Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,
man kann es kaum glauben, aber es ist wahr. Das Amtsgericht Aachen musste sich mit einer Klage des Kfz-Sachverständigen befassen, weil die LVM-Versicherung – Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G. – nicht gewillt war, auch die restlichen berechneten Sachverständigenkosten in Höhe von 9,52 € zu erstatten. Für die rechtswidrige Kürzung musste ein deutsches Gericht bemüht werden. Das nicht am 1. April, wie man meinen könnte, sondern im Herbst des Jahres 2014. Mit der geringen Kürzung durch die LVM konnte sich – zu Recht – der Kfz-Sachverständige nicht einverstanden erklären. Er klagte aus abgetretenem Recht gegen den Schädiger und dessen Versicherung, die LVM-Versicherung in Münster. Mit Recht, weil die Kürzung rechtswidrig war, verurteilte das Gericht die Beklagten als Gesamtschuldner kostenpflichtig und verzinslich zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten 9,52 € sowie zur Tragung der vorgerichtlichen Kosten des Klägers. Das Urteil wurde uns übersandt durch Herrn Rechtsanwalt Johannes Klotz aus 54673 Neuerburg. Lest selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
100 C 456/14
Amtsgericht Aachen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtssstreit
des Sachverständigen W. D. aus E.
-Klägers –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Johannes Klotz, Poststr. 3, 54673 Neuerburg
g e g e n
1. Herrn H. T. aus Ü.
2. die LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G., vertreten durch den Vorstand, Kolde-Ring 21, 48126 Münster
– Beklagte –
Prozssbevollmächtigte: RAe H. u. a. aus H.
hat das Amtsgericht Aachen im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 4.1.2015 am 8.1.2015 durch die Richterin am Amtsgericht Dr. H. für Recht erkannt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 9,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 21.10.2014 zu zahlen.
Die Beklagten werden desweiteren als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von einer Honorarforderung des Rechtsanwalts Johannes Klotz, Poststr. 3 in 54673 Neuerburg in Höhe von 70,20 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist mit geringfügigen Abstrichen begründet.
Der Kläger kann von den Beklagten aus dem Straßenverkehrsgesetz in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG den mit der Klage geltend gemachten weiteren Schadensersatz hinsichtlich der gekürzten Privatgutachtervergütun in Höhe von 9,52 € verlangen.
Mit ihrer Rüge der Aktivlegitimation setzt sich die Beklagte zu 2. in Widerspruch zu ihrem vorprozessualen Verhalten, in dem sie ohne Einwände eine Regulierung gegenüber dem Kläger ausgeführt hat. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ist sie damit im Rahmen des Prozesses mit diesem Einwand präkludiert.
Diese Ablteilung des Amtsgerichts Aachen hat sich der Rechtsprechung des BGH aus dem Urteil vom 11.2.2014 zu dem Aktenzeichen VI ZR 225/13 (=NJW 2014, 1947) angeschlossen. Der darin verankerten Darlegungslastverteilung, die davon ausgeht, dass der Geschädigte seinr Darlegungslast ur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen genügt, wohingegen dem Geschädigten (gemeint ist: Schädiger!) die Darlegung eines Verstoßes des Geschädigten gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB offen steht, haben die Beklagten auf der Grundlage der Leitlinien dieser Entscheidung nicht genügt.
Nach dieser Rechtsprechung genügt ein eifaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages und seiner Einzelkomponenten grundsätzlich nicht mehr, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Privatgutachter Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet nach den Ausführungen des BGH das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Privatgutachter zu beauftragen.
Nachdem selbst die Beklagten ein Privatgutachterhonorar auf der Grundlage der regulierten 648,55 € eingeräumt hat, ist nicht ersichtlich, wie dem Kläger als Laien sich aufdrängen muss, dass ein um 9,52 € höheres Honorar die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigt. Das gilt auch hinsichtlich der zur Abrechnung gebrachten Nebenkostenpositionen aus der Rechnung vom 19.8.2014. Soweit die Beklagten insoweit objektive Umstände vortragen, aus denen sich eine Überhöhung ergeben soll, ist schon fraglich, ob diese einem geschädigten Laien bekannt sind.
Nachdem Schreibkosten grundsätzlich auch Personalkosten beinhalten können, die Fotokosten einen Anteil für die Anschaffung und Wartung der entsprechenden Hard- und Software, ergeben sich aus der gestellten Rechnung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der abgerechneten Beträge für einen Laien erkennbar überhöht, unangemessen oder unüblich wären.
Die Hauptforderung ist unter Verzugsgesichtspunkten zu verzinsen.
Unter Schadensersatzgesichtspunkten kann der Kläger von den Beklagten Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten mit Erfolg verlangen. Da jedoch nach § 288 I 1 BGB nur Geldschulden als Zahlungsansprüche zu verzinsen sind, unterlag die Klageforderung hinsichtlich der Zinsforderung betreffend der Nebenforderung der teilweisen Abweisung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Streitwert: 9,52 €.
Rechtsbehelfsbelehrung:
…. (Es folgt die übliche Rechtsbehelfsbelehrung, von deren Wiedergabe wir absehen).
oweit das überzeugende Urteil der Amtsrichterin des AG Aachen vom 8.1.2015. Und jetzt bitte Eure Kommentare.
Man kann auch alles übertreiben.- Eine Klage über den Betrag von 9,52 €, beruht zwar auch auf Taschendiebstahl, ist m.E. aber genau so sinnlos, wie eine Klage gegen die HUK-Coburg wegen eines Kürzungsbetrages von weniger als 4,00 €. Ich möchte so etwas auch einem Gericht nicht andienen unter dem Gesichtspunkt, mich nur mit einem positiven Urteil präsentieren zu können. Die Kürzungsbeträge selbst sprechen in ihrer Höhe bereits für die Strategie aber auch die Hirnlosigkeit der Provokateure. Das sollte reichen.Man kann den Schwanz der Kuh nicht dafür verantwortlich machen, dass er nicht wedelt, wenn das Hirn tot ist.
Mit freundlichem Gruß
G.v.H.
@ G.v.H.
Ab wieviel Euro Kürzung soll denn Ihrer Meinung nach frühestens geklagt werden? Wo ist die Grenze?
10 Euro? 20 Euro? 100 Euro?
Und soll dieser Grenzbetrag für alle Schadenpositionen kummuliert gelten oder für jede gesondert?
Man kann auch alles übertreiben. Richtig. Und wenn die Versicherungen durch die Kürzungen ein (reduziertes) Honorarniveau durchgesetzt haben, wird weiter gekürzt. Weil – bei der nächsten Kürzungsstufe lohnt es sich ja auch nicht, wegen 10 Euro zu klagen.
Oder vielleicht doch?
Und falls doch, dann vielleicht doch von Anfang an gegen die Kürzungen vorgehen?
@ G.v.H.
„Das sollte reichen.Man kann den Schwanz der Kuh nicht dafür verantwortlich machen, dass er nicht wedelt, wenn das Hirn tot ist.“
Das ist aber nicht immer so, ich habe von Leuten bei der ERGO Versicherung gehört, die trotz totem Hirn noch kräftig mit dem Schwanz gewedelt haben, auf Kosten der Versicherten.
Sehr geehrter Herr G.v.H.,
ich finde, dass der Kläger nicht übertrieben hat, den Differenzbetrag von 9,52 Euro einzuklagen. Wo sollte man Ihrer Meinung nach die Grenze ziehen? Vielleicht bei Zehn Euro? Oder vielleicht bei 15,– Euro? Grenzen sind immer fragwürdig.
Fest steht doch, dass der Schädiger bzw.der Haftpflichtversicherer bei voller Haftung vollen Schadensersatz leisten muss. Volle Haftung der LVM ist hier gegeben. Also muss die LVM auch vollen Schadensersatz, also auch die restlichen 9,52 Euro, zahlen. Punkt und Ende. Die Klage war daher nur konsequent.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass Anfang der 1990. Jahre Allianz und HUK damit anfingen, Sachverständigenkosten um etwa 5,– DM zu kürzen. Auch damals wurden diese Differenzbeträge erfolgreich eingeklagt. Heute kürzen die Versicherer nicht mehr nur 2,50 Euro ( = ca. 5,– DM), sondern Beträge, die weit über 100,– Euro liegen. Mann muss dem Kürzungswahn entgegentreten! Und das hat der Sachverständige aus E. völlig richtig getan.
Dem Kommentator Heinz-Werner K. ist auf jeden Fall zuzustimmen. Wehret den Anfängen. Zwischenzeitlich wird nicht mehr nur um 5,– €, sondern um teilweise über 100,– € gekürzt.
Der Schädiger hat nach einem Schdensereignis, für das er voll einzustehen hat, auch vollen Schadensersatz zu leisten. Das beinhaltet eine Schadensersatzleistung bis zum letzten Cent.
Schadensersatzleistungskürzungen durch den Schädiger und dessen Versicherer muss der Geschädigte nicht hinnehmen. Wenn er also auch den letzten Cent einklagt, so macht er nur von seinem Recht auf vollständigen Schadensausgleich Gebrauch.
Es ist schon schlimm, dass ein Geschädigte einen derart geringen Betrag einklagen muss, weil der Versicherer nicht vollständigen Schadensausgleich vornimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist. Es ist daher die Versicherung, die sich nicht korrekt verhält.
Solche Sachverständige, wie den Sachverständigen W.D. aus E. braucht das Land, der auch den letzten Cent einklagt. Wäre schön, wenn wir mehr davon hätten.