Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nun wieder etwas Erfreulicheres. Der Direktor des Amtsgerichtes als Dezernent der 1. Zivilabteilung des AG Baden-Baden hatte über die Kosten eines Sachverständigengutachtens zu befinden, das zu einer Schadenshöhe von knapp 665,– € gelangte. Allerdings sind in dem Sachverständigengutachten Wertverbesserungen durch den Sachverständigen angegeben worden, die in einem Kostenvoranschlag gefehlt hätten. In diesem besonderen Fall hält das Gericht – meines Erachtens zu Recht – die angefallenen notwendigen Sachverständigenkosten für erstattungspflichtig, auch wenn es sich im Nachhinein bei dem Fahrzeugschaden um einen sogenannten Bagatellschaden handelt. Aber eigentlich kann es, wie auch dieser Fall zeigt, eine Bagatellschadensgrenze gar nicht geben. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion zugesandt durch die Herren Rechtsanwälte Dennig & Kollegen aus 76135 Karlsruhe. Gebt bitte Eure Kommentare auch zu diesem Urteil ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
1 C 376/12
Amtsgericht Baden-Baden
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
…
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Baden-Baden
durch den Direktor des Amtsgericht …
am 15.04.2013 nach dem Sach- und Streitstand vom 15.04.2013 ohne mündliche Verhandlung
gemäß § 495a ZPO
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 152,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.06.2012 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 37,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.11.2012 zu zahlen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 6/10 und die Beklagte 4/10 zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung der Sachverständigengebühren in Höhe von 152,92 € gem. §§ 7 StVG, 823, 249 ff. BGB, 115 VVG zu.
Die Haftung der Beklagten zu 100 % aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfallgeschehens am xx.05.2012 gegen 20.00 Uhr im Parkhaus City-Center in Baden-Baden ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die für das vom Kläger eingeholte Sachverständigengutachten entstandenen Kosten in Höhe von 152,92 € sind seitens der Beklagten zu erstatten.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Es kommt dabei darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt beim Geschädigten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, nicht allein darauf abgestellt werden, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Allerdings kann der ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen, wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs, ausgereicht hätten.
Vorliegend ist die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der durchgeführten Begutachtung zu bejahen. Dem vorgelegten Gutachten ist zu entnehmen, dass das verunfallte klägerische Fahrzeug bereits vor dem Unfallgeschehen über nichtbehobene Altschäden verfügte und in diesem Zusammenhang auch Lackierarbeiten bereits vor dem kalkulierten Schaden durchzuführen gewesen wären. Insoweit ergaben sich den Ausführungen des Ingenieurbüros zufolge Wertverbesserungen, welche Abzüge für den vorhandenen Vorteilsausgleich notwendig machten. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das klägerische Fahrzeug über Vorschäden verfügte, konnte der Kläger damit rechnen, dass es im Rahmen der Regulierung zur Auseinandersetzung mit der Beklagten als zuständige Haftpflichtversicherung kommen könnte. In diesem Fall erscheint die Beauftragung eines Gutachters, unabhängig von der Bagatellgrenze, die nicht allein ausschlaggebend sein kann, zweckmäßig und erforderlich.
Auch ist festzustellen, dass im Rahmen der Einholung eines Reparaturkostenvoranschlags sicherlich seitens der Reparaturfirma nicht die entsprechenden Werte für Wertverbesserung in Abzug gebracht worden wären. Insoweit wirkte sich die Einholung des Gutachters auch zugunsten der Beklagten aus, denn der Gutachter ermittelte den Abzug für die Wertverbesserung ohne Mehrwertsteuer mit einem Betrag in Höhe von 242,52 €. Dies entspricht etwa 1/3 des Schadensbetrages.
Die Höhe der angefallenen Sachverständigengebühren von 152,92 € ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger hat schlüssig dargetan, dass sich die Beklagte mit der Bezahlung der Sachverständigenkosten aufgrund der im Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25.05.2012 bis 05.06.2012 gesetzten Zahlungsfrist ab dem 06.06.2012 in Zahlungsverzug befindet. Ab diesem Tag waren die beantragten gesetzlichen Verzugszinsen zuzusprechen.
Unter Schadensersatzgesichtspunkten kann der Kläger auch die Erstattung weiterer vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 37,13 € von der Beklagten erstattet verlangen.
Ausweislich des vorgelegten Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25.05.2012 hat dieser den Gesamtschaden in Höhe von 664,95 € gegenüber der Beklagten geltend gemacht (Fahrzeugschaden: 482,03 €; Sachverständigenkosten: 152,92 €; Unkostenpauschale: 30,00 €).
Ausgehend von diesem Gegenstandswert errechnet sich eine 1,3-Geschäftsgebühr in Höhe von 84,50 €, eine Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 16,90 € und ein Mehrwertsteuerbetrag in Höhe von 19,27 €.
Auf den Gesamtforderungsbetrag in Höhe von 120,67 € hat die Beklagte bisher eine Zahlung in Höhe von 83,54 € geleistet.
Ab Eintritt der Rechtshängigkeit am 10.11.2012 waren dem Kläger die beantragten gesetzlichen Verzugszinsen auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zuzusprechen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 269, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.