AG Aachen spricht auch bei fiktiver Schadensabrechnung Stundenverrechnungssätze der Fachwerkstatt zu.

Die Richterin der 116. Zivilabteilung des AG Aachen sprach dem Geschädigten mit Urteil vom 06.03.2009 (116 C 340/08) auch bei Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis die im Gutachten aufgeführten Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerstattt zu und verurteilte die Beklagte und Ihren VN als Gesamtschuldner an den Kläger 1.661,28 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Weitehin wurden die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner den Kläger von aussergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 158,51 Euro freizustellen. Die Kosten des Rechtstreites tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. 

Tatbestand

Der Kläger macht restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall geltend.

Der Kläger ist Eigentümer eines PKW VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen AC -. Der Beklagte zu 1) ist Halter des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeugs Ford Galaxy mit dem amtlichen Kennzeichen BM –

Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug am 04.10.2007 die Kohlscheider Straße aus Aachen kommend in Fahrtrichtung Kohlscheid. Der Beklagte zu 1) stand mit seinem Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand auf der Kohlscheider Straße in Richtung Kohlscheid und wollte auf der Landstraße wenden, um in Richtung Aachen zu fahren.

Dabei übersah er den Kläger, der trotz Vollbremsung dem von rechts nach links fahrenden Fahrzeug des Beklagten zu 1) nicht mehr ausweichen konnte. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.

Nach dem Unfall wurde ein Privatgutachten des Sachverständigen angefertigt. Dieser kam ausgehend von den üblichen auf dem freien Markt zugänglichen Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt zu dem Ergebnis, dass Reparaturkosten von 6.864,81 € netto erforderlich seien und dass der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs 9.200,- € betrage.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.10.2007 forderte der Kläger die Beklagten zur Zahlung der gesamten Nettoreparaturkosten von 6.864,81 € auf.

Mit Schreiben vom 30.10.2007 rechnete die Beklagte zu 2) vorläufig ab und zahlte an den Kläger neben anderen Positionen auf den Sachschaden 3.060,- € (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) aus. Gleichzeitig verwies die Beklagte zu 2) den Kläger unter Hinweis auf ein von ihr eingeholtes Prüfgutachten des Sachverständigen Z.  für die Reparatur auf die Autohaus welche eine markengebundene VW-Fachwerkstatt darstellt und als Partnerwerkstatt der Beklagten zu 2) dem Kläger Konditionen unter denen anbot, welche auf dem freien Markt zugänglich sind. Diese günstigen Konditionen bietet die Partnerwerkstatt lediglich aufgrund einer speziellen Vereinbarung mit der Beklagten zu 2) den Geschädigten an.

Der nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kläger, welcher das Fahrzeug nach dem Unfall hatte reparieren lassen, übersandte der Beklagten zu 2) unter dem 22.11.2007 zum Nachweis der Reparatur Lichtbilder.

Die Beklagte rechnete mit Schreiben vom 29.11.2007 den Schadensfall ab und zahlte an den Kläger insgesamt (unter Anrechnung der bereits geleisteten Zahlung) 5.203,53 € an Reparaturkosten, Nutzungsausfall für 9 Tage von insgesamt 387,- € und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 827,05 €.

Der Kläger behauptet, er habe sein Fahrzeug bereits vor Eingang des Verweises der Beklagten zu 2) auf die Partnerwerkstatt reparieren lassen. Er ist der Ansicht, dass er sich auch nicht auf die Partnerwerkstatt verweisen lassen müsse, sondern auch bei Abrechnung auf Gutachtenbasis die Preise zugrunde gelegt werden könnten, welche auf dem freien Markt zugänglich wären. Der Kläger bestreitet, dass die Reparatur im Autohaus in Umfang und Qualität gleichwertig ist wie die nach dem Gutachten des Sachverständigen T . vorgesehene Reparatur. 

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1,661,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2007 zu zahlen;

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 158,51 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, dass der Kläger auf die markengebundene Fachwerkstatt Autohaus ……..              verweisen lassen müsse und er daher auch lediglich die von der Partnerwerkstatt in Ansatz gebrachten Reparaturkosten erstattet verlangen könne. Daher könne der Kläger über die bereits erbrachten Zahlungen hinaus keinen weiteren Schadenersatz verlangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von 1.661,28 € an restlichen Reparaturkosten gemäß §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 3PflVGa.F. (115WGn.F.).

Bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeugs des Beklagten zu 1) ist am klägerischen Fahrzeug ein Schaden entstanden, für weichen die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach voll haften.

Der Kläger kann gemäß § 249 BGB über den bereits vorgerichtlich von der Beklagten zu 2) als berechtigt anerkannten Betrag hinaus Ersatz des ihm entstandenen Sachschadens an seinem Fahrzeug in Höhe von weiteren 1.661,28 € verlangen.

Der Kläger kann seinen Schaden fiktiv auf Grundlage des eingeholten Privatgutachtens des Sachverständigen T. abrechnen. Er muss sich nicht auf die in dem von der Beklagten eingeholten Prüfgutachten des Sachverständigen Z. aufgeführten Kostenansätze, insbesondere nicht auf die darin enthaltenen Stundenverrechnungssätze unter Bezugnahme auf die Partnerwerkstatt der Beklagten zu 2), verweisen lassen.

Im Falle der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs durch einen Verkehrsunfall kann der Geschädigte vom Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Beseitigung der Schäden erforderlichen Geldbetrag verlangen. Im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Geschädigte daher Anspruch auf Ersatz der Kosten, die für die vollständige, vollwertige und fachgerechte Reparatur in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallen würden, und zwar unabhängig davon, ob voll-, minderwertig oder überhaupt nicht repariert wird (vgl. BGH NJW 2003, 2086).

Der Geschädigte ist zwar unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Er genügt dem jedoch allgemein dadurch, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters aus gerecht zu werden (vgl. BGH a.a.O.).

Dabei muss im Rahmen des § 249 BGB immer dessen Zweck, dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen, beachtet werden. Deshalb ist bei der Prüfung, ob sich der Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen hält, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen; es ist mithin Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussnahmemöglichkeiten sowie auf möglicherweise gerade für ihn bestehende Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH a.a.O.; BGH NJW 1992, 305).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Kläger die Im eingeholten Gutachten des
Sachverständigen …..  ausgewiesenen   Reparaturkosten   im   vollen   Umfang erstattet verlangen, ohne dass er sich auf die Reparaturmöglichkeit bei der bzw. auf deren Kostenansätze verweisen lassen müsste. Nach einem Unfall ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens (vgl. BGH NJW 2003, 2085). Er ist in den durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und das Verbot der Bereicherung durch
Schadenersatz gezogenen Grenzen grundsätzlich frei in der Wahl und in der Verwendung der Mittel zur Schadensbehebung (vgl. BGH a.a.O.). Er ist weder dazu verpflichtet, sein Fahrzeug zu reparieren, noch es zur Reparatur in eine bestimmte Werkstatt zu geben. Diesen Grundsätzen würde es zuwider laufen, wenn der Kläger als Geschädigter bei der (zulässigen) fiktiven Abrechnung auf die Stundenverrechnungssätze oder sonstigen Kosten einer bestimmten Werkstatt oder Werkstattgruppe beschränkt wäre. Dies würde – auch im Rahmen der fiktiven Abrechnung – in die Dispositionsbefugnis des Geschädigten eingreifen. Der Geschädigte wäre in diesem Fall trotz zulässiger fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis letztendlich auf die Abrechnung der möglichen Kosten in einer bestimmten – wenn auch markengebundenen Werkstatt(gruppe) beschränkt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die günstigeren Kostenansätze auf einer besonderen Vereinbarung zwischen der Werkstatt und dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhen, wenn sie also nicht den üblichen Verrechnungssätzen entsprechen, die dem Geschädigten in eigener Person zugänglich wären. Dass eine derartige
Sondervereinbarung vorliegend besteht, ist dem eigenen Vorbringen der Beklagten und der von den Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 17.09.2008 vorgelegten Bestätigung   der ……….. vom   27.08.2008  zu   entnehmen.  Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die üblichen Verrechnungssätze höher liegen als die mit der Beklagten zu 2) vereinbarten Sätze. Es widerspräche den Grundsätzen zur Ermittlung der erforderlichen Betrages i.S.d. § 249 BGB, wenn besonders günstige Stundenverrechnungssätze einer bestimmten Werkstatt(gruppe), welche auf einer Sondervereinbarung beruhen, der fiktiven Schadensabrechnung zugrunde zu legen wären.

Dass das Gutachten des Sachverständigen ………. aus sonstigen  Erwägungen heraus fehlerhaft sei, haben die Beklagten nicht behauptet. Im Gegenteil führt der von der Beklagten zu 2) beauftragte Gutachter Z in seiner Überprüfung aus, dass das vorliegende Gutachten inhaltlich nicht zu beanstanden sei.

2.

Der Anspruch  auf die geltend  gemachten Zinsen  und die  Freistellung  von den restlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280, 286, 288, 257 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100, 709 ZPO.

So die Richterin des AG Aachen.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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4 Antworten zu AG Aachen spricht auch bei fiktiver Schadensabrechnung Stundenverrechnungssätze der Fachwerkstatt zu.

  1. Babelfisch sagt:

    Hallo Willi Wacker,
    kann man eigentlich davon ausgehen, dass das Thema abgefeiert ist? Gibt es noch Gebiete, in denen diese Werkstattlöhne fachgebundener Markenwerkstätten bei fiktiver Abrechnung nicht zugesprochen werden? Wenn dies der Fall ist, sollte man vielleicht mal an eine strafrechtliche Relevanz diesbezüglicher Streichungsorgien denken!
    Ein prima Urteil
    Babelfisch

  2. K.-H.W. sagt:

    Hallo Babelfisch,

    Es gibt wohl tatsächlich kaum noch Gebiete in denen die Lohnkosten markengebundener Fachwerkstätten nicht zugesprochen werden.

    Trotzdem werden täglich,

    im Auftrag und nach Vorgaben einiger Versicherer, s.g. Prüfberichte durch die Firmen

    Contolexpert, HP Claim Contolling, DEKRA, EUCON u.a. erstellt,

    die m.E. den Straftatbestand des Betruges bzw. der Beihilfe zum Betrug erfüllen.

    Deshalb gilt es weiterhin, fleißig kostenpflichtige ergänzende Stellungnahmen zu den im Auftrag des AST. erstellten Gutachten zu erstellen und weiter Urteile sammeln und hier an dieser Stelle auf die rechtswidrigen Machenschaften, aufmerksam zu machen.

    Mit freundlichen Grüßen

    K.-H.W.

  3. Willi Wacker sagt:

    Hallo K.-H.W.,
    da finden die rechtschaffenden Sachverständigen doch ein schönes Zubrot. Die ergänzenden Stellungnahmen der SV sind durch die Versicherungen veranlasst und daher von diesen zu erstatten. Es gibt nämlich keine stichhaltigen Gründe die Gutachten durch „Streichfirmen“ überprüfen zu lassen. Diese Firmen haben nur einen eizigen Sinn, nämlich durch rechtswidrige Abzüge die Schadensersatzansprüche der Geschädigten zu drücken. Damit wird der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gem. § 249 BGB, nach dem der ürsprüngliche Zustand, wie er vor dem Schadensereignis bestanden hat, wiederherzustellen ist, ohne Rechtsgrundlage ausgehöhlt. Der Leidtragende ist der Geschädigte.
    Fazit: Die rechtswidrig gekürzten Beträge direkt bei dem Schädiger einklagen und diesem mitteilen, dass seine Versicherung ihn im Stich lässt. Dieser wird seiner Versicherung schnell den Rücken zuwenden und eine Versicherung suchen, die nach Recht und Gesetz reguliert. Für den Schadensfall ist man ja gut versichert. Für das gute Geld der Prämien kann man dann auch gute und rechtskonforme Regulierung erwarten.
    MfG
    Willi Wacker

  4. virus sagt:

    Ohne den freien und unabhängig arbeitenden Sachverständigen wären wohl viele bei „Controlexpert, HP Claim Controlling, DEKRA, EUCON u.a.“ Angestellte ohne Lohn und Brot. Fazit: Betrug als Wirtschaftsfaktor, gleicht Alkohol- und Zigarettenverkauf an Minderjährige, Abgabe von Killerspielen an Kinder und halbherzige Verbraucherschutzgesetze. Wie läßt es sich sonst erklären, dass rechtswidrig zustande gekommene Verträge auch weiterhin gekündigt werden müssen.

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