Die Amtsrichterin der 341. Zivilabteilung des AG München ist mit einem bemerkenswerten Urteil vom 6.10.2010 – 341 V 22749/08 – ( doppelter Anscheinsbeweis gegen den Schädiger) zu dessen 100 prozentiger Haftung gelangt bei eine Verkehrsunfall, der darauf zurückzuführen ist, dass der Schädiger von den Taxistandplätzen neben dem rechten Fahrbahnrand an der Leopoldstraße losgefahren ist, dann in die rechte Fahrbahn eingefädelt ist und weiter von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt ist, um dann am Siegestor nach links in eine Wendeschleife einzubiegen. Die unfallgeschädigte Klägerin hat mit ihrem Fahrzeug noch versucht, eine Notbremsung wegen des plötzlich vor ihr ausscherenden Fahrzeuges des Beklagten zu 1., dessen Halter die Beklagte zu 2. ist und das bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversichert ist, durchzuführen. Es kam zur Kollision der Unfallfahrzeuge. Die Klägerin macht Unfallschäden in Höhe von insgesamt 3.319,91 € geltend. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen: aus den Nettoreparaturkosten gem. Gutachten von 2.568,90 €, den Sachverständigenkosten von 651,01 €, den Nebenkosten von 25,–€ und pauschalierten Ummeldekosten von 75,– €. Das Gericht hat in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 3.319,91 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung sowie durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. SV. Die polizeiliche Ermittlungsakte war ebenfalls beigezogen und war Gegenstand des Rechtsstreites. Die Amtsrichterin hat im schriftlichen Verfahren mit Urteil vom 6.10.2010 – 341 C 22749/08 – wie folgt entschieden, nachdem die Beklagten Klageabweisung beantragt hatten:
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist ganz überwiegend begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus dem Unfallereignis vom 29.5.2007 auf der Leopoldstraße in Höhe der Wendeschleife am Siegestor in München gem. der §§ 7, 17 StVG, 249, 823 BGH, 3 PflVG a.F. in Höhe von 3.244,91 €.
Gegen die Beklagten steht der Beweis des ersten Anscheins, dass der Beklagte zu 1. die ihm obliegenden Sorgfaltpflichten gem der §§ 10, 7 V StVG nicht beachtet hat. Das Beklagten-Fahrzeug ist unstreitig von dem rechts belegenen Taxistandplatz in die Fahrbahn der Leopoldstrasse eingefahren, um dann auf der Wendeschleife an dem Siegestor zu wenden. Der vom Taxenstand losfahrende beklagte Taxifahrer hatte vei diesem Einordnen in den fließenden Verkehr die Sorgfaltsanforderungen gem. § 10 StVG zu beachten, wonach jede Gefährdung oder Behinderung des fließenden Verkehrs zu vermeiden ist.
Nach den örtlichen Verhältnissen steht der Fahrspurwechsel noch in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Kollision. Um die Wendeschleife zu befahren, musste der Beklagte zu 1. unstreitig die mittlere Fahrspur queren. Die durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen hat nicht ergeben, dass der unstreitige Fahrspurwechsel schon soweit abgeschlossen war, dass die Klägerin die Möglichkeit hatte, sich auf das abbremsende und in die Wendeschleife einfahrende Fahrzeug einzustellen. Den Beklagten ist es nicht gelungen, den gegen sie stehenden Beweis auch hinsichtlich der Behauptung beweisfällig geblieben, dass das Beklagtenfahrzeug bereits ca. 5 Sekunden stand, als die Klägerin gegen dieses stieß. Dass laut Sachverständigem nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Beklagtenfahrzeug zum Kollisionszeitpunkt stand, reicht für eine Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht aus. Die gesteigerten Sorgfaltspflichten des in den Verkehr einfahrenden und die Spur wechselnden Beklagten zu 1. rechtfertigen hier vielmehr bei der gem. § 17 StVG gebotenen Abwägung eine Alleinhaftung der Beklagten.
Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges hingegen tritt zurück. Die Gefahrensituation, deren Risiko sich in dem Unfallereignis verwirklichte, wurde allein durch das Fahrmanöver des Beklagten zu 1. geschaffen. Allein die Tatsache, dass die Klägerin die vorgefundene Situation nicht besser bewältigte, rechtfertigt keine Mithaftung der Klägerin. Die Klägerin kann von den Beklagten Ersatz ihres unfallbedingten Schadens verlangen. Streitig war allein die Schadensposition der Ummeldekosten. Diese wurden von der Klägerin nicht korrekt nachgewiesen. Sie sind nicht pauschal erstattungsfähig.
Das Amtsgericht München hat mit diesem Urteil vom 06.10.2010 – 341 C 22749/08 – aufgrund eines doppelten Anscheinsbeweises entschieden, dass der Schädiger die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten der §§ 10 sowie 7 Abs. 5 StVO nicht beachtet hat. Nach Ansicht des AG München rechtfertigen die gesteigerten Sorgfaltspflichten des in den fließenden Verkehr einfahrenden und die Spur wechselnden Beklagten seine Alleinhaftung. Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges tritt zurück, da die Gefahrensituation, deren Risiko sich in dem Unfallereignis verwirklichte, allein durch das Fahrmanöver des Beklagten geschaffen wurde.