Hallo verehrte Capotain-Huk-Leserschaft,
hier und heute veröffentlichen wir etwas später als sonst ein Angemessenheitsurteil zu den Mietwagenkosten aus Otterndorf gegen die R+V Versicherung.
Obwohl mit der Rechnung ein Dokument über die Höhe der angefallenen Mietwagenkosten vorgelegt wurde und der Geschädigte mithin konkret abrechnet, wendet das erkennende Amtsgericht Otterndorf bei der konkreten Schadensabrechnung statt des § 249 I BGB den § 249 II BGB an. Schon darin liegt ein Fehler, denn die Mietwagenkosten werden aufgrund der dokumentierten Rechnung konkret als Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung abgerechnet. Mit Abschluss des Vertrages mit dem Mietwagenunternehmer geht der Geschädigte eine Verbindlichkeit ein, die unmittelbar mit dem Unfallschaden und dem beschädigten Kraftfahrzeug zusammenhängt und die über § 249 I BGB als Naturalrestitution anzusehen ist.
Bezüglich dieser Zahlungsverpflichtung kann der Geschädigte von dem Schädiger Freistellung von dieser Belastung verlangen, weil die Belastung mit der Zahlungsverpflichtung ein zu ersetzender Schaden ist (vgl. BGH NJW 1986, 581, 582 f.; BGHZ 59, 148, 149 f; BGH NJW 2005, 1112, 1113; BAG NJW 2009, 2616 Rn. 18; Offenloch ZfS 2016, 244, 245). Schon von daher zeigt sich, wie fragwürdig die jüngste Rechtsprechung des VI. Zivilsenates des BGH zu den Mietwagenkosten – aber nicht nur zu diesen – ist. Trotzdem folgen die nachgeordneten Gerichte kritiklos dieser BGH-Rechtsprechung.
Dann wird auch noch über § 287 ZPO die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten – trotz vorliegender Rechnung – durch das Gericht geschätzt, obwohl der § 287 ZPO nach herrschender BGH-Rechtsprechung (vgl. hierzu die in letzter Zeit hier veröffentlichten Urteile des BGH zum § 287 ZPO) eine Darlegungs- und Beweiserleichterung für den Kläger darstellt.
Die andere Ansicht des VI. Zivilsenates des BGH, der im Rahmen des § 287 ZPO von dem besonders freigestellten Tatrichter ausgeht, muss als Mindermeinung angesehen werden. Im § 287 ZPO ist nirgends geregelt, dass das erkennende Gericht den durch Dokumente belegten Schaden, der in der Belastung mit der Zahlungsverpflichtung aus dem Mitwagenvertrag besteht, nach eigenem Dafürhalten kürzen kann. Der Geschädigte kann bei Abschluss des Mietvertrages davon ausgehen, dass die vom Mietwagenunternehmer berechneten Preise gemäß der Schwacke-Liste den branchenüblichen Betrag ausmachen. Nicht umsonst hat der BGH auch den Schwacke-Mietpreisspiegel als geeignete Schätzgrundlage angesehen.
Woher soll der Geschädigte bei Abschluss des Mietvertrages als verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch wissen, dass lediglich ein Mittelwert (wovon?) als Schaden ersetzt wird? Das kann der Geschädigte im Voraus nicht wissen. Insbesondere ist dem Geschädigten auch die uneinheitliche Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten nicht bekannt. Mit diesem Urteil wird daher der Geschädigte als unvernünftiger und unwirtschaftlich denkender Mensch abgestempelt. Daher ist bei konkreter Schadensabrechnung aufgrund der vorgelegten Rechnungen der Schaden auch über § 249 I BGB abzurechnen und der Schädiger auf den Vorteilsausgleich zu verweisen (vgl. Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff). Dabei wird dann auch berücksichtigt, dass der Mietwagenunternehmer der Erfüllungsgehilfe des Schädigers im Rahmen der Naturalrestitution ist. Sollte der Schädiger daher der Ansicht sein, sein Erfüllungsgehilfe habe zu hoch abgerechnet, so kann er bei diesem Regress nehmen. Der Schädiger ist daher nicht rechtlos, wenn er bei voller Haftung aufgrund der vorgelegten Rechnungen dem Geschädigten gegenüber die von diesem eingegangenen Zahlungsverpflichtungen in voller Höhe begleicht.
Lest daher selbst das Urteil des AG Otterndorf vom 3.1.2017 und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
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