Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachfolgend geben wir Euch hier und heute noch ein positives Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau – zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Versicherungsnehmerin der VHV Versicherung bekannt. Zu Recht hat das angerufene Gericht auf die Grundsatzentscheidung VI ZR 225/13 abgestellt, denn durch die Abtretung verändert sich der Schadensersatzanspruch nicht. Nachdem die VHV als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung offensichtlich nicht in der Lage war, vollen Schadensersatz zu leisten, ist wegen des Restbetrages der Versicherungsnehmer der VHV gerichtlich in Anspruch genommen worden. Auch hier ist die Versicherungsnehmerin, eine Firma, sicher wieder begeistert, dass sie wegen der offensichtlichen „Zahlungsklemme“ der VHV Versicherung verurteilt wurde, denn anderenfalls hätte die VHV den Schadensersatzanspruch bei voller Haftung in voller Höhe wohl reguliert? Zu dieser Strategie kann man die VHV-Versicherung nur beglückwünschen. Zufriedenheit der Versicherungsnehmer sieht wohl anders aus, meinen wir. Veröffentlichte Urteile wie diese kosten die VHV jede Menge Neukunden bzw. auf längere Sicht betrachtet viele Werbemillionen, um diesen Imageverlust wieder auszugleichen. Was denkt Ihr? Lest bitte selbst das Urteil und gebt dann Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Aschaffenburg
Zweigstelle Alzenau i. Ufr.
Az.: 130 C 65/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte I & P aus A.
gegen
…(Versicherungsnehmerin der VHV-Versicherung)
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt L. O. aus B.
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Aschaffenburg, Zweigstelle Alzenau i. Ufr. durch die Richterin S. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 155,07 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.09.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger, die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.11.2014 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Erstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a I ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
1. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten in Höhe von 155,07 € zu. Dies entspricht der durch den Haftpflichtversicherer der Beklagten vorgenommenen Kürzung der Sachverständigengebühren. Herr A. M. , der Eigentümer des durch den Verkehrsunfall am 22.08.2014 beschädigten Pkws, hat ausweislich der Abtretungserklärung vom 22.08.2014 (Bl. 16 der Akte) seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachterkosten erfüllungshalber an den Kläger abgetreten.
b)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Unfallgeschädigter einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und nach § 249 II Satz 1 BGB vom Schädiger als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, Juris, Rd.Nr. 7 m.w.N.).
aa)
Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (BGH, Urteil vom 11.022014 – VI ZR 225/13, Juris Rd.Nr. 7 m.w.N.). Dieses, unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungsobliegenheit des Geschädigten bestehende Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet es dem Geschädigten, den Schaden auf diejenige Weise zu behandeln, die in seiner individuellen Lage, d.h. angesichts seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung etwaiger gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten, sich als die wirtschaftlich Vernünftigste darstellt (BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 528/12, Juris, Rd.Nr. 20). Der Geschädigte ist dabei regelmäßig nicht verpflichtet, sich nach dem günstigsten Sachverständigen zu erkundigen. Vielmehr darf er sich damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen und muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem Hononar günstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, Juris, Rd.Nr. 7 m.w.N.).
bb)
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 II Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls einschließlich der – vor dem Hintergrund der objektsbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, Juris, Rd.Nr. 8 m.w.N.). Wissensstand und die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensbeseitigungsaufwands gemäß § 249 II Satz 1 BGB eine maßgebliche Rolle (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, Juris, Rd.Nr. 8 m.w.N.).
Vorliegend hat der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachterkosten an den Kläger abgetreten. Im Fall der Zession ist für die Frage ob ein Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit vorliegt, auf den Geschädigten (Zedenten), nicht auf den Kläger als Zessionar abzustellen.
cc)
Der Geschädigte hat seine Schadensminderungspflicht nicht verletzt.
(1)
Die Anrechnung nach Schadenshöhe war nicht zu beanstanden. Die Höhe des vom Kläger in Rechnung gestellten Grundhonorars ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht zu beanstanden. Das Grundhonorar belief sich bei Reparaturkosten inkl. Mehrwertsteuer in Höhe von 11.747,54 € auf 968,80 € (netto). Es fehlt an Anhaltspunkten, dass die Honorarforderung des Klägers den Rahmen der Ortsüblichkeit überschritten hat und dem geschädigten Zedent als stark überhöht erscheinen musste. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Laien regelmäßig nicht beurteilen können, welche Zeit die Erstellung eines Sachverständigengutachtens regelmäßig in Anspruch nimmt. Laien können daher auch nicht wissen, wie hoch die üblichen Betriebsausgaben eines Sachverständigen sind. Deshalb können sie auch die Angemessenheit des Grundhonorars nicht beurteilen.
(2)
Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand gehört werden, die Nebenkosten, insbesondere die Fahrtkosten, die Kosten für Lichtbilder sowie die Auslagen und Nebenkosten in Höhe von 60,00 € seien unverhältnismäßig hoch. Dass diese Kosten angefallen sind, bestreitet die Beklagte gerade nicht. Maßstab für die Beurteilung solcher Nebenkosten die Ortsüblichkeit. Dass insbesondere privat entwickelte Fotos günstiger gewesen wären als 2,50 € bzw. 1,25 € für den zweiten Fotosatz ist zwar richtig; es kann hierauf aber nicht ankommen, denn dass bei anderen Sachverständigen Fotokosten in geringerer Höhe angefallen wären und der geschädigte Zedent dies hätte erkennen können, sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Der geschädigte Zedent hätte erkennen können, dass die übrigen Nebenkosten, insbesondere die Auslagenpauschale unverhältnismäßig hoch gewesen wären und den Rahmen der Ortsüblichkeit überschritten hätten, ist von der Beklagten nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, vorgetragen worden.
In Bezug auf die Fremdleistung des Autohauses A. W. GmbH ist diese ausweislich der Rechnung vom 27.08.2014 (Bl. 41 der Akte) tatsächlich erbracht worden.
2. Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Zinszahlung gemäß §§ 286, 288 BGB als Verzugsschaden, weil die Beklagte durch Schreiben vom 28.08.2014 unter Fristsetzung bis zum 11.09.2014 zur Zahlung der Gutachterkosten aufgefordert wurde und in Bezug auf den Betrag von 1.478,75 € einen Betrag von 155,07 € nicht bezahlt hat und sich damit in Verzug befand.
3. Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Bezahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden, weil die Beklagte durch das anwaltliche Schreiben vom 03. 11.2014 unter Fristsetzung bis zum 18.11. 2014 zur Zahlung aufgefordert wurde und trotz Aufforderung nicht zahlte. Die Höhe der mittels Klage geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ist zwischen den Parteien unstreitig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
5. Die Entscheidung zur vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
gez.
…
Richterin
Verkündet am 05.06.2015