„Die neue Kfz-Gruppenfreistellungs- Verordnung EG 1400/2002“
Im Beitrag „Der gefesselte Verbraucher?” vom 24.01.2010 hatte ich auf folgende Verlinkung Herstellergarantie trotz Reparatur in freier Werkstatt hingewiesen, in der Hoffnung, dass sich die kompetente Leserschaft gedanklich mit den dort getroffenen Aussagen – im Hinblick auf das BGH Urteil AZ: BGH VI ZR 53/09 vom 20.10.2009 – auseinandersetzt.
Herstellergarantie trotz Reparatur in freier Werkstatt (Quelle: www.motor-traffic.de)
Bestätigt wurde diese Rechtsauffassung von Stephan Simon, dem stellvertretenden Referatsleiter Wettbewerb bei der EU-Kommission. Eine strikte Bindung an eine Markenwerkstatt sei wettbewerbswidrig. Aufatmen können Autofahrer auf jeden Fall dann, wenn die Reparatur in der freien Werkstatt und die spätere Garantiereparatur nichts miteinander zu tun haben. Wer also einen Karosserieschaden instandsetzten lässt und später wegen eines technischen Mangels am Getriebe eine Garantieleistung des Herstellers in Anspruch nimmt, dürfe nicht abgewiesen werden.
29. Jan. 2010 Autofahrer sollten auch dann auf einer Garantie-Reparatur pochen, wenn ihr Neuwagen zwischenzeitlich in einer freien Werkstatt repariert wurde. „Eine Weigerung des Autohauses entbehrt jeder rechtlichen Grundlage“, sagte Thomas Funke auf einer Veranstaltung der HUK-Coburg am Rande des 48. Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar.
Mit seiner Aussage: „Eine Weigerung des Autohauses entbehrt jeder rechtlichen Grundlage“ kann sich T. Funke nur auf
„Die neue Kfz-Gruppenfreistellungs- Verordnung EG 1400/2002“
abstellen wollen. Die Kern- bzw. Grundsatzaussage, worauf sich die Verordnung bezieht, ist zunächst in den absoluten Vordergrund zu stellen:
Die Europäische Kommission will das Recht der Autofahrer sichern, ihre Fahrzeuge in einer Werkstatt ihrer Wahl und zu wettbewerbskontrollierten Preisen warten und reparieren zu lassen.
Worauf kommt es der EU also an? Auf den Willen des Autofahrers als Besitzer und Finanzierer des Fahrzeuges. Rechte von Haftpflichtversicherern lassen sich aus der Verordnung EG 1400/2002 explizit nicht herleiten.
Aus der Broschüre:
Die neue Gruppenfreistellungs- Verordnung Chancen für den freien Kfz-Service-Markt
Die neue Kfz-Gruppenfreistellungs-Verordnung (GVO) 1400/2002/EG, die am 1. Oktober 2002 in Kraft getreten ist, bildet den neuen gesetzlichen Rahmen für Vereinbarungen über Eufahrzeugverkauf und Service. Die neue GVO enthält wichtige Regelungen für den Kfz-Service-Market; sie zielt auf mehr Wettbewerb in den Verkaufs- und Servicemärkten sowie in den Märkten der Ersatzteil-Lieferung. Die Europäische Kommission will das Recht der Autofahrer sichern, ihre Fahrzeuge in einer Werkstatt ihrer Wahl und zu wettbewerbskontrollierten Preisen warten und reparieren zu lassen.
Ab Seite 8 heißt es:
Service, Wartung und Reparatur während der Garantiezeit
Neue Servicemöglichkeiten für freie Werkstätten
In ihrem Leitfaden zur GVO hat die EU-Kommission eine wichtige Klarstellung bezüglich der Frage vorgenommen, ob freie Werkstätten normale Wartungs- und Reparaturarbeiten während der Garantiezeit des Neufahrzeugs durchführen dürfen. Viele Fahrzeughersteller wollen die berechtigten Garantieansprüche eines Fahrzeuginhabers grundsätzlich davon abhängig machen, dass alle Wartungs- und Reparaturarbeiten von einem autorisierten Händler/einer autorisierten Werkstatt ausgeführt werden, und dass nur die Originalersatzteile des Fahrzeugherstellers verwendet werden dürfen. Diese Praxis hat die EU-Kommission als unfaire Kundenbindung ausgeschlossen.
Folgende Unterscheidung muss aber gemacht werden: Für echte Garantiefälle, kostenlosen Kundenservice oder Rückrufaktionen hat der Fahrzeughersteller das unbestrittene Recht, von seinen autorisierten Partnern zu verlangen, dass sie ausschließlich die Originalersatzteile verwenden, die von ihm geliefert wurden. Dies ist legitim, weil in diesen Fällen der Fahrzeughersteller für das fehlerhafte Teil bezahlen und
dem Kunden gegenüber den Schaden beseitigen muss. Dies muss aber unterschieden werden von Fällen normaler Service-, Wartungs- und Reparaturarbeiten (z.B. Unfallreparaturen) während der Garantiezeit, also Fällen, in denen die Themen Gewährleistung, kostenloser Kundenservice oder Rückrufaktionen nicht betroffen sind.
Die EU-Kommission stellt klar, dass der Verbraucher seine Garantieansprüche gegenüber dem Fahrzeughersteller nicht verliert, wenn eine normale Service- oder Reparaturarbeit von einer freien Werkstatt ausgeführt wurde. Der Fahrzeughersteller darf deshalb nicht grundsätzlich die Garantie ablehnen, z.B. für einen Anlasser oder ein fehlerhaftes elektrisches Fenster, wenn z.B. ein Ölwechsel in einer freien Werkstatt durchgeführt wurde. Wenn aber die fehlerhafte Reparatur einer freien Werkstatt ursächlich ist für den Schaden, ist die freie Werkstatt auch dafür verantwortlich.
Die Klarstellungen gelten für die zweijährige gesetzliche Gewährleistung, aber die EU-Kommission hat ausdrücklich die verlängerte Herstellergarantie und andere vertragliche Garantien der Fahrzeughersteller einbezogen (Rechte des Verbrauchers, die über die zweijährige gesetzliche Mindestdauer der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 1999/44/EG hinausgehen).
Informieren Sie Ihren nationalen Verband, wenn Sie von einem Fall erfahren, in dem ein Garantieanspruch von einem Fahrzeughersteller mit der Begründung abgelehnt wurde, dass eine Reparatur oder eine Wartungsarbeit von einer freien Werkstatt durchgeführt wurde, wenn kein kausaler Zusammenhang zwischen der Arbeit der freien Werkstatt und dem Schaden besteht. Ihr Verband wird den Vorgang an FIGIEFA schicken.
Im Bezug auf den Willen von Haftpflichtversicherern, den geschädigten Autofahrer in von ihnen zu bestimmende Reparaturwerkstätten zu leiten bzw. auf deren Konditionen den Regulierungsanspruch begrenzen zu wollen, ist der Kernsatz der Verordnung:
Wenn aber die fehlerhafte Reparatur einer freien Werkstatt ursächlich ist für den Schaden, ist die freie Werkstatt auch dafür verantwortlich.
Spätestens jetzt stellt sich die Frage für den bereits vor Jahren Geschädigten nach seinen Möglichkeiten, die Ursächlichkeit für den unerwartet zu Tage getretenen Unfallfolgeschaden der Versicherungswerkstatt nachweislich zuordnen zu können. In Unkenntnis der Vertragsvereinbarungen zwischen Haftpflichtversicherer und Werkstatt bezüglich der Reparaturdurchführung, dem gebundenen Teilezulieferer, dem Qualitätsstandard der Werkstattausstattung und der Qualifizierung der Reparateure ist dies für ein Unfallopfer als technischer Laie – ohne Hinzuziehung eines technischen Sachverstandes – eine schwerlich lösbare Aufgabe.
Hi virus,
die EU-Richtlinie ist doch gerade das Mittel, die freien Werkstätten den Markenfachwerkstätten gleichzustellen. Dies kommt schon in dem Aufasatz von Figgener in NJW 2008, 1349ff und NZV 2008, 326 vor und wird als Argument der Gleichwertigkeit angeführt. Vorsicht ist geboten, denn schon die Aussage, dass der Geschädigte bei Garantieleistungen bei seinem Autohaus auf Einhaltung der Garantie pochen sollte, selbst wenn er vorher auf Grund der Lenkung des Haftpflichtversicherers eine Unfallreparatur in einer freien Werkstatt hat durchführen lassen. Nein, nicht richtig. Die freie Werkstatt,die auf Weisung des Haftpflichtversicherers ins Spiel kam ist verantwortlich, weil diese durch möglicherweise unkorrekte Reparatur die Bedingung des Garantieverlustes gesetzt hat. Wäre nämlich die Reparatur in der Markenfachwerkstatt durchgeführt worden, hat der Geschädigte kein Problem mit der Garantie und er muss auch nicht auf etwas pochen. Ihm steht auch nach der EU-Richtlinie eine Reparatur in der Markenfachwerkstatt zu. Siehe BGH VI ZR 53/09!
Warum soll der Geschädigte der Buhmann sein, der auf irgendetwas pochen soll? Nein, der Schädiger muß als Schadensersatz den Betrag zur Verfügung stellen, der für die Reparatur in der Markenfachwerkstatt erforderlich ist, dort bleibt die Garantie auch erhalten und er muss nicht noch zusätzlich auf etwas pochen. Mit dem Unfall hat er schon genug Schaden erlitten. Er muss nicht noch weitere Unannehmlichkeiten, wie das Pochen auf ewtas, auf sich nehmen.
MfG
Jurastudentin
Jurastudentin, bringen wir es doch auf den Punkt:
Zitat: „Die Europäische Kommission will das Recht der Autofahrer sichern, ihre Fahrzeuge in einer Werkstatt ihrer Wahl und zu wettbewerbskontrollierten Preisen warten und reparieren zu lassen.“
Du führst richtiger Weise aus: „… der Schädiger muss als Schadensersatz den Betrag zur Verfügung stellen, der für die Reparatur in der Markenfachwerkstatt erforderlich ist.“
Somit stellt sich für mich nur eine Frage, hätte die Aussage der BGH Richter, dass der Geschädigte bei Nachweis der Gleichwertigkeit einer Reparaturwerkstatt eines Haftpflichtversicherers sich auf diese verweisen lassen muss, vor dem EuGH überhaupt Bestand?
Noch einen Schritt weiter gedacht. Kaskoverträge mit Werkstattbindung, stehen nicht auch diese im Widerspruch zur EG-Verordnung 1400/2002?
@Jurastudentin
„Nein, nicht richtig. Die freie Werkstatt,die auf Weisung des Haftpflichtversicherers ins Spiel kam ist verantwortlich, weil diese durch möglicherweise unkorrekte Reparatur die Bedingung des Garantieverlustes gesetzt hat. Wäre nämlich die Reparatur in der Markenfachwerkstatt durchgeführt worden, hat der Geschädigte kein Problem mit der Garantie und er muss auch nicht auf etwas pochen.“
Mal langsam mit den Pferden!!
1. Hat nicht vorher der VN einen „select Vertrag“ unterzeichnet?
2. Wurde er dazu gezwungen?
3. Wer hat den Reparaturauftrag gegeben?
4. Einer freien Werkstätte anzulasten ,sie sei verantwortlich für einen evtl. ausgelösten Garantieverlust, weil keine Markenwerksstatt-Reparatur erfolgte ist M.E. eine Lachnummer.
Es hat schon Juristen gegeben und die gibt es noch, welche die Meinung vertraten der SV dürfe unter der sog. Bagatelleschadengrenze u. anderen Gegebenheiten (Kasko) keine GA erstellen.
Nur weiter so.
Man kann sich zwar über den Begriff „Gleichwertigkeit“ trefflich streiten, aber nicht die meist ordentliche Arbeitsweise der freien Meisterbetriebe herabwürdigen.
Warum geben viele, sehr viele markengebundene Fachwerkstätten die Unfallreparaturen außer Haus zum Karosseriefachbetrieb oder zum Lackierer?
Damit ein Garantieverlust vorliegt?
Geben die eine Schlechtreparatur in Auftrag?
Was tun die damit ihren Kunden an?
Also Leute kommt wieder zur Normalität zurück.
MfG
SV F.Hiltscher
Hi Virus,
letzterer Gedanke ist in der Tat überlegenswert.
Hi Herr F. Hiltscher,
da muss ich Ihnen widersprechen. Wir sprechen nicht von Kaskoschäden, sondern von Haftpflichtschäden. Entscheidend ist demnach nicht der VN der Versicherung, sondern der Geschädigte. Dem Geschädigten ist es egal, was der VN unterschrieben hat. Der Geschädigte will sein durch den VN beschädigtes Fahrzeug repariert haben und zwar in der Weise, dass der ursprüngliche Zustand vor dem Unfall wiederhergestellt wird, § 249 I BGB.
1. Der Geschädigte hat keinen Select-Vertrag unterschrieben.
2. Der Geschädigte wurde praktisch, um keine Nachteile zu erleiden, durch die eintrittspflichtige Versicherung gezwungen, eine Referenzwerkstatt mit der Reparatur zu beauftragen, obwohl er lieber auf der Basis der Marken-Fachwerkstatt abgerechnet hätte. Fiktive Schadensabrechnung ist nach wie vor zulässig!
3.Im Falle der fiktiven Abrechnung hat keiner den Reparaturauftrag erteilt. Im Falle der konkreten Abrechnung und der Reparatur in der Markenfachwerkstatt sind auch nach VW-Urteil die Kosten der Markenfachwerkstatt zu ersetzen.
Dass Markenfachwerkstätten Lackierarbeiten außer Haus erledigen, liegt daran, dass diese Werkstätten meist nicht über angeschlossene Lackierabteilungen verfügen. Für die beim Lackieren engetretenen Mängel haftet ja auch der Markenfachbetrieb, da nur mit ihm der Reparaturvertrag abgeschlossen worden ist. Anders ist dies, wenn der Geschädigte, obwohl er lieber in der Markenfachwerkstatt reparieren lassen würde, auf Grund der Forderung der eintrittspflichtigen Versicherung und unter drohendem Garantieverlust, in der Referenzwerkstatt reparieren lässt, um nicht eine Schadensminderungspflichtverletzung zu begehen.
Ich will keineswegs die Existenzberechtigung der freien Werkstätten bestreiten. Diese haben mit Sicherheit ihre Existenzberechtigung. Aber sie als einzig entscheidende, was die Stundensätze betrifft, darzustellen, wie dies offensichtlich Insider tut, der Ihnen ja beigetreten ist, halte ich für falsch. Wie Sie bereits zutreffend ausgeführt haben, ist es schwierig oder sogar unmöglich, die Gleichwertigkeit der Reparaturen zu beweisen.
Es sollte auf keinen Fall aus den Augen verloren werden, dass es um den Ersatz des dem Geschädigten zugeführten Schadens geht. Diesen kann der Geschädigte konkret durch Rechnung der Markenfachwerkstatt oder fiktiv auf der Basis des Gutachtens abrechnen. Die Rechnung der Markenfachwerkstatt muss der Schädiger ohnehin ausgleichen, da sie erforderlicher Wiederherstellungsaufwand ist. Frage ist doch, was kann der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung ersetzt verlangen. Wenn an seinem Fahrzeug Garantieverluste drohen, ist er nicht verpflichtet, sich auf Stundenverrechnungssätze der freien Werkstatt verweisen zu lassen. Insoweit spielt dann die Frage der Garantieverfolgung keine Rolle. Der Geschädigte muss sich nach BGH VI ZR 53/09 gar nicht auf die freie Werkstatt verweisen lassen.
MfG
Jurastudentin
Das, was Jurastudentin sagt, ist richtig!
Im übrigen gibt es ja die Streitigkeiten, ob irgendein Schaden oder Mangel auf Grund einer Reparatur eingetreten ist.
Zukünftig wird dann nicht nur die Frage, ob oder ob nicht gestellt werden, sondern auch noch, wenn ja von wem ist das zu vertreten.
Ist das ein Mangel aus der Reparatur oder etwas, das in den Einflussbereich des Herstellers als Garantie fällt. Wer streitet sich denn jetzt mit wem? Der (ehemals) Geschädigte mit der freien Werkstatt und dem Vertragshändler? Sind zwei „Gegner“ dem Geschädigten zuzumuten?
Grüße
Andreas
Hallo,
gilt die EU-Neuregelung auch für eine Gebrauchtwagen-Garantie, deren Leistungen von den Inspektionen in der Vertragswerkstatt abgängig gemacht werden ?
(Die Preise für eine „große Inspektion“ liegen über 200 %
über denen in einer freien Werkstatt !)
Wer weiß bescheid ?
Torcal
Eine Garantie ist eine Vereinbarung/Zusage, also ein Vertrag. Hier gilt die freiwillig getroffene Garantievereinbarung die wohl mit der GVO nicht zu tun hat – meine ich.
Die GVO gilt nur für Neuwagen, denn sie regelt im wesentlichen die Hersteller/Händler – Beziehung.
Wenn eine GW-Garantie in den Bedingungen erst gegeben und bei Loyalitätsverstoß wieder genommen wird: BGH VIII ZR 251/06
Es geht auch anders: Der Marktführer hat die Klausel als negative Leistungsbeschreibung (Ohne Loyalität gibt’s gar keine Garantie) gebaut. Sie ist daher dem Bereich des § 307 BGB gar nicht zugänglich, so das AG Freiburg in ständiger Rechtsprechung.