Die Amtsrichterin der 110. Zivilprozessabteilung des Amtsgerichtes Mitte in Berlin hat der VHV-Versicherung ins Stammbuch geschrieben, dass der Prüfbericht alleine keine zulässige Verweisung auf eine freie Werkstatt begründet. Hier fehlt es bereits an der erforderlichen Darlegungspflicht der Beklagten, geschweige denn an einem Beweisantritt. Nachfolgend das Urteil aus Berlin-Mitte.
Amtsgericht Mitte
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer 110 C 3178/10 verkündet am: 25.08.2010
In dem Rechtsstreit
Klägers,
– Prozessbevollmächtigte:
gegen
die VHV Allgemeine Versicherung AGt vertreten durch d. Vorstandssprecher Thomas Voigt, Jürgen A. Junker und d. Vorstandsmitgl. Dietrich Werner, VHV Platz 1, 30177 Hannover,
Beklagte,
– Prozessbevollmächtigte:
wegen Schadensersatzes aus Verkehrsunfall
hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 110, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 28.07.2010 eingereicht werden konnten, durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 296,52 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.03.2010 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger von der Inanspruchnahme durch Rechtsanwältin … aus der Rechnung Nr. 057/10 vom 30.04.2010 in Höhe von 49,98 EUR freizustellen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 14% und die Beklagte zu 86%,
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 aZPO abgesehen.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gemäß §§ 7,17 StVG; 823 BGB; 115 VVG in Höhe von 296,52 EUR.
Der Kläger kann von der Beklagten Ersatz fiktiver Reparaturkosten unter Zugrundelegung der im Gutachten des Sachverständigen … zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze einer
markengebundenen Fachwerkstatt verlangen. Auch der BGH hat in seinem so genannten Porsche-Urteil entschieden, dass der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf (BGH, NJW 2003, 2086). Soweit die Beklagte meint, der Kläger müsse sich auf die im Prüfbericht der Hannoverschen Direkt ermittelten Stundenverrechnungssätze ausgewählter Fachwerkstätten verweisen lassen, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar hat der BGH mit Urteil vom 20.10.2009 ausgeführt, dass der Schädiger dem Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkert in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen kann, wenn die Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Verweis auf eine konkrete günstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen Fachwerkstatt setzt nämlich voraus, dass dem Geschadigten insoweit annahmefähige Angebote der betreffenden Werkstätten unterbreitet werden. Die bloße Benennung von Name und Anschrift eines Reparaturbetriebes ist insoweit nicht ausreichend, da der Geschädigte anhand des Namens und der mitgeteilten Stundenverrechnungssätze nicht erkennen kann, ob die angegebene Werkstatt in der vom Sachverständigen vorgesehenen Art und Weise repariert. Hierzu hätte die Beklagte dem Kläger zumindest einen Kostenvoranschlag der betreffenden Firma vorlegen müssen. Da der Kläger sein Fahrzeug unstreitig zwischenzeitlich verkauft hat, muss er sich auch nicht auf einen eventuellen nachträglich einzuholenden Kostenvoranschlag verweisen lassen.
Da der Kläger von der Beklagten somit weiteren Schadensersatz verlangen kann, hat er auch einen Anspruch auf Freistellung von weiteren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 49,98 EUR, wobei die zugrunde gelegte Geschäftsgebühr von 1,5 zwischen den Parteien unstreitig ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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Hinweis zur Kostenentscheidung (Kostenquotelung):
Zuerst wurde die Erstattung der Kosten für die Einholung der Deckungszusage bei der Rechtschutzversicherung im Rahmen der Klage geltend gemacht. Nach Kenntnis eines weiteren Urteils der 110. Zivilkammer, wonach die Kosten für die Einholung der Deckungszusage nicht erstattungsfähig seinen, wurde die Klage in diesem Punkt zurück genommen. Insoweit dürfte allerdings die Ansicht des AG Mitte zweifelhaft sein, denn die Kosten der Einholung der Deckungszusage stellt eine eigeständige Angelegenheit des Anwalts dar (vgl. § 15 RVG vgl. auch LG München Urt. v. 6.5.2008 – 30 O 16917/07). Immer dann, wenn sich die beklagte Versicherung in Verzug befunden hat, sind diese Kosten der Deckungszusage Verzugsschaden, der vom Schädiger aufgrund seines Verzuges zu erstatten ist (vgl. auch AG Bühl Urt. v. 29.4.2010 – 7 C 345/09).
Auch in diesem Fall ist die bloße Nennung der freien Werkstatt mit den günstigeren Stundensätzen nicht ausreichend. Auch mit diesem Urteil wird der vom BGH aufgestellte Grundsatz, dass der Schädiger darzulegen und ggfls zu beweisen hat, richtig und zutreffend umgesetzt. Auch hier würde EUROGARANT nicht weiter helfen. Die Idee des Gerichtes mit dem Kostenvoranschlag der freien Werkstatt, damit man die Reparaturkosten, wie sie der SV in seinem Gutachten aufgeführt hat mit den Voraussichtlichen Kosten der freien Werkstatt genau vergleichen kann, ist gar nicht schlecht. Damit zwingt man den Schädiger, sich mit der freien Werkstatt auseinanderzusetzen und diese aufzufordern, die beabsichtigten Kosten in einem Kostenvoranschlag darzustellen, nur dann liegt auch eine Vergleichbarkeit der Kosten der Reparatur vor. Ein guter Gesichtspunkt.
Macht weiter so!
Gruß
Paul Planfeld
Der vom Gericht aufgezeigte Weg mit dem Kostenvoranschlag der freien Werkstatt hat was für sich. So ist es zumindest für den Geschädigten überprüfbar, ob die Reparatur in der Markenfachwerkstatt mit der Reparatur in der freien Werkstatt gleichwertig ist. Wenn man sich den ADAC-Bericht durchliest, können und müssen einem Geschädigten berechtigte Zweifel entstehen, die auszuräumen Aufgabe des Schädigers ist, wenn er den Geschädigten im Wege der Schadensgeringhaltungspflicht auf die günstigere Reparatur in der No-name-Firma verweisen will. Er hat darzulegen und zu beweisen, dass die Reparatur qualitativ gleichwertig ist.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker