilfe zur effektiven Ausübung seiner Verfahrensrechte brauche oder diese selbst ausüben könne.
Laut Bundesverfassungsgericht ist es der Beschwerdeführerin entgegen der Ansicht der Beratungshilfestelle des Amtsgerichts auch nicht zumutbar, den Rat derselben Behörde in Anspruch zu nehmen, deren Entscheidung sie im Widerspruchsverfahren angreifen will.
Auch bei einer organisatorisch gedrängten und mit anderem Personal ausgestatteten Widerspruchsstelle entscheide, so das Bundesverfassungsgericht, dann dieselbe Ausgangs- und Widerspruchsbehörde über die Leistungen der Beschwerdeführerin.
Damit bestehe die abstrakte Gefahr von Interessenkonflikten, die für die beratungsbedürftige Beschwerdeführerin nicht durchschaubar seien. Aus Sicht der Rechtssuchenden bilde der behördliche Rat deshalb keine geeignete Grundlage mehr für eine selbstständige und unabhängige Wahrnehmung ihrer Verfahrensrechte im Widerspruchsverfahren.
Und das Bundesverfassungsgericht setzt noch einen drauf:
Ferner dürfe der Beschwerdeführerin eine unabhängige Beratung auch im Hinblick auf die prozessrechtlichen Grundsätze der Waffengleichheit und der gleichmäßigen Verteilung des Risikos am Verfahrensausgang in sich möglicherweise anschließenden Gerichtsverfahren nicht vorenthalten werden. Auch wenn sich im Einzelfall ein objektiver Mehrwert anwaltlicher Beteiligung gegenüber behördlicher Beratung empirisch nicht voraussagen lasse, sei eine zusätzlich und von außen kommende Durchsetzungshilfe im Widerspruchsverfahren grundsätzlich geeignet, die Effektivität des Verfahrens zu steigern. Dies sei vor allem wegen des existenzsichernden Charakters des Arbeitslosengeldes II von Bedeutung. Wegen der grundsätzlich zeitverzögernden Wirkung des Vorverfahrens und seiner Verbindung zum Klageverfahren sei auf eine möglichst effektive Gestaltung des Vorverfahrens zu achten. Der Gesichtspunkt der Kosteneinsparung könne die Versagung der Beratungshilfe sachlich nicht rechtfertigen, so das Bundesverfassungsgericht.
Fazit:
Das Bundesverfassungsgericht sieht im Bereich der Beratungshilfe die Notwendigkeit, dass der Staat einer bedürftigen rechtssuchenden Person die Kosten fachkundigen Rechtsrates durch einen Rechtsanwalt im Rahmen der Beratungshilfe ersetzt, selbst dann, wenn sich der Rechtssuchende von der Behörde selbst kostenlos beraten lassen könnte.
Das Bundesverfassungsgericht sieht hier einen nicht anders auflösbaren Interessenkonflikt, obwohl die Widerspruchsbehörde der Bundesagentur für Arbeit mit Sicherheit ein wesentlich höheres Maß an Objektivität besitzt als – übertragen auf die Verkehrsunfallsituation – der Haftungsschuldner des Unfallopfers, nämlich der unfallgegnerische Haftpflichtversicherer.
Wer sich also im Verkehrsunfall durch den unfallgegnerischen Haftpflichtversicherer beraten, steuern und lenken lässt, der begibt sich sehenden Auges in einen schlicht untolerierbaren Interessenkonflikt und läuft Gefahr, empfindliche Einbußen bei der Regulierung seiner Schadensersatzansprüche nach dem Verkehrsunfall zu erleiden.
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalles hat ein Interesse daran, dass ihm der Fahrzeugschaden, die Gutachterkosten, die Wertminderung, die Unkostenpauschale, der Nutzungsausfallschaden / die Mietwagenkosten, die Restkraftstoffkosten im Tank im Totalschadensfall, die Ankaufsuntersuchungskosten, die Abschleppkosten, die eventuellen Abmeldekosten und die Neuzulassungskosten sowie die Kosten für neue Fahrzeugschilder sowie eine Fülle weiterer Schadensposition, die im Einzelfall bestehen können oder nicht, ersetzt werden.
All diese Ansprüche bedürfen im konkreten Einzelfall einer gesonderten individuellen Rechtsprüfung dahingehend, ob Sie dem Grunde nach und in welcher Höhe bestehen.
Diese Interessen des Unfallopfers stehen in direktem konträren Gegensatz zu den Interessen des unfallgegnerischen Haftpflichtversicherers, des Haftungsschuldners des Unfallopfers, der natürlich Schadensersatz nur in geringstmöglicher Höhe leisten will.
Deshalb versucht man den Geschädigten in die eigene Partnervertragswerkstatt zu steuern, ihm selbst einen Leihwagen zu vermitteln und ihn von den unabhängigen Vertretern seiner Interessen, den qualifizierten Verkehrsrechtsanwälten, abzuhalten.
Aber auch die Reparaturwerkstatt des Unfallopfers hat regelmäßig nur das Interesse, dass die Reparaturkostenrechnung vom unfallgegnerischen Haftpflichtversicherer ausgeglichen wird.
Einzig echter und im Übrigen für die Fehlberatung seines Mandanten haftender und dafür auch haftpflichtversicherter Interessenvertreter ist deshalb der Rechtsanwalt.
Unfallopfer sollten sich die Begründung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes intensiv zu Herzen nehmen und daraus die Lehre ziehen, dass es zur Wahrnehmung der Interessen des Unfallopfers und zur Vermeidung von Interessenkonflikten unabdingbar notwendig ist, auch den eindeutigen Schadensfall von seinem Rechtsanwalt abwickeln zu lassen.
Die Kosten, die dabei für die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts entstehen, gehören zum Schaden des Unfallopfers und sie müssen deshalb auch vom Schädiger ersetzt werden.
Ergebnis:
Der Arbeitslosengeld II-Empfänger darf, um sich gegen Entscheidungen der Behörde wehren zu können, auf Staatskosten einen unabhängigen Rechtsanwalt einschalten zur Vermeidung der Gefahr von Interessenkonflikten.
Deshalb sollte auch das Unfallopfer zur Vermeidung der Gefahr von Interessenkonflikten die Unfallschadensabwicklung nicht der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers überlassen sondern diese selbst über einen eigenen Anwalt durchführen lassen, der von der unfallgegnerischen Haftpflichtversicherung zu bezahlen ist.
Mitgeteilt von Peter Pan im Juni 2009
Gerade gestern hat die R+V Versicherung dem Geschädigten die Wahl der Werkstatt und die Beauftragung eines Gutachters verbieten wollen.
Trotzdem werden die Werkstätten fleißig weiter bei den Versicherern anrufen und den Schaden „unter der Hand“ abwickeln. Und weiterhin werden Anwälte den Schadensanspruch nach Gutachten der Versicherer für ihre Mandanten geltend machen und freie Sachverständige den Restwert in der Börse ermitteln und und und ….
Wenigstens fragt die Sonne noch nicht,ob und wo sie scheinen darf.
Schönes Wochenende
Virus
Hallo Virus,
ich hoffe, dass der Versuch der R+V-Versicherung mißlungen ist. Ansonsten kann man den Werkstätten, die von sich aus bei den Versicherungen anrufen, nicht mehr helfen.
Ein schönes Wochenende
Werkstatt-Freund
Das Problem ist ja nicht nur die Unwissenheit und Gedankenlosigkeit, sondern auch die vielen Fehlinformationen „von außen“ bzw. denjenigen, die helfen sollen.
Da gibt es Anwälte, die bei den Rechtschutzversicherern gelistet sind, die zwar Fachwanwalt für Arbeitsrecht oder Familienrecht sind, aber von einer Schadenregulierung überhaupt keine Ahnung haben.
Diese beauftragen dann (wenn Sie überhaupt einen SV beauftragen), Sachverständige der DEKRA oder SSH-Partner, oder sie beauftragen freie Kollegen, die jedes Fahrzeug in einer Höchstpreisbörse anbieten und das Höchstgebot als Restwert ansetzen. Oder es werden Kollegen beauftragt, die noch immer der Meinung sind, dass es eine Wertminderung nur geben kann, wenn das Fahrzeug nicht älter als 5 Jahre und maximal 100.000 km gelaufen ist.
Und dann gibt es Anwälte, die sich erzählen lassen, dass die Kosten für eine beim Sachverständigen angeforderte Stellungnahme nicht ersatzfähig seien. Oder diese Anwälte lassen sich im Namen ihrer Mandantschaft bei fiktiver Abrechnung Kürzungen gefallen. Und und und…
Solange es solche Anwälte und Sachverständige gibt, haben die Versicherer relativ leichtes Spiel.
Grüße
Andreas
Hallo Andreas,
gerade, weil Du so sehr recht hast, deshalb haben engagierte Männer und Frauen diesen Informationsblog aus der Taufe gehoben. Die Informationen, die hier im Blog täglich bekannt gegeben werden, sollen auch bisher schlecht oder gar nicht Informierte schlau machen. Es sollte in Zukunft daher die von Dir geschilderten Fälle nicht mehr geben. Sachverständige sollten daher ihre Kollegen und Anwälte ihre Kollegen auf diesen Blog und die darin enthaltenen Informationen hinweisen. Wenn sich alle danach richten, müssten Schadensregulierungskürzungen und -verzögerungen Vergangenheit sein. Informieren, informieren, heißt daher die Devise.
Gruß
Willi Wacker
Mit Angst und Schreckensbildern werden Versicherungen verkauft und die Schäden reguliert. Das wissen wir. Jedoch die Geschädigten werden täglich im Fernsehen von den Versicherern mit der Vollkaskomentalität beworben und weil diese so schön ist, glauben sie daran. Jeder bezahlt seine Prämie und glaubt daran, dass der Versicherer alles tun muss damit er als Geschädigter alles bekommt, so als wäre der Schaden nicht passiert. Wären diese Geschädigten bereit ihren Vertrag zu lesen, dann würden sie feststellen wofür sie bezahlt haben und versichert sind.
§10 AKB: Sie sind versichert für die Abwehr unberechtigter Ansprüche…
und wenn sie dann , die ihnen nach dem Gesetz zustehende Beweispflicht für Unfallhergang und Schadenhöhe ernst nehmen würden wäre vielen geholfen.
Die Geschädigten überlassen aus dieser Unkenntnis jedoch die Regulierung dennen, die ihnen alles „kostenlos versprechen“! Statt dass sie bei „kostenlos“ sofort die Lüge entlarven ist es ihnen angenehm belogen zu werden und unterschreiben.
Viele Geschädigten denken einfach so:
Der Verursacher und sein Versicherer müssen sich darum kümmern, damit ich alles bekomme was mir zusteht.
Die wollen einfach nicht wahrhaben, dass sie in der Beweispflicht stehen.
Und hier hat es jeder leicht mit denn Worten: „Das machen wir ihnen alles kostenlos“!
Die Geschädigten sind in ihrer Not einfach leichtgläubig und denken nicht daran, dass der, der ihnen „kostenlos“ verspricht sie belügt und an anderer Stelle abkassiert.
Wenn wir unseren Kunden sagen: Sie sind der Auftraggeber für das Gutachten und die Rechnung wird auf Sie ausgestellt, dann reichen Sie das Gutachten mit Rechnung als Schadenersatzposition über ihren Anwalt beim Versicherer ein. Dann beginnt ein aufklärendes Gespräch, das von den meisten nicht gewünscht wird. Weil dann zum Vorschein kommt, so wie er denkt (der Versicherer muss sich darüm kümmern, dass er zu seinem Recht kommt) alles falsch ist.
Aus diesem Grunde haben es die „kostenlos“ Scharlatane so einfach mit dem Geschädigten. Die nutzen ganz einfach dessen unwissende Beqeumlichkeit aus und machen „kostenlos“ Kasse.
Heute schlug es wieder einmal „DREIZEHN““
Ein Haftpflichtversicherer teilt der Werkstatt mit, dass diese erst mit der Reparatur des Fahrzeuges beginnen darf, wenn das Gutachten vorliegt. Vorher gebe es keine Reparaturfreigabe.
Halten wir fest, der Fahrzeughalter hat den Auftrag zur Reparatur längst erteilt. Der Haftpflichtversicherer verbietet die Reparatur – weil, so der SB, die Haftung noch nicht geklärt sei. Unter ungeklärter Haftung versteht der SB: „Wenn das Fahrzeug vor einer Besichtigung durch uns bereits repariert wurde, dann haben wir keine Möglichkeit mehr, den Schaden zu überprüfen und dann zahlen wir nicht.“
So viel Unsinn tat meinen Ohren weh.
Er habe doch ein Gutachten, welches extra als Beweis des Schadenumfanges erstellt wurde. Mehr braucht es nicht. Wenn er dann meint, da stimme was nicht, bleibt halt dem Geschädigten nur der Klageweg. Doch auch diese Argumentation wollte der SB nicht gelten lassen. Es werde nicht gezahlt, wenn das Fahrzeug vor „seiner Freigabe“ repariert wird.
Da blieb mir nur noch der Hinweis, dass er dann bei der Abrechnung der Mietwagenkosten nicht vergessen solle, dass aufgrund seiner Anweisung sich die Mietwagennutzung dementsprechend verlängert hatte. Womit dann das Gespräch beendet war.
Hallo SV,
die Dreistigkeit der Versicherer ist kaum noch zu überbieten.
Einen schönen Tag noch
Willi Wacker
Hallo SV,
kann man hier nicht den Versicherer, der solch tüchtige Mitarbeiter hat, nennen? Was spricht dagegen? Ich denke schon die sollten sich hier wiederfinden.
Hallo borsti, hallo SV,
ich meine auch, dass man Ross und Reiter nennen sollte. Warum nicht?
Werkstatt-Freund