Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
damit nicht nur BGH-Urteile zum § 287 ZPO hier veröffentlicht werden, um die neuere fragwürdige Rechtsprechung des VI. Zivilsenates des BGH zu beleuchten, stellen wir für Euch hier und heute ein Urteil aus Sonthofen zur Wertminderung, zu den restlichen Reparaturkosten bei der konkreten Abrechnung und zur Unkostenpauschale vor. Was das Gericht zur merkantilen Wertminderung ausführt, kann nur unterstrichen werden. Eine auf den Einzelfall bezogene gutachterliche Feststellung ist immer einer rechnischen, computerbasierten Berechnungsmethode vorzuziehen. Zutreffend sind auch die Ausführungen zur allgemeinen Unkostenpauschale des Geschädigten für Laufereien, Fahrten zum Sachverständigen, Anrufe bei der Versicherung; Porti etc. in Höhe von insgesamt 30,– €. Zutreffend sind auch die Ausführungen zum Werkstattrisiko, das grundsätzlich der Schädiger trägt. Preissteigerungen gehen grundsätzlich zu Lasten des Schädigers. Damit hat nunmehr ein weiteres Untergericht – zu Recht – die Stellung der Werkstatt als Erfüllungsgehilfe des Schädigers bestätigt. Nichts anderes kann für den Sachverständigen gelten. Das aber nur am Rande, denn die berechneten Sachverständigenkosten waren nicht im Streit. Lest selbst das Urteil des AG Sonthofen vom 8.11.2016 – 1 C 419/16 – und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Sonthofen
Az.: 1 C 419/16
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
…
Beklagte
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Sonthofen durch den Richter … am 08.11.2016 auf Grund des
Sachstands vom 08.11.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 371,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.06.2016 sowie weitere außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 78,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.06.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 371,26 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Hiernach erwies sich die Klage als zulässig und begründet, weshalb dieser stattzugeben war.
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Sonthofen gemäß den §§ 32 ZPO, 23 Nr.1, 71 I GVG örtlich sowie sachlich zur Entscheidung zuständig.
II. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger stehen die beantragten weiteren Schadensersatzansprüche zu.
1. Die allgemeine Unkostenpauschale beträgt, wie bereits mehrfach mitgeteilt, nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung des Amtsgerichts Sonthofen mittlerweile 30,00 €. Da die Beklagte hiervon nur 20,00 € beglichen hatte, waren dem Kläger mithin weitere 10,00 € zuzusprechen.
2. Die unfallbedingte merkantile Wertminderung des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges beträgt zur Überzeugung des Gerichts eine Höhe von 650,00 €. Dieser Betrag konnte anhand der sachverständigen Bewertung und den diesbezüglichen Erläuterungen des Zeugen I gemäß § 287 I ZPO geschätzt werden.
An der fachlichen Richtigkeit der dies stützenden Ausführungen des gerichtsbekannten sachverständigen Zeugen … hegt das Gericht keine Zweifel. Dieser hat sich bereits in einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren als äußerst zuverlässig und fachkundig erwiesen. Insofern von diesem in außergerichtlichen Gutachten festgestellte Wertminderungshöhen unter weitergehenden Sachverständigenbeweis gestellt wurden, erwiesen sich die von diesem ermittelten Höhen konkreter Wertminderungen bislang stets als angemessen und zutreffend.
Insbesondere führte dieser aus, dass vom Softwareanbieter … ungefähr 10 anerkannte,
computerbasierte Berechnungsmethoden angeboten und angewandt werden. Insofern sich eine dieser Methoden nun als „Ausreißerwert nach oben“ darstelle, führte er hierzu nun weiter aus, dass die konkrete merkantile Wertminderung in jedem Einzelfall abhängig von Käuferverhalten, Fabrikat, Typ, Erstzulassung, Laufleistung und der wertminderungsrelevanten Instandsetzungsarbeiten individuell sachverständig festzustellen ist, und die entsprechenden Werte der vom Computer durchgeführten Berechnungsmethoden insoweit lediglich als überschlägige Berechnungsgrundlage dienen; eine rein standardisierte „Durchschnittswertbildung“ der einzelnen von Computerprogrammen autonom ermittelten Berechnungswerte findet mithin nicht statt. Unter Beachtung all dieser Parameter betrage die konkrete Wertminderung 650,00 €.
Da keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass diese Bekundungen des sachverständigen Zeugen vorliegend fachlich unzutreffend sein könnten, folgte das Gericht dieser Bewertung.
Da die Beklagte auf die Wertminderung lediglich 400,00 € reguliert hatte, war dem Kläger mithin ein weiterer Betrag in Höhe von 250,00 € zuzusprechen.
3. Auch die noch ausstehenden Reparaturkosten in einer Gesamthöhe von 111,26 € waren dem Kläger zuzusprechen.
Dieser hatte sein Kraftfahrzeug nach Einholung eines Schadensgutachtens „nach Gutachten“ bei einer Fachwerkstatt reparieren lassen. Die tatsächlichen Reparaturkosten lagen sodann mit 5.609,81 € netto insgesamt nur 128,56 € netto über den im Schadensgutachten berechneten Kosten in Höhe von 5.481,25 € netto. Dieses Abweichung erwies sich als sehr geringfügig.
Bei der Ermittlung des für den Kläger erforderlichen Instandsetzungsbetrages ist beachtlich, dass der Geschädigte nun gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig seiner Darlegungs- und Beweislast bereits allein durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des von ihm mit der Schadensbeseitigung beauftragten Unternehmens genügt. Ist dies der Fall, reicht ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages durch den Schädiger nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 II 1 BGB (vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 15.09.2015, VI ZR 475/14).
Weiter ist nun jedoch auch daran festzuhalten, dass für den Fall, dass eine in Teilen überhöhte Abrechnung erfolgt, wie vorliegend von der beklagten Partei eingewandt wurde, bzw. eine möglicherweise unübliche, zusätzlich berechnete Position wie „Sichtprüfung Gurtsystem“ enthalten ist, das sogenannte „Werkstattrisiko“ grundsätzlich vom Schädiger zu tragen ist. Insoweit geht jedenfalls das Werkstattrisiko auch bei objektiv übersetzten Kosten zu Lasten der Beklagten, insoweit der Kläger als Geschädigter bei einer subjektiven ex – ante – Betrachtung im Rahmen seiner individuellen Erkenntnis – und Einflussmöglichkeiten wirtschaftlich vernünftig vorging, was regelmäßig bei einer Vergabe des Reparaturauftrages an eine Fachwerkstatt zu bejahen ist, welche insoweit auch nicht als Erfüllungsgehilfe des Geschädigten fungiert (st. Rspr.: BGH, Urteil vom 29.10.1974, VI ZR 42/73; BGH, Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 528/12). Anhaltspunkte dafür, dass die benannten Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben wären, sind nicht ersichtlich. Dahingehend verbietet sich auch eine Ermittlung der allgemeinen Angemessenheit der von der Reparaturfirma berechneten Positionen (vgl. BGH, Urteil vom 15.09.2015, VI ZR 475/14).
Folglich waren dem Kläger auch die gekürzten Reparaturkosten in einer Gesamthöhe von noch 111,26 € brutto zuzusprechen.
4. Die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sind richtigerweise aus dem berechtigten Interesse des Klägers als Gegenstandswert heraus zu berechnen. Nach den vorstehenden Ausführungen beträgt der berechtigte Gegenstandswert vorliegend 9.111,59 €. Da die Beklagte von den daher berechtigten Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 887,03 € nur 808,13 € bezahlt hatte, waren dem Kläger auch die restlichen 78,90 € zuzusprechen.
5. Die Verzinsung ergibt sich unter Verzugsgesichtspunkten aus den §§ 280 II, 286 I, 288 I BGB.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11 Alt. 1, 711, 713 ZPO.