Mit Urteil vom 11.04.2012 (112 C 3136/11) hat das Amtsgericht Berlin-Mitte die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.018,09 € zzgl. Zinsen verurteilt. Die Gerichtsbarkeit in Berlin bleibt bei seiner Haltung, dass zur Schätzung des Normaltarifs die Schwacke-Liste anzuwenden ist, die Fraunhofer Tabelle geht in Berlin unter. Kleiner Wermutstropfen: das Gericht schätzt den Anteil der Eigenersparnis auf 15 % der angefallenen Mietwagenkosten für insgesamt 26 Tage Mietzeit. Schätzen befreit nicht vom begründen!
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet, teilweise unbegründet
Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2010 auf der Bundesautobahn xy über den vorprozessual von der Beklagten gezahlten Betrag von 1.865,55 € hinaus noch ein Anspruch auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1018,09 € gemäß den §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 823 ff BGB zu.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte dem Grunde nach zu 100 % für die Schäden der Klägerin aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall haftet. Grundsätzlich steht der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für ein Mietfahrzeug während der Dauer der Ersatzbeschaffung zu. Nach § 249 Abs. II Satz 1 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand jedoch nur diejenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. u.a. BGH vom 14,10.2008, AZ: VI ZR 308/07 und BGH vom 24.6.2008, AZ: VI ZR 234/07). Dies bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Der insoweit erstattungsfähige Normaltarif kann auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegel ermittelt werden; so hat der BGH in seiner Entscheidung vom 14.10.2008, AZ: VI ZR 308/07 noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den Normaltarif auf der Grundlage des – als gewichtetes Mittel anerkannten – Schwacke-Mietpreisspiegel im Postleltzahlengebiet des Geschädigten ermitteln kann, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken.
Derartige – aus konkreten Tatsachen hergeleitete – Mängel sind vorliegend nicht ersichtlich. Es reicht insoweit nicht aus, wenn sich die Beklagte zum Beweis der Fehlerhaftigkeit des Schwacke-Mietpreisspiegels auf die Erhebungen des Fraunhofer-Instituts bezieht. Die Methodik der Erhebung des Mietpreisspiegels des Fraunhofer-Instituts unterliegt erheblichen Bedenken. Die Darstellung der Ergebnisse der telefonischen Umfrage beschränkt sich auf einstellige Postleitzahlenbereiche. Dies erlaubt keine Analyse der regionalen Besonderheiten. Darüber hinaus wird diese Studie durch die Ergebnisse von Internetrecherchen auf den Portalen sechs großer Anbieter verzerrt. Dies wird auch durch eine sogenannte Gewichtung der Ergebnisse nicht kompensiert. Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe einer Markterhebung, Ergebnisse zu gewichten, sondern darzustellen, innerhalb welcher Spannen sich die tatsächlich ermittelten Preise des Marktes bewegen.
Soweit die Beklagte konkrete Preisangebote von Mietwagenunternehmen aus dem Internet vorlegt, sind diese wenig aussagekräftig. Zunächst sind die Angebote nicht repräsentativ. Dies wäre aber erforderlich, um darzulegen, dass die von der Streithelferin abgerechneten Tarife überhöht sind. Ferner handelt es sich um Internetangebote, also einen Sondermarkt der nach wie vor nicht jedermann zugänglich ist. Darüber hinaus sind die Angebote im Juli 2011 und nicht zum Unfallzeitpunkt eingeholt worden und enthalten entweder nicht alle Einzelheiten zu den konkreten Vertragsbedingungen (etwa die Modalitäten der Anmietung, der Haftungsbefreiung, der Vorausbuchungsfrist) oder zu den Zahlungsmodalitäten. Die vorgelegten Angebote sind damit nicht vergleichbar. Die Einwendungen der Beklagten greifen im Ergebnis nicht durch.
Nach dem anzusetzenden Schwacke Mietpreisspiegel 2010 betrug zum Unfallzeitpunkt der kalendertägliche Mietpreis für das Postleitzahlengebiet des Anmietortes (144 Potsdam) im gewichteten Mittel der Mietwagenklasse drei 84,20 € brutto, der Dreitagestarif 252,60 € brutto und der Wochentarif 535,50 € brutto. Dies ergibt für den maßgeblichen Anmietzeitraum von 26 Tagen einen Mietbetrag von 2.027,50 € brutto. Hierzu sind noch der Tagessatz (21,00 € brutto), der Dreitagestarif (54,00 € brutto) bzw. der Wochenendtarif (147,00 € brutto) für die Haftungsbefreiung/Vollkaskoversicherung hinzuzurechnen, so dass sich ein berechtigter Mietpreis von insgesamt 2564,50 € brutto ergibt. Soweit die Beklagte meint, die Klägerin sei im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB verpflichtet gewesen, ein Fahrzeug der Gruppe zwei anzumieten, kann sie schon dem Grunde nach mit diesem Einwand nicht mehr gehört werden. Schließlich hat die Beklagte mit ihrem Abrechnungsschreiben vom 8.10.2012 (Anlage K 6) die Abrechnung eines Mietfahrzeugs der Gruppe drei anerkannt. Hiervon kann sie im Prozess nicht mehr abrücken.
Die von der Streithelferin abgerechneten Mietwagenkosten übersteigen mit einem Gesamtbetrag von 3.392,50 € brutto den nach dem Schwacke Mietpreisspiegel 2010 berechneten Normaltarif um 25 %. Diesen Aufschlag hält das Gericht für gerechtfertigt. Die Streithelferin hat substantiiert dargelegt, dass ihr durch die Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen mehr Aufwendungen entstehen. Dies ist auch vorliegend der Fall, denn zum einen war der Streithelferin bei der Anmietung des Ersatzfahrzeugs die Mietdauer nicht bekannt und zum anderen musste sie das volle Ausfallrisiko tragen, da sie weder eine Kostenübernahmeerklärung von einer Versicherung noch eine Vorauszahlung der Klägerin hatte. Das Gericht hat auch keine Bedenken, den Mehraufwand der Streithelferin auf 25 % des Normaltarifs zu schätzen, § 287 ZPO.
Soweit die Beklagte meint, die Klägerin sei nach dem Unfall verpflichtet gewesen Vergleichsangebote anderer Mietwagenunternehmen einzuholen, teilt das Gericht diese Auffassung angesichts der besonderen Situation der Klägerin nach dem Unfall nicht. Aus dem vorgelegten Schwerbehindertenausweis der Mutter der Klägerin ergibt sich zwanglos, dass diese zum Unfallzeitpunkt 90 Jahre alt war, einer ständigen Begleitung bedurfte und der Grad ihrer Behinderung bei 100 % lag. Aus dem Unfallaufnahmeprotokoll ergibt sich, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls selbst bereits knapp 65 Jahre alt war. Bereits diese Umstände sprechen gegen eine Verpflichtung der Klägerin Vergleichsangebote einzuholen. Aufgrund der ständigen Betreuungsbedürftigkeit der Mutter der Klägerin erscheint die Entscheidung der Klägerin, sich hinsichtlich eines Ersatzfahrzeugs an die Werkstatt ihres Vertrauens zu wenden, die sie darüber hinaus mit einem Fahrzeug zu einem bekannten Mietwagenunternehmen fährt, für einen verständigen und vernünftig denkenden Menschen richtig. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass das Gericht die Behauptung der Klägerin, sie sei während der gesamten Mietdauer im Hinblick auf ihre pflegebedürftige Mutter auf einen Pkw angewiesen gewesen, für schlüssig und plausibel hält. Dass bei der Pflege eines älteren Menschen Fahrten zur Apotheke, zum Arzt und auch ins Krankenhaus ständig erforderlich sind bzw. erforderlich werden können, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung.
Von den sich danach ergebenden ersatzfähigen Mietwagen kosten in Höhe von 3.392,50 € brutto ist die Eigenersparnis der Klägerin abzuziehen. Solange die Klägerin das Mietfahrzeug benutzt hat, sind für das beschädigte Fahrzeug nutzungsabhängige Kosten für Wartung, Instandhaltung und Reparaturen nicht angefallen. Diese Ersparnis schätzt das Gericht – wie im Bezirk des Kammergerichts weithin üblich – gemäß § 287 ZPO auf 15 % (vergleiche KG, 12 U 115/03, NZV 2005, 46; LG Berlin, 17 O 382/03, ZfSch 2004,448). Nach dem Abzug von 15 % betragen die zu erstattenden Mietwagenkosten 2.863,64 €. Abzüglich der von der Beklagten vorprozessual gezahlten 1865,55 € ergibt sich damit der ausgeurteilte Restbetrag von 1.018,09 €. Der Zinsanspruch ist gemäß den §§ 286, 288 BGB begründet
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Soweit das AG Berlin-Mitte.