Es häufen sich die Fälle, in denen an Hamburger Gerichten Richter und Richterinnen meinen, entgegen der eindeutigen Rechtsprechung des BGH die Geschädigten im Einzelfall doch dazu zu verpflichten, eine Preiskontrolle bei den Sachverständigenkosten vorzunehmen. In einem jüngsten Fall hat ein Richter des AG Hamburg sich die Höhe der geltend gemachten Fotokosten des SV vorgenommen und zunächst behauptet, dass die Kosten für die Erstellung von Fotos unabdingbarer Bestandteil des Grundhonorars seien. Konsequenterweise dürften diese Kosten dann eigentlich gesondert überhaupt nicht berechnet werden. In Anlehnung an unsägliche Entscheidungen des LG Saarbrücken und des LG Hamburg wurden diese Kosten in der Höhe von 0,50 € pro Bild aber dennoch als erstattungsfähign erachtet. Ein zweiter Fotosatz für den Geschädigten wurde kurzerhand für nicht notwendig erklärt.
Lest das Urteil des AG Hamburg vom 06.01.2013 (54a C 41/12) selbst und entrüstet euch:
Aus den Gründen:
Die Klage ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Kläger kann aus abgetretenem Recht des unfallgeschädigten Zedenten in Verbindung mit dem zwischen dem Zedenten und dem Kläger geschlossenen Vertrag vom 07.03.2011 (Anlage K1 in Verbindung mit Anlage K7) betreffend die Gutachtenerstellung über die von der Nebenintervenientin vorprozessual bereits geleistenen € 529,41 hinaus lediglich weitere € 53,38 als Vergütung für das Schadensgutachten vom 08.03.2011 (Anlage K2) erstattet verlangen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte (hier: Zedent) nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB von dem Schädiger den zur Schadensbeseitung erforderlichen Geldbetrag erstattet verlangen (vgl. BGH VersR 2007, 560 f.). Dies gilt auch für die zur Feststellung der Höhe eines Fahrzeugschadens aufzuwendenden Kosten eines Privatgutachters.
Hat der Geschädigte mit dem Privatgutachter allerdings eine konkrete Vergütungsabrede getroffen, kann der Geschädigte nicht nur die übliche Vergütung im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB vom Schädiger erstattet verlangen, sondern grundsätzlich die mit dem Privatgutachter vereinbarte Vergütung, denn es ist dem Geschädigten nicht zuzumuten, vor der Beauftragung eines Gutachters zunächst Kostenvoranschläge von mehreren Sachverständigen einzuholen (vgl. AG Hamburg-Bergedorf, Schaden-Praxis 2009, 304; LG Hamburg, Schaden-Praxis 2012, 87). Nur wenn das von dem Sachverständigen im Rahmen des Vertrages mit dem Geschädigten vereinbarte und geforderte Honorar in bestimmten Kostenpunkten auch für den Geschädigten erkennbar unangemessen hoch ist, ist der Geschädigte gehalten, im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB die Rechnung des Sachverständigen nicht zu akzeptieren und vollständig zu begleichen (vgl. LG Hamburg, a.a.O.). Dies bedeutet vorliegend, dass der Beklagte den von dem Kläger gegenüber dem Zedenten mit Rechnung vom 10.03.2011 (Anlage K3) geforderten Betrag von € 619,07 mit Ausnahme der in Ansatz gebrachten Fotokosten vollumfänglich zu erstatten hat.
Die Rechnung vom 10.03.2011 entspricht uneingeschränkt der zwischen dem Zedenten und dem Kläger bei Vertagsschluss getroffenen Vergütungsabrede {Anlage Kl in Verbindung mit Anlage K7). So heißt es im Kopf der „Auftragserteilung und Abtretungserklärung“ vom 07.03.2011: „Die Abrechnung erfolgt anhand der Preisliste auf der Rückseite dieser Erklärung.“ Damit haben die Parteien des Gutachtenauftrags vom 07.03.2011 eine Vergütung vereinbart, welche der Preisliste Anlage K7 entsprechen sollte. Mit der Rechnung vom 10.03.2011 hat der Kläger auch keine höh¬re Vergütung als sich aus der nachgereichten Preisliste (Anlage K7) ergebend verlangt. Deshalb durfte die Nebenintervenientin die Erstattung dieser Vergütung auch nur insoweit verweigern, als der Zedent in Ausübung seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) gehalten war, den Rechnungsausgleich zu verweigern.
Der Zedent war im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht lediglich gehalten und berechtigt, die Fotokosten insoweit zu kürzen, als für die Anfertigung von 14 Fotos und weiterer Lichtbilder insgesamt mehr als € 7,00 netto verlangt worden sind. Das LG Hamburg hat in seiner Entscheidung vom 17.06.2011 (Schaden-Praxis 2012, 87) dargelegt, dassbei Fotokosten, die für ein Foto den Kostenbetrag von € 0,50 übersteigen, ein auffälliges Mißverhältnis vorliegen kann und lediglich Fotokosten in Höhe von € 0,50 als angemessen zu erachten sind. Entsprechend hatte auch bereits das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf entschieden (Schadenpraxis 2009, 304). Diese Entscheidungen zu Fotokosten erstellen ersichtlich nicht auf die Regelung in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 JVEG ab sondern berücksichtigen, dass die Erstellung von Fotos unverzichtbarer Teil der Gutachtertätigkeit im Bereich Kraftfahrzeugschäden ist und die Kosten für die Anfertigung von Fotos daher schon durch das Grundhonorar abgedeckt sind (vgl. dazu auch LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2011, AZ: 25 C 1491/10 (12), unter Ziff. 7 e), cc) der Entscheidungsgründe). Dem folgend durfte die Nebenintervenientin den Rechnungsbertag von € 619,07 insoweit kürzen, als für 14 Fotos mehr als € 7,00 verlangt worden sind. Auch für die in Rechnung gestellten Kosten weiterer Lichtbilder (€ 14,84) ist nicht erkennbar, warum der Zedent diese zusätzlich zur Schadensabwicklung benötigte. Statt der vergütet verlangten Fotokosten von insgesamt € 42,28 (€ 27,44 + € 14,84) kann der Kläger daher lediglich € 7,00 von dem Beklagten erstattet verlangen. Dies ergibt einen Abzug von € 35,28. Von der nach Teilrücknahme in Höhe von € 18,00 verbliebenen Klagforderung in Höhe von € 89,66 sind daher € 53,38 begründet.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Auskunftskosten kann der Kläger ersetzt verlangen, da er in der Hauptsache zwar teilweise unterliegt, für die vorprozessuale Rechtsverfolgung des begründeten Teils der Hauptforderung aber ebenfalls vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 39,00 angefallen wären. Von diesen Kosten hat der Beklagte den Kläger gemäß den §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB freizustellen, da es sich um einen Verzugsschaden handelt, der auf den verweigerten Ausgleich € 529,41 übersteigender Sachverständigenkosten durch die Nebenintervenientin zurückzuführen ist. Die Nebenintervenientin hatte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 07.11.2011 (Anlage K4) an ihrer Abrechnung festgehalten und damit deutlich gemacht, keine weiteren Zahlungen an den Kläger leisten zu wollen. Anfall und Höhe der Auskunftskosten (€ 5,10) sind mit der Anlage K8 hinreichend belegt. Die von dem Beklagten vorgetragene Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 459,40 seitens der Nebenintervenientin an den Bevollmächtigten des Geschädigten (Zedenten) berührt das Rechtsverhältnis der Parteien nicht.
Soweit die Klage begründet ist, kann der Kläger Verzinsung nach den §§ 280 Abs. 1,2, 286, 288 BGB ab dem 07.11.2012 verlangen. Der Beklagte befindet sich seit der Zurückweisung weitergehender Ansprüche durch die Nebenintervenientin mit Schreiben vom 07.11.2011 im Verzug.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1,101, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die zugesprochene Hauptforderung entspricht einem Anteil von 49,6 % der ursprünglichen Klaghauptforderung in Höhe von € 107,66.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt den §§ 708 Nr. 11,711, 713 ZPO.
Soweit dieses Urteil.
Hallo Babelfisch,
das von Dir eingestellte höchst aktuelle Urteil des AG Hamburg vom 6.1.2013 leidet unter verschiedenen Mängeln.
1. Falsch zitiert.
So gibt das AG Hamburg eine Zitatstelle wider, die angeblich das LG Saarbrücken verfasst habe. Sodann wird aber eindeutig ein amtsgerichtliches C-Aktenzeichen angegeben. Das passt nicht!
2. Werkvertragliche Gesichtspunkte
Wenn der erkennende Richter im 4. Absatz der Entscheidungsgründe anführt, dass bei einer – zulässigen – Honorarvereinbarung diese maßgeblich sei – und nicht der werkvertragliche Werklohnanspruch aus § 632 BGB, so ist dieser Ansatzpunkt im Grundsatz richtig. Denn der durch den unverschuldeten Verkehrsunfall entstandene Vermögensnachteil des Unfallopfers liegt in der Begleichung der Rechnung, die sich nach der Honorarvereinbarung richtet. Eine vorherige Preiserkundigung bei verschiedenen Sachverständigen ist nicht erforderlich. Aus der fehlenden Preiserkundigung ist auch kein Mitverschulden gem. § 254 BGB zu konstruieren. Denn wozu man nicht verpflichtet ist, das kann einem auch nicht angelastet werden, wenn man es nicht tut.
3. angebliche Schadensgeringhaltungspflicht
Auch dieser Gesichtspunkt ist völlig verfehlt vom Gericht behandelt worden. Wenn der Geschädigte keine Preiserkundigungspflicht hat, dann kann er auch im Vorfeld keinen Einfluß auf die Preisgestaltung des Sachverständigen nehmen. Dies gilt für die Grundkosten sowie die Nebenkosten. Bekanntlich richtet sich nach den Entscheidungen des X. Zivilsenates des BGH, die vom VI. Zivilsenat übernommen wurden, das Grundhonorar nach der Schadenshöhe (vgl. BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06). Die Nebenkosten fallen individuell an. Mal ist das Gutachten umfangreicher, so dass mehr Kopien und Lichtbilder anfallen, mal ist der Besichtigungort weiter entfernt, so daß höhere Entfernungsentgelte anfallen. Diese in Rechnung gestellten Positionen kann der Geschädigte als Laie nur auf seine Plausibilität überprüfen. Grobe Rechenfehler oder unlogische Positionen muss er zurückweisen. Ansonsten ist er – werkvertraglich – gehalten, den Rechnungsbetrag auszugleichen. Und dieser Rechnungsbetrag ist dann der durch den unverschuldeten Unfall entstandene Vermögensnachteil, den der Schädiger in vollem Umfang auszugleichen hat. Denn der Geschädigte hat berechtigterweise einen Sachverständigen seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt. Wer als Geschädigter nicht in der Lage ist, den Schaden selbst zu beziffern, der darf einen Gutachter zulasten des Schädigers einschalten und dessen Kosten sind grundsätzlich in vollem Umfang Wiederherstellungskosten i.S.d. § 249 BGB. Sollte der Schädiger der Ansicht sein, dass der Rechnungsbetrag überteuert sei, so muss er sich einen eventuellen Bereicherungsanspruch aus dem Werkvertrag abtreten lassen und diesen im Wege des Regresses gegen den Sachverständigen geltend machen. Eine Kürzung des berechtigten Schadensersatzanspruchs mit werkvertraglichem Bereicherungsanspruch ist nicht möglich. Hierfür gibt es auch keine rechtliche Grundlage.
4. Kein Preisvergleich
Obweohl der BGH in der bereits angegebenen Entscheidung darauf hingewiesen hatte, dass im Schadensersatzprozess werkvertragliche Gesichtspunkte nicht überprüft werden dürfen, entscheidet das Hamburger Gericht offenbar bewußt gegen BGH, indem es Fotokosten auf ihre Angemessenheit i.S.d. § 632 BGB überprüft. Das ist eigentlich ein juristisches No Go!
Fazit: Das Urteil aus Hamburg ist schlicht Schitt.
@F-W Wortmann
Samstag, 12.01.2013 um 12:30
Hallo Babelfisch,
das von Dir eingestellte höchst aktuelle Urteil des AG Hamburg vom 6.1.2013 leidet unter verschiedenen Mängeln……
Hi, F.-W. Wortmann,
Berufung wurde in dieser Sache wohl nicht beantragt, denn ansonsten wäre das aktuell eingestellte Urteil des Bundesverfassungsgerichts wohl äußerst willkommen gewesen.
Aber nun einmal zum Thema Fotokosten und wie seitens einiger Gerichte damit umgegangen wird.
Man kann einer Vielzahl von Urteilen bestätigen, dass bezüglich der Entscheidungsgründe zunächst der richtige Weg eingeschlagen wird, d.h. eine Ausleuchtung unter schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten.
Plötzlich kommt es aber in der weiteren Betrachtung offenbar zu einem Filmriss, wenn quasi in einer Kehrtwende nunmehr unter Angemessenheitsgesichtspunkten nach werkvertraglichen Kriterien eine Beurteilung erfolgt.
Ist den Verfassern solcher Urteile eigentlich der Widerspruch nicht klar, wenn dann auch noch eine Honorarvereinbarung bzw. die vereinbarten Abrechnungsmodalitäten schlicht ignoriert werden?
So etwas darf eigentlich der Deutschen Gerichtsbarkeit noch nicht einmal im Traum passieren und schon gar nicht nach dem Motto: „Man wird ja doch noch mal üben dürfen“.
Sind sich die Verfasser solcher fragwürdigen Uteile nicht darüber klar, dass sie schlicht und einfach das Schadenersatzrecht degradieren und beschränken auf eine Zubilligungsfunktion und damit auch betroffene Unfallopfer abwerten, was deren Beurteilungskompetenz betrifft?
Sind sich schließlich die Verfasser solcher Urteile nicht darüber klar,dass Sie sich mit solchen abwertenden und falschen Beurteilungsansätzen degradieren lassen zu einer Schaltstelle, der es obliegt, auch „im Namen des Volkes“ und in Mißachtung des Grundgesetzes Preise festzusetzen, eine Berufung zu versagen und eine Gehörsrüge abzuweisen. Die dann noch verbleibende Dienstaufsichtsbeschwerde soll – zumindest nach Hörensagen – ja vielfach auch in der Versenkung verschwinden. Ist es dass, was sich der Deutsche Staatsbürger unter einer funktionierenden Gerichtsbarkeit vorstellen darf.
Ich denke, dass die Zeit mehr als reif ist,mit diesen Sachverhalten einmal unsere Bundesjustizministerin bekannt zu machen und diese aufzufordern,solchen Auswüchsen mit der gebotenen Deutlichkeit Einhalt zu gebieten. Für jeden Schiet wir ansonsten mehr oder weniger spontan eine Untersuchungskommision eingesetzt, warum nicht auch hier. Hier sind die Verbraucherschutzorganisationen,die Verkehrsrechtsanwälte und die Berufsverbände der Kfz.-Sachverständigen gefordert, dieses längst überfällige Anliegen zu artikulieren und a l l e Verantwortlichen damit zu konfrontieren mit der Aufforderung, Farbe zu bekennen. Vielleicht beschränkt sich dann das Echo tatsächlich auf die Piratenpartei. Das wäre dann schon mal ein erster Erfolg und würde die These erhärten, dass nichts unmöglich íst, denn auch der kleinste Stein des Anstoßes kann eine Lawine ins Rollen bringen und das gilt es auszuprobieren.
Was bleibt also zu tun ?
– Thema in die Agenda als vorrangige Aufgabenstellung.
– Aufgabenerledigung mit einem Termin versehen. Strategie und Ideen dazu festlegen.
– Ein Netzwerk aufbauen und dann einfach mal frisch durchstarten, denn die Unabhängigkeit und deren Anerkennung sind es wert.
Mit besten Grüßen
Leicaflash
Da kommt es einem vor als ob der Richter seinen Eid auf die Satzung des GDV geleistet hätte. Übrigens – ein Herr Schill war auch mal Richter in Hamburg. Schon erstaunlich was da so alles möglich ist?
Hallo,Herr Wortmann,
danke für die zutreffende Analyse diese Urteils des AG Hamburg.
Der Richter hat in puncto Fotokostenhöhe seine Aufgabenstellung wohl gründlichst missverstanden und damit letztlich auch den § 249 BGB falsch interpretiert. Was ist denn mit einer Berufung ?
Gruß
G.v.H.
Die Sache mit den Fotokosten
Hallo, liebe Leserinnen und Leser von http://www.captain-huk,
die richterliche Beurteilung zur Berechtigung sachverständigerseits abgerechneter Fotokosten unter schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten lässt mich an meinem Verstand zweifeln oder aber auch an der Objektivität mancher Richter. Grundsätzlich müsste man deshalb in entsprechenden Gerichtsverfahren zunächst einmal klären, ob der mit einem solchen Vorgang befasste Richter selbst bei der Belagten versichert ist.Wenn er sich bis dahin diesbezüglich nicht zu dieser Frage erklärt hat, liegt wohl der Verdacht der Befangenheit nicht allzu fern.
Mit freundlichen Grüßen
HUK-Absorber
Hallo Leicaflash,
@ Berufung ist offenbar nicht eingelegt.
Hallo, schau mal auf das Urteilsdatum. Die Rechtsmittelfrist läuft doch gerade erst an.
Dem Geschädigten ist nur anzuraten, Rechtsmittel einzulegen bzw. Zulassungsantrag zu stellen.
Zum erwähnten Urteil des LG Hamburg ist noch anzumerken, dass die Prozessvertreter beider (!) Parteien zu den Versicherungsanwälten zu zählen sind. Der Verdacht liegt nahe, dass in konzertierter Aktion mit dem Gericht, hier in höchst bedenklicher Weise Vorgaben für die Erstgerichte geliefert werden sollten. Dies vor dem Hintergrund, dass einer der Richter im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung seine Ablehnung gegenüber der fiktiven Schadenabrechnung nicht verhehlt hat (Zitat: „Ich weiß überhaupt nicht, was die fiktive Schadenabrechnung soll. Wenn die Geschädigten ihr Fahrzeug reparieren lassen würden, hätten wir diese ganzen Probleme nicht.“)
Hier fand wieder eine Steuerung des Prozesses durch die Versicherer bzw. deren Rechtsanwälte statt, ähnlich bei den Prozessen, die beim BGH landen (Anerkenntnis oder Rücknahme des Rechtsmittels im Falle eines drohenden Prozessverlustes). Ich kann der Taktik, dass (Prozess-)Gegner mit den eigenen Waffen am Besten zu schlagen sind, durchaus etwas abgewinnen. MaW: bei einer Schadensersatzkonstellation müßte es doch prozessual die Möglichkeit geben, unter Ausschluss einer Beteilung von Versicherern und deren Anwälten den Halter/Fahrer in Anspruch zu nehmen und den Prozess auf die gleiche Weise zu führen wie den am LG Hamburg. Vielleicht käme man dann auch einmal zu Entscheidungen des BGH, die dieser ja offensichtlich auch gerne treffen würde.
Aber auch wenn man gleich und nur den Halter/Fahrer in Anspruch nimmt, wird in dem allergrößten Teil der Fällen doch wieder die Versicherung den RA stellen. Der erschrockene Halter/Fahrer ruft die Versicherung an und die antwortet: „wir kümmer’n uns drum“. Und dann läuft alles wieder wie gehabt.
Viele Grüße
BD
Nichts läuft wie gehabt, wenn man die Sache richtig angeht.
1. Zahlen viele Versicherer außergerichtlich, wenn man den Schädiger direkt in Anspruch nimmt. Spätestens nach dem Mahnbescheid knicken die ersten schon ein.
2. Will sich manch einer (mit etwas Hirn) nicht wegen 60 oder 70 Euro verklagen lassen und zahlt dann vorsorglich selbst. Sofern seine Versicherung wg. der Erstattung rumzickt, ist der wohl richtig sauer auf seine Holzkasse?
3. Erklären sich oftmals Versicherer als prozessbevollmächtig gegenüber dem Mahngericht. 14 Tage abwarten und dann Vollstreckungstitel beantragen (Hinweis auf § 79 ZPO).
4. Sofern es (doch) zum Prozess kommen sollte, die Abschirmung der Versicherungsanwälte durchbrechen, indem man dem Schädiger Kopien des Schriftverkehrs übermittelt.
5. Nach Abschluss des Verfahrens dem Schädiger eine Abschrift des Urteils zukommen lassen mit dem Hinweis, dass nun ER als Beklagter verurteilt wurde, SEINE Versicherung rechtswidrig gehandelt hat und dass nun gegen IHN vollstreckt wird, ER also von seiner Versicherung für einen sinnlosen Prozess missbraucht wurde.
Wenn man flächendeckend bei allen Kürzungen (auch bei der fiktiven Abrechnung) so verfährt, bricht das Schadensmanagement der Versicherer in sich zusammen. Damit ist wohl nicht alles wie bisher? Denn bisher funktioniert das Schadensmanagement hervorragend durch die aktive Passivhilfe der Geschädigtenseite, weil es vermeintlich viel bequemer ist, die Versicherung direkt in Anspruch zu nehmen.
Die HUK konnte z.B. seit nunmehr fast 20 Jahren mehrere tausend Prozesse zum SV-Honorar nur deshalb führen, weil deren VN von dem Prozessgeschehen komplett abgeschottet waren. Die Schädiger waren immer im Irrglauben, alles sei prima abgewickelt, nachdem man in der Schadensache nicht mehr behelligt wurde. Sofern man den Schädiger weiterhin außen vor lässt, wird das auch die nächsten 20 oder 30 Jahre so weitergehen. Da bin ich mir sicher. Hätte man von Anfang an bei allen Kürzungen jeweils NUR den VN der HUK verklagt, gäbe es heute entweder keine lange Urteilsliste oder deutlich weniger HUK-Versicherte.
Man kann natürlich inmer schön weiter auf eingetretenen Pfaden in Richtung Abhang schwanken und davon träumen, dass alles irgendwann von selbst gut wird. Auf diesem Irrweg dann noch ein paar tausend weitere Urteile einsammeln und dabei natürlich auch ein paar negative einkassieren.
Mit etwas Hirnschmalz kann man aber auch neue (alte) Wege beschreiten. Denn früher gab es keinen Direktanspruch gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung. Die Prozessmenge war damals überschaubar. Bei der Privat- oder Betriebshaftpflichtversicherung gibt es diesen Direktanspruch übrigens auch nicht. Interessanter- bzw. logischerweise ist dort das Klagepotential gegen den Schädiger immer noch vergleichweise gering. Die VNs würden den Versicherern nämlich in Scharen davonlaufen, sofern man ständig verklagt wird, nur weil die Versicherung keine Lust hat, Schäden ordnungsgemäß zu regulieren.
@B. D.: Unter „Steuerung“ verstehe ich auch, dass die Versicherung eben draußen bleibt. Dies erfolgt in der Weise, dass der Schädiger entweder um die Unsäglichkeiten der Regulierung durch die Versicherer weiß und auf der Seite der Geschädigten steht, indem er im Falle einer Klage eben NICHT gleich zu seinem Versicherer läuft. Oder der Geschädigte tritt seinen Anspruch an X ab, der wiederum den Prozess in eigenem Namen führt. So muss es laufen! Raus mit dem Gesindel aus dem Prozessen! Her mit den Entscheidungen, die der BGH unbedingt treffen will!!!
… noch Fragen?
Gerichte streiten um Ergo-Schmuddelprozess 05.03.2013, 06:17 Uhr
exklusiv Eindrucksvoll zeigt der Fall Ergo, wie sich ein Skandal in der Öffentlichkeit hält. Weil der Konzern Anzeige erstattete, streiten sich die Gerichte noch heute um die Zuständigkeit für die berüchtigte Reise nach Budapest.
Netzfundstück: Handelsblatt – http://www.handelsblatt.com