Hallo verehrte Captain-Huk-Leser!
Nachfolgend kann ich – trotz Weihnachtszeit – nicht nur Erfreuliches vermelden. Das AG Mitte in Berlin hat z.B. die erforderlichen Sachverständigenkosten an der Relation zur Schadenshöhe im Rahmen der Schadenshöhenschätzung i.S.d. § 287 ZPO gemessen. Sachverständigenkosten bis 25 Prozent des Schadens seien noch erforderlich, darüber nicht mehr? Das sind dem Schadensersatzrecht fremde Erwägungen, die auch mit der Erforderlichkeit i. S. d. § 249 BGB nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Leider ist nicht klar, um welche Versicherung es sich handelt, die dem erkennenden Richter derartigen Blödsinn eingeredet hat. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor teilanonymisiert übersandt durch das Anwaltsbüro Dr. Imhof und Partner aus Aschaffenburg. Lest bitte selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Mitte
Im Namen des Volkes
Urteil gem. § 313a ZPO
Geschäftsnummer: 111 C 3381/11 verkündet am : 27.11.2012
In dem Rechtsstreit
des Herrn B. S. , aus B.
-Klägers –
– Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. I. & P. aus A.
gegen
den Herrn U. P. , aus B.
-Beklagten- ,
– Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte A.& K. aus B.
hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 111, Littenstraße 12 -17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 06.11,2012 durch den Richter am Amtsgericht …
f ü r R e c h t e r k a n n t :
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 116,26 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2010 sowie weitere 49,98 € zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Von. der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Beklage ist verpflichtet, das restliche Sachverständigenhonorar von 116,26 € zu ersetzen, nachdem zweimal 212,– € gezahlt worden sind.
Der Kläger ist berechtigt, das Honorar geltend zu machen. Der Beklagte kann sich nach gemäß § 242 BGB nicht darauf berufen, dass die Forderung an den Sachverständigen abgetreten sei. Denn er hat noch nach Rechtshängigkeit weitere 212 € geleistet und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Danach muss er sich so behandeln lassen, als habe er an den Kläger gezahlt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob unmittelbar an den Sachverständigen gezahlt worden ist.
Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Er hat hierzu den finanziellen Bedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrages zu befriedigen und nicht etwa von Geschädigten gezahlten Rechnungsbeträge zu erstatten. Der tatsächliche Aufwand bildet freilich (ex post gesehen) bei der Schadenschätzung nach § 287 ZPO oft einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Jedoch ist der tatsächlich aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden identisch. Insbesondere deshalb kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeiten (z.B. einer überhöhten Honorarforderung des Sachverständigen) abhängig gemacht werden. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen.
Nach den vorstehenden Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH VersR 2007, 560 f. m.w.N.) kommt es im Schadenersatzprozess grundsätzlich nicht darauf an, ob die zwischen den Sachverständigen und den Geschädigten getroffene Preisvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 BGB unwirksam ist. Unerheblich ist auch, welche Vergütung bei fehlender Honorarvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen von letzterem nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB bestimmt werden könnte. Maßgeblich ist vielmehr, ob die an den Sachverständigen, gezahlten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar für ein Kraftfahrzeug-Schadengutachten als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des §§ 249 Abs. 2 BGB verlangt werden kann, in ständiger Rechtsprechung bejaht. Hiergegen bestehen aus schadensrechtlicher Sicht keine Bedenken.
Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Im Regelfall ist er berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit dem Erstellen des Schadensgutachtens zu beauftragen. Er kann jedoch vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Allerdings verbleibt für ihn das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als teuer erweist.
Nach diesen Grundsätzen hat das Gericht im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO in ständiger Rechtsprechung Sachverständigenhonorare für angemessen gehalten, die 25 % des ermittelten Schadens nicht übersteigen. Das Verhältnis des Honorars zum Schaden ändert sich nicht, wenn man die Bruttobeträge berücksichtigt. Jedenfalls sind die Brutto-Sachverständigenkosten nicht in das Verhältnis zu den Netto-Reparaturkosten zu setzen.
Die Honorarbefragung des BVSK e.V. bindet weder Geschädigte noch Sachverständige. Die Auswertung ist nicht nachvollziehbar. Erstreckte sich die Befragung 2008 noch über drei Honorarbereiche (HB I – III) finden sich in der Befragung 2011 fünf Kategorien (HB I – V). Fragebögen von Nichtmitgliedern wurden nicht einbezogen.
Unerheblich ist, dass bayerische Gerichte eine Obergrenze von 15 % annehmen. Dies mag auf regionalen Besonderheiten beruhen. Jedenfalls hat keine Preiskontrolle in dem Sinne stattzufinden, dass Berliner Schadengutachten nicht teurer als Münchener Schadengutachten sein dürfen.
Unerheblich ist auch, was der Sachverständige für Datenbankabfragen Fotos, Computernutzung und ähnliche Einzelpositionen berechnet. Gerade weil keine Preiskontrolle stattfindet und weil keine Honorarordnung für Schadensgutachtet existiert, ist der Sachverständige frei, die Kriterien seiner Preisbildung selbst zu bestimmen.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 BGB begründet.
Die Vergütung für die vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers von 49,98 € ist ebenfalls zu erstatten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 91 a Abs. 1, 708 Nr. 11, 713, 511 Abs. 4 ZPO.
Hallo Willi,
im Rahmen der Mischkalkulation kann man durchaus auch mit 25% leben. Ich stelle mir gerade den durchschnittlichen Haftpflichtschaden vor und nehme 25%. Da bliebe mir unter dem Strich mehr…
Selbstverständlich ist das Urteil jedoch in seiner Begründung unsinnig.
Viele Grüße
Andreas
Hallo Andreas,
stell Dir vor, in Berlin muss der Sachverständige von der einen Ecke, sagen wir mal Spandau, zur anderen Seite, sagen wir mal Müggelheim, fahren, um das beschädigte Fahrzeug zu besichtigen. Da sind bereits Fahrtkosten und Zeitaufwand von einigem Gewicht entstanden. Das Ganze für einen Schaden bis 3.000 Euro. Da wird die „Grenze“ von 25 Prozent schnell überschritten, und dann soll der Geschädigte die Differenz tragen, obwohl er am Unfall unschuldig ist und er einen qualifizierten Sachverständigen seiner Wahl innerhalb einer Stadt eingeschaltet hat.
Also ist eine feste Grenze einfach Blödsinn.
Trotzdem viele Grüße nach Baden
Willi
Nur mal am Rande: Das ist derselbe Richter, der im Zusammenhang mit dem betrügerischen Stundenverrechnungssatzvortrag hier als Held gefeiert wurde, nicht zuletzt wegen seiner Fundamentalopposition gegen die BGH – Rechtsprechung.
So ist das dann nun mal mit eigenwilligen Richtern.
Aber zu Aller Beruhigung: Weder hat er gesagt, ein Gutachten dürfe immer 25 % der Schadenhöhe kosten noch hat er gesagt, es dürfe niemals mehr kosten.
M.E. ist das so zu verstehen: Liegt das GA-Honorar im Rahmen und dazu nicht über 25 % der Schadenhöhe, wird es ohne nähere Prüfung durchgewunken. Liegt es drüber, wird das Gericht sicher noch mal näher hinschauen.
Hallo Herr Otting,
ich hatte mich nur gegen eine starre Grenze von 25 Prozent gewehrt. Ansonsten ist mir im Übrigen auch aufgefallen, dass es sich um das gleiche Dezernat handelt, in dem auch das bei Ihnen in der VA besprochene Urteil gesprochen wurde.
M.E. ist die Messung der erforderlichen Sachverständigenkosten an der Üblichkeit oder ob es sich im Rahmen von x Prozent hält nicht richtig. Wenn der Geschädigte nicht selbst in der Lage ist, einen Schaden zu beziffern, dann ist er berechtigt einen qualifizierten Sachverständigen seiner Wahl zu beauftragen. Die dadurch entstehenden Kosten sind mit dem Schaden verbundener Vermögensnachteil, der vom Schädiger zu ersetzen ist.
Ansonsten habe ich über die m.E. fehlerhafte Messung nach werkvertraglichen Gesichtspunkten ( im Rahmen von …) keine Kritik am erkennenden Richter erhoben. Ich finde nach wie vor sein Urteil mit dem Hinweis auf die Prozessbetrügereien der Versicherer gut und richtig.
Wenn die Kosten des Sachverständigen aus dem Rahmen fallen sollten und der Geschädigte dies nicht erkennen kann, weil es z.B. sein erster Unfall ist oder er keine Kenntnis von Honorarbefragungen hat, sind die Sachverständigenkosten gleichwohl zuzuerkennen, allerdings ist der Schädiger dann auf den Vorteilsausgleich verwiesen.
Das wäre m.E. der richtigere Weg gewesen als irgendeine Grenze (warum gerade diese?) hier festzuzurren. Das und nichts anderes war die Kritik.
Gleichwohl bin ich für Ihren etwas syphisanten Kommentar dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker