Eine der Todsünden ist es, wenn die Werkstatt mit dem Versicherer eine Reparaturzustimmung im 130%-Bereich einholt und die Versicherung ihre Zustimmung davon abhängig macht, dass die Reparaturkosten innerhalb des 130%-Bereiches bleiben. Fällt die Reparatur dann tatsächlich höher aus und überschreitet die 130%-Grenze, fällt der geschädigte Kfz-Eigentümer auf eine Abrechnung des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert abz. Restwert ) zurück. So hat das OLG Bremen mit Beschluß vom 21.10.2009 – 3 U 44/09 – Unfallregulierung effektiv 8/2010, S. 12) entschieden.
In diesem Rechtsstreit ist alles schief gelaufen, was nur schief laufen konnte. Das war aber kein Pech, sondern fehlerhaftes Verhalten der Werkstatt. Es hat daher gute Gründe, wenn immer wieder darauf hingewiesen wurde, 130-Prozent-Fälle in die Hände qualifizierter Rechtsanwälte zu geben.
Das OLG Bremen hat keineswegs das Prognoserisiko vom Schädiger zum Geschädigten verlagert. Es hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Schädiger nach wie vor das Prognoserisiko trägt. Hat sich der Geschädigte auf die gutachterliche Prognose eines unterhalb der 130%-Grenze liegenden Schadens verlassen, muss die gegnerische Versicherung die Reparaturkosten auch dann erstatten, wenn sie am Ende oberhalb der magischen Grenze liegen. Das sieht auch der VI. Zivilsenat des BGH so (siehe Senats-Urteil vom 15.10.1991 – VI ZR 67/91 – ).
Im vom OLG Bremen entschiedenen Rechtsstreit lag der Kernfehler darin, dass die Werkstatt den Vorgang mir der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers abstimmen wollte. Die Versicherung hat ihre Zustimmung an die Bedingung geknüpft, wozu sie berechtigt war, dass die tatsächlichen Reparaturkosten die 130%-Grenze exakt nicht überschreiten.
Man kann über den Beschluss des OLG Bremen streiten, ob er zutreffend ist oder nicht. Tatsache ist allerdings, dass die Bremer Senatsrichter in der Abstimmung zwischen Werkstatt und Versicherung eine Vereinbarung zwischen Geschädigten, vertreten durch die Werkstatt, und der Versicherung gesehen haben, die am Ende von dem Geschädigten nicht eingehalten wurde.
Welche Vorgehensweise wäre hier richtig gewesen?
Es wäre richtig gewesen, auf der Grundlage des Schadensgutachtens die Reparatur in Auftrag zu geben. Man muss den Versicherer vor Reparaturauftrag nicht um Erlaubnis fragen. Die Dispositionsfreiheit liegt grundsätzlich beim Geschädigten. Wäre die Reparatur dann teurer geworden, hätte die klassische Verteilung des Prognoserisikos gegriffen. Das Kosten- und Prognoserisiko trägt eindeutig der Schädiger.
Fazit: Der Fehler im OLG-Bremen-Fall liegt eindeutig bei der Werkstatt. Dafür muss sie ihrem Kunden gegenüber haften. Die Differenz zwischen Reparaturkostenendbetrag und von der Versicherung abgerechnetem Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert) wird die Werkstatt kaum bei ihrem Kunden holen können.