Wie bereits im Beitrag vom 12.02.2012 berichtet, scheint ein „Defizit“ bei einigen Rechtsanwälten zu bestehen, was die vollständig korrekte Abwicklung von Unfallschäden betrifft. Insbesondere diverse Einzelpositionen – hier wieder die Kosten für eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen – scheint mancherorts ein unüberwindbares Hindernis darzustellen. So zumindes ist der folgende Schriftverkehr zu interpretieren. Dabei gibt es in der Sache eigentlich keinen Diskussionsbedarf. Der Sachverständige erstellt ein Schadensgutachten und hat dafür einen Honoraranspruch. Damit ist der Vorgang abgeschlossen. Die Einholung einer Stellungnahme beim Sachverständigen zu den branchenüblichen „kostensenkenden“ Einwendungen des Schädigers (Versicherung) stellt einen neuen Auftrag dar und wird entsprechend liquidiert. Eigentlich ganz einfach – für einige Rechtsanwälte offensichtlich nicht?
Hier der Schriftverkehr (per Post u. E-Mail), der uns von einem Sachverständigen zur Verfügung gestellt wurde:
Rechtsanwalt an Geschädigter vom 06.10.2011
Sehr geehrter Herr … ,
in dieser Sache haben wir inzwischen das in Kopie beigefügte Schreiben der gegnerischen Versicherung erhalten.
Bitte übermitteln Sie es an den Sachverständigen mit der Bitte, den Restwert noch zu ermitteln. Bitte übermitteln Sie uns außerdem noch eine Kopie Ihres Fahrzeugbriefs.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Hertz Claim Management GmbH vom 30.09.2011
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
vielen Dank für die Übersendung der Unterlagen.
Das Gutachten ist in der vorliegenden Form unbrauchbar.
Wir bitten Sie, den Gutachter den Restwert festsetzen zu lassen. Bei den vorliegenden Gutachten ist eine Restwertermittlung vorzunehmen, wenn der Wiederbeschaffungswert 1600.- € beträgt.Vergleiche in Mobile. de, haben ergeben, das vergleichbare Modelle mit 750.- bis 1200 .- € gehandelt werden. Der Gutachter möchte bitte darlegen, unter welchen Gesichtspunkten ein erhöhter Wiederbeschaffungswert von 1.600,- € gerechtfertigt ist.
Des weiteren bitten wir zur Überprüfung des Deckungsverhältnisses (Eigenschaden) den KFZ Brief des beschädigten Fahrzeuges vorzulegen.
Für Ihre Bemühungen vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Hertz Claim Management GmbH
Sachverständigenbüro an Rechtsanwalt vom 11.10.2011
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt …,
mit Ihrem o. a . Schreiben baten Sie uns um Stellungnahme zu dem Schreiben der Schadenträgerversicherung vom 30.09.2011.
Wir können uns der Meinung der Schadenträgerversicherung nicht anschließen, dass im vorliegenden Fall eine Ermittlung des Restwertes zu erfolgen hat.
Der Anspruchsteller, Herr … , hat die Reparatur an seinem PKW durchführen lassen und benutzt das Fahrzeug weiterhin.
Wir erlauben uns auf das Urteil des BGH vom 07.06.2005 hinzuweisen (VI ZR 192/04), sowie auf die Entscheidung des BGH vom 29.04.2003 (VI ZR 392/02).
Der Geschädigte kann zum Ausgleich des durch einen Unfall verursachten Fahrzeugschadens, die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes, ohne Abzug des Restwertes verlangen, wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt und weiter benutzt.
In einem solchen Fall stellt nämlich der Restwert lediglich einen hypothetischen Rechnungsposten dar, den der Geschädigte nicht realisiert und der sich in der Schadenbilanz nicht niederschlagen darf.Was den Wiederbeschaffungswert betrifft, so wurde selbstverständlich zum Bewertungszeitpunkt eine Recherche vorgenommen, der Wiederbeschaffungswert wurde realistisch am Markt ermittelt.
Insbesondere möchten wir darauf hinweisen, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Automatikfahrzeug handelt mit weiterem Zubehör und einer relativ geringen Laufleistung.Wir hoffen, mit dieser Darstellung weitergeholfen zu haben. Sollten noch Unklarheiten verblieben sein, stehen wir selbstverständlich zu Verfügung.
Eine Kopie dieses Schreibens geht an Ihren Mandanten, Herrn … .
Durch diese Stellungnahme sind weitere Kosten entstanden.
Wir möchten Sie bitten, die beiliegende Honorarrechnung bei Gelegenheit auszugleichen.
Mit freundlichen Grüßen
…
Rechtsanwalt an Sachverständiger vom 28.12.2011
Sehr geehrter Herr … ,
in dieser Sache bedanken wir uns für Ihr Schreiben vom 24.10.2011.
Die Restwertermittlung ist im vorliegenden Falle Gegenstand der Schadensermittlungskalkulation. Weitere Kosten schuldet unser Mandant nicht.
Bitte bestätigen Sie uns, dass die Angelegenheit damit erledigt ist.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Sachverständiger an Rechtsanwalt vom 28.12.2011
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt … ,
danke für Ihr Schreiben vom 28.12.2011.
Leider können wir Ihnen nicht mitteilen, dass die Angelegenheit erledigt ist. Wir fassen kurz zusammen:
am 19.09.2011 erstellten wir ein Haftpflichtgutachten für Ihren Mandanten … ;
am 19.09.2011 stellten wir Ihnen das erstellte Gutachten nebst einer Zahlungsanweisung für Rechtsanwälte, unterzeichnet von Herrn … zu;
am 06.10.2011 übermittelten Sie Herrn … ein Schreiben der Schadenträgerversicherung vom 30.09.2011;
am 11.10.2011 wurde von uns eine kostenpflichtige Stellungnahme abgegeben, für die Abgabe der Stellungnahme wurde Rechnung gelegt, die Rechnung beläuft sich auf 189,21 € und liegt Ihnen vor.
Hätten Sie seinerzeit die Stellungnahme an die Schadenträgerversicherung übermittelt, wären die entstandenen Kosten selbstverständlich erstattungsfähig gewesen.
Im konkreten Fall war eine Angabe zum Restwert nicht notwendig, wir verweisen nochmalig auf die gültige Rechtsprechung.Wir bitten um Ausgleich.
Mit freundlichen Grüßen
…
Rechtsanwalt an Sachverständiger vom 30.12.2011
Sehr geehrter Herr … ,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 28.12.2011. Wir haben mit dem nachfolgend beigefügten Schreiben an die gegnerische Versicherung reagiert. Wir gehen davon aus, dass man dort die Übernahme des Anspruchs ablehnen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt an Hertz Claim Management GmbH vom 30.12.2011
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau … ,
in dieser Sache Überreichen wir nachfolgend ein Schreiben des SV … vom 11.10.2011 nebst Rechnung, das wir erhalten haben, nachdem wir den Sachverständigen gebeten haben, den Restwert zu ermitteln.
Der Sachverständige besteht auf den Ausgleich der Rechnung. Wir tragen die Bitte vor, den Betrag von EUR 189,21 auf eines unserer Konten auszuzahlen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Das schlägt doch dem Fass den Boden aus, oder?
Der Rechtsanwalt des Geschädigten „bittet“ die eintrittspflichtige Versicherung um Ausgleich einer berechtigten Schadensposition, teilt dem Sachverständigen jedoch gleichzeitig mit, dass er davon ausgeht, dass die gegnerische Versicherung den Anspruch ablehnen wird.
Der „Bittsteller“ ist übrigens Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht.
In der Sache selbst ist festzustellen, dass der Sachverständige mit seiner Stellungnahme vom 11.10.2011 so nebenbei noch Aufgaben des Rechtsanwalts übernommen hat (Hinweis auf BGH-Rechtsprechung = Rechtsfragen).
Bleibt nur hinzuzufügen, dass die Sachbearbeiterin der Gegenseite wohl heller erleuchtet war/ist, da die Kosten für die Stellungnahme ausgeglichen wurden.
Die geschildete Abwicklung passt hingegen so gar nicht zum Unternehmensleitbild der Sozietät:
„Erfahrene und spezialisierte Anwälte betreuen Sie individuell und vertreten engagiert Ihre Interessen. Fachliche Kompetenz und die verantwortungsvolle Interessenwahrnehmung bestimmen das Leitbild unserer Sozietät.“
An diesem Vorfall kann man wieder einmal gut erkennen, was passiert, wenn Werbung auf Wirklichkeit trifft.
Manchmal hilft ein kurzes Telefonat zwischen Anwalt und SV, um solche Dinge zu klären…
@RA Schepers
Korrekt formuliert: Telefonat zwischen Anwalt und SV.
Manchmal hilfts tatsächlich. Ob das bei diesem Fall jedoch geholfen hätte, wage ich zu bezweifeln, nachdem die „Rakete“ nicht einmal ansatzweise im Verlauf des Schriftwechsels „gezündet“ hat.
Der Hammer ist, dass der Ra seinen Mandanten mit der Weiterleitung des Schreibens belästigt hat, obwohl ihm das Schadengutachten vorlag und er Kenntnis hatte von den besonderen Umständen.
Der RA hätte die Stellungnahme direkt beim SV anfordern können, man erkennt eindeutig mangelnden Einsatz.
Vielleicht hätte auch ein Anruf des RA genügt, um die Lage zu klären.
Ich würde den Ra meinen Kunden nicht empfehlen können!
Hallo Leute,
eigentlich ist die Lösung doch ganz einfach.
1. Mit dem Gutachtenauftrag zur Erstellung des Schadensgutachtens nach dem Unfall kommt ein Werkvertrag zwischen Geschädigtem und SV zustande. BGH in dem Urteil vom 4.4.2006 – X ZR 122/05 – eindeutig festgestellt.
2. Die dadurch entstandenen Kosten sind Schadensposition des Geschädigten und vom Schädiger zu erstatten. Hat BGH in dem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – eindeutig festgestellt.
3. Nunmehr beauftragt RA für Geschädigten den SV erneut, zu dem Schreiben der Versicherung Stellung zu nehmen, bzw. zum Restwert Ausführungen zu machen. Damit löst der Geschädigte, vertreten durch seinen RA einen weiteren kostenpflichtigen Auftrag aus. Diese Kosten kann der SV seinem Auftraggeber auch gem. §§ 632 ff. BGB berechnen.
4. die Frage ist nun, ob diese (zusätzlichen) Kosten auch als erforderlicher Herstellungsaufwand gem. § 249 BGB von dem Schädiger zu erstatten ist. Wenn die Kosten durch spezielle technische Nachfragen an den Gutachter veranlasst sind, handelt es sich um erforderlichen Herstellungsaufwand, wenn die zusätzliche sachverständige Stellungnahme zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
5. Die Frage nach der Feststellung des Restwertes ist überflüssig, wenn das Fahrzeug repariert ist und weiterbenutzt wird, denn dann ist der Restwert nur ein rein hypothetischer Wert, der ohne Berücksichtigung bleibt. Diese Frage hätte der RA mit seinem Mdt. abklären können und müssen.
6. Der Geschädigte sollte sich schnell einen besseren qualifizierten RA suchen. Den RA kann man wahrlich nicht weiter empfehlen.
Die Stellungnahme des SV ist eine nahezu ausschließlich rechtliche. Dafür muss der Versicherer tatsächlich nichts erstatten, weil Rechtsausführungen des Technikers nicht erforderlich im Sinne von 249 BGB sind.
Da hat der Anwalt wohl tatsächlich tief und fest geschlafen.
Wenn ich richtig gelesen habe, wurde in dem konkreten Fall
zusätzlich eine Stellungnahme zum Wiederbeschaffungswert abgegeben.
Zusätzlich wurde auf die gültige Rechtsprechung in Bezug auf den Restwert hingewiesen.
Wer hätte in diesem Fall die Kosten für die Stellungnahme ausgleichen müssen??
Es tut mir leid, aber ich finde die Diskussion hier zu einseitig.
Der SV erstellt ein Gutachten mit WBW 1.600,- €, Restwert wird nicht angegeben.
Die Versicherung moniert 1. den WBW von 1.600,- €, da vergleichbare Fahrzeuge bei Mobile.de (angeblich) für 750,- € bis 1.200,- € gehandelt werden, und bittet den Gutachter um Darlegung, wieso er einen (erhöhten) WBW angesetzt hat.
2. moniert die Versicherung den fehlenden Restwert.
Dieses Schreiben leitet der RA (über den Mandanten) an den SV weiter. Antwort des SV
zu 1.
zu 2.
Ausführungen zur BGH-Rechtsprechung, anstatt den Restwert anzugeben.
Lieber SV,
die Ausführungen zu 1. sind sehr dürftig. Allgemeine Floskeln wie „wurde selbstverständlich eine Recherche vorgenommen“ und „wurde realistisch am Markt ermittelt“ sagen letztendlich gar nichts. Ein bischen Butter bei die Fische wäre schön gewesen, will meinen konkrete Angaben, am besten Vergleichsangebote vorlegen. Der Hinweis auf relativ geringe Laufleistung (wieviel), Automatikgetriebe und weiteres Zubehör (welches) geht schon in die richtige Richtung, ist aber letztendlich auch noch zu dürftig, um einen konkreten WBW nachvollziehbar zu machen.
Die Ausführungen zu 2. gehen an der Sache vorbei. Denn bei Erstellung des Gutachtens war das Fahrzeug noch nicht repariert (will ich jedenfalls hoffen), so daß auf den Restwert als hypotetischen Rechnungsposten bei Reparatur noch nicht abgestellt werden konnte. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die beiden BGH-Urteile von 2003 und 2005 stammen. Die 6-Monats-Frist hat der BGH (für Reparaturkosten über Wiederbeschaffungsaufwand) erst 2006 postuliert. Es ist zumindest denkbar, daß der BGH diese 6-Monats-Frist auch auf die Fälle Reparaturkosten unter Wiederbescchaffungswert erweitert.
Insgesamt meine ich, daß auch der Sachverständige sich nicht mit Ruhm bekleckert hat in diesem Fall.
Daß der Anwalt die Angelegenheit deutlich angenehmer für den Mandanten und den Sachverständigen hätte regeln können, sehe ich allerdings auch.
Und noch etwas. Wenn die Versicherung eine ergänzende Stellungnahme des SV anfordert, der Geschädigte (bzw. sein RA) diese ergänzende Stellungnahme dann in Auftrag gibt, muß die Versicherung selbstverständlich für die daraus resultierenden Kosten aufkommen (es sei denn, die Stellungnahme ist gänzlich unbrauchbar).
Vielleicht wäre es besser, wenn sich bei der Schadenregulierung alle (auf Geschädigtenseite) Beteiligten darauf konzentrierten, die Schadenregulierung zielstrebig voranzutreiben, anstatt den anderen Mitstreiten zu zeigen, was man alles kann (bzw. besser kann).
In diesem Sinne
Alaaf
@ Ra Schepers
„Der SV erstellt ein Gutachten mit WBW 1.600,- €, Restwert wird nicht angegeben.“
Genau das ist der Knackpunkt.
Wenn der SV sicher ist, dass das Fahrzeug repariert ist, oder sich bereits in Reparatur befindet, wird er das in seinem GA begründen. Der Geschädigte kann dann mit einer Rep.-Rechnung oder einer Rep.-Bestätigung alles klären.
Ist eine Reparatur aber noch nicht ausgeführt oder ungewiss, dann gehe ich als SV doch nicht auf so einen provozierenden Schriftverkehr ein, sondern vermerke im GA einen Restwert „bei Verkauf oder Nichtreparatur“ mit dem entsprechenden Restwertangebot.
Etwas Fingerspitzengefühl und nicht von einem Extrem zum anderen Extrem tendieren, würde so manchen Konflikt vermeiden.
Denkt darüber mal nach.
Hallo alle miteinander,
ich muss in wesentlichen Punkten RA Schepers zustimmen.
Zunächst wäre meines Erachtens die Rückfrage beim SV gar nicht nötig gewesen. Die Versicherung will einen Restwert? Dann fragt der Anwalt beim Mandanten nach, ob er repariert hat. Dieser bestätigt das. Sofern kein Totalschaden vorliegt, kann der Restwert „unermittelt“ bleiben.
Die Versicherung bemängelt den WBW mit Ausdrucken aus mobile.de. Das ist aber keine Bewertung des Fahrzeugs! Entweder legt die Versicherung eine Bewertung vor zu der dann Stellung genommen werden kann oder die Versicherung wird angeschrieben mit dem Hinweis, dass der bloße Ausdruck aus einer Gebrauchtfahrzeugbörse keiner gutachterlichen Bewertung entspricht. Selbstverständlich kann der SV dann – kostenpflichtig – umfangreich zu den Differenzen Stellung nehmen.
Nicht jede Einwendung der Versicherung muss zu einem Tätigwerden des SV führen. es muss schon etwas mit Bestand dahinterstehen.
Und dann sollte tatsächlich die Kommunikation verbessert werden. Wenn der SV den Anwalt nicht kennt oder umgekehrt, einfach mal telefonieren. Ist meistens schneller als einen Brief schreiben und es entstehen weniger Missverständnisse.
Viele Grüße
Andreas