Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Frankfurt am Main geht es weiter nach Bayreuth. Nachfolgend stellen wir Euch hier ein Urteil des Amtsgerichts Bayreuth zu den Sachverständigenkosten, zur fiktiven Abrechnung und zur Unkostenpauschale gegen den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG bekannt. Das erkennende Gericht hat die Sachverständigenkosten positiv beurteilt, allerdings die fiktive Schadensabrechnung unzureichend. Die Gleichwertigkeit der Reparatur in den freien Werkstätten zu den Reparaturen in den markengebundenen Fachwerkstätten wurde offensichtlich als gegeben vorausgesetzt. Im Urteil steht zumindest nichts davon. Warum das Gericht zu dieser urteilsrelevanten Entschließung gelangt ist, bleibt unergründlich. War eventuell das Fahrzeug ständig checkheftgepflegt? Das hätte zumindest mit dem Rechtsmittel überprüft werden müssen. Insoweit hätte auf jeden Fall die Berufung zugelassen werden müssen. Warum allerdings zu der regionalen Üblichkeit der Ersatzteilpreisaufschläge kein Beweisantritt vorgenommen wurde, bleibt ebenso unerklärlich. Lest selbst und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Bayreuth
Az.: 103 C 1683/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
…
– Beklagter –
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Bayreuth durch den Richter am Amtsgericht H. am 21.04.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 99,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.10.2013 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 12 % und die Beklagte 88 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
1. Der Streitwert wird für das Mahnverfahren auf 459,04 € und für das streitige Verfahren auf 151,51 € festgesetzt.
2. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet.
Hierüber konnte im schriftlichen Verfahren nach § 495 a ZPO entschieden werden, nachdem der Streitwert 600,00 EUR nicht übersteigt, das Gericht auf diese Entscheidungsmöglichkeit hingewiesen hatte und kein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt wurde.
1.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz bezüglich der Sachverständigenkosten in Höhe von noch 99,55 EUR gemäß. § 7 Abs. 1 StVG zu. Die vollumfängliche Haftung des Beklagten steht hierbei außer Streit.
Zum nach § 249 BGB erforderlichen Schadensumfang zählen auch die Kosten, die der Geschädigte für die Ermittlung des an seinem Eigentum eingetretenen Schadens durch Einschaltung eines Sachverständigen aufwendet.
Seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der Rechnung des Sachverständigen, die bei der vom Tatrichter nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung ein wesentliches Indiz für die Bestimmung der angemessenen Vergütung darstellt und der Geschädigte sich damit begnügen darf, den in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen, zu einer Marktforschung ist er dabei nicht verpflichtet (BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13).
Ferner ist für den Eintritt der Indizwirkung erforderlich, dass der Geschädigte die Rechnung auch bezahlt hat (BGH, Urteil vom 22.07.2014 VI ZR 357/13), was ebenfalls erfolgt ist. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Geschädigte unmittelbar selbst die Zahlung anweist oder dies über den zur Schadenregulierung beauftragten Rechtsanwalt erfolgt, weil die vom BGH geschaffene Indizwirkung nur Auswirkungen im Prozess hat, dagegen nicht für die vorgerichtliche Regulierung und somit die am 21.10.2013 geleistete Zahlung vor Geltendmachung des Schadens erfolgte.
Ferner ist für das Gericht nicht erkennbar, wie einem Geschädigten angesichts der BGH-Rspr. in der hier konkreten Situation der Vorwurf zumindest einfacher Fahrlässigkeit gemacht werden kann, um ein Mitverschulden zu begründen, da von einem durchschnittlichen Geschädigten nicht erwartet werden kann, die Preisgestaltung – insbesondere im Hinblick auf Nebenleistungen – rechtssprechungsgemäß zu überblicken und einordnen zu können, zumal auch nach den maßgeblichen Entscheidungen des BGH der Tatrichter eine weite Schätzgrundlage hat und die beklagtenseits vorgelegte Preisspanne der Honorarbefragungen (Anlage B2) zeigt, dass weder der Geschädigte zu einer Einschätzung des Honorars in der Lage sein dürfte noch eine Sachverständigenbegutachtung hierzu zielführend sein kann, so dass der diesbezügliche Beweisantrag der Beklagtenseite dahinstehen kann.
Somit stehen der Klägerin Gutachterkosten von 596,55 EUR zu, auf welche 497,00 EUR bezahlt wurden und somit noch 99,55 EUR offen stehen.
Die Entscheidung über die Verzinsung folgt aus §§ 266, 288 BGB.
2.
Abzuweisen ist die Klage bezüglich der weiteren Reparaturkosten, nachdem kein Anspruch auf Erstattung von UPE-Aufschlägen bei fiktiver Abrechnung jedenfalls dann besteht, wenn sie auch für freie Werkstätten nicht regional üblich sind, insbes. wenn für die regionale Üblichkeit kein Beweis angetreten wird (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.04.2013, 16 U 213/13).
Hierbei kann die streitige Rechtsfrage dahinstehen, ob UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung zur Reparatur in markengebundenen Werkstätten in der maßgeblichen Region generell zu erstatten sind, denn angesichts des Fahrzeugsalters und des fehlenden Nachweises einer regelmäßigen Wartung in der Markenwerkstatt kommt es bei dieser Schadensregulierung nicht nur auf die Preisgestaltung von Markenwerkstätten, sondern von allen Reparaturwerkstätten im regionalen Bereich an. Das Fahrzeug der Klägerin wurde im Jahre 2004 erstmalig zugelassen und war damit zum Unfallzeitpunkt ca. 9 Jahre alt, so dass sich der Geschädigte regelmäßig auf eine nicht-markengebundene Werkstatt verweisen lassen muss, da eine Unzumutbarkeit nicht gegeben ist (vgl. zu dieser Problematik auch BGH NJW 2010, 606; 2010 2941). Die Klägerin behauptet gerade nicht, dass das Fahrzeug dauerhaft in einer Fachwerkstatt gewartet wurde. Da aber aus vielen Rechtsstreitigkeiten zu dieser Thematik gerichtsbekannt ist, dass freie Werkstätten Aufschläge meist nicht berechnen, kommt es hier nur auf die Frage an, ob es bei allen Werkstätten im maßgeblichen Bereich üblich ist, UPE-Aufschläge zu verlangen. Damit ist dem klägerseits Beweisangebot, dass im Falle einer konkreten Reparaturdurchführung die regionalen Markenwerkstätten UPE-Aufschläge ebenso verrechnen, wie dies im Gutachten des SV L. tatsächlich angesetzt worden sind, nicht nachzugehen. Vielmehr besteht die potentielle Möglichkeit der Reparatur in einer freine Werkstatt ohne UPE-Aufschlag, bei der dann ja im Falle fiktiver Reparaturkostenermittlung keine Aufschläge anfielen.
3.
Ferner besteht kein Anspruch bezüglich der restlichen Unkostenpauschale, weil diese regelmäßig mit 25,00 EUR zu bemessen ist und es dem Geschädigten unbenommen bleibt, höhere Aufwendungen darzulegen. Macht der Geschädigte allerdings hiervon nicht Gebrauch und verlangt einen pauschalen Aufwendungsersatz, verbleibt es bei den Betrag von 25,00 EUR, denn eingetretenen Preissteigerungen in Bezug auf Energiekosten (wie sie z. B. bei Fahrten zur Reparaturwerkstatt oder zum Anwalt etc. anfallen) stehen kaum noch messbare Vermögenseinbußen durch Telekommunikationskosten gegenüber, nachdem sich in der Praxis weitgehend Flatrate-Tarife durchgesetzt haben und ein Großteil der Kommunikation mittlerweile auch rein elektronisch geführt wird (z. B. E-Mail) und deshalb für gewöhnlich Portokosten im nennenswerten Umfang nicht mehr anfallen. Ob und wie dies im Einzelfall bei der Klägerin war, kann dahinstehen, denn bei einer pauschalen Abrechnung ist eine generalisierende Betrachtung maßgeblich.
4.
Dem klägerischen Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht zu entsprechen, denn die Frage nach der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenhonoraren ist bereits hinreichend höchstrichterlich geklärt (siehe oben) und für die Entscheidung bezüglich der UPE-Aufschläge es nicht auf die Rechtsfrage ankommt, ob diese generell bei fiktiver Abrechnung erstattungsfähig sind oder nicht. Bezüglich der Unkostenpauschale besteht bereits eine gefestigte Rechtsprechung.
Kostenentscheidung: §§ 92 i. V. m. 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Streitwert: § 3 ZPO, 39 ff GKG.
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
Halloooo, Willi Wacker,
„Ferner ist für den Eintritt der Indizwirkung erforderlich, dass der Geschädigte die Rechnung auch bezahlt hat (BGH, Urteil vom 22.07.2014 VI ZR 357/13),…“
DAS ist top ? Nach der bisher hier laut gewordenen Kritik an dem angesprochenen BGH-Urteil bin ich in diesem Punkt ausnahmsweise mal nicht Deiner Meinung.
Wie war hierzu auf http://www.captain-huk.de nachzulesen?
„Auch der von den Anwälten der HUK-COBURG erhobene Einwand, dass die Sachverständigenkosten noch nicht bezahlt seien, ging – zu Recht – fehl.
Denn der vom BGH gemachte Hinweis auf die bezahlte Kostenrechnung ist verfehlt.
Denn der bezahlten Rechnung steht die Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung gleich.
Im Übrigen ist das Schadensersatzrecht kein Kostenerstattungsrecht. Ob die Kosten bezahlt sind oder nicht, darauf kommt es nicht an.“
scouty
Halloo Scouty,
das „top“ in der Überschrift ist in der Tat missverständlich. Ich war insoweit vom Ergebnis ausgegangen, was sich auch im Vorwort widerspriegelt. Aber hinsichtlich des Bezahlvermerkes hast Du Recht.
Die Rechtsprechung des BGH zur Indizwirkung der – bezahlten – Rechnung ist m.E. falsch. Denn der VI. Zivilsenat übersieht, dass der Bezahlung der Rechnung die Rechnungsstellung als Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung gleichsteht. In beiden Fällen ist das Vermögen gemindert. Einmal hat der Schuldner bezahlt, das andere Mal steht er kurz vor der Bezalung. Das ändert auch nicht, dass er zur Zahlung verpflichtet ist.
Aber ich danke für den Hinweis auf die Ungenauigkeit. Es zeigt, dass einige Leser gewissenhaft das lesen, was ich „verzapfe“. Das freut mich.
Willi Wacker