AG Ahrensburg entscheidet zu den erforderlichen Mietwagenkosten nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel aus abgetretenem Recht gegen R+V-Direktversicherung mit Urteil vom 21.3.2014 – 46 C 1396/12 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachdem ein Kommentator erhebliche Kritik an diesem Blog und die hier eingestellten Urteile geübt hat, geben wir Euch heute ein Mietwagenurteil aus Norddeutschland bekannt, das durch die Redaktion selektiert wurde. Die Redaktion dieses Blogs ist der Ansicht, dass das Urteil des AG Ahrensburg eine bemerkenswerte Begründung enthält. Es war die R+V Versicherung, die meinte, die erforderlichen Mietwagenkosten auf geringere als Schwacke-Werte kürzen zu können. Die Begründung – warum Schwacke vom Gericht angewendet wird – ist nicht zu verachten. Damit kann man Fraunhofer immer erschlagen. Der BGH lässt Schwacke zu. Warum sollte der Geschädigte dann nicht einen Mietwagen nehmen, der sich  kostenmäßig in diesem Bereich bewegt? Er hält sich damit im Rahmen der Rechtsprechung des BGH und mehr kann von ihm nicht verlangt werden. Man kann gespannt sein, ob auch zu diesem Urteil Kritik geübt wird? Für sachdienliche Kommentare sind wir immer offen.

Viele Grüße
Willi Wacker

46 C 1396/12

Amtsgericht Ahrensburg

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

… GmbH

– Klägerin –

gegen

R+V Direktversicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Andreas Bode und Frank Fehlauer, Niedersachsenring 13, 30163 Hannover

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Ahrensburg durch die Richterin … am 21.03.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO für Recht erkannt:

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 153,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 178,70 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in Höhe von € 153,34 aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG i. V. m. § 398 BGB.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Geschädigte hat ihre Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers mit Abtretungsvertrag vom 07.02.2011 (Anlage K 4) wirksam an die Klägerin abgetreten, § 398 Satz 1 BGB. Die abgetretene Forderung ist auch hinreichend bestimmt. Aus dem Abtretungsvertrag geht deutlich hervor, welche Forderung abgetreten worden ist, nämlich die „Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen den Fahrer, den Halter und deren/dessen Haftpflichtversicherung“. Da es sich hierbei um eine einzelne, selbstständige Forderung handelt, sind die von dem BGH in seinem Urteil vom 07.06.2011 (Az. VI ZR 260/10) aufgestellten Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis bei einer Abtretung einer Mehrzahl von Forderungen an die hier vorliegende Abtretung nicht zu stellen.

Eine Verursachungsquote von 100 % zu Lasten der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (sog. Differenzhypothese). Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dementsprechend kann derjenige, der sein Fahrzeug infolge des schädigenden Ereignisses nicht nutzen kann, grundsätzlich Ersatz der für die Anmietung eines gleichwertigen Fahrzeugs entstehenden Kosten beanspruchen. Allerdings hat der Geschädigte auch das in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Danach hat der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutet dies, dass er Ersatz nur derjenigen Kosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzugs seines Fahrzeugs für erforderlich halten durfte (vgl. BGH, Urteil vom 27.03.2012, Az. VI ZR 40/10 – zitiert nach juris).

Das bedeutet für die Mietwagenkosten, dass der von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (vgl. BGH VersR 2008, 1370 m. w. N.). Ausgangspunkt bildet der am Markt übliche Normaltarif. Der Geschädigte ist insoweit auch nicht gehalten, Vergleichsangebote einzuholen (vgl. Palandt/Grüneberg, 73. Auflage 2014, § 249, Rn. 33, 34)

Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO grundsätzlich den Normaltarif auf der Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegels ermitteln. Das Gericht erachtet den Schwacke-Automietpreisspiegel gegenüber der Frauenhofer-Liste insbesondere aus dem folgenden Gesichtspunkt als vorzugswürdig: Wenn selbst unter Juristen die Anwendung der Schwacke-Liste zur Bestimmung des ersatzfähigen Normaltarifs propagiert wird (dies entspricht auch heute noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung), dann hat ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten nichts falsch gemacht und dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz genügt, wenn er ein Ersatzfahrzeug zu Tarifen anmietet, die im Einklang mit der Schwacke-Liste stehen. Wollte man dem Geschädigten im Nachhinein zum Vorwurf machen, er habe nicht zu günstigeren Konditionen angemietet, würde dies die höchstrichterliche Rechtsprechung letztlich konterkarieren (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 30.09.2010, Az. 4 S 48/10 – zit. nach juris).

Bei seiner Schätzung nach § 287 ZPO kommt das Gericht auf der Grundlage der Schwacke-Automietpreisspiegels zu den folgenden ersatzfähigen Mietwagenkosten:

Die reinen Mietwagen kosten sind in Höhe der in Rechnung gestellten € 272,99 brutto gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB voll ersatzfähig. Die Beklagte hat nicht beweisen können, dass die Kosten für die Anmietung eines Fahrzeuges zum streitgegenständlichen Unfallzeitpunkt geringer waren. Insoweit wird auf das Gutachten des Sachverständigen R. vom 19.11.2013 Bezug genommen. Dieser konnte für den Zeitraum Februar 2011 nur eine verwertbare Auskunft einholen, die auf einer schriftlichen Nachfrage beruhte. Der Mietpreis betrug nach dieser Auskunft € 88,00 pro Tag, mithin € 264,00 für drei Tage. Damit liegt dieser Mietpreis unterhalb der streitgegenständlichen reinen Mietwagenkosten. Die vom Kläger geltend gemachten reinen Mietwagenkosten liegen auch unterhalb der nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel 2011 geschätzten Kosten von € 363,00. Die Klägerin muss sich allerdings auf ihren Anspruch im Wege des Vorteilsausgleichs ersparte Eigenaufwendungen der Geschädigten in Höhe von 10 % anrechnen lassen, da diese ein Fahrzeug derselben Fahrzeugklasse angemietet hat (vgl. LG Lübeck, Urteil vom 24.08.2012, Az. 1 S 236/10 – zitiert nach juris).

Somit errechnen sich erstattungsfähige reine Mietwagen kosten in Höhe von € 245,69 brutto.

Die vom Kläger geltend gemachten Kosten für die Winterbereifung sind nur in Höhe der nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel 2011 geschätzten Kosten in Höhe von € 30,00 brutto gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 ersatzfähig. Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB haben die Geschädigten Anspruch auf die zur Naturalrestitution erforderlichen Mittel. Im Falle des Ausgleichs verloren gegangener Nutzungsmöglichkeiten als Folge des an ihrem Kfz eingetretenen Unfallschadens ist der Anspruch daraufgerichtet, die Kosten für die Anmietung eines geeigneten Ersatzfahrzeugs zu ersetzen. „Erforderlich“ ist demnach der Geldbetrag, der nach den Marktgegebenheiten für eine solche Anmietung aufgewandt werden muss. Wenn auf dem Mietwagenmarkt Mietfahrzeuge mit Winterbereifung nur gegen Zahlung eines Zuschlags für dieses Ausstattungsmerkmal angeboten werden, dann ist der zusätzliche Kostenaufwand für die Ausstattung mit Winterreifen erforderlich i. S. v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Vorausgesetzt ist dabei, dass die Winterbereifung ihrerseits erforderlich ist, um den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des eigenen Kfz auszugleichen. Dies ist nicht nur stets dann der Fall, wenn das verunfallte Kfz mit Winterreifen ausgestattet war, sondern in allen Fällen, in denen während der Mietdauer ernstlich mit der Möglichkeit von Wetterlagen gerechnet werden muss, die mit Rücksicht auf § 2 Abs. 3 a StVO eine Winterausrüstung des Mietwagens erforderlich machen. Dies war vorliegend der Fall, da die Anmietung Anfang Februar 2011 erfolgte. Da der Mieter Verantwortung für fremdes Eigentum übernehmen muss, ist ihm in der kalten Jahreszeit die Haftung für den Mietwagen ohne Winterreifen selbst dann nicht zuzumuten, wenn er sein eigenes Fahrzeug nicht mit Winterreifen ausgerüstet hat. Diese letztgenannten Voraussetzungen stehen jedoch außer Streit (OLG Stuttgart, Urteil vom 18. August 2011, Az. 7 U 109/11 – zitiert nach juris). Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die über den nach Schwacke ermittelten Normaltarif hinausgehenden Kosten erforderlich waren.

Im Rahmen des § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB sind ersatzfähig auch die Kosten für einen weiteren Fahrer des Mietfahrzeugs in Höhe der in Rechnung gestellten € 27,00 brutto. Das es sich hierbei um den erforderlichen Herstellungsaufwand handelt, folgt aus der sog. Differenzhypothese (§ 249 Abs.1 BGB). Hiernach hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Die Klägerin hat dargelegt, dass das beschädigte Fahrzeug von mehreren Personen genutzt wurde. Um den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des eigenen Kfz auszugleichen, ist die Beklagte somit verpflichtet, auch die Kosten für einen Zusatzfahrer zu tragen.

Aus den vorgenannten Überlegungen kann die Klägerin auch die Kosten für die Zustellung zur Werkstatt und der Abholung nach der Mietzeit in Höhe von insgesamt € 46,00 brutto ersetzt verlangen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die über die nach Schwacke ermittelten Kosten für die Zustellung und Abholung im Normaltarif des Mietfahrzeuges erforderlich waren.

Die Beklagte hat auch die Kosten für die Haftungsbeschränkung (Vollkasko/ CDW) in Höhe von insgesamt € 64,65 zu ersetzen. Auch hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Schadensbehebung erforderlich waren. Auf die Frage, ob für das beschädigte Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen war oder nicht, kommt es nicht an. Denn es entspricht bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges dem Gebot der wirtschaftlichen Vernunft, für das Mietfahrzeug eine Vollkaskoversicherung zu vereinbaren und/oder die verbleibende Selbstbeteiligung zu reduzieren. Zum einen ist der Unfallgeschädigte mit dem Mietfahrzeug regelmäßig nicht vertraut, zum anderen ist er ggf. während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt. Das wird insbesondere anzunehmen sein, wenn das beschädigte Fahrzeug schon älter war und als Ersatzfahrzeug ein wesentlich höherwertigeres Fahrzeug angemietet wird (vgl. BGH-Urteil vom 15.02.2005, Az. VI ZR 74/04 – zitiert nach juris). Dies war vorliegend nach dem Beklagtenvortrag der Fall. Auch hier hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die über die nach Schwacke ermittelten Kosten für eine Haftungsreduzierung im Normaltarif für 3 Tage erforderlich waren.

Abzüglich der Teilleistung in Höhe von € 260,00 durch die Beklagte ergibt sich somit ein weiterer erstattungsfähiger Gesamtbetrag in Höhe von € 153,34.

Reine Mietwagenkosten:         € 245,69

Winterbereifung:                       € 30,00

Zusatzfahrer:                            € 27,00

Zustellung und Abholung:         € 46,00

Haftungsbeschränkung:            € 64,65

.                                               € 413,34

abzgl. Zahlung der Beklagten  € 260,00

.                                                €153,34

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB und war nur in Höhe von 5 %-punkten über dem Basiszinssatz gerechtfertigt. Eine Anwendung des § 288 Abs. 2 BGB ist ausgeschlossen, da es sich um einen Anspruch aus abgetretenem Recht handelt und die Geschädigte Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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