AG HH-Wandsbek verurteilt Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung restlicher SV-Kosten (711a C 143/12 vom 24.08.2012)

Mit Urteil vom 24.08.2012 (711a C 143/12) hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek den Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 136,23 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Wegen des Eintritts des Verzuges aufgrund des Ablaufs einer angemessenen Frist zur Bearbeitung bei der Versicherung ist im Prozess durchaus hingewiesen worden. Offensichtlich hat sich die Kenntnis über diese Rechtsfolge (=Verzugseintritt, wenn nicht innerhalb einer angemessenen Frist reguliert wird) bei den Gerichten noch überhaupt nicht durchgesetzt. Hier besteht noch Handlungsbedarf.

Weiter wäre die hier im Blog vertretene Ansicht zu verfolgen, eine Möglichkeit zu nutzen, den Beklagten vom Inhalt des Verfahrens in Kenntnis zu setzen. Es besteht der Verdacht, dass die jeweiligen Fahrer/Halter auf Beklagtenseite von den Versicherungsanwälten nicht über den Verfahrensverlauf in Kenntnis gesetzt werden. Dies dürfte ein klarer Verstoss gegen anwaltliche Pflichten sein.

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Die zulässige Klage ist begründet.

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert, da der Geschädigte A., den Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten an den Kläger abgetreten hat.

2. Dem Zedenten, Herrn A., stand gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der Kosten des nach dem Verkehrsunfall zur Feststellung des Schadensumfangs an seinem Fahrzeug eingeholten Sachverständigengutachtens des Klägers in Höhe von 457,23 € zu. Auf diesen Anspruch hat die Kfz-Haftpflichtversicherung des Beklagten lediglich einen Betrag in Höhe von 321,00 € gezahlt, so dass ein weiterer Betrag in Höhe von 136,23 € offen steht.

Der Beklagte haftet unstreitig dem Grunde nach zu 100 % für den durch das Fahrzeug des Beklagten verursachten Unfall, der einen Schaden am Fahrzeug des Geschädigten A. in Höhe von 1.177,90 € netto, 1.401,70 € brutto verursacht hat. Die Kosten des Gutachtens sind von dem Anspruch des Zedenten gegen den Beklagten auf Ersatz des aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2011 entstandenen Schadens gemäß §§ 7, 17, 18 StVG erfasst.

Die seitens des Klägers geltend gemachten Sachverständigenkosten sind in voller Höhe ersatzfähig. Diese Kosten gehören zu den Vermögensnachteilen, welche gemäß § 249 BGB auszugleichen sind, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist oder aber wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, VI ZR 365/03, Urteil vom 30.11.2004).

Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH BGHZ 115, 364, 369; 160, 377, 383; 162, 161, 165). Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaulwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH BGHZ 115, 364, 368 f.; 132, 373, 376f.; 155, 1, 4 f.; 162, 161, 164 f.; 163, 362, 365). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH BGHZ 163, 362, 367 f.).

Der Anspruch des Geschädigten ist entgegen der Ansicht des Beklagten der Höhe nach nicht begrenzt auf die sich aus der BVSK-Honorarbefragung ergebende Kostenberechnung. Dies kann vorliegend nicht dem Geschädigten entgegengehalten werden. Überhöhte Sachverständigenkosten wären nur dann nicht erstattungsfähig, wenn der Geschädigte ein Auswahlverschulden trägt oder aber die Erhöhung evident ist, (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, 1 U 246/07; OLG Nürnberg, 4 U 1001/02, Urteil vom 03.07.2002). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte.

Der von dem Beklagten vorgenommene Vergleich der streitgegenständlichen Sachverständigengebühren mit dem Gesprächsergebnis BVSK-HUK-Coburg, Stand 1.11.2009 (Anlage B 1), kann als Vergleichsgrundlage nicht herangezogen werden, da sich der Geschädigte nicht auf Gesprächsergebnisse oder Sonderkonditionen verweisen lassen muss, die der Versicherer zugrunde legt. Derartige Empfehlungen sind dem Geschädigten auch bei der Beauftragung des Sachverständigengutachtens nicht ohne weiteres zugänglich.

Ein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB ist nicht ersichtlich. Da es sich im vorliegenden Fall bei einem Schaden von 1.401,70 € brutto nicht um einen Bagatellschaden handelte, konnte der Geschädigte ohne gegen seine Schadensminderungspflicht zu verstoßen, ein solches Gutachten einholen.

Das beantragte Sachverständigengutachten für die Behauptung des Beklagten, die angemessene und übliche Vergütung für ein vergleichbares Gutachten bei einer Schadenshöhe von bis zu 1177,90 € netto betrage inklusive aller Nebenkosten nur 321,00 €, brauchte nicht eingeholt werden. Denn es kommt nicht darauf an, welche angemessene Vergütung der Kläger von seinem Auftraggeber verlangen könnte, sofern keine Vergütungsabrede getroffen worden wäre. Vielmehr ist im Schadensersatzprozess darauf abzustellen, ob sich der begehrte Schadensersatz im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen hält.

Eine evidente Überteuerung des Sachverständigengutachtens ist vorliegend nach Ansicht des Gerichtes unter Berücksichtigung des § 287 ZPO nicht ersichtlich. Die Relation zwischen dem Rechnungsbetrag von 457,23 € und dem von dem Kläger kalkulierten Fahrzeugschaden von insgesamt 1.401,70 € spricht nicht für eine evidente Überteuerung der Sachverständigengebühren, auch wenn diese im oberen Bereich anzusiedeln sind. Unter Berücksichtigung der von dem Beklagten herangezogenen Tabelle der BVSK-HUK-Coburg 2009 ergibt sich bei einer Schadenshöhe bis 1.500,00 € ein Bruttohonorar des Sachverständigen von 351,00€. Die Überschreitung der geforderten Sachverständigengebühren liegt damit noch im Rahmen einer Kostenhöhe, die nicht evident überteuert ist. Im Übrigen erfolgte die Auftragserteilung erst am 27.9.2011. Für Aufträge ab 1.11.2011, also kurze Zeit später, gilt selbst nach dem Vortrag des Beklagten das neuere Honorartableau 2012, das auf einer BVSK-Honorarumfrage 2010/2011 beruht. Danach beträgt bei Schäden bis 1.500,00 € das Bruttohonorar bereits 423,00 €, sodass lediglich eine geringfügige Überschreitung der Sachverständigengebühren vorliegen würde. Nicht nachvollziehbar ist, aus welchem Grunde dieses Honorartableau erst für Aufträge ab 1.11.2011 gelten soll, wenn deren Grundlage eine bereits in den Jahren 2010/2011 durchgeführte Befragung der Sachverständigen zur Höhe der veranschlagten Sachverständigengebühren ist. Im Übrigen wurden keine Kosten veranschlagt, die ein vernünftig Handelnder in der Situation des Geschädigten nicht verursachen würde.

3. Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 2, 288 BGB, allerdings erst ab Zugang des Schreibens der Haftpflichtversicherung des Beklagten am 20.1.2012 beim Kläger, da darin eine endgültige Zahlungsverweigerung zu sehen ist. Für einen früheren Verzugseintritt hat der Kläger nichts vorgetragen.

Die Entscheidung über die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und die Kosten für die Einholung einer Auskunft aus dem Handelsregister folgt aus §§ 249 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

III. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 ZPO nicht vorliegen.

Soweit das AG HH-Wandsbek.

Urteilsliste “ SV-Honorar” zum Download >>>>>

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6 Antworten zu AG HH-Wandsbek verurteilt Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung restlicher SV-Kosten (711a C 143/12 vom 24.08.2012)

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    obwohl doch immer mehr Gerichte das Gesprächsergebnis des BVSK mit der HUK-Coburg als Bemessungsmaßstab ablehnen, was ja auch richtig ist, wird seitens der HUK-Coburg diese unsägliche Preisabsprache zu Lasten Dritter immer noch von der HUK-Coburg hervorgeholt. Daran ändert auch nichts, dass das Nachfolgemodell „Honorartableau“ auf dem Gesprächsergebnis basiert. Weder „Gesprächsergebnis“ noch „Honorartableau“ sind geeignete Schätzgrundlagen i.S.d. § 287 ZPO. Zumindest bei dem Gesprächsergebnis handelt es sich um eine Sondervereinbarung, auf deren Preise der Geschädigte nicht verwiesen werden kann (vgl. BGH VW-Urteil – VI ZR 53/09 – Rdnr. 17).

    Aber die HUK-Coburg lernt es nicht, oder will es nicht lernen. Insgesamt ein schön begründetes Urteil aus Hamburg.
    Mit freundl. Grüßen
    Willi Wacker

  2. M.B sagt:

    Hallo, Babelfisch,

    ein in den Entscheidungsgründen gut strukturiertes Urteil, dass wieder einmal mehr den fragwürdigen Inhalt der HUK-Coburg-Zuschriften an Kfz.-Sachverständige belegt.

    Außer der in diesen Zuschriften richtigen Feststellung, dass die Gutachterkosten nicht vollständig reguliert
    wurden, ist alles Andere schadenersatzrechtlich abwegig.

    Also wird automatisch der Schädiger von diesem rechtswidrigen Regulierungsverhalten seiner Favoritenversicherung in Kenntnis gesetzt und nachdrücklich unter Fristsetzung aufgefordert, den Restbertrag zu erledigen.

    Er wird außerdem auf http://www.captain-huk.de aufmerksam gemacht und wieder gibt es einen Unfallbeteiligten mehr, der dann besser versteht, was da eigentlich gespielt wird und dann auch gern im Bekanntenkreis noch darüber spricht. So schafft man eine aufgeklärte Gemeinschaft der Autofahrer und das ist neben Facebook und Twitter sicher ein Weg, die Verkehrsteilnehmer zu sensibilisieren, denn wir sind hier ja nicht mit dem Faustrecht 200 Jahre zurück im Wilden Westen. Wenn aber permanent von den Versicherungen die BGH-Rechtsprechung ignoriert wird, ist es längst überfällig, dem deutlich entgegen zu treten, denn es kann nicht sein, dass die Versicherungswirtschaft selbst mit dem BGH Katz und Maus spielt.

    MfG

    M.B.

  3. J.U. sagt:

    @ M.B.
    @ Willi Wacker

    Hi, liebe Mitspieler,

    es gibt in der Tat viele Internetadressen, auf denen die Botschaft weiter getragen wird bis hoch oben nach Berlin ins Regierungslager. Aber auch zu verteilende Sticker mit http://www.captain-huk.de dürften in Schulen, bei Studenten,Fahrschülern und an Tankstellen Interesse finden. Rechtsanwälte könnten sie in der Mandantschaft verteilen und Leihwagenfirmen u. Kfz.-Werkstätten an Ihre Kunden.Nichts ist unmöglich.
    Dazu vielleicht noch Text: Vorsicht bei….. Ich bin gegen manipulierte Schadenregulierung. Gut versichert ?
    Versichert, verraten und verkauft usw. Starten wir doch hier einmal einen Wettbewerb der guten Einfälle. Wer hat den besten Einfall ? Ich stifte gern 3 Flaschen Champagner(über die Redaktion).

    Das Tableau HUK-Coburg 2012 (was für ein Vorgriff!)war wohl in erster Linie zur Eindämmung des Widerstandes gegenüber der bis dahin üblichen Praxis gedacht und gleichzeitig als Fliegenfänger, denn teilweise war es zwar etwas mehr als vorher, gleichwohl aber auch noch deutlich zu wenig, wie die wieder aufkeimenden Kürzungsbeträge deutlich belegen.So konnte es auch nicht funktionieren, denn aus den eisernen Ketten goldene Ketten zu machen, ist keine Botschaft auf gleicher Augenhöhe und immer noch rechtswidrig und deshalb verwerflich.Aber die HUK-Coburg hat sich selbst in diese unselige Umlaufbahn und Endlosspirale katapultiert, zum eigenen Schaden, wie ich meine. Die Einschätzung ihres Handelns ist einfach. Sie hat es zwar erkannt und weiß selbstverständlich auch um die Unrechtmäßigkeit, aber letzlich kann sie sich davon nicht mehr lösen und kämpft deshalb verbissen weiter, wie so mancher verwirrte Demagoge in der Vergangenheit auch.Mit der steigenden Zahl der Urteile -quer durch die Bundesrepublik – wird die Klarheit der Unrechtmäßigkeit und der Unwahrheit immer deutlicher, bis es auch der letzte Depp begriffen hat und das ist eine Gesetzmäßigkeit, welche die Strategen der HUK-Coburg nicht gekannt bzw.verkannt und falsch eingeschätzt haben.Die Zeit nagt eben an der Fassade und läßt den Putz bröckeln. Da nützen dann auch alle Restaurierungsversuche wenig, weil es an emotionaler Intelligenz fehlt.Schade für die redlicherern und intelligenteren Damen und Herren in diesem Unternehmen.

    Gruß zum Abend

    J.U.

  4. D.M sagt:

    Hallo, Babelfisch,

    solche Urteile, wie das des AG HH-Wandsbek, sind wie das aufflammende Scheinwerferlicht über einer Bühne, womit die Kulisse ausgeleuchtet wird. Das ist in der Sache förderlich und stärkt den Glauben daran , dass es doch noch eine Gerechtigkeit gibt. Aber oftmals muss man diese anstrengend suchen , wie die Nadel in einem Heuhaufen, den im letzten Moment noch jemand anzündet, um die Suche unmöglich zu machen.

    Gruß

    D.M.

  5. SV. F.Hiltscher sagt:

    @J.U.
    „Dazu vielleicht noch Text: Vorsicht bei….. Ich bin gegen manipulierte Schadenregulierung. Gut versichert ?
    Versichert, verraten und verkauft usw. Starten wir doch hier einmal einen Wettbewerb der guten Einfälle. Wer hat den besten Einfall ? Ich stifte gern 3 Flaschen Champagner(über die Redaktion).

    Die Idee ist sehr gut.
    Beispielsweise versende ich mit dem GA seit Jahren einen Din A 5 Schreibblock mit folgender Fußzeile:
    „Gut gewappnet gegen Lug u. Trug,
    ist der Leser von Captain Huk“
    http://www.captain-huk.de

  6. Andreas Sander sagt:

    @ SV HILTSCHER

    Besser geht nicht!!!! 🙂

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