Mit Urteil vom 14.09.2012 (104 C 3068/12) hat das AG Berlin-Mitte den Deutsches Büro Grüne Karte e.V. zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 809,31 € zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht hat zur Schätzung des Normaltarifs ausschließlich die Schwacke-Liste herangezogen und explizit die Fraunhofer Tabelle abgelehnt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die in der Hauptsache auf § 6 Abs.1 AuslPflVG i.V.m. § 115 VVG gestützte Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf vollständigen Ersatz der ihm durch die X-GmbH in Rechnung gestellten Mietwagenkosten.
Dabei sei vorausgeschickt:
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs.2 Satz 1 BGB als sog. Herstellungsaufwand (nur) den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (sid. Rechtsprechung, vgl. z.B. BGH NJW 07, 2916 und BGH NJW 08, 1519 f ).
Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Ermittlung des Mietpreises, der dem Wirtschaftlichkeitsgebot (noch) entspricht, kann das Gericht auf den sog. Modus im Schwacke-Automietpreisspiegel zurückgreifen, der hierfür eine zuverlässige Schätzgrundlage darstellt (vgl. dazu auch BGH NJW 07, 2916; BGH NJW 08, 1519), und der in den Erhebungen ab 2008 den Kriterienkatalog noch einmal erweitert hat und insbesondere auch Internettarife berücksichtigt (vgl. auch BGH vom 19.1.2010 – VI ZR 112/09 – z.B. in NZV 2010, 239ff).
Zwar bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden, dann (aber auch nur dann) der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass konkret dargelegte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. nur BGH v. 17.5.11 – VI ZR 142/10 – z.B. in NZV 11, 431 f. zitiert nach juris). Derartige Mängel sind jedoch seitens der Beklagten nicht in einem entscheidungserheblichen Maße aufgezeigt. Die „Schwacke-Liste“ ist nicht schon deswegen ungeeignet, weil die „Fraunhofer-Liste“ deutlich geringere Werte aufweist. Der Bundesgerichtshof sieht grundsätzlich jede Liste als geeignete Schätzungsgrundlage an und zwar gerade in Kenntnis ihrer Unterschiedlichkeit (z.B. BGH vom 12.4.11 – VI ZR 300/09 – zitiert nach juris). Unabhängig davon ist die erfolgte Abrechnung des Beklagten nach dem Fraunhofer Marktpreisspiegel 2008 schon deswegen unschlüssig, weil der Unfall 2011 stattfand. Konkrete preisgünstigere Angebote hat der Beklagte nicht dargetan. Die nachgewiesenen Angebote stammen aus dem Zeitraum Mai 2012 und betreffen damit einen über 10 Monate jüngeren Mietzeitraum.
Hiernach berechnet sich die im Sinne des § 249 BGB erforderliche Miete anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels 201, Mietwagengruppe 3 im Modus jedenfalls in folgender Höhe:
682,50 € Wochenpauschale
315,60 € 3Tage-Pauschale
105.20 € 1 Tag
1.103,30 €
220,00 € 11 Tage Vollkasko gem. Nebenkostentabelle 11 x 20,– € im Modus Klasse 3
1.323,30 € brutto
Die geltend gemachten Mietwagenkosten von 1.318,74 € übersteigen diesen Betrag nicht.
Hinsichtlich der weiteren Einwendungen des Beklagten gilt:
Mietwagenklasse 3
Der eigene Mitsubishi Colt des Klägers entsprach unstreitig einem Fahrzeug der Mietwagenklasse 4. Der Kläger kann daher befugtermaßen einen Wagen der Mietwagenklasse 3 abrechnen, ohne dass ihm ein Verstoß gegen seine sich aus § 254 BGB ergebende Schadensminderungsobliegenheit vorgeworfen werden könnte. Welches konkrete Fahrzeug er tatsächlich gemietet hat, kann dabei offen bleiben. Durch die Abrechnung (nur) der Mietwagenklasse 3 sind zugleich die ersparten Eigenaufwendungen in ausreichendem Maße berücksichtigt.
Wochentarif/Tagestarif
Es kann offen bleiben, ob bereits bei Mietbeginn absehbar war, dass der Wagen mindestens für 7 Tage gemietet werden müsste. Bei der obigen Rechnung hat das Gericht bereits die für den Beklagten günstigsten Zahlen (Wochenpauschale + 3Tagespauschale + 1 Tag) zugrunde gelegt.
Vollkasko (CDW)
Die Kosten für eine Vollkaskoversicherung sind vom Schädiger selbst dann zu ersetzen, wenn für das Unfallfahrzeug keine solche Versicherung abgeschlossen sein sollte (vgl. dazu nur BGH vom 15.2,05 – VI ZR 74/04 – NZV 05, 301f zitiert nach Juris).
Zustellung/Abholung; Aufschlag für unfallbedingten Mehraufwand/Unfallersatztarif
Der Streit um die Erforderlichkeit dieser Positionen kann unentschieden bleiben. Auch ohne Berücksichtigung dieser Positionen ist die Klageforderung begründet (s.o.).
Die hiernach noch offene Hauptforderung von 809,31 € war antragsgemäß zu verzinsen, §§ 288, 286 BGB. Dabei ist der Kläger ungeachtet des Umstandes, dass er selbst noch keine Zahlung geleistet hat, nicht auf einen Freistellungsantrag zu verweisen. Denn der Freistellungsanspruch hat sich zwischenzeitlich in einen Zahlungsanspruch gewandelt, § 250 S.2 BGB in entsprechender Anwendung.
Restliche vorprozessuale Anwaltsgebühren
Die Begründetheit dieser Nebenforderung ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen. Der noch offene Differenzbetrag ist auf S. 15 der Klageschrift zutreffend berechnet und war ebenfalls antragsgemäß zu verzinsen, §§ 288, 286 BGB.
Nebenentscheidungen
Diese finden ihre Grundlage in den §§ 91, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
Soweit das AG Berlin. Gegen diese Entscheidung meinte die Beklagte Berufung einlegen zu müssen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird hier in Kürze veröffentlicht.
Hallo Babelfisch,
man merkt, dass auch hier der erkennende Amtsrichter langsam „die Faxen dicke hat“ ob des unsinnigen Vortrages der beklagten Kfz-Versicherung. Eine schöne, nachvollziehbare Entscheidung, die auch noch rechtskräftig ist.
mit freundl. koll. Grüßen
Willi Wacker