Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
ich habe meine Urlaubszeit (leider) beendet und bedanke mich recht herzlich bei Hans Dampf, dass während meiner Auszeit auch weiterhin interessante Urteile hier veröffentlicht wurden. Für Euch veröffentliche ich hier und heute ein Urteil aus Aschaffenburg zu den Sachverständigenkosten gegen die bei der HUK-COBURG Versicherte. Auch die Tatsache, dass die HUK-COBURG als Nebenintervenientin dem Rechtsstreit beitrat, hat ihr nichts genützt. Da in diesem Rechtsstreit die Geschädigte gegen die Schädigerin persönlich geklagt hat, hätte nach diesseitiger Ansicht das BGH-Urteil VI ZR 225/13 angewandt werden müssen. Lest aber selbst das Urteil des AG Aschaffenburg und gebt dann bitte Eure Ansichten dazu bekannt.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Aschaffenburg
Az.: 112 C 1830/16
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
der Frau L. P. aus A.
– Klägerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte I. & P. aus A.
gegen
Frau S. E. I. aus W. (Versicherte der HUK-COBURG Allg, Vers. AG)
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte L W B. aus H.
Nebenintervenientin:
HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96443 Coburg
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Aschaffenburg durch die Richterin R. am 10.03.2017 aufgrund des Sachstands vom 02.03.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 107,19 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten hat die Nebenintervenientin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 113,26 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des restlichen Schadensersatzes in Höhe von 107,19 € gemäß den §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1, Abs. 2 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 S.1 Nr. 1 VVG aus einem Verkehrsunfall, der sich zwischen den Parteien am 03.03.2016 in Aschaffenburg ereignete.
Die Haftung der hinter der Beklagten stehenden Versicherung zu 100% für den Schaden der Klägerin als Geschädigte ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Die Parteien streiten über die Höhe des Schadensersatzes hinsichtlich der streitgegenständlichen Sachverständigenrechnung vom 15.03.2016 (vgl. Anlage K2 d.A.) sowie um Auskunftskosten in Höhe von 6,07 € für eine Halterabfrage (Anlage K5 d.A.).
Die Klägerin hat zunächst gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 107,19 € aus den oben zitierten Anspruchsgrundlagen mit Blick auf die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen hinsichtlich der streitgegenständlichen Sachverständigenrechnung, denn gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13 und BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13).
Hinsichtlich der Darlegung der Erforderlichkeit der Sächverständigenkosten der Höhe nach ist zu unterscheiden, ob der Geschädigte die Forderung nach erfolgter Begleichung der Sachverständigenrechnung selbst geltend macht oder der Sachverständige die abgetretene Forderung geltend macht. Hier macht die Geschädigte als Klägerin die restliche Forderung selbst geltend, nachdem er die streitgegenständliche Sachverständigenrechnung vom 15.03.2016 vollständig am 20.04.2016 an den Sachverständigen beglichen hat.
Der Geschädigte selbst genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe im Hinblick auf die Sachverständigenkosten grundsätzlich durch die Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der gerichtlichen Schätzung nach § 287 Abs.1 ZPO zumindest ein wesentliches Indiz für die Bestimmung der erforderlichen Sachverständigenkosten im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Denn auch danach kann, sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Etwas anderes kann nur dann gelten, sofern das Honorar des Sachverständigen auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über’den üblichen Preisen liegt (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13).
Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in-frage zu stellen.
Der von dem Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB. Dies folgt aus der beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten, obgleich der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch sein mag. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden.
Nach den vorgenannten Grundsätzen hat die Klägerin hier durch Vorlage der Rechnung grundsätzlich die Notwendigkeit der dem Geschädigten angefallenen Kosten hinreichend dargelegt.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die abgerechneten Kosten die branchenüblichen im Bezirk des hier gewählten Sachverständigen Büros abgerechneten Kosten erheblich und für den Geschädigten erkennbar übersteigen, hat die hinter der Beklagten stehenden Versicherung nicht dargelegt.
Die Beklagte hat weiterhin keine substantiierten Einwendungen dafür vorgebracht, dass im konkreten Fall die Sachverständigenrechnung für den Geschädigten erkennbar überhöht war.
Es genügt auch nicht, dass die Beklagte mit Schreiben vom 04.03.2016 pauschal ein Informationsschreiben zuschickte, welches Hinweise zu Sachverständigenkosten enthielt, denn dieses Informationsschreiben bildet nicht den für den Geschädigten erkennbaren Markt und die tatsächlich örtlichen Gegebenheiten ab.
Erforderlich wäre seitens der Beklagten die Darlegung der üblichen Sätze für die Nebenkosten bezogen auf das nähere örtliche Umfeld des Geschädigten, sowie die Darlegung, auf welchem Weg die vorstehenden Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne.Kostenvoranschläge unproblematisch und unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein hätten können.
Eine evidente Erkennbarkeit einer möglichen Überhöhung der Sachverständigenrechnung folgt für das Gericht auch nicht aus der streitgegenständlichen Rechnung selbst, da bei den zugrunde gelegten Beträgen kein auffälliges Missverhältnis, dass erkennbar für die Geschädigte sein könnte, vorliegt oder substantiiert vorgetragen worden ist.
Allerdings hat die Klägerin aus den oben zitierten Anspruchsgrundlagen gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz eines Betrages in Höhe von 6,07 € für eine Halteranfrage. Diese Kosten gehören nicht zu den notwendigen Kosten einer Rechtsverfolgung, denn es klagt vorliegend der Geschädigte selbst. Die Klägerin hat nicht substanttiert dargelegt, weshalb dieses Kosten im vorliegenden Fall zweckentsprechend notwendig waren. Es sind auch keine Anhaltspunkte vorgebracht, weshalb es der Geschädigten nicht zuzumuten war die notwendigen Feststellungen über den Zentralanruf der Autoversicherer zu ermitteln.
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 291 BGB. Es waren hier Rechtshängigkeitszinsen anzuerkennen. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass bereits ab dem 30.03.2016 die Beklagte sich in Verzug befand. Der Bevollmächtigte forderte die Beklagte mit Schreiben vom 15.03.2016 unter Fristsetzung bis zum 30.03.2016 zur Zahlung des streitgegenständlichen Betrages auf. Ein erstes Aufforderungsschreiben an die Beklagte erfüllt aber noch nicht die Voraussetzungen einer Mahnung nach § 286 BGB. Diese war auch nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2, da der Kläger mit einer verhältnismäßig geringfügigen Zuvielforderung von nur 5% seines Klageantrages unterliegt und keinen Gebührensprung verursachte. Die Kostenentscheidung bzgl. der Nebenintervention folgt aus § 101 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.
„Es genügt auch nicht, dass die Beklagte mit Schreiben vom 04.03.2016 pauschal ein Informationsschreiben zuschickte, welches Hinweise zu Sachverständigenkosten enthielt, denn dieses Informationsschreiben bildet nicht den für den Geschädigten erkennbaren Markt und die tatsächlich örtlichen Gegebenheiten ab.
Erforderlich wäre seitens der Beklagten die Darlegung der üblichen Sätze für die Nebenkosten bezogen auf das nähere örtliche Umfeld des Geschädigten, sowie die Darlegung, auf welchem Weg die vorstehenden Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unproblematisch und unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein hätten können.“
Ein Filetstück in den Entscheidungsgründen.
Lotte
I. Informationsschreiben der HUK-Coburg an geschädigte Unfallopfer bezüglich Mietwagen-und Sachverständigenkosten bildet nicht den für den Geschädigten erkennbaren Markt und die tatsächlich örtlichen Gegebenheiten ab.
II. Im Hinblick auf die bekannten rechtswidrigen Kürzungen von Gutachterkosten unter Hinweis auf das HUK-Coburg Honorartableau hat das Amtsgericht Aschaffenburg in dem Urteil vom 10.3.2017 – 112 C 1830/16 – dann weiter ausgeführt:
„Erforderlich wäre seitens der Beklagten die Darlegung der üblichen Sätze für die Nebenkosten bezogen auf das nähere örtliche Umfeld des Geschädigten, sowie die Darlegung, auf welchem Weg die vorstehenden Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unproblematisch und unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein hätten können.“
Damit entfällt auch die pauschal vorgetragene Unterstellung eines Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht, wie der mit der Kürzung einhergehende diskriminierende Vorwurf, es müsse sich bei dem Geschädigten um einen nicht vernünftigen und nicht wirtschaftlich denkenden Menschen handeln. Im Umkehrschluss der Betrachtung wäre er nur als vernünftig und wirtschaftlich denkend einzustufen, wenn er bezüglich der Kostenentstehung das ihm von der HUK-Coburg Zugebilligte akzepziert.
Wenn Gerichte das als Maxime für die Rechtsprechung unter anderen Vorzeichen akzeptieren, ist das besorgniserrengend für einen schon durch wirtschaftliche Macht und Einflussnahme angenagten Rechtsstaat. Das Ressort des Bundesjustizministers steht vor diesem Hintergrund auf einem schon entflammten Terrain und das Bundeskartellamt schweigt dazu bis heute wohl auch.
J.M.C.
Wieder einmal ein Urteil gegen eine bei der HUK-Coburg versicherte Schadenverursacherin, die für den rechtswidrigen Kürzungswahn ihrer Versicherung mit ihrem guten Namen den Kopf hinhalten musste.
HEADLINE
„Es sind auch keine Anhaltspunkte vorgebracht, weshalb es der Geschädigten nicht zuzumuten war die notwendigen Feststellungen über den Zentralanruf der Autoversicherer zu ermitteln.“
Oh je, da wurde aber mal kräftig daneben gegriffen. Sollte der Zentralruf persönliche Halterdaten übermitteln, verstößt er gegen das BDSG. Das sollte ein Richter schon wissen.
MfG SV-Mann
Gute juristische Begründung, jedoch auch hier zu wenig Fundament aus gängiger Rechtsprechung und zu dem Zentralruf fehlt die Realität.
@Claus Mann
Woher haben Sie denn diese falsche Rechtsauffassung??
Das KBA übermittelt dem Zentralruf die Halterdaten auf dessen Onlineabfrage automatisch!
Folge:Dem Zentralruf sind die Halterdaten bekannt!
Der Zentralruf ist gesetzlich verpflichtet,die Halterdaten bei einer gezielten Anfrage des Geschädigten zu übermitteln!
Das wird regelmässig rechtswidrig verweigert,weshalb eine Kostenpflichtige Halter- Abfrage durch das Unfallopfer bei der Zulassungsstelle notwendig wird.
Obiges Urteil ist in diesem Punkt überraschend und falsch;der explizite Klägervortrag dazu soll übergangen worden sein,weil das Gericht wohl erst bei der Abfassung des Urteils bemerkt hat,dass auch über die 6,07€ zu entscheiden war.
„…die notwendigen Feststellungen über den Zentralanruf der Autoversicherer zu ermitteln.“
Zumindest dieser durch die Versicherung ausgelegte Fall-Strick hat seine Wirkung hier leider nicht verfehlt. Das ist um so bedauerlicher, da damit die Versicherer in Ihren Schriftsätzen dann ganz frech auf dieses Urteil Bezug nehmen werden. Nach dem Motto: „Wir schreiben mal ganz viel in den jeweiligen Klageerwiderungen und verweisen ganz frech auf diese X-fachen – (Schrott) Ausurteilungen. Liest ja eh kein Richter diese Urteile.“ Sehr schade. Vor allem weil der Beweis in der Verhandlung ganz einfach zu führen gewesen wäre. Anruf beim Zentralruf, „…verraten Sie mir mal die Halterdaten zum Kennzeichen XY!“ Selten so gelacht. Mal ganz abgesehen davon, dass Halter und Versicherer nicht identisch sein müssen und dass der Halter als Schädiger und genau nicht die Versicherung verklagt wurde…“. Sorry, aber in diesem Punkt m.E. nach ein Schrotturteil. Hier trägt die tatrichterliche Erkenntnis weder den Realitäten noch den Gesetzen ausreichend Rechnung.
BG