Es gibt Tage, da werden einem kurz nacheinander mehrere vergleichbare Fälle zugänglich gemacht, die einen vermuten lassen, dass die Sachverständigen, die für bzw. im Auftrag der Versicherungen arbeiten, alle anderen für dumm halten.
Ich habe bei uns im Büro eine kleine Datenbank, in die ich Kürzungen und „Meinungsverschiedenheiten“ eintrage, um bei Bedarf mit einer Stichwortsuche schnell darauf zuzugreifen. So auch vor ein paar Tagen. Das Stichwort heißt Scheibenausbau.
Es gibt geklebte Scheiben, bei denen die Dichtung an der Scheibe dran ist und nicht gesondert gekauft werden kann. Wird diese Dichtung beim Ausbau beschädigt, ist die Scheibe zu ersetzen. Bei manchen Fahrzeugen geht der Scheibenausbau recht problemlos, bei manchen mal so mal so und bei manchen kann man schon vorher mit fast traumwandlerischer Sicherheit sagen, dass die Dichtung beschädigt wird.
Als Sachverständiger sollte ich jetzt eigentlich beim identischen Fahrzeugtyp identisch kalkulieren. Entweder weiß ich, dass die Scheibe ausbaubedingt zu ersetzen ist, dann ist das auch zu kalkulieren, oder ich weiß, dass sie problemlos wieder verwendet werden kann, dann habe ich nur den Aus- und Einbauaufwand zu kalkulieren, oder ich habe eine „unsichere“ Scheibe, dann weise ich im Gutachten aber bereits auf mögliche Mehrkosten hin.
Aber mal so und mal so zu kalkulieren gibt es nicht… Außer anscheinend dann, wenn das Fahrzeug Totalschaden werden muss.
Zwei identische Fälle liegen hier vor und zwar Kaskoschäden. Beide Male wurde vom Sachverständigen der Versicherung eine Erneuerung der Scheibe in der Seitenwand kalkuliert. Genau dieser Sachverständige hat aber in der Vergangenheit meine Kalkulationen bemängelt, in denen ich beim identischen Fahrzeugtyp (das eine war sogar das identische Fahrzeug…) die Erneuerung der Scheibe vorgesehen habe mit dem Hinweis, die Scheiben seien problemlos aus-und wieder einbaubar.
Aufgefallen ist mir das Ganze deshalb, weil der Versicherungsnehmer in dem einen Fall zu mir gekommen ist, weil sein Fahrzeug nunmehr um sage und schreibe 60,- Euro zum Totalschaden geworden ist und er mir gesagt hat, dass es doch damals bei mir wegen der Scheibe Probleme gegeben hätte. Im zweiten Fall ging es um ca. 150,- Euro mit denen das Fahrzeug tot gerechnet wurde.
Jetzt hätte ich die Scheiben ja noch verstanden, denn ich bin eh der Meinung, dass sie erneuert werden müssen. Aber es wurden Karosserieteile als instandzusetzen vorgesehen, an denen beim besten Willen kein Schaden (nicht mal ein Alt- oder Vorschaden) zu sehen war. In beiden Fällen war aber die Totalschadenabrechnung um etwa 1.000,00 Euro günstiger als die korrekte und fachmännische Reparatur. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Es kann somit nur jedem Kasko-Kunden geraten werden, selbst bei kleinen Zweifeln am Gutachten einen wirklich freien Sachverständigen zu fragen, ob er mal über das Gutachten schauen könnte.
@Andreas,
Deine Überschrift müsste lauten:
Mal so, mal so, wie es der Versicherung passt hat es dessen Sachverständige zu berechnen.
Der Knackpunkt ist nämlich die Weisungsgebundenheit des SV der von der Versicherung beauftragt wird.
Ähnliche Fälle wie Du sie beschreibst sind uns auch bekannt.
Bestimmt sind für die von Dir beschriebenen Fahrzeuge auch noch utopische Restwerte geboten worden. Natürlich über Internet-Restwertbörsen, oder liege ich falsch?
Ich rate jedem Kasko-Geschädigten sein Gutachten überprüfen zu lassen.
Meines Erachtens dürfte die Anzahl der Sachverständigenverfahren nach §14 AKB in Zukunft deutlich zunehmen, da diverse Versicherer offensichtlich jeglichen Anstand und Moral gegenüber ihren Versicherungsnehmern – auch Beitragszahler genannt – verloren haben.
Auf gute Geschäfte für die Sachverständigen.
Grüße aus dem Wilden Süden
Gottlob Häberle
Hallo Gottlob Häberle,
wenn für ein 4000,- Fahrzeug mit einem Schaden von 4100,- Euro (bei vergleichsweise geringen Verrechnungssätzen) noch 1500,- Restwert rausspringen, dann ist entweder der Schaden zu hoch kalkuliert, der Wiederbeschaffungswert zu niedrig oder der Restwert zu hoch.
Vor allem, da es sich um Fahrzeuge handelt, die schon auf Grund der Abwrackprämie schon zu Hauf auf den „Schlachthöfen“ stehen. Die Teile sind also nicht interessant, sondern der direkte Weiterverkauf oder die Reparatur.
Grüße
Andreas
@Andreas,
danke für die Info.
Wie von mir vermutet, immer die selbe Leier seitens des Versicherers und dessen SV.
Schön auch Deine Ausführung zur Marktsituation bezüglich der Abwrackprämie. Trifft nämlich den Nagel auf den Kopf und wird von den meisten SV’s nicht berücksichtigt.
Grüße aus dem Wilden Süden
Gottlob Häberle
Das mit der Abwrackprämie wird von mir schon länger berücksichtigt.
Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass Versicherungen, bei einem Restwert von 0,00 Euro, diese teils sehr stark beschädigten älteren Fahrzeuge selbst noch einmal besichtigen möchten. Grund hierfür ist sicherlich, dass die dann gefertigten Bilder in die Restwertbörse eingestellt werden, um mit aller Macht noch ein Restwertgebot zu bekommen. Leider wehren sich zu wenig Geschädigte bzw. deren Anwälte gegen diese ungerechtfertigten Nachbesichtigungen.
Gegen solche Restwerte über Börse gibt es auch im Kaskofall ein adäquates Mittel. Das Fahrzeug nach einer Wochen (ab Schadenmeldung), wenn bis dahin keine Weisung ergangen ist, zu einem plausbilen Restwert verkaufen und die Sache mit dem Restwert hat sich erledigt.
Hallo borsti,
die Geschichte wird eh ins SV-Verfahren gehen, weil der Kasko-Kunde sein Auto reparieren lassen will.
Grüße
Andreas