Mit Urteil vom 19.07.2012 (44 C 219/12) hat das Amtsgericht Norderstedt den Halter des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 72,31 € zzgl. Zinsen verurteilt. So weit, so gut. Hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten sowie der Kosten für eine Halteranfrage liegt das Gericht schlichtweg falsch, was dann auch noch zu dem Ergebnis führt, dass der Sachverständige auf einem Teil der Kosten sitzen bleibt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht.
Die Haftung der Beklagten gegenüber dem Geschädigten zu 100 % ist unstreitig. Die Parteien streiten lediglich noch über die Höhe der Sachverständigenkosten. Der Geschädigte hat seinen dahingehenden Anspruch gegen die Beklagte gemäß Abtretungserklärung vom 12.09.2011 (Bl. 16 d.A.) wirksam an den Kläger abgetreten. Diese Abtretungserklärung ist auch hinreichend bestimmt, da sie sich ausdrücklich „auf Erstattung der Sachverständigenkosten“ bezieht.
Soweit die Beklagten einwenden, es komme mangels einer im Vorfeld wirksamen Vergütungsvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Kläger auf die nach § 632 Abs. 2 BGB übliche und angemessene Vergütung an, hat der diesbezüglich beweisbelastete Kläger einen entsprechenden Vertrag nicht vorgelegt. Im Ergebnis kommt es hierauf indes nicht entscheidungserheblich an. Denn selbst, wenn die übliche Vergütung zugrunde gelegt wird, hält sich die vom Kläger gegenüber dem Geschädigten geltend gemachte Honorarforderung in Höhe von 459,08 € netto im Rahmen der üblichen Vergütung.
Der insoweit in Ansatz zu bringende Schadensersatzanspruch des Geschädigten kann gem. § 287 ZPO vom Gericht geschätzt werden. Das von der Beklagten vorgelegte „Honorartableau 2012″ ist indes keine für das Gericht geeignete Schätzgrundlage, da insbesondere nicht hinreichend deutlich wird, wie die dort in Ansatz gebrachten Honorarbeträge konkret ermittelt worden sind. Zudem nimmt dieses „Honorartableau“ Bezug auf die BVSK-Honorarbefragung 2010/11, die insgesamt einen weit breiteren „Abrechnungskorridor“ beinhaltet. In diesem Zusammenhang hat das Amtsgericht die Akte zum Aktenzeichen 47 C 67/11 beigezogen, in der auch die genannte BVSK-Honorarbefragung 2010/11 (dort Bl. 85 ff. d.A.) enthalten ist.
Ausgehend von dieser Honorarbefragung ergibt sich, dass sich der Kläger jedenfalls im Rahmen des dort ausgewiesenen „Honorarkorridors“ (HB V Korridor) gehalten hat, in dem je nach Schadenshöhe zwischen 50 % und 60 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen.
Bei einer Schadenshöhe von bis zu 2.000,00 € netto wird dort ein Höchstgrundhonorar von 350,00 € benannt. „Fahrtkosten pauschal“ betragen maximal 28,99 €, Fotokosten je Foto für den ersten Satz maximal 2,30 € a“ Foto sowie maximal 1,10 € á Fotokopie. Weiter ist eine Kommunikationspauschale von maximal 32,15 € bezeichnet. Dies zugrunde gelegt ergäbe sich nach der BVSK-Honorarbefragung 2010/11 bei den hier vorliegend vom Kläger bezifferten Nettoreparaturkosten in Höhe von 1.918,48 € ein Nettorechnungsbetrag in Höhe von maximal 463,58 €. Der Kläger ist damit mit seinem dem Geschädigten in Rechnung gestellten Nettohonorar in Höhe von 459,08 € sogar noch unter diesem Betrag geblieben.
Hält sich der Kläger somit aber mit seiner Honorarforderung noch innerhalb des Honorarkorridors, in dem 50 % bis 60 % der BVSK-Mitglieder abrechnen, ist nicht ersichtlich, dass sich das Honorar des Klägers im Rahmen des Unüblichen bewegt. Auch ist der in der BVSK-Honorarbefragung 2010/11 vorgegebene Korridor eine geeignete Schätzgrundlage iSd § 287 ZPO, da nicht anzunehmen ist, dass die dort auch im oberen Bereich genannten Sätze höher als die ortsüblichen sind. Das Gericht konnte sich somit an dieser Befragung orientieren.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten erheblich letztlich allein die Frage ist, ob die Sachverständigenkosten zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören. Dies ist vor dem Hintergrund obiger Ausführungen zu bejahen. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. Solange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (vgl. nur AG Halle Urteil vom 10.11.2011, AZ.: 93 C 3741/10, OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006, AZ.: 4 U 49/05). Da ausgehend von obigen Ausführungen der Kläger im vorliegenden Fall ein Honorar in Ansatz gebracht hat, das sich noch im Honorarkorridor der BVSK-Honorarbefragung 2010/11 hält, kann ein Auswahlverschulden dem Geschädigten keinesfalls zur Last gelegt werden.
Die Beklagte hat damit den Restbetrag in Höhe von 72,31 € auszugleichen.
Der Kläger hat dagegen keinen Anspruch auf Ausgleich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Zwar hat die Versicherung des Beklagten den Ausgleich weiterer Sachverständigenkosten abgelehnt. Der Beklagte selbst wurde indes vom Kläger selbst weder gemahnt noch anderweitig in Verzug gesetzt. Vielmehr hat der Kläger den Beklagten direkt mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.03.2012 zur Zahlung aufgefordert, so dass die ihm entstandenen Kosten in Höhe von 39,00 € aus Verzugsgesichtspunkten nicht erstattungsfähig sind.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB. Soweit der Kläger gegenüber der Beklagten Verzugszinsen ab dem 12.10.2011 geltend macht, hat er auch insoweit nicht vorgetragen, dass sich die Beklagte seit diesem Zeitpunkt in Verzug befunden hat. Die einseitige
Bestimmung einer Zahlungsfrist von Seiten des Klägers reicht zur Begründung des Verzugs nicht aus. Mangels Verzugs hat die Beklagte somit Zinsen erst ab Rechtshängigkeit zu leisten.
Auch bezüglich der Kosten für die Halteranfrage ist eine Anspruchsgrundlage gegenüber der Beklagten nicht ersichtlich. Diese können allenfalls vom Geschädigten auf der Grundlage seines materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte, mangels entsprechender diesbezüglicher Abtretung nicht aber vom Kläger geltend gemacht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO analog, wobei insoweit ein fiktiver Streitwert zugrunde zu legen war; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht gem. § 511 IV ZPO zuzulassen, da sich die Klagabweisung allein auf Nebenforderungen bezieht und insoweit der Rechtssache keine grundlegende Bedeutung zukommt.
Soweit das AG Norderstedt.
Hallo Babelfisch,
egal, wie man das Gesprächsergebnis zwischen HUK und BVSK auch nennt, ob Gesprächsergebnis oder Honorartableau 2012, es bleibt ein vom Gericht nicht anzulegender Bewertungsmaßstab, der keinerlei rechtliche Bedeutung hat. Wieder einmal ein Gericht, das der von der HUK vorgelegten Schätzgrundlage nicht auf den Leim geht.
Danke für das Urteil.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Ich halte das Urteil hinsichtlich der Nebenkosten schlichtweg für falsch.
Aus welchem Grund wird vom Gericht als Voraussetzung für die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten Verzug gefordert? Wir befinden uns im SCHADENSERSATZRECHT!!! Wird für die Geltendmachung von Reparaturkosten gegenüber der Versicherung ebenfalls VERZUG gefordert, um vorgerichtliche RA-Kosten zuzusprechen? Wohl eher nicht! Aus welchem Grunde es dann bei der Geltendmachung einer abgetretenen Forderung auf Ersatz der Sachverständigenkosten gegenüber dem Halter des Fahrzeuges aber so sein soll, verstehe ich nicht.
Lag darüber hinaus denn kein Verzug vor??? Unsinn, denn die Forderung nach einem Verkehrsunfall ist sofort fällig. Die Bezifferung der Schadenshöhe stellt eine unbedingte Zahlungsaufforderung dar, da fällt mir doch der Begriff „Mahnung“ ein, muss aber nicht. Dann fehlt nur noch die angemessene Bearbeitungsfrist bei der Versicherung, dann liegt Verzug vor. Und dieser Verzug wirkt natürlich auch für und gegen sämtliche anderen aus dem Boot der Unfallverursacher. Es kann doch nicht das Problem des Geschädigten sein, dass der Versicherer das Regulierungsverfahren an sich zieht, die Mitschuldner über die Verweigerung der Zahlung der vollen SV-Kosten im Unklaren läßt und der SV dann gegenüber Halter oder Fahrer wieder von vorne anfangen soll.
Interessant wird die ganze Sache dann, wenn dem Gericht die entsprechend korrekte Entscheidung des LG Kiel vom 27.04.2012 (1 S 110/11) vorgelegt wird und das AG Norderstedt dieses schlichtweg ignoriert.
Als besonders derbe finde ich die Kostenentscheidung. Nach meiner Kenntnis bleiben bei der Kostenentscheidung die Nebenforderungen unberücksichtigt. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten stellen eine solche Nebenforderung gem. § 4 ZPO dar. Hier meint der Richter jedoch, auch noch einen Dreh gefunden zu haben, dem Kläger den Erfolg ein wenig zu verderben. In einer völlig aus der Luft gegriffenen und meiner Ansicht nach ebenso unzulässigen „Analogie“ zu § 92 ZPO wird die Kernaussage dieser Vorschrift ins Gegenteil verkehrt.
Der Willkür werden durch solche Entscheidungen Tor und Tür geöffnet und den Versicherer wirds freuen, wenn er wieder mit einem insoweit falschen Urteil hausieren gehen kann.
Hallo Babelfisch,
mir kam es in erster Linie auf die richterliche Bewertung des Honorartableaus 2012 an. Bekanntlich hat dieses Honorartableau das Gesprächsergebnis abgelöst. Aber egal wie man die Sondervereinbarung nennt, sie kann nicht als Schätzgrundlage verwendet werden. Nur das wollte ich mit meinem Kommentatar ausdrücken. Und genau das hat der Richter in Norderstedt auch so gesehen.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker