Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier ein Urteil aus Bad Neuenahr-Ahrweiler zur Mehrwertsteuer bei Ersatzbeschaffung und zu den Mietwagenkosten gegen den HDI. Bei der Beurteilung der restlichen erforderlichen Mietwagenkosten richtete sich das erkennende Gericht nach den Werten der Schwacke-Liste. Gegen diese Liste hatte die beklagte HDI keine konkreten Einwände erhoben, sondern nur ins Blaue hinein die behauptete günstigere Angebote, die auf späteren Internetanfragen beruhen. Entscheidend sind aber die Preise am Unfalltage. Hinsichtlich der ebenfalls strittigen Mehrwertsteuer, die durch die Ersatzbeschaffung tatsächlich und konkret angefallen ist, hat das Gericht zutreffend auf die Rechtsprechung des BGH verwiesen. Die Sachbearbeiter der HDI können es einfach nicht lassen mit der Mehrwertsteuer? Wir meinen, dass es sich durchweg um ein positiv begründetes Urteil des AG Bad Neuenahr-Ahrweiler handelt. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
31 C 62/14
Amtsgericht
Bad Neuenahr-Ahrweiler
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
(abgekürzt nach § 313a ZPO)
In dem Rechtsstreit…
– Kläger –
gegen
HDI-Gerling Industrie Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Dürrenhofstr. 6, 90402 Nürnberg
– Beklagte
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler durch die Richterin am Amtsgericht S. am 23.07.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 533,63 € nebst Zinsen aus 230,63 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.07.2013 und aus 308,00 € seit dem 04.09.2013 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Hohe von 36,40 € zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 2.07.2013 zwischen dem Autobahndreieck Bad Neuenahr-Ahrweiler und dem Autobahnkreuz Meckenheim in Anspruch. Die volle Haftung der Beklagten steht außer Streit.
Ein vom Kläger in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten gelangte zu einem Wiederbeschaffungswert von 1.700,00 €, wobei dieser Wert einen Mehrwertsteueranteil von 2,4 % enthielt, da vergleichbare Ersatzfahrzeuge überwiegend differenbesteuert angeboten werden.
Der Kläger erwarb ein Ersatzfahrzeug und begehrte von der Beklagten den Wiederbeschaffungswert unter Abzug des durch den Sachverständigen ermittelten Mehrwertsteueranteils und Abzug des ermittelten Restwertes. Die Beklagte beglich den Schaden unter Abzug des Regelsteueranteils (19 %) vom Wiederbeschaffungswert.
Neben der Mehrwertsteuerdifferenz von insgesamt 230,63 € begehrt der Kläger zudem Ausgleich von Mietwagenkosten in Höhe von 308,00 €, die ihm in Höhe von 630,00 € netto in Rechnung gestellt worden waren und von der Beklagten nur in Höhe von 322,00 € ausgeglichen wurden.
II.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Klageforderung zu.
1.
Vorliegend hat der Kläger unstreitig ein Ersatzfahrzeug beschafft und kann damit den Schaden konkret auf Basis der Ersatzbeschaffung abrechnen.
Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen Brutto-Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges entspricht oder diesen übersteigt, kann er im Wege konkreter Schadensberechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des Brutto-Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges – unter Abzug des Restwertes – ersetzt verlangen. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen Brutto-Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl. BGH NJW 2005, 2220; BGH NJW 2006, 2181).
Stellt der Geschädigte durch eine konkrete Ersatzbeschaffung zu dem vom Sachverständigen genannten Brutto-Wiederbeschaffungswert wirtschaftlich den Zustand wieder her, der vor dem Unfalfereignis bestand, so kann er nach § 249 BGB den tatsächlich hierfür aufgewendeten Betrag unabhängig davon ersetzt verlangen, ob in ihm Regelumsatzsteuer im Sinne des § 10 UStG, eine Differenzsteuer im Sinne des § 25a UStG oder gar eine Umsatzsteuer enthalten ist (vgl. BGH NJW 2005, 2220). Im Rahmen der durch den BGH vorgenommenen „subjektbezogenen Schadensbetrachtung“ kann es dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er bei der konkreten Ersatzbeschaffung auf dem Gebrauchtwagenmarkt von den umsatzsteuerrechtlich möglichen verschiedenen Erwerbsmöglichkeiten nicht gerade diejenige realisiert, die der Sachverständige – für die fiktive Schadensberechnung – als die statistisch wahrscheinlichste bezeichnet hat. Er genügt vielmehr seiner Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens, wenn er sich beim Erwerb an dem vom Sachverständigen genannten Brutto-Wiederbeschaffungswert als Endpreis für das auf dem Markt gehandelte Fahrzeug orientiert. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Geschädigte ein teureres Ersatzfahrzeug anschafft. Auch in diesem Fall hat der Geschädigte im Rahmen der Ersatzbeschaffung tatsächlich mindestens den Betrag aufgewendet, den der Sachverständige als erforderlich für die Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Erwerb eines gleichartigen Fahrzeuges ermittelt hat und den der Geschädigte unabhängig von einem darin enthaltenen Umsatzsteueranteil im Rahmen einer konkreten Schadensberechnung jedenfalls hätte ersetzt verlangen können (vgl. BGH NJW 2005, 2220).
2.
Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Erstattung der vollen Mietwagenkosten zu.
Der Kläger hat durch Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der Firma S. (Bl. 64 d A), deren inhaltliche Richtigkeit nicht bestritten wurde, nachgewiesen, dass er die Rechnung betreffend die Mietwagenkosten bezahlt hat. Zweifel an der Aktivlegitimation des Klägers bestehen daher nicht, zumal auch die Rechnung auf seinen Namen lautet.
Die Frage, wie das Fahrzeug zugelassen und versichert ist, ist durch den Geschädigten nicht prüfbar und kann nicht zu einer Minderung seiner Ansprüche führen.
Auch sind die Mietwagenkosten vorliegend nicht als überhöht anzusehen.
Der Kläger ist berechtigt, als im Sinne von § 249 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten zu verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren, von mehreren möglichen, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Dies bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren, auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergfeichbaren Ersatzfahrzeugs innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann.
Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zunächst der objektiv erforderliche Herstellungsaufwand zu ermitteln und gegebenenfalls zu prüfen, ob über das objektiv erforderliche Maß hinaus ein Geschädigter im Hinblick auf die gebotene subjektive Schadensbetrachtung einen übersteigenden Betrag ersetzt verlangen kann.
Für die Beurteilung der Erforderlichkeit und die Ermittlung des Normaltarifs kann auf das gewichtete Mittel des Schwacke-Mietpreisspiegels zurückgegriffen werden. Gemäß § 287 ZPO kann dieser als geeignete Schätzgrundlage dienen, um eine umfassende Beweisaufnahme für jeden Einzelfall zu vermeiden. Einwendungen gegen diese Schätzgrundlage sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind.
Die Anwendung der Schwacke-Liste begegnet nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen (vgl. LG Koblenz, MRW 2012, 70; LG Koblenz, DV 2013, 100, OLG Koblenz, MRW 2012, 33). Dies ist hier indes nicht erfolgt, denn die von der Beklagten vorgelegten Angebote stellen keine geeigneten Vergleichsangebote dar. Es handelt sich vielmehr um im Nachhinein (Internet-Auszug vom 19.02.2014) abgefragte Daten für Mietwagenverträge. Dabei lässt sich den Auszügen auch nicht entnehmen, ob die dortigen Mietangebote im Falle einer reellen Mietanfrage tatsächlich verfügbar gewesen waren. Berücksichtigt wird auch nicht der Wohnort des Geschädigten sowie der Umstand, dass das Mietfahrzeug in Bad Neuenahr zur Verfügung gestellt und wieder abgenommen wurde. Der vorgelegte Internetauszug ist kein ausreichender Anhalt dafür, dass die von dem Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten nicht erforderlich waren.
Auf der Basis des Normaltarifs nach Schwacke-Modus (gewichtetes Mittel) ist ein pauschaler Aufschlag von 20 % auf die gemäß Schwacke-Spiegel ermittelten Kosten gemäß der gefestigten Rechtsprechung des Amtsgerichts sowie der Berufungskammern des Landgerichts Koblenz (vgl. LG Koblenz, DV 2013, 100) zulässig. Aufgrund der Besonderheiten einer Unfallsituation ist in der Regel ein höherer Mietwagen preis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich, der – um den betriebswirtschaftlichen Besonderheiten der Kosten und Risiken eines Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zum sogenannten Normalgeschäft gerecht zu werden – mit 20 % pauschaliert werden kann. Legt man diese Berechnungsgrundlage zugrunde, ist der geltend gemachte Schadensbetrag nicht zu beanstanden.
3.
Der zugesprochene Zinsschaden ist aus §§ 286, 288 Abs. 1 ZPO begründet. Die Beklagte wurden mit anwaltlichem Schreiben vom 9.07.2013 unter Fristsetzung bis zum 18.07.2013 zur Regulierung hinsichtlich des Wiederbeschaffungswertes aufgefordert, so dass sie sich mit derZahlung seit dem 19.07,2013 in Verzug befindet. Im übrigen wurden sie zur Zahlung mit anwaltlichem Schreiben vom 23.03.2013 unter Fristsetzung bis zum 3.09.2013 aufgefordert, so dass sie sich mit der Zahlung hinsichtlich der Mietwagenkosten seit dem 04.09.2013 in Verzug befindet. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind zutreffend nach den Bestimmungen des RVG berechnet worden, so dass auch diese Forderung begründet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr, 11, 711, 713 ZPO.
…
Richterin am Amtsgericht
Beschluss
Der Streitwert wird auf 538,63 € festgesetzt.