AG Berlin-Mitte verurteilt mit lesenswertem Urteil vom 28.8.2012 – 111 C 3172/10 – den Schädiger und dessen Versicherer zur Zahlung weiteren Schadensersatzes bei fiktiver Schadensabrechnung, wobei sich der erkennende Richter auch noch mit der Rechtsprechung des BGH auseinandersetzt.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

zum Wochenende ein hervorragendes Urteil aus der Bundeshauptstadt zur fiktiven Abrechnung einschließlich Generalabrechnung mit dem VI. Zivilsenat des BGH. Um es vorweg zu sagen, diese Entscheidung verdient es auch einem breiteren Publikum bekannt gegeben zu werden. Die Entscheidung bzw. die Begründung des Urteils zur Markenwerkstatt, Gleichwertigkeit, zur Verweisung usw.  kann man durchaus als Muster in der Klageschrift verwenden. Der in diesem Rechtsstreit entscheidende Amtsrichter hat sich durch fadenscheinigen Vortrag der Beklagten  nicht hinters Licht führen lassen. Eigentlich hätte er nach dem Urteil die Akte schließen und der Staatsanwaltschaft wegen Prozessbetruges vorlegen müssen. Derartige Richter braucht das Land. Ich wette, dass Juris dieses Urteil nicht veröffentlicht. Ich selbst werde versuchen, ob das Urteil bei der Zeitschrift „Versicherungsrecht“ veröffentlicht wird. Das ist ja wirklich ein Hammerurteil. Man ersieht hieraus, wie wichtig es ist, die Gleichwertigkeit zu bestreiten. Denn dann muss der Schädiger darlegen und beweisen. Was aus den Beweisantritten der Schädigerseite wird, wird in dem nachfolgenden Urteil deutlich. Sie lösen sich in falschem Vortrag, offenbar bewußt falschem Vortrag, auf.   Das Gericht zweifelt sogar die Gleichwertigkeit der Eurogarant-Werkstätten an. Das Urteil überzeugt auf ganzer Linie. Bei solchen Richtern wird mir nicht bang.  Lest aber selbst und gebt Eure vielzähligen Kommentare zu diesem Urteil ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

Amtsgericht Mitte
Im Namen des Volkes
Urteil

Geschäftsnummer: 111 C 3172/10                    verkündet am : 28.08.2012

In dem Rechtsstreit

des Herrn …

Klägers,

gegen

1. den Herrn …

2. die …, vertreten durch d. vertr.d.d. Vorstand,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 111, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin
durch den Richter am Amtsgericht …
nach Lage der Akten am 07.08.2012

f ü r  R e c h t  e r k a n n t:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.622,56 € sowie weitere 221,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.04.2010 zu zahlen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1 fachen des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beklagten sind dem Grunde nach unstreitig zum Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles am 04.12.2009 verpflichtet.

Der Kläger beziffert die Reparaturkosten aufgrund des Schadengutachtens vom 10.12.2009 (Bl. 12 ff. d.A.) mit 6.411,55 €. Die Beklagte zu 2) zahlte hierauf nur 4.783,99 €, weil sie die Stundenverrechnungssätze kürzte. Der Kläger hat die Klage in Höhe von 455 € (Hauptforderung) sowie weiterer 57,24 € (Rechtsanwaltsvergütung) zurückgenommen, nachdem die Beklagte zu 2) nach Anhängigkeit der Klage gezahlt hat.

Der Kläger meint, die Beklagte sei nicht berechtigt, ihn auf eine von ihr benannte Werkstatt zu verweisen und die Reparaturkosten wegen angeblich günstigerer Stundenverrechnungssätze derselben zu kürzen. Die benannten Referenz-Werkstätten seien nicht in der Lage einen Qualitätsstandard zu bieten, welcher den Reparaturen in Markenwerkstätten entspreche.

Der Kläger beantragt,

was erkannt worden ist.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie meinen, der Kläger müsse sich bei fiktiver Schadenberechnung auf die benannten Werkstätten, die bei der Abrechnung günstigere Stundenverrechnungssätze zugrunde legten, verweisen lassen. Die Qualität ihrer Reparaturen entspreche derjenigen in Markenwerkstätten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung (Bl. 40 ff. d.A.) verwiesen.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 06.09.2011 (Bl. 141 ff. d.A.) über die Behauptung der Beklagten, die BMW-Fachwerkstatt … in … berechne Stundensätze für

– Karosseriearbeiten, Lohn 2: netto 78,50 €pro Stunde
– Mechanik, Lohn 3: netto 78,50 €pro Stunde
– Lohnfaktor Lack: netto 106,25 € pro Stunde inkl. Lackmaterial
– Lackmaterial, anteilig in %: 0 % (Lackmaterial siehe Lohnfaktor);

als Aushangpreise, nicht als Sonderkonditionen,

Beweis erhoben, indem es den Geschäftsführer uneidlich gemäß § 377 Abs. 4 ZPO vernommen hat.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (Bl. 143 ff. d.A.) werden folgende Stundenverrechnungssätze berechnet

– Karosseriearbeiten, Lohn: 139,64 € pro Stunde
– Mechanik, Lohn: 139,94 €pro Stunde
– Lohnfaktor Lack 128,52 €pro Stunde zuzuüglich 42 % Lackmaterial

Entscheidungsgründe

Die auf §§ 7 StVG, 823 BGB, 3 PflVG gestützte Klage ist begründet.

Die Beklagten haben auch die restlichen Reparaturkosten zu ersetzen. Sie sind nicht berechtigt, die Reparaturkosten wegen günstigerer Stundenverrechnungssätze der von ihr benannten Werkstätten zu kürzen.

Die Beklagten haben nicht bewiesen, dass die BMW-Fachwerkstatt, die als gleichwertige Markenwerkstatt anzusehen ist, zu den von ihn genannten Preisen repariert. Ihre Behauptung ist durch die schriftliche Aussage des Geschäftsführers widerlegt.

Daran ändern auch die Ausflüchte und Verdrehungen in der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.02.2012 (Bl. 156 d.A.) nichts.

Der Zeuge war nicht ergänzend zu befragen, ob die Stundenverrechnungssätze auch im Februar 2010 abgerechnet wurden. Zum einen gehen die Beklagten selbst davon aus, das die starken Abweichungen von ihren Behauptungen nicht durch Preissteigerungen zu erklären sind. Zum Anderen sind auch nicht die alten Preise maßgebend, weil für die Schadenbemessung auf den Zeitpunkt der Erfüllung des Ersatzanspruches bzw. die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. Palandt/Grüneberg; BGB, 71. Aufl., 2012, Vorb v § 249, Rn. 127).

Den Beklagten war auch keine Mitteilung zu machen, welche anderen Haftpflichtversicherer bereits als Prozessbetrüger aufgefallen sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob derartige Mitteilungen überhaupt zulässig wären. Jedenfalls sind sie für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung. Ob die Beklagte zu 2) bereits einmal aufgefallen ist, spielt ebenfalls keine Rolle für das Ergebnis der Beweisaufnahme.

Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag, die BMW-… sei ohne direkten Bezug zu den genannten Stundenverrechnungssätzen und irrtümlich benannt worden. Das ist nicht glaubhaft und eine unverfrorene Missachtung des Gerichts.

Auf Seite 9 der Klageerwiderung heißt es nach der Bezeichnung der niedrigen Stundenverrechungssätze eindeutig:

„Diese Stundenverrechnungssätze werden von den Firmen …
-Firma … (nachfolgend „Firma …“ genannt)
Abgerechnet.“

Dazu wird ausdrücklich Beweis durch das Zeugnis des … angeboten. Diese Darstellung findet sich im gesamten Schriftsatz. Es ist bezeichnend, dass die Beklagten es – trotz des angeblichen Missverständnisses – nach Erlass des Beweisbeschlusses nicht für nötig gehalten haben, das Gericht darauf aufmerksam zu machen, dass man so etwas gar nicht vortragen wollte und dass der Beweisbeschluss überflüssig sei. Erst nach dem ungünstigen Beweisergebnis und langem Überlegen soll dies aufgefallen sein?!

Es war kein Beweis darüber zu erheben, ob die anderen benannten freien Werkstätten zu den niedrigen Stundenverrechnungssätzen reparieren. Dies ist aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unerheblich:

Das Schadengutachten ist eine geeignete Grundlage der Schadenschätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO.

Der Geschädigte kann – auch bei fiktiver Schadenberechnung – die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt (im Folgenden: Markenwerkstatt), nlcht nur die ortsüblichen Stundenverrechnungssätze regionaler Werkstätten ersetzt verlangen. Nach dem so genannten Porsche-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 2003, 2086) hat ein Geschädigter grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die bei einer Reparatur des Fahrzeuges in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallen, auch dann, wenn er sein Fahrzeug nicht reparieren lässt.

Es handelt sich nicht um eine Einzelfallentscheidung. Sie ist nicht auf Fahrzeuge sog. Edelmarken oder der Luxusklasse beschränkt. Eine derartige Unterscheidung, die Haftpflichtversicherer einführen wollen, wäre Klassenjustiz nach Automarken, die gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Unerheblich ist, ob das beschädigte Fahrzeug älter als drei Jahre ist.

Soweit der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 20.10.2009 (VI ZR 53/09) entschieden hat, dass der Schädiger den Geschädigten wegen der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs.2 BGB unter bestimmten Voraussetzungen auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen kann, folgt das Gericht dieser Auffassung nicht. Sie basiert auf falschen tatsächlichen Annahmen und ignoriert hergebrachte, bewährte Rechtsinstitute.

Soweit der Bundesgerichtshof ausführt, es gelte „vor allem“ bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren, dass es dem Geschädigten unzumutbar „sein könne“ sich auf eine solche Werkstatt verweisen zu lassen (Rn. 14), fehlt ihm jegliche Kompetenz eine derartigen Zeitpunkt festzulegen. Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt im Gesetz. Es ist nicht erkennbar, aufgrund welcher juristischen Methode der Bundesgerichtshof zur Festlegung dieser zeitlichen Grenze gelangt ist; es ist überhaupt nicht erkennbar, das insoweit juristische Methoden der Gesetzesauslegung angewendet worden sind.

Die Grenze von drei Jahren ist willkürlich.

Soweit der Bundesgerichtshof ausführt, „im Interesse einer gleichmäßigen und praxisgerechten Regulierung“ bestünden keine Bedenken gegen eine „(generelle)“ Schätzung der erforderlichen Reparaturkosten nach den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt, weil der Geschädigte sich nicht auf Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen müsse, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten, überzeugt dies nicht.

Der Zustand von Fahrzeugen ist nicht allein vom Alter, sondern insbesondere von der Laufleistung sowie Wartung und Pflege abhängig. Die Garantie ist kein geeignetes Anknüpfungskriterium. Garantien sind nicht generell auf drei Jahre beschränkt. Der Markt schwankt bei der zeitlichen Dauer von Garantien – man denke nur an die 10-jährige Garantie, die bei Aufkommen vollverzinkter Karosserien angeboten wurden. Derzeit versuchen die Hersteller, sich gegenseitig bei Garantiezusagen zu übertreffen (Kia: 7 Jahre; Opel: lebenslängliche Garantie bis 160.000 km – Stand 08/2010). Der Bundesgerichtshof bezieht sogar noch Kulanzleistungen ein. Diese rechtfertigen aber gerade keine starre 3-Jahres-Grenze. Denn Kulanz spielt dann eine wesentliche Rolle, wenn die Garantiezeit seit kurzem abgelaufen ist.

Das „Interesse einer gleichmäßigen und praxisgerechten Regulierung“ ist ebenfalls kein tragfähiges Argument. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Bundesgerichtshof hier einseitig die Interessen der Versicherungswirtschaft wahrnimmt. Jedenfalls findet es keine Stütze im Gesetz. §§ 249 ff. BGB schützen den Geschädigten durch die Grundsätze der Totalreparation und der Herrschaft über Schadenbeseitigung. Diese Grundsätze werden durch den Verweis auf nicht markengebundene Werkstätten ausgehöhlt.

Darüber hinaus lässt sich mit diesem Interesse alles und jedes rechtfertigen: Eine gleichmäßige und praxisgerechte Regulierung findet auch dann statt, wenn sich keine oder alle Geschädigten zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf eine freie Werkstatt verweisen lassen müssen. Jeder kann mit diesem „Argument“ seine Position begründen.

Bei derartigen Kriterien, die keine Grundlage im Gesetz haben, droht ein ähnliches Durcheinander wie bei der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu „Unfallersatztarifen“ – erst nach Jahren und mehr als einem Dutzend Entscheidungen, war „klar“, wonach sich die Rechtssuchenden richten sollen.

Unerheblich ist, ob in einem Schadengutachten die Stundenverrechnungssätze „einer“ Markenwerkstatt zugrundegelegt werden. Das Porsche-Urteil verwendet diesen Begriff ersichtlich nicht als Zahlwort. Soweit Einzelrichterinnen der Zivilkammer 58 das Urteil in diesem Sinne interpretiert haben, ist dem nicht zu folgen. Diese Auslegung ist abwegig. Ein Schadengutachten bleibt selbst dann eine geeignete Grundlage der Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO, wenn es auf Basis durchschnittlicher Löhne mehrerer Markenwerkstätten erstellt ist. Denn dann beruht es auf einer größeren Datenbasis als ein Einzelwert und ist damit erst recht eine geeignete Grundlage der Schätzung.

Der Kläger muss sich nicht auf die von den Beklagten benannten Werkstätten verweisen lassen, weil diese nach ihren Behauptungen günstigere Stundenverrechnungssätze kalkulieren.

Die Reparatur in einer „freien“ Werkstatt bietet keinen gleichwertigen Ersatz gegenüber der Reparatur in einer Markenwertstatt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Reparatur technisch gleichwertig ist. Denn gleichwertig ist nur die Ersatzmöglichkeit, die den Vermögensschaden vollständig beseitigt. Das ist bei einer Reparatur in einer freien Werkstatt nicht der Fall. Der Geschädigte hat Anspruch darauf, dass sein Vermögensschaden vollständig beseitigt wird. Befand sich das Fahrzeug vor dem Unfall in dem Bereich, der repariert werden muss in dem Zustand, in dem es vom Hersteller ausgeliefert worden ist, so ist der Schaden auch nur durch eine Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt vollständig zu beseitigen. Nur so ist der Vermögensschaden optimal zu beseitigen. Denn die Reparatur in einer Markenwerkstatt ist am Markt – ebenso wie Scheckheftpflege u.a. – ein wertbildender Faktor. Die Gesamtheit der Autofahrer bringt Reparaturen in Markenwerkstätten eine größere Wertschätzung entgegen, als Reparaturen in freien Werkstätten. Dies kann der erkennende Richter als Mitglied der beteiligten Verkehrskreise selbst beurteilen.

Daran ändert auch die Tatsache, dass ein merkantiler Minderwert auszugleichen ist, nichts. Denn dieser Minderwert ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der Geschädigte offenbaren muss, dass es sich um einen „Unfallwagen“ handelt. Darüber hinaus hat er Anspruch, dass der Vermögensschaden so gut und so weit wie möglich ausgeglichen wird. Das ist wegen der Wertschätzung der Autofahrer, die Reparaturen in Markenwerkstätten entgegengebracht wird, nicht durch eine Reparatur in freien Werkstätten möglich. Denn diese Wertschätzung ist kein bloß ideeller Wert, sondern ein Wirtschaftsfaktor am Gebrauchtwagenmarkt.

Alter und Laufleistung eines Fahrzeuges spielen keine Rolle. Vorteile, die durch eine Reparatur eines alten Fahrzeuges entstehen, sind nach den altbewährten Grundsätzen des Abzuges „neu für alt“ auszugleichen. Die Verknüpfung von Alter und Laufleistung mit der Höhe der Stundenverrechnungssätze, die die Haftpflichtversicherer herstellen wollen, ist weder juristisch noch rational zu begründen:

Sie ist zum Einen überflüssig, weil das geltende Recht ein ausreichendes Instrumentarium zum Ausgleich von Vermögensvorteilen, die bei der Schadenbeseitigung entstehen, aufweist. Zum Anderen ist die „Argumentation“ der Haftpflichtversicherer schon deshalb nicht nachzuvollziehen, weil nach ihrem gebetsmühlenartig wiederholten Vortrag gerade kein Qualitätsunterschied zwischen den Reparaturen in freien und Markenwerkstätten bestehen soll. Dann können aber Alter und Laufleistung kein Kriterium sein, dass es rechtfertigt, den Geschädigten auf eine freie Werkstatt zu verweisen. Denn damit wird der Grundsatz, dass er – und nicht der Schädiger – Herr der Schadenbeseitigung ist, nicht nur ausgehöhlt, sondern unterlaufen. Der Geschädigte, der sich bei tatsächlicher Durchführung der Reparatur nicht auf eine freie Werkstatt verweisen lassen muss, muss sich erst Recht bei fiktiver Abrechnung nicht auf eine fiktive Reparaturmöglichkeit verweisen lassen.

Damit ist auch schon der nächste Mangel in den Einwänden der Haftpflichtversicherer offengelegt. Ihr Angebot ist ein rein fiktives: Würde ein großer Teil der Geschädigten, die sie auf die anderweitige Reparaturmöglichkeit in einer freien Werkstatt verweisen wollen, dieses Angebot tatsächlich in Anspruch nehmen wollen, dürften diese Betriebe schnell an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen.

Außerdem legen die Haftpflichtversicherer in diesen Fällen kein Angebot einer freien Werkstatt vor, sondern tauschen nur einzelne Positionen in der Kalkulation des Sachverständigen gegen für sie günstigere Werte aus. Das reicht nicht aus. Sie legen nicht dar, dass die Reparatur durch eine freie Werkstatt tatsächlich zu einem günstigeren Endpreis durchgeführt werden könnte. Ein bindendes Angebot einer freien Werkstatt liegt nicht vor.

Unerheblich ist auch der Vortrag, bei den Werkstätten handele es sich um zertifizierte, qualifizierte Fachbetriebe, die durch Spezialisten für Karosserie- und Lackreparaturen unter Verwendung moderner SpezialWerkzeuge die Reparaturen nach den Vorgaben der Hersteller durchführen, Originalersatzteile verwenden und auf Ersatzteile keine UPE-Aufschläge berechnen, Garantie auf die Arbeiten gewähren und kostenfreies Abholen und Anliefern des Fahrzeuges bieten. Abgesehen davon, dass es darauf nach dem oben Ausgeführten nicht ankommt, ist dieser Vortrag unsubstantiiert, weil es sich lediglich um abstrakte, generalklauselartige Floskeln zur Reparaturqualität, nicht um konkreten Vortrag zur selben handelt. Es ist nicht ersichtlich, wann welche Fahrzeuge in welchem Umfang repariert worden sind. Angaben zur tatsächlichen Reparaturqualität (z.B. Mängelquote, Zahl der Reklamationen im Vergleich zu Markenwerkstätten bezogen auf Fahrzeugmarken und typen) über einen längeren Zeitraum fehlen völlig.

Daran ändert auch eine Zertifizierung nichts. Eine Zertifizierung nach EN DIN ISO 9001 enthält keine Aussagen über die tatsächliche Reparaturqualität.

„EN ISO 9001 legt die Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem (QM-Systerh) fest, die eine Organisation zu genügen hat, um Produkte und Dienstleistungen bereitzustellen können, welche die Kundenerwartungen sowie allfällige behördliche Anforderungen erfüllen….

Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems ist eine strategische Entscheidung für eine Organisation. Wenn sich eine Organisation stärker an ihren Kunden orientieren will, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen, hat sie mit dieser Norm einen Mantel, mit dem sie sich kleiden kann. Die Norm gibt nur einen bestimmten Rahmen vor,…“
(wikipedia.org, Artikel: Qualitätsmanagementnorm)

Die Zertifizierung betrifft ausschließlich das Managementsystem, nicht die Qualität der Reparaturen.

Auch für Eurogarant-Fachbetriebe gilt nichts anderes. Das Eurogarant-Siegel ist ein Service des ZKF (Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik). Es wird von der Eurogarant AG vergeben, die auf ihrer Internetseite zu den Werkstätten damit wirbt, dass das Siegel „Service des ZKF“ sei und ausführt:

„Sie sind als Unfallreparaturexperten von vielen Versicherern und Flottenbetreibern als Partnerwerkstätten anerkannt und garantieren für höchste Qualität….

Die EUROGARANT AutoService AG wurde auf Initiative des ZKF gegründet. Unternehmenszweck ist die Erzeugung wirtschaftlicher Vorteile für die angeschlossenen Mitgliedsbetriebe. Sie ist Dienstleister im Bereich Unfall-/Schadenmanagement für viele Flottenbetreiber und Versicherungen. Die angeschlossenen Eurogarant-Karosserie-Fachbetriebe garantieren höchste Reparaturqualität.“
(eurogarant.de; Hervorhebung durch das Gericht)

Daraus ergibt sich, dass der ZKF kein von den Kfz-Versicherern unabhängiger Verband und das Eurogarant-Siegel keine unabhängige Qualitätsgarantie ist.

Zudem brüstet sich der ZKF in seiner „Stellungnahme Fachbetrieb für Unfallinstandsetzung September 2010″ damit

„im BGH-Urteil vom 13.07.2010 (VI ZR 259/09) wird der „Eurogarant-Fachbetrieb“ namentlich genannt und hierzu ausgeführt, „… dass die benannten (Eurogarant)Betriebe die Unfallschäden genauso kompetent beheben könnten wie eine markengebundene Vertragswerkstatt.“

Im Bericht über die Hauptversammlung der Eurogarant Autoservice AG (Fahrzeug + Karosserie 7/10, S. 20 f.) findet sich der Hinweis des ZKF-Hauptgeschäftsführers:

„Als Eurogarant-Betrieb sind wir laut BGH-Urteil gleichwertig, nach Rechtsauslegung gleichwertig zu einer Markenwerkstatt.“

Diese übertriebene Selbsteinschätzung ist durch das BGH-Urteil vom 13.07.2010 nicht gerechtfertigt. Der BGH hat die reklamierte Feststellung nicht getroffen, sondern nur die Würdigung des Tatrichters nicht beanstandet; zudem betraf die Entscheidung nur Bagatellschäden:

„Für die technische Gleichwertigkeit der Reparatur der am Fahrzeug der Klägerin entstandenen Bagatellschäden hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass sämtliche benannten Fachbetriebe den „Eurogarant-Fachbetrieben“ angehören, deren hoher Qualitätsstandard regelmäßig vom TÜV oder der DEKRA kontrolliert werde. Es handele sich um Meisterbetriebe und Mitgliedsbetriebe des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik, die auf die Instandsetzung von Unfallschäden spezialisiert seien. Zudem erfolge die Reparatur nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag unter Verwendung von Originalteilen.“
Zit. nach juris, Rn. 12

Danach kann keine Rede davon sein, dass der Bundesgerichtshof dem ZKF die Gleichwertigkeit der mit seinem Eurogarant-Siegel ausstaffierten Betriebe attestiert hat.

Unerheblich ist auch, ob es sich bei der vom Haftpflichtversicherer benannten Referenzwerkstatt um einen Betrieb des Identica-Werkstattnetzes handelt. Die Internetseite dieses Verbundes wird von der Spies Hecker GmbH in Köln (HRB 9555) betrieben. Der Kläger im Verfahren 111 C 3073/11 hat unbestritten vorgetragen, dass diese GmbH damit wirbt, sogenannter „Fairplay-Partnerbetrieb der Allianz“ zu werden: Im Lackiererblatt 4/2008 heiße es dazu, dass bei Fairplay „anders als bei den klassischen Schadenlenkern … nicht offensichtlich und aktiv gesteuert“ werde. Der Geschäftsführer schreibe in Fahrzeug und Karosserie 12/08, dass „bis zu 40% der ein bis sieben Jahre alten (Fahrzeuge) schon heute durch die Versicherungspolicen, Leasing oder Finanzierung steuerbar seien (S. 24); bei Haftpflichtschäden setzten die Versicherungen „die sogenannte „sanfte Steuerung“ erfolgreich um“ (S. 25). In dem Internetauftritt unter der Rubrik „Großkunden Service“ heißt es:

„Starker Partner der Versicherung.
Die Partnerbetriebe leisten einen Beitrag zur Optimierung der Schadenregulierung und Steigerung der Kundenzufriedenheit. Das Konzept: Deutschlandweit einheitliche Qualitätskriterien und hohe Service-Standards für die systematische Abwicklung von Unfallschäden in freien Karosserie- und Lackierwerkstätten.

Klare Qualitätsmerkmale, strikte Umsetzung. Regelmäßig überprüfen Experten des Spies Hecker Werkstattsystems die Einhaltung der Standards. Damit erfüllen die Werkstattpartner die Anforderungen an eine schnelle und flexible Schadenbearbeitung der Versicherungen. Beste Voraussetzung für eine enge und zufriedenstellende Kooperation mit den Assekuranzen.“ (Hervorhebung durch das Gericht)

Besser kann man nicht beschreiben, wessen Geschäft man besorgt. Mit Kundenzufriedenheit kann jedenfalls nicht die Zufriedenheit der Geschädigten gemeint sein.

Dies zeigt, dass die Identica- Werkstattbetriebe keine von den Haftpflichtversicherern unabhängigen Reparaturkalkulationen fertigen. Sogenannte Prüfberichte, in die die Haftpflichtversicherer lediglich die Stundenverrechnungssätze der mit ihnen verbundenen Unternehmen einsetzen, sind damit wertlos.

Es kann auch dahingestellt bleiben, dass sich der Bundesgerichtshof bereits nach fünf Entscheidungen zur gleichwertigen Reparaturmöglichkeit auf die tatrichterliche Freiheit gemäß § 287 Abs.1 ZPO zurückziehen muss, um die Mängel seiner Rechtsprechung – insbesondere die offene Frage, wie überhaupt Beweis über die Gleichwertigkeit erhoben werden soll – zu kaschieren (BGH Urt. v. 13.07.2010 – Mercedes – zit. nach juris). Soweit dort ausgeführt ist, das Gericht sei „nach § 287 ZPO besonders frei“ fragt sich bereits, warum diese „besondere“ Freiheit nur bei der Überzeugungsbildung, „ dass die benannten Betriebe die Unfallschäden genauso kompetent beheben könnten, wie eine markengebundene Vertragswerkstatt“ herrschen soll. Es kann auch dahingestellt bleiben, woher die Richter, welche die angefochtene Entscheidung getroffen hatten, die notwendige Sachkunde hatten, um beurteilen zu können, dass es sich um einen Bagatellschaden handele, der besondere Erfahrung mit der Automarke nicht erforderte.

Jedenfalls gilt § 287 Abs. 1 ZPO nicht nur zugunsten des Schädigers. Die Feststellung die Reparaturmöglichkeit sei nicht gleichwertig kann ebenso im Rahmen der „besonderen“ Freiheit des Tatrichters festgestellt werden – was hiermit getan wird:

Schließlich hat die Stiftung Warentest in ihrer Untersuchung von Vertragswerkstätten und freien Werkstätten festgestellt (test.de; 10.09.2010):

„Freie reparieren schlechter. Autowerkstätten pfuschen häufig bei Inspektionen: Nicht einmal jede zweite Werkstatt im Test hat alle präparierten Mängel gefunden. Freie Werkstätten schnitten schlechter ab als Vertragswerkstätten….

Am besten – sowohl bei der Technik als auch beim Service – schnitten die Mercedes-Benz-Vertragswerksstätten ab. Alle arbeiteten vorbildlich, das Autohaus Schäfer in Königsbrunn sogar mit voller Punktzahl. Auch die Renault-Werkstätten haben alle Fehler behoben, und sie bieten einen guten Service. Bei Opel und Volkswagen gab es jeweils einen Ausrutscher: Eine Opel-Werkstatt übersah einen Fehler, ein Volkswagen-Autohaus zwei Fehler. Toyota bildet das Schlusslicht bei den Vertragswerkstätten. Vier Toyota-Betriebe haben jeweils einen Mangel nicht gefunden, und auch beim Service gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten….

Meisterhaft nicht meisterhaft

Deutlich schlechter sah es bei den freien Werkstätten aus. Nur 8 von 25 ATU-Werkstätten fanden alle fünf präparierten Mängel. Zuverlässig und serviceorientiert arbeiteten lediglich 4. Noch schlechter das Ergebnis bei den Meisterhaft-Betrieben: Nur 6 Werkstätten spürten alle Mängel auf. 11 Betriebe übersahen zwei bis drei Fehler und 3 haben keinen einzigen gefunden. Gerade einmal 2 Meisterhaft-Werkstätten arbeiteten sehr gewissenhaft und boten einen ordentlichen Service. …“

Während die Vertragswerkstätten mit „sehr gut“ und „gut“ bewertet wurden schwankten die Bewertungen der freien Werkstätten zwischen „befriedigend“ und „mangelhaft“ (test 9/2010, S. 80 ff.).“

Es kann dahingestellt bleiben, welches Licht dies zusammen mit den o.g. Fällen auf die Behauptung der Versicherungen, die Werkstätten seien gleichwertig wirft. Im günstigen Fall handelt es sich lediglich um ins Blaue hinein aufgestellte, unsubstantiierte Behauptungen insbesondere zur Reparaturqualität.

Dahin gestellt bleiben kann auch, wie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes überhaupt Beweis über die „Gleichwertigkeit“ der Möglichkeit der Schadenbeseitigung Beweis erhoben werden soll, vielleicht durch „Wett-Reparieren“ wie es ein Rechtsanwalt vorgeschlagen hat.

Darüber hinaus ist gerichtsbekannt, dass die Auswahl von freien Werkstätten, die benannt werden, der Manipulation der Gerichte durch Haftpflichtversicherer dient:

– Im Verfahren 111 C 3275/06 hat das Gericht erst in der Beweisaufnahme und auf eigene Nachfrage feststellen müssen, dass die angeblich günstigeren Stundensätze sogar einer Markenwerkstatt nicht allgemein kalkuliert, sondern nur besonderen Kunden aufgrund gesonderter Vereinbarungen gewährt werden – u.a. mit dem Haftpflichtversicherer, der dies seiner Wahrheitspflicht aus § 139 ZPO zuwider verschwiegen hatte.

– Im Verfahren 102 C 3182/07 hat der Haftpflichtversicherer die Klageforderung anerkannt, nachdem das Gericht in seinem Beweisbeschluss den Zeugen aufgegeben hatte, anzugeben, ob die günstigeren Stundensätze jedem oder nur bestimmten Kunden aufgrund besonderer Vereinbarung gewährt werden.

105 C 3047/10: Der als Zeuge vernommene Inhaber einer benannten freien Werkstatt erklärt:

Ich bin der Inhaber der Firma F. Wir reparieren Pkw und Leicht-Lkw, alle Marken. Wenn ich nach der Spezialisierung gefragt werde, dann haben wir Erfahrungswerte. Ich habe Angestellte, nämlich einen Gesellen und zwei Lehrlinge. Meine Erfahrung basiert auf 40 Jahren Tätigkeit. Es finden auch Schulungen über den Zentralverband statt und man kann Literatur einsehen. Wir haben auch Fachzeitschriften, die gelesen werden. Vor etwa 5 bis 6 Jahren habe ich meine letzte Schulung bei Mercedes gemacht in einem Schulungszentrum bei Mercedes.

Wenn ich gefragt werde, ob aufgrund der technischen Neuerungen dieser Zeitraum nicht zu lange ist, dann stelle ich fest, dass die neuen Autos gar nicht in meine Werkstatt kommen. Würde beispielsweise ein neuer BMW in die Werkstatt kommen, würde ich, abhängig vom Schaden, eine Reparatur ablehnen, wenn eine Schulung erforderlich wäre. Der Geselle hat jetzt beispielsweise eine Schulung über Klimageräte in Autos mitgemacht. Ich hatte letztes Jahr eine Schulung über Airbags.

Wenn uns Kenntnisse fehlen, können wir Literatur besorgen und es gibt auch eine Hotline. Man kann auch mit Mercedes sprechen, wenn Fragen bestehen. Wir haben auch Zugriff auf Werkzeuge, die man sich ggf. ausleihen kann. Dabei geht es um absolute Spezialwerkzeuge. Ich bin Innungsmitglied, aber nicht zertifiziert. Meine Werkstatt wird nicht überwacht.“

– Abteilung 104: Der als Zeuge benannte Inhaber ist bereits seit zwei Jahren tot.

111 C 3340/09: Zum ersten und bisher einzigen Mal findet sich in einer Akte eine Reparaturrechnung der Werkstatt Auto-O., die von den Haftpflichtversicherern immer wieder gern als günstigere Alternative benannt wird: Die abgerechneten Reparaturkosten (3.703,01 €) übersteigen trotz des Stundenverrechnungssatzes von 78 € die Kosten, die der Schadengutachter ermittelt hat (2.641,59 €). Bezeichnend ist, dass diese Firma inzwischen unter anderem Namen am Markt auftritt, aber immer noch über die alte Bezeichnung über das Internet zu finden ist.

– und nun dieses Verfahren 111 C 3172/10: Die markengebundene Fachwerkstatt BMW-E. soll zu allgemein zugänglichen Stundenverrechnungssätzen unter 100 € reparieren. Die Vernehmung des Geschäftsführers ergibt:

Lohn Mechanik 125,64 €/Std.
Lohn Karosserie 139,94 €/Std.
Lohn Lack 128,52 €/Std. zzgl. 42% Lackmaterial

Und so verwundert es nicht, dass immer wieder neue Betriebe von den Versicherern benannt werden, nachdem aufgeflogen ist, dass die genannten Stundenverrechnungssätze nicht von jedem Kunden verlangt werden, oder sie aus anderen Gründen „verbrannt“ sind.

Diese Untersuchungen und Erfahrungen aus dem (Gerichts-)Alltag lassen nur den Schluss zu, dass die Behauptungen der Haftpflichtversicherer zur „Gleichwertigkeit der Reparatur“ im günstigsten Fall ins Blaue hinein – wenn nicht gar bewusst wahrheitswidrig – aufgestellt werden.

Danach besteht aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen kein Anlass, weiter Beweis zu erheben.

Die fiktive Abrechnung auf der Basis der Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt verstößt auch nicht gegen das Verbot, sich durch den Schadenersatz zu bereichern. Der ständig wiederholte Einwand der Haftpflichtversicherer, der Geschädigte hätte sein Fahrzeug ja in einer Markenwerkstatt reparieren lassen können, dann wären die höheren Stundensätze ohne Rechtsstreit ausgeglichen worden; tue er dies nicht, dürfe er durch die fiktive Abrechnung keinen Gewinn machen, ist falsch.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob es sich dabei nicht um einen Zirkelschluss handelt. Jedenfalls ist er schlicht falsch. Er verkennt zum einen, dass einem Geschädigten nicht entgegengehalten werden kann, dass er von seinem gesetzlichen Wahlrecht zwischen konkreter und fiktiver Schadensberechnung gebrauch macht. Zum anderen verkennt er, dass es nicht einen konkreten und einen fiktiven Schaden gibt, sondern nur einen einheitlichen Vermögensschaden, der auf zwei Wegen – nämlich fiktiv oder konkret – ermittelt werden kann. Deshalb kann es auch keine Differenz zwischen beiden und damit keinen Gewinn geben. Denn am Ende wird nur der Vermögensschaden rechtskräftig festgestellt, egal ob er fiktiv oder konkret berechnet ist. Nach geltendem Recht kann der Geschädigte nun einmal das fiktiv abrechnen, was er bei konkreter Ausführung der Reparatur in einer Markenwerkstatt aufwenden müsste – denn bei tatsächlicher Ausführung der Reparatur dürfte der Geschädigte ihn nicht auf eine „freie“ Werkstatt verweisen. Dann kann er es auch nicht bei fiktiver Abrechnung.

Der Hinweis, aus § 249 Abs.2 S.2 BGB ergebe sich, eine Missbilligung der Bereicherung durch fiktive Abrechnung, hat mit juristischem Handwerk nichts mehr zu tun. Aus einer Einzel-Ausnahme von der generellen Regel kann keine weitergehende Einschränkung der generellen Regel folgen.

Der Geschädigte muss auch keine Reparaturrechnung vorlegen. Der Kläger hat ein Schadengutachten vorgelegt. Damit genügt der Geschädigte nach ständiger Rechtsprechung seiner Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO. Der Geschädigte ist nach Gesetzes- und Rechtslage gerade nicht gezwungen, eine Reparatur durchzuführen und deshalb erst Recht nicht verpflichtet, eine Rechnung darüber vorzulegen.

Darauf, ob das Fahrzeug ständig in einer Markenwerkstatt gewartet und repariert worden ist, kommt es nicht an, solange sich die beschädigten Stellen des Fahrzeugs noch im Auslieferungszustand befinden – also noch nicht repariert oder ausgetauscht worden sind. Vorteile die durch die Reparatur infolge des Alters und/oder Verschleiß der beschädigten Teile entstehen, sind nach der bewährten Rechtslage mit Abzügen neu für alt zu berücksichtigen.

Auch aus europarechtlichen Regelungen ergibt sich nichts anderes. Die Aufhebung der Markenbindung durch die Aufhebung der Gruppenfreistellungsverordnungen sowie die EG-VO Nr. 715/2007 vom 20.06.2007 (Euro-5) enthalten Regelungen des Wettbewerbsrechts, keine Regelungen des Schadensersatzrechts. Aus ihnen können keine Schlüsse zu Lasten von Geschädigten gezogen werden, denn dieser ist kein Adressat dieser Vorschriften. Wenn Haftpflichtversicherer meinen, die Einhaltung einer Garantie dürfe nicht mehr von der Reparatur oder Wartung in einer Vertragswerkstatt abhängig gemacht we rden, verkennen sie, dass dies nur für gesetzliche Gewährleistungsrechte gilt, nicht aber für sog. Herstellergarantien.

Die Beklagten haben auch die restliche Anwaltsvergütung von 221,34 € (825,27 – 546,69 -57,24) für die vorgerichtliche Tätigkeit zu erstatten; wegen der Berechnung wird auf die Aufstellung auf Seite 4 der Klageschrift (Bl. 4 d.A.) verwiesen.

Die Vergütung für die vorprozessuale Tätigkeit darf im Rahmen des anwaltlichen Ermessens mit einer 1,5fachen Gebühr berechnet werden, da die Sache umfangreich und schwierig war. Obwohl die Haftung dem Grunde nach unstreitig war und einfach reguliert werden konnte, hat der beklagte Haftpflichtversicherer versucht, die notwendigen Reparaturkosten mit Hilfe einer Vielzahl von Einwendungen zu kürzen. Dabei entlastet es die Beklagten nicht, dass sie zum Erheben der Einwendungen durch die Rechtsprechung des VI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes animiert worden sind. Denn sie schrecken – wie die durchgeführte Beweisaufnahme zeigt – auch nicht vor unwahren Behauptungen zurück, um Schadenersatzansprüche zu kürzen.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 ff. BGB begründet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S.3, 709 ZPO. Die Beklagten haben die Kosten auch zu tragen, soweit die Klage zurückgenommen worden ist. Dies entspricht billigem Ermessen, denn die Beklagten befanden sich mit der bereits entstandenen Forderung infolge der Mahnung vom 29.01.2010 unter Fristsetzen zum 26.02.2010 in Verzug. Eine analoge Anwendung des § 93 ZPO scheidet deshalb aus.

————————————-

Amtsgericht Mitte

Beschluss

Geschäftsnummer: 111 C 3172/10                                            25.01.2012

In dem Rechtsstreit

1. Termin zur Verhandlung über das Ergebnis der Beweisaufnahme wird anberaumt auf den …

Dieser Beschluss gilt als Ladung.

2. Die Parteien erhalten Gelegenheit, binnen drei Wochen zur beigefügten schriftlichen Aussage Stellung zu nehmen.

3. Die Beklagten werden darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – wieder einmal die wahrheitswidrigen Angaben eines Haftpflichtversicherers – zur behaupteten Höhe der Stundenverrechnungssätze widerlegt sind.

4. Es soll nach Lage der Akten entschieden werden, wenn niemand – möglichst nach Absprache der Prozessbevollmächtigten untereinander – im Termin erscheint.

5. Es bleibt vorbehalten, die Sache wegen des Verdachts des Prozessbetruges durch die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) einer zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftssachen vorzulegen, da aufgrund der Prozessführung der Beklagten zu 2) und anderer Haftpflichtversicherer in mehreren Fällen davon auszugehen ist, dass bei der Regulierung einer Vielzahl von Kfz-Haftpflichtschäden Geschädigte durch das Aufstellen falscher Behauptungen zur Höhe der allgemein zugänglichen Stundenverrechnungssätze getäuscht worden sind.

Richter am Amtsgericht

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Fiktive Abrechnung, Gleichwertigkeit, Haftpflichtschaden, Lohnkürzungen, Rechtsanwaltskosten, Stundenverrechnungssätze, Urteile, VERSICHERUNGEN >>>> abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

54 Antworten zu AG Berlin-Mitte verurteilt mit lesenswertem Urteil vom 28.8.2012 – 111 C 3172/10 – den Schädiger und dessen Versicherer zur Zahlung weiteren Schadensersatzes bei fiktiver Schadensabrechnung, wobei sich der erkennende Richter auch noch mit der Rechtsprechung des BGH auseinandersetzt.

  1. Alois Aigner sagt:

    Grüß Gott Willi,

    Hut ab vor diesem Richter des AG Berlin-Mitte.

    Wenn die Berliner schon keinen Flughafen hin kriegen, dann aber ein hervorragendes Urteil, das der Versicherungswirtschaft den Spiegel vorhält. Den Versicherungen die Maske vom Gersicht zu reißen mit so klaren Worten, das habe ich noch nicht erlebt.

    Meine Hochachtung vor dem Richter. Das Urteil muss man sich auf der Zunge zergehen lassen

    Servus und ein gutes Wochenende
    Aigner Alois

  2. G. Gladenbach sagt:

    Hervorragend!

  3. SV Wehpke sagt:

    Da hat einer tief Luft geholt, dann weit ausgeholt und dem Versicherer eine schallende Ohrfeige erteilt (mal wieder).

    Ganz offenbar war die Versicherungsseite (mal wieder) zu übereifrig, was ein wenig wundert. Siehe auch AG-Mitte 111C 3137/08 – hier bei CH zu finden.

    Wehpke Berlin

  4. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr SV Wehpke,
    wenn man sich das Urteil der Berufungskammer des LG Hamburg (nachfolgender Bericht) ansieht, ist das Berliner Urteil Gold wert. Das Berliner Urteil kann man nicht als Klatsche, sondern als Richtigstellung, und richtige Rechtsanwendung verstehen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  5. Robert Richter sagt:

    Hut ab vor diesem Amtsrichter!!!

  6. RA Schepers sagt:

    Die Ablehnung der BGH-Rechtsprechung ist nachvollziehbar und gut begründet. Ich finde die Urteilsbegründung noch klarer und verständlicher als die des AG Kerpen.

    Was aber das in meinen Augen noch wertvoller an der Entscheidung ist, sind folgende Urteilspassagen:

    Darüber hinaus ist gerichtsbekannt, dass die Auswahl von freien Werkstätten, die benannt werden, der Manipulation der Gerichte durch Haftpflichtversicherer dient:

    – Im Verfahren 111 C 3275/06 hat das Gericht erst in der Beweisaufnahme und auf eigene Nachfrage feststellen müssen, dass die angeblich günstigeren Stundensätze sogar einer Markenwerkstatt nicht allgemein kalkuliert, sondern nur besonderen Kunden aufgrund gesonderter Vereinbarungen gewährt werden – u.a. mit dem Haftpflichtversicherer, der dies seiner Wahrheitspflicht aus § 139 ZPO zuwider verschwiegen hatte.

    – Im Verfahren 102 C 3182/07 hat der Haftpflichtversicherer die Klageforderung anerkannt, nachdem das Gericht in seinem Beweisbeschluss den Zeugen aufgegeben hatte, anzugeben, ob die günstigeren Stundensätze jedem oder nur bestimmten Kunden aufgrund besonderer Vereinbarung gewährt werden.

    105 C 3047/10: Der als Zeuge vernommene Inhaber einer benannten freien Werkstatt erklärt:

    Ich bin der Inhaber der Firma F. Wir reparieren Pkw und Leicht-Lkw, alle Marken. Wenn ich nach der Spezialisierung gefragt werde, dann haben wir Erfahrungswerte. Ich habe Angestellte, nämlich einen Gesellen und zwei Lehrlinge. Meine Erfahrung basiert auf 40 Jahren Tätigkeit. Es finden auch Schulungen über den Zentralverband statt und man kann Literatur einsehen. Wir haben auch Fachzeitschriften, die gelesen werden. Vor etwa 5 bis 6 Jahren habe ich meine letzte Schulung bei Mercedes gemacht in einem Schulungszentrum bei Mercedes.

    Wenn ich gefragt werde, ob aufgrund der technischen Neuerungen dieser Zeitraum nicht zu lange ist, dann stelle ich fest, dass die neuen Autos gar nicht in meine Werkstatt kommen. Würde beispielsweise ein neuer BMW in die Werkstatt kommen, würde ich, abhängig vom Schaden, eine Reparatur ablehnen, wenn eine Schulung erforderlich wäre. Der Geselle hat jetzt beispielsweise eine Schulung über Klimageräte in Autos mitgemacht. Ich hatte letztes Jahr eine Schulung über Airbags.

    Wenn uns Kenntnisse fehlen, können wir Literatur besorgen und es gibt auch eine Hotline. Man kann auch mit Mercedes sprechen, wenn Fragen bestehen. Wir haben auch Zugriff auf Werkzeuge, die man sich ggf. ausleihen kann. Dabei geht es um absolute Spezialwerkzeuge. Ich bin Innungsmitglied, aber nicht zertifiziert. Meine Werkstatt wird nicht überwacht.”

    – Abteilung 104: Der als Zeuge benannte Inhaber ist bereits seit zwei Jahren tot.

    111 C 3340/09: Zum ersten und bisher einzigen Mal findet sich in einer Akte eine Reparaturrechnung der Werkstatt Auto-O., die von den Haftpflichtversicherern immer wieder gern als günstigere Alternative benannt wird: Die abgerechneten Reparaturkosten (3.703,01 €) übersteigen trotz des Stundenverrechnungssatzes von 78 € die Kosten, die der Schadengutachter ermittelt hat (2.641,59 €). Bezeichnend ist, dass diese Firma inzwischen unter anderem Namen am Markt auftritt, aber immer noch über die alte Bezeichnung über das Internet zu finden ist.

    – und nun dieses Verfahren 111 C 3172/10: Die markengebundene Fachwerkstatt BMW-E. soll zu allgemein zugänglichen Stundenverrechnungssätzen unter 100 € reparieren. Die Vernehmung des Geschäftsführers ergibt:

    Lohn Mechanik 125,64 €/Std.
    Lohn Karosserie 139,94 €/Std.
    Lohn Lack 128,52 €/Std. zzgl. 42% Lackmaterial

    Damit berichtet das Gericht von 4 Gerichtsverfahren, in denen die Behauptungen der Versicherungen zur Gleichwertigkeit der Reparatur bzw. zu den Stundensätzen als falsch herausgestellt haben, im 5. Verfahren war der Werkstattinhaber bereits seit 2 Jahren tot und im 6. Verfahren erkennt die Versicherung die Klageforderung an, bevor der Beweisbeschluß zu den genannten Stundensätzen durchgeführt wird.

    Auch das AG Halle hatte durch die Beweisaufnahme feststellen müssen, daß die von der Versicherung angegebenen Stundensätze falsch waren.

    Bisher kommt es immer wieder vor, daß Amtsrichter (verständlicherweise) der Rechtsprechung des BGH folgen, anstatt sich ausgiebig mit dieser Rechtsprechung auseinandersetzen und diese zu widerlegen. Es kommt ebenfalls immer wieder vor, daß das Bestreiten der Gleichwertigkeit durch die Klägerseite als unsubstantiiert zurückgewiesen wird. Und dies unter Hinweis darauf, daß es sich um zertifizierte Betriebe handelt. Diese Vorgehensweise der Gerichte ist (zumindest vereinzelt) mit der Arbeitserleichterung für das Gericht zu erklären (Urteil ohne Beweisaufnahme möglich), zum anderen aber auch damit, daß die Richter den Angaben der Versicherung (zur Gleichwertigkeit) ein gewisses Vertrauen entgegen bringen.

    Mit den Urteilen des AG Berlin und des AG Halle sind jetzt mehrere Fälle durch Gerichte festgestellt und veröffentlicht, in denen die Versicherungen falsche Angaben gemacht haben.

    Dies wird (hoffentlich) auch andere Gerichte dazu bewegen, die Angaben der Versicherung genauer zu hinterfragen…

  7. Dieter Dolfing sagt:

    Kennzeichnend ist auch dieser Satz aus den Urteilsgründen: „Den Beklagten war auch keine Mitteilung zu machen, welche anderen Haftpflichtversicherer bereits als Prozessbetrüger aufgefallen sind.“ Das Gericht hat verschiedene Haftpflichtversicherer bereits als Prozessbetrüger entlarvt. Es muss doch für Haftpflichtversicherer schrecklich sei, in einem Urteil als Prozessbetrüger bezeichnet zu werden. Wenn der GDV dies hier liest, und ich gehen davon aus, dann müßte der doch seine Mitglieder dirziplinieren, oder? Auch bei der BaFin müßten doch die Alarmglocken läuten. Aber bestimmt wird sich Herr Christoph Engert für dieses Urteil interessieren. Das wärs doch, wenn die Haftpflichtversicherer des Prozessbetruges überführt werden? Gehen dann die Vorstände in den Knast?

  8. Robert Richter sagt:

    Vielleicht kann Käptn Blaubär Herrn Richter am BGH W. Wellner das Urteil des AG Berlin-Mitte zusenden. Ich kann mir vorstellen, dass auch dort in Karlsruhe die Entscheidung aus Berlin mit Interesse gelesen würde. Vielleicht kommt dann auch bei Gelegenheit eine modifiziertere Rechtsprechung.

  9. joachim otting sagt:

    Das Berliner Urteil wird ein Nachspiel haben. In Karlsruhe kennt man es auch. Und Dr. E. hat in der VA längst darüber berichtet.

    Man sollte m.E. zwei Dinge unterscheiden:

    – Bewusst unwahrem Vortrag der Versicherer muss mit den gebotenen Mitteln begegnet werden. Im Zivilprozess wie auch danach.

    – Die Fundamentalopposition eines Amtsgerichtes gegen die BGH – Rechtsprechung ist für den Geschädigten nur von Nutzen, wenn die Sache unterhalb der Berufungsgrenze liegt. Anderenfalls könnten das Steine statt Brot sein. Dann verliert der Geschädigte, wenn ihm nicht die BGH – Unzumutbarkeitskriterien zur Seite stehen, eine Instans später und um die Kosten der Berufungsinstanz teurer.

    Letztlich muss man sich auch immer wieder folgende Frage stellen: Ist es vertretbar, von den Versicherern BGH – Gehorsam zu verlangen, wo es dem Geschädigten nützt, während man selbst die BGH – Rechtsprechung in Grund und Boden kritisiert, wo sie dem Geschädigten nicht so positiv ist?

    Da gibt es m.E. nur zwei Wege: Selbst die BGH – Rechtsprechung für die Regulierungspraxis umfänglich akzeptieren oder auch „der anderen Seite“ zuzugestehen, BGH – Urteile für falsch und damit unbeachtlich zu halten.

  10. B.D. sagt:

    Wenn die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen eröffnet ist und ein möglicher Gerichtsstand Berlin ist, sollte folglich immer dort geklagt werden.

  11. Hans Olg sagt:

    Aber es muß doch gestattet sein widersprüchliche BGH Urteile (mit)zu hinterfragen, wenn schon die Richtergilde von selbst darauf kommt Herr Otting. Vielmehr sollten alle RA bei einer Vielzahl von Einwendungen (sprich Kürzungsberichten) konsequent 1,5 abrechnen. PS: nahezu alle Versicherungen haben in Berlin Regulierungsstellen. Ach und nochwas, es gab schon Deutsche die haben für die Beseitigung von Unrecht und Mißständen Ihr Leben riskiert, was ist da schon eine verlorene Instanz die nichts anderes beweist,das das bestehende völlig überaufgeblähte Justizsystem in Deutschland eben nicht im Namen des Volkes sondern eher zur Selbsterhaltung und eigenen Vergrößerung agiert.

  12. RA Schepers sagt:

    @ Joachim Otting

    Die Fundamentalopposition eines Amtsgerichtes gegen die BGH – Rechtsprechung ist für den Geschädigten nur von Nutzen, wenn die Sache unterhalb der Berufungsgrenze liegt. Anderenfalls könnten das Steine statt Brot sein. Dann verliert der Geschädigte, wenn ihm nicht die BGH – Unzumutbarkeitskriterien zur Seite stehen, eine Instans später und um die Kosten der Berufungsinstanz teurer.

    Dieser Einwand ist durchaus berechtigt. Hier ist der Anwalt gefragt, den Mandanten vor Klageerhebung auf die Risiken hinzuweisen. Allerdings halten sich die Risiken bei rechtsschutzversicherten Mandanten in Grenzen.

    Andererseits ist es nicht die Fundamentalopposition (nur) eines Amtsgerichts. Neben dem AG Berlin haben auch schon das AG Kerpen und das AG Düsseldorf die BGH-Rechtsprechnung zur Verweisung auf Referenzwerkstätten abgelehnt. Die Urteile sind jeweils sehr ausführlich und gut begründet. Die Entscheidungen ergingen jeweils unabhängig voneinander, ohne daß der eine vom anderen abgeschrieben hat.

    Ich halte es durchaus für denkbar, daß demnächst auch das eine oder andere Berufungsurteil die BGH-Rechtsprechnung kritisch beurteilen und ablehnen wird.

  13. joachim otting sagt:

    @ Hans Olg

    Ja selbstverständlich darf man die BGH – Rechtsprechung hinterfragen. Nur muss man dann nach meiner Auffassung von Streitkultur akzeptieren, dass andere das auch tun.

    Sie sind nur auf die Hälfte meines Beitrages eingegangen. Die andere Hälfte hier noch mal:

    Von den Versicherern konsequente Befolgung der geschädigtengünstigen Rechtsprechung zu verlangen, Abweichungen davon zu brandmarken, aber für sich selbst das Recht auf BGH – Nichtbeachtung zu reklamieren, das erscheint mir sehr scheinheilig.

  14. virus sagt:

    @ Otting

    Von den Versicherern konsequente Befolgung der geschädigtengünstigen Rechtsprechung zu verlangen, Abweichungen davon zu brandmarken, aber für sich selbst das Recht auf BGH – Nichtbeachtung zu reklamieren, das erscheint mir sehr scheinheilig.

    .. nicht Geschädigten günstig oder Geschädigten ungünstig ist die Frage. Ist das BGH-, OLG-, LG- und AG-Urteil rechts konform oder nicht, dass ist es, was die Anwalt- und Richterschaft in den Fokus zu stellen hat.

  15. Rüdiger sagt:

    Was bitte ist scheinheilig daran, wenn man dem BGH aufzeigt, dass er nach schadensrechtlichen Gesichtspunkten völlig falsch entschieden hat?
    Ich denke, wenn sich ein Instanzrichter an das Gesetz hält und mit völlig korrekter Begründung von (falscher) BGH-Rechtsprechung abweicht, handelt er genau richtig. Instanzrichter sind zu aller erst dem Gesetz und ihrem Gewissen verpflichtet. Natürlich sehen viele Instanzrichter das anders. Da wird das Fähnchen in den Wind gehängt und alles nachgeplappert, was in Karlsruhe vorgelegt wird. Auch dann, wenn es der größte Unsinn sein sollte. Wer bremst schon gerne die eigene Karriere?
    Zwischen der derzeitigen Rechtsauslegung von Versicherungen und dem Aufzeigen von berechtigter Kritik an BGH-Urteilen besteht ein gewaltiger Unterschied. Versicherer ignorieren bevorzugt sämtliche (für Versicherer negative) BGH-Entscheidungen. Auch solche, die schadensrechtlich völlig korrekt sind. Messlatte bei den Versicherern ist nämlich nicht die korrekte Rechtsgrundlage, sondern einzig und allein der Profit, den man aus Nichtanwendung völlig korrekter Rechtsprechung erwirtschaftet.
    Der BGH hat in den letzten Jahren jede Menge schadensrechtliche „Fehlentscheidungen“ getroffen. Angefangen von der Mietwagen-Rechtsprechung bis hin zur fiktiven Abrechnung.
    Dafür hagelt es nun zunehmend Kritik von allen Seiten, auch von den Instanzgerichten. Und das ist auch gut so.

    Was für ein Nachspiel sollte das Berliner AG-Urteil denn haben? Will der VI. Senat des BGH nun Druck auf die Berliner Justiz ausüben, um den Amtsrichter in Berlin mundtot zu machen? Da warten bestimmt viele drauf. Das wäre eine super Schlagzeile. Insbesondere im Zeitalter des Internets.
    Jeder der keinen Kumpel in Karlsruhe hat und die derzeitige Rechtsprechung objektiv betrachtet, kommt an berechtigter Kritik nicht vorbei.

  16. F-W Wortmann sagt:

    @ joachim otting 4.11.2012 15.49

    Hallo Herr Otting,
    hatte mich schon gewundert, dass bis dahin noch kein Kommentar von Ihnen vorlag.

    Ich meine aber, dass das Urteil eines deutlich aufzeigt, nämlich dass die Versicherer bewußt unrichtig vortragen. Und das ist bei der Pflicht zum wahren Vortrag nun einmal Prozessbetrug. Das darf auch nicht bagatellisiert werden.
    Da sollte den Prozessbetrügern viel mehr Konsequenzen angedroht und durchgeführt werden als dies bisher der Fall war. Da kann auch nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden. Da ist der Vorschlag, Herrn Engert vom NDR zu informieren, gar nicht schlecht.

    Denn Prozessbetrug hat nichts, aber auch gar nichts mit BGH-konformer Auslegung oder nicht zu tun. Das ist schlicht strafbares Verhalten. Straferschwerend kommt hinzu, dass aus Eigennutz, nämlich der Versicherung durch manipulierte Urteile nicht berechtigte Vorteile verschafft werden, die ihr tatsächlich, weil Lügen, nicht zustehen. Da mögen BGH-Richter noch mit fadenscheinigen Argumenten hinters Licht zu führen sein. Amtsrichter, die täglich den gleichen (unwahren) Sermon vorgesetzt bekommen, werden da schon eher sensibilisiert und fragen nach, erlassen zutreffenderweise Beweisbeschlüsse, weil sie sich gehindert sehen nach § 287 ZPO zu schätzen, und geben sich mit Lügen nicht zufrieden.

    Ich verstehe nicht, dass Sie versuchen, das hervorragende Urteil aus Berlin-Mitte zu relativieren. In meinen Augen hat nach Kempen, Düsseldorf, und so weiter ein weiteres Untergericht die besstehende BGH-Rechtsprechung mit vernünftigen, nicht mit irgendwelchen obskuren, Argumenten in Frage gestellt. Denn über eines muss man sich auch im Klaren sein, seit dem Abgang der Vors. Richterin Dr. Gerda Müller ist die Rechtsprechung des VI. Zivilsenates in einigen Entscheidungen nicht mehr konsequent. Das „Herumgeeiere“ hinsichtlich der Mietwagenkosten sei nur beispielhaft erwähnt.

    Inwieweit soll das (rechtskräftige) Urteil des AG Mitte in Karlsruhe ein Nachspiel haben. Der Instanzenzug ist meines Wissens erschöpft. Will etwa die Gerenralstaatsanwaltschaft in Karlsruhe ermitteln? Da sollte Sie Ihre Kenntnis offenbaren.

    Hinsichtlich des Berichtes des Herrn Dr. E. wäre es nett, wenn Sie mir eine Kopie zuleiten könnten.

    Kritik an der BGH-Rechtsprechung kann durchaus berechtigt sein. Dies wird sowohl der geschädigtenseite als auch der Versicherungsseite zugestanden. Die Kritik der Versicherungen an dem Urheberrechtsurteil des I. Zivilsenates war ja auch unüberhörbar. Kritik an der BGH-Rechtsprechung führt aber nicht dazu, um eigenen Vorteil wegen einen Prozessbetrug zu begehen. Die Kritik ist gut und schön, Prozessbetrug ist strafbar!! Da liegt der feine kleine Unterschied.

    Deshalb sind Ihre weiteren Ausführungen „Da gibt es m.E. nur zwei Wege: Selbst die BGH – Rechtsprechung für die Regulierungspraxis umfänglich akzeptieren oder auch “der anderen Seite” zuzugestehen, BGH – Urteile für falsch und damit unbeachtlich zu halten.“ nicht zielführend. Der anderen Seite zuzugestehen, die BGH-Rechtsprechung anders zu interpretieren, das Recht wird der Versicherung, aber auch dem Geschädigten zugesprochen. Das bedeutet aber nicht, den Richter bewußt zu täuschen, damit einen Irrtum zu erregen und ein falsches Urteil zu sprechen. Mit berechtigter Kritik oder mit berechtigter anderer Ansicht läßt sich die von den Versicherungen begangenen und durch den Berliner Amtsrichter nachgewiesenen strafbaren Handlungen nicht rechtfertigen.

    Ich halte das Urteil für hervorragend und hoffe darauf, dass es viele Nachmacher geben wird, wenn das Urteil noch bekannter als nur durch einen Bericht von Herrn Dr. E. wird. Wenn man alleine überlegt, dass der Berliner Amtsrichter sechs (!!!) Fälle des Prozessbetruges aus seinem Dezernat aufgezählt hat, dann wird einem schon Angst und Bange, wie Sie in einem Kommentar geschrieben hatten. Diese sechs nachgewiesenen Prozessbetrugsfälle sind nur die Spitze des Eisberges. Die Dunkelziffer ist daher erheblich. Dann muss man in der Tat die Frage stellen, ob die Versicherungen nur noch durch Lug und Trug sich halten können? Wenn das der Fall ist, dann Gute Nacht!

    Abschließend will ich noch bemerken, dass es mich verwundert, dass auch nach dem Bericht von Herrn Dr. E. bisher keine Reaktion seitens des GDV oder seitens der Finanz- und Versicherungsaufsicht erfolgt ist. Soll etwa das Thema „Prozessbetrug durch Versicherungen“ totgeschwiegen werden? Umso wichtiger ist daher, dass z.B. Herr Christoph Engert darüber berichtet.

    Das soll es nun gewesen sein, meine Kritik an Ihrem Kommentar.

    Mit freundlichen Grüßen
    F-W Wortmann

  17. joachim otting sagt:

    @ Wortmann

    Hallo Herr Wortmann,

    kürzlich haben Sie mich mit den Worten „Ich kann lesen“ abgekanzelt.

    Also bitte lesen Sie meinen Ausgangsbeitrag noch mal! Ich habe genau differenziert zwischen dem Prozessbetrug und den sonstigen Fragen.

    Der Beitrag fängt sogar an mit den Worten „Man sollte m.E. zwei Dinge unterscheiden“

    Wenn Sie mich demnächst also angehen mit den Worten „Ich kann lesen, und ich will auch lesen, was da steht, und nicht das, was da stehen müsste, damit meine Kritik passt“, bin ich zufrieden. Sehr zufrieden sogar.

    Mit keinem Wort habe ich einen Zusammenhang hergestellt zwischen dem offensichtlichen Prozessbetrug einerseits und der Beurteilung der Rechtsfrage andererseits. Haben Sie es beim nochmaligen Lesen gesehen?

    Außer Rüdiger haben hoffentlich die meisten den Hinweis zum „Nachspiel“ verstanden. Da sind nämlich mindestens zwei Personen am Werk, denen das hier so verbreitete „Man müsste mal…“ fremd ist. Die tun es, sogar mit vollem Namen!

    Es muss doch auch dem unsensibelsten Leser auffallen, dass der Richter die weiteren Vorgänge aus seinem Beritt in dem Urteil nicht aus Spaß aufgelistet hat. „Geringfügigkeit“ oder „bedauerlicher Einzelfall, kann ja mal vorkommen“ wird nun schwer werden.

    @ Rüdiger

    Die Scheinheiligkeit bezog sich nicht auf den Berliner Richter, sondern auf die Kommentatoren hier, die auf die Gegenseite einschlagen, wenn dort die BGH – Rechtsprechung nicht auf das Jota genau befolgt wird, sich aber gleichzeitig anmaßen zu befinden, welche BGH – Urteile richtig und welche falsch sind.

    Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was aus Karlsruhe kommt. Nur werde ich niemanden dafür kritisieren, es auch nicht zu sein.

  18. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Herr Otting,
    nachdem Sie mich nun „abgekanzelt“ haben, verstehe ich Ihren Kommentar von 11.06 h als Eigenkritik.

    Mit Ihrem Kommentar sind Sie aber nur auf Teile meines Kommentars eingegangen.

    Im Übrigen will ich Ihnen versichern, dass ich Ihre Kommentare immer genau lese, schon allein wegen der darin enthaltenen Möglichkeit, sich nach da oder dort doch noch herauszuwinden.

    Kritik an Urteilen des BGH zu üben und gleichzeitig das Prozessverhalten der Versicherungen anzuprangern, ist nicht scheinheilig. Lesen Sie noch mal meinen Kommentar.

    Es muss auch das Recht eingeräumt werden, zu schreiben, welche BGH-Urteile nach Meinung des Verfassers richtig und welche falsch sind. Soviel Meinungsfreiheit muss sein. BGH-Hörigkeit ist genauso falsch. Aber auf keinen Fall vertretbar ist, BGH-Urteile bewußt zu unterlaufen, indem bewußt unwahr vorgetragen wird, wie dies auf Seiten der Versicherungen geschehen ist.

    Das wars dann aber auch, da Diskussionen mit Ihnen zu keinem Ergebnis führen.

  19. Sven Stühmeyer sagt:

    @ Otting „Letztlich muss man sich auch immer wieder folgende Frage stellen: Ist es vertretbar, von den Versicherern BGH – Gehorsam zu verlangen, wo es dem Geschädigten nützt, während man selbst die BGH – Rechtsprechung in Grund und Boden kritisiert, wo sie dem Geschädigten nicht so positiv ist?
    Da gibt es m.E. nur zwei Wege: Selbst die BGH – Rechtsprechung für die Regulierungspraxis umfänglich akzeptieren oder auch “der anderen Seite” zuzugestehen, BGH – Urteile für falsch und damit unbeachtlich zu halten.“

    Die Autoren oder Kommentatoren dieses Forums verlangen nicht von den Versicherungen BGH-Gehorsam. Sie verlangen, den Schaden, den zu ersetzen sie verpflichtet sind, gesetzeskonform und entsprechend der Rechtsprechung zu erstatten. Das schließt aber nicht aus, die rechtsprechung der Gerichte und insbesondere des BGH kritisch zu hinterfragen. Das hat auch nichts damit zu tun, die BGH-Rechtsprechung hinsichtlich der Regulierung zu akzeptieren. Wenn die Regulierung nach Recht und Gesetz erfolgt, ist das doch in Ordnung. Es zeigt sich doch immer wieder, dass die Versicherer dies eben nicht tun. Deshalb war damals dieses Forum gegründet worden. Die hier gelisteten Urteile zeigen doch, dass die Versicherungen eben nicht nach Gesetz und Rechtsprechung regulieren, sondern nach selbst gegebenen Kriterien, die auch vor Prozessbetrug nicht halten machen.

    Selbst wenn die Versicherungen die BGH-Urteile für falsch und unbeachtlich halten, gibt dies ihnen nicht das Recht, Prozessbetrug in großem Stil zu betreiben. Der Prozessbetrug im großen Stil ist durch nichts zu begründen, auch nicht mit Ihren Argumenten der zwei Wege.

    Ich hatte Sie bisher aus Ihren Veröffentlichungen als besonnenen Juristen angesehen. mit Ihren Kommentaren hier haben Sie allerdings mein Bild von Ihnen gewaltig verändert.

    Was das mit den Konsequenzen soll, bleibt wohl auch Ihr Geheimnis. Sie sollten in Zukunft klarer und präziser, nämlich so wie in Ihren juristischen Beiträgen, Ihre Kommentare fassen. Aber bitte, es ist Ihre Sache, mehrdeutig die Kommentare abzufassen.

  20. RA Schepers sagt:

    @ Joachim Otting

    Da gibt es m.E. nur zwei Wege: Selbst die BGH – Rechtsprechung für die Regulierungspraxis umfänglich akzeptieren oder auch “der anderen Seite” zuzugestehen, BGH – Urteile für falsch und damit unbeachtlich zu halten.

    Die Scheinheiligkeit bezog sich nicht auf den Berliner Richter, sondern auf die Kommentatoren hier, die auf die Gegenseite einschlagen, wenn dort die BGH – Rechtsprechung nicht auf das Jota genau befolgt wird, sich aber gleichzeitig anmaßen zu befinden, welche BGH – Urteile richtig und welche falsch sind.

    Da gebe ich Ihnen Recht, Herr Otting. Nicht nur Geschädigte, auch Schädiger dürfen BGH-Urteile für falsch halten. Und die Motivation für die abweichende Auffassung spielt letztendlich keine Rolle. Im Ergebnis geht es dem Geschädigter immer (auch) darum, möglichst viel Schadensersatz zu bekommen, und dem Schädiger immer (auch) darum, möglichst wenig Schadensersatz zu bezahlen.

    Entscheidend sollten die Argumente sein, mit denen die BGH-Rechtsprechung abgelehnt wird. Und dies sollten juristische Argumente sein, nicht aber „Ich bekomme zu wenig Geld“ oder „Ich muß zu viel zahlen.“

  21. joachim otting sagt:

    @ Sven Stühmeyer

    „Selbst wenn die Versicherungen die BGH-Urteile für falsch und unbeachtlich halten, gibt dies ihnen nicht das Recht, Prozessbetrug in großem Stil zu betreiben. Der Prozessbetrug im großen Stil ist durch nichts zu begründen, auch nicht mit Ihren Argumenten der zwei Wege.“

    Ich darf Ihnen die nochmalige Lektüre meines Beitrags von 04.11. um 15:49 empfehlen. Weder darin noch in den weiteren Stellungnahmen habe ich irgendwo behauptet, dass „die zwei Wege“ eine Rechtfertigung für den Prozessbetrug seien.

    Wenn Sie noch mal nachlesen, werden Sie lesen:

    „Bewusst unwahrem Vortrag der Versicherer muss mit den gebotenen Mitteln begegnet werden. Im Zivilprozess wie auch danach.“

    Und das „danach“ wird das Nachspiel sein. Der Berliner Vorgang wird die Staatsanwaltschaft beschäftigen. (Wird!!! Nicht „Man müsste mal…“.)

    Ich werde den Eindruck nicht los, dass meine Beiträge nicht danach gelesen werden, was ich geschrieben habe, sondern danach, was ich geschrieben haben müsste, damit die Kritik an meinem Beitrag passt.

    Sind Sie bitte so freundlich, mir die „Zweideutigkeit“ aufzuzeigen, die zu Ihrer Ansicht führt, ich wolle den Prozessbetrug rechtfertigen?

  22. Sven Stühmeyer sagt:

    Herr Otting,

    Ihre juristischen Beiträge in allen Ehren, aber ich werde den Eindruck nicht los, dass Sie immer dann Kommentare abgeben, wenn die Versicherungen und deren Dienstleister, wie DEKRA oder Controll€xpert, angegriffen werden. Dieses reflexartige Verhalten erhält in meinen unjuristischen Augen einen merkwürdigen Beigeschmack, gewollt oder ungewollt, das mag ich nicht zu sagen.

    Dass nun mittlerweile die Staatsanwaltschaft ermittelt, wenn dem so ist, dann ist wenigstens schon einmal ein Erfolg eingetreten. Oft genug haben Staatsanwaltschaften und Generalstaatsanwaltschaften die Ermittlungen eingestellt. Ich bin ja gespannt, was aus den Ermittlungen wird. Am besten befragt die Staatsanwaltschaft den Berliner Richter. Der kann schon von 6 Verfahren berichten, so dass an eine Fortsetzungstat zu denken ist.

    Auf Grund Ihres Hinweises habe ich noch einmal Ihren Kommentar gelesen und füge die m.E. entscheidenden Punkte her ein: „Letztlich muss man sich auch immer wieder folgende Frage stellen: Ist es vertretbar, von den Versicherern BGH – Gehorsam zu verlangen, wo es dem Geschädigten nützt, während man selbst die BGH – Rechtsprechung in Grund und Boden kritisiert, wo sie dem Geschädigten nicht so positiv ist? Da gibt es m.E. nur zwei Wege: Selbst die BGH – Rechtsprechung für die Regulierungspraxis umfänglich akzeptieren oder auch “der anderen Seite” zuzugestehen, BGH – Urteile für falsch und damit unbeachtlich zu halten.“

    Sicherlich kann man von beiden Seiten verlangen, dass die Rechtsprechung eingehalten wird. Gleichzeitig kann man auch beiden Seiten einräumen, diese als falsch zu betrachten und nicht zu beachten. Immer muss man dann beiden Seiten das gleiche Recht zugestehen. Selbst wenn die Versicherungen die für sie günstige Rechtsprechung bei der fiktiven Abrechnung mit Verweisungsmöglichkeit, etc. nicht für richtig halten, sind sie deshalb berechtigt, Prozessbetrug zu begehen? Nein. Deshalb sind die beiden Wege nicht zielführend.

  23. virus sagt:

    Herr Otting, welcher Staatsanwalt ermittelt und wie lautet/en das/die Aktenzeichen?

    Wo fängt eigentlich Betrug an?
    Erst wenn im Prozess unwahr vorgetragen wird? Oder ist Betrug nicht schon anzunehmen, wenn dem Anspruchsteller unter Darlegung unwahrer Tatsachen – vor-prozessual – ein Teil des berechtigten Schadensersatzes vorenthalten wird/werden soll? Und wenn der Versicherer tagtäglich so verfährt, ist es dann kein – wiederholter – Betrug, wenn Kunden Verträge verkauft werden, die man nachweislich – vorsätzlich – tagtäglich nicht erfüllt bzw. erfüllen werden wird?

  24. joachim otting sagt:

    @ virus

    „…wird die Staatsanwaltschaft beschäftigen“.

    Im Moment läuft das Kostenfestsetzungsverfahren, da wird die Akte noch gebraucht.

    Vorgerichtlich unwahre Stundenverrechnungssätze vorzutragen ist nicht anders zu beurteilen, als im Verfahren.

    @ Stühmeyer

    Und in welchem Zusammenhang steht das von Ihnen herausgeriffene Zitat?

    Bitte wenden Sie Ihren Blick noch einmal in meinen Beitrag, und zwar zwei Absätze weiter über den von Ihnen zitierten Auszug. Und nun noch mal: Wo habe ich geschrieben, dass andere Rechtsauffassungen einen Betrug rechtfertigen?

    Und ehe Sie mir ohne sachliche Grundlage reflexartigen Schutz von Versicherern unterstellen, fragen Sie doch mal Willi Wacker, wer das Urteil als erster veröffentlicht hat, und zwar mit deutlichen Worten und mit vollem Namen und nicht als Held in Blümchenstrumpfhosen versteckt hinter man-müsste-mal-Pseudonymen.

    Ich beschäftige mich schon länger mit der Frage, wann das Verhalten mancher Versicherer die Grenzen zur Strafbarket überschreitet.

    Absurde Rechtsauffassungen zu vertreten ist nicht strafbar, zumal sich für jeden Sch… auch irgendein Urteil findet. Das habe ich hier schon mehrfach geschrieben, auch mit der üblichen Prügelstrafenfolge. Aber das ist eben so.

    Unwahre Tatsachen vorzutragen mit dem Ziel, dass der Geschädigte seinen Anspruch nicht weiterverfolgt, überschreitet das Maß der erlaubten Interessenwahrnehmung.

    Und der Berliner Fall gibt Gelegenheit, das mal von Amts wegen prüfen zu lassen.

  25. Rüdiger sagt:

    Hallo Herr Otting,

    einige Statements, die Sie hier zum besten geben, kann man so nicht stehen lassen.

    Zitat vom 05.11.2012 08:56

    „Ja selbstverständlich darf man die BGH – Rechtsprechung hinterfragen. Nur muss man dann nach meiner Auffassung von Streitkultur akzeptieren, dass andere das auch tun.“

    und

    „Von den Versicherern konsequente Befolgung der geschädigtengünstigen Rechtsprechung zu verlangen, Abweichungen davon zu brandmarken, aber für sich selbst das Recht auf BGH – Nichtbeachtung zu reklamieren, das erscheint mir sehr scheinheilig.“

    Die Geschädigtenseite hinterfragt in der Tat einige (falsche) Entscheidungen der BGH-Rechtsprechung, wobei der Schwerpunkt auf HINTERFRAGUNG liegt. Ich kenne keinen Aufruf zur NICHTBEACHTUNG seitens der Geschädigtenseite. Bei der Diskussion über falsche BGH-Urteile geht es auch nicht um subjektive Betrachtung der Geschädigten, sondern um die Fehlerhaftigkeit im Sinne des Gesetzes = Abweichung von den Grundsätzen des BGB.
    Im Gegensatz zu den Versicherern hält sich die Geschädigtenseite (trotz aller Urteils-Kritik) jedoch an die gesamte Rechtsprechung des BGH. Auch an die falsche.
    Da werden bei der fiktiven Abrechnung treu und brav bereits vorgerichlich und vor dem Gleichwertigkeitsnachweis der Alternativwerkstätten Wartungs-Scheckhefte vorgelegt, bei den Mietwagen-Rechnungen der „Normaltarif“ verlangt oder nach Schwacke abgerechnet, der Kreditkarten-Nachweis (=keine Kreditkarte) geführt, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten offen gelegt, 3 Restwerte am örtlichen Markt ermittelt, eine 6-monatige Haltefrist nachgewiesen usw., usw.

    Versicherer hingegen pflegen weder „Hinterfragung“ irgend einer falschen BGH-Rechtsprechung noch irgendeine „Streitkukltur“, sondern ignorieren bei der Schadenregulierung schlichtweg die gesamte BGH-Rechtsprechung. Zumindest immer dann, wenn es dem Profit dient.
    Der Geschädigte wird z.B. beim Fiktivabrechner inzwischen grundsätzlich auf irgendwelche Billigwerkstätten verwiesen. Der Gleichwertigkeitsbeweis, der gemäß BGH-Rechtsprechung mit dem Werkstattverweis synchron einher geht, wird jedoch grundsätzlich nicht geführt und auch auf Nachfrage strikt verweigert. Dazu muss der Geschädigte dann erst Geld in die Hand nehmen, indem er in die gerichtliche Schlacht zieht.
    Da werden auch auf breiter Front Nachbesichtigungen verlangt, obwohl es kein Nachbesichtigungsrecht gibt und bei Nichtzulassung die gesamte Schadensregulierung verweigert.
    Wenn man daran etwas „kulturelles“ entdecken kann, muss man die Definition „Kultur“ neu verhandeln.

    Kritische Betrachtung der BGH-Rechtsprechung ist eine Sache, diese einfach zu ignorieren eine andere.
    Kritik zu üben UND von der BGH-Rechtsprechung abzuweichen bzw. FALSCHES gerade zu rücken, gehört ggf. zu den Aufgaben der Instanzgerichte. Bestes Positivbeispiel hierfür ist wieder das obige Urteil des AG Berlin-Mitte. Zu Urteilen wie diesen gehört jedoch ein entsprechendes richterliches Rückgrad, was bei vielen Staatsdienern leider nicht (mehr?) vorhanden ist. Bestes Beispiel für die „Geschmeidigkeit“ der Justiz ist wieder die Mietwagen-Rechtsprechung, bei der viele Amtsrichter die Auseinandersetzung mit der Berufungskammer scheuen. Da wird dann lieber das Fähnchen in den Wind gehängt und die eigene bisherige (korrekte) Rechtsprechung aufgegeben.

    Hier noch etwas zum Thema „Nachspiel“ aus Ihrem Kommentar vom 04.11.2012 15:49.

    Zitat:

    „Das Berliner Urteil wird ein Nachspiel haben. In Karlsruhe kennt man es auch. Und Dr. E. hat in der VA längst darüber berichtet.“

    Diesem Kommentar war mit keiner Silbe zu entnehmen, was für ein Nachspiel das Berliner Urteil haben könnte. Ein Hellseher wäre dabei möglicherweise im Vorteil. In der Vergangenheit war es in der Regel so, dass vergleichbare Fälle, wie dieser, ohne strafrechtliche Konsequenzen im Sande verliefen. Sofern hier tatsächlich Strafantrag gestellt wurde (oder gestellt werden sollte), was bei dem couragierten Richter durchaus denkbar erscheint, handelt es sich um ein Novum. Davon abgesehen hat doch eigentlich auch jeder Bürger, in Kenntnis von diesem Urteil, die Pflicht zur Anzeige?

    Die Verbindung von Nachspiel und Karlsruhe in Ihrem Kommentar suggerierte dem Leser einen Zusammenhang. Wie wir alle wissen, wird in der „Bananenrepublik Deutschland AG“ auf allen Ebenen von oben nach unten getreten. Bevorzugt natürlich hintenherum. Warum also nicht auch von einem beleidigten BGH-Senat in die Berliner Justizbehörde? Wobei das Eine das Andere ja nicht ausschließt?

    Zur Vermeidung falscher Schlussfolgerungen rege ich deshalb an, Vorgänge künftig genauer bzw. unmissverständlich darzulegen.

  26. joachim otting sagt:

    @ Rüdiger

    Mein letzter Kommentar in dieser Sache:

    Zwei Beiträge oberhalb meines Statements hatte ein Dieter Dolfing geschrieben, was alles Konsequenz des Urteils sein „müsste“. (Nur am Rande: Hat er das Urteil an GDV, Bafin & Co. geschickt?)

    Einen Beitrag weiter schreibt ein Robert Richter, Käpt’n Blaubär „könne vielleicht“ das Urteil an W. schicken. (Nur am Rande: Warum macht er es denn nicht selbst, der Wortlaut kann doch hier kopiert werden?) Er könne sich vorstellen, dass das Urteil auch „in Karlsruhe“ mit Interesse gelesen werde.

    Und jetzt erhellt sich vielleicht der Zusammenhang?

    Dennoch nehme ich Ihre Empfehlung auf und schreibe in Zukunft so, dass keine Anforderungen mehr an den Leser gestellt werden, Zusammenhänge herzustellen.

    Wie schwer das ist, konnte man ja hier wieder lesen:

    „…wird die Staatsanwaltschaft beschäftigen.“

    Erforderliche Abstraktionsleistung: „Wird“ ist in diesem Zusammenhang Futur. Ist da irgendetwas missverständlich?

    Und prompt kommt die Frage: Welche STA, welches Aktenzeichen….

    Fast als hätte ich geschrieben: „…beschäftigt schon die STA…“

    Ich habe übrigens auch kein Wort zur Streitkultur der Versicherer verloren, sondern nur über meine Auffassung von Streitkultur. Völlig unmissverständlich, wie ich meine. Hat aber wohl auch nicht gereicht.

    So, nun schreibt und unterstellt mir, was Ihr wollt, mir ist’s gleichgültig. Genau und unmissverständlich.

    Was kümmert es die die deutsche Eiche, wenn…

    (Für alle denen das nicht eindeutig genug ist: Das ist der Anfang eines Sprichwortes, dessen Ende man googeln kann. Und weil es ein Sprichwort ist, wird es sicher niemand als Beleidigung auffassen. Zumal es strafrechtlich ganz und gar unmöglich ist, einen Anonymus zu beleidigen.)

  27. Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    @Joachim Otting
    Mittwoch, 07.11.2012 um 14:27

    Lieber Herr Otting,

    seit wieviel Jahren kennen wir uns eigentlich schon ? Mehr als 30 sind es meiner Erinnerung nach bestimmt.

    Ich habe immer den sachlichen und qualifizierten Erfahrungsaustausch mit Ihnen geschätzt und selbst an vielen Wochenenden haben wir miteinander telefoniert. Das war nie vergeudete Zeit.

    Auf Diskussionen, wie hier jetzt präsentiert, bin ich nicht erpicht und empfehle nach dem Sprichwort zu handeln:“Vom Schweigen schmerzt die Zunge nicht.“ Hier wäre es die Hand, die schreibt und manche „Spökenkiekerei“ kann sicher nicht ernsthaft Anlass sein, sich nochmals zu erklären.

    Mit freundlichen Grüßen
    aus Bochum & Tangendorf

    Dip.-Ing. Haralde Rasche

  28. virus sagt:

    @ Otting

    … oh, ich warte gern auf das AZ.

    @ Otting
    Ich beschäftige mich schon länger mit der Frage, wann das Verhalten mancher Versicherer die Grenzen zur Strafbarket überschreitet.

    … darf man fragen, wie weit Sie gedanklich vorangekommen sind, gibt es bereits Zwischenergebnisse?

    MfG Virus

  29. Rüdiger sagt:

    Hallo Herr Otting,

    in einem Punkt muss ich Ihnen Recht geben.
    Sprüche wie diese sind strafrechtlich (und auch zivilrechtlich) nicht relevant.
    Entgleisungen sind lediglich eine Frage des Stils im Rahmen der „Streitkultur“.

  30. RA Schepers sagt:

    @ virus

    … oh, ich warte gern auf das AZ.

    Und was machen Sie dann mit dem Aktenzeichen der StA?

  31. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Herr Kollege Schepers?

    „Was macht man dann mit den AZ?“ – Sammeln sicherlich und beim nächsten Schriftsatz zur Information des Gerichtes geben. Auch nach dieser Entlarvung und der von Otting angekündigten Konsequenzen danach, da bin ich mir sicher, werden die Versicherer so weiter machen. Da werden dann eben, wie schon bisher, wenn Firmen verbrannt sind, eben andere aus dem Partnerwerkstattpool genommen.
    Wenn aber unter Beweisantritt bereits vorgetragen wird, dass diese oder jene von der beklagten Haftpflichtversicherung angegebene Partnerwerkstatt als nicht gleichwertig oder nicht zu den angegebenen Preisen bereit ist zu reparieren, dann muss m.E. das Gericht dem Beweis nachgehen. Eine Schätzung ist hinsichtlich des Reparaturweges nicht möglich, sondern nur hinsichtlich der Höhe, wie § 287 ZPO ausdrücklich sagt.

    Es macht schon Sinn, die Aktenzeichen zu erfahren.
    Deshalb war mir Ihr Kommentar nicht verständlich.

    Mit freundl. koll. Grüßen
    F-W Wortmann

  32. RA Schepers sagt:

    Sehr geehrter Herr Kollege Wortmann,

    ich wußte nicht, daß virus auch Prozesse führt …

  33. joachim otting sagt:

    @ Wortmann

    Bezug meiner Stellungnahme ist der letzte Satz in Ihrem Beitrag 13:07.

    Der BGH sieht das anders:

    BGH, Urteil vom 13. Juli 2010, VI ZR 259/09, Leitsatz b:

    „Für die tatrichterliche Beurteilung der Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit gilt auch im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO.“

    Ein Amtsgericht in einer Mittelstadt hat übrigens kürzlich ein Gutachten zur Gleichwertigkeit eingeholt. Ergebnis war in dem konkreten (nicht verallgemeinerungsfähigen) Fall: Die Werkstatt der (Volumen!)-Marke gibt alle Karosseriearbeiten, die über Bagatellen hinausgehen, in einen Karosseriebetrieb ab.

    Hätte der Anwalt vorher nachgedacht (oder nachgefragt)….

    Den Flurschaden bei dem Gericht kann ich mir gut vorstellen.

  34. F-W Wortmann sagt:

    Herr Otting,

    ich hatte schon einmal darauf hingewiesen, dass der Leitsatz des Eurogarant-Urteils sich darauf bezieht, dass die Gleichwertigkeit nicht bestritten wurde. Wie oft soll ich es denn noch sagen. Lesen Sie doch § 287 ZPO. Da steht nur was von der Höhe. Selbst in dem Buch von Wellner, ist aus den Gründen des auf Seite 107 abgedruckten Urteils vom 13.7.2010 zu erlesen, dass „die Klägerin die Marktüblichkeit der von der Beklagten benannten Preise nicht bestritten habe“, so dass aus Rechtsgründen nicht weiter aufgeklärt werden brauchte.

    Man sollte nicht nur den Leitsatz lesen, sondern auch die Urteilsgründe.

    Sobald es um Eurogarant oder ControlExpert geht, werden von Ihnen reflexartig Kommentare geschrieben.

    Dass man BGH-Urteile auch anders sehen darf, haben Sie ja selbst den Versicherungen eingeräumt, wollen dies aber offenbar mir nicht einräumen. Merkwürdig, oder?

    Behalten Sie Ihre Meinung mit der Argumentation nur aus dem Leitsatz, ich behalte meine in Verbindung mit den Urteilsgründen. Offenbar bin ich da nicht ganz alleine. Zumindest der Richter beim AG Mitte teilt meine Auffassung, ebenso wie Amtsrichter anderer Amtsgerichte, die im Falle des Bestreitens Beweis erheben § 287 ZPO nicht auf die Schätzung der Gleichwertigkeit, sondern nur auf die Höhe beziehen. So hatte u. a. auch das AG Holzminden die Gleichwertigkeit nach Beweisaufnahme verneint.

    Warum bleiben Sie mit Angaben „ein Amtsrichter in einer Mittelstadt“ wieder im Nebulösen? Offenbar kennen Sie das Urteil. Warum geben Sie es dann nicht an? Soll man Ihre Angaben nicht überprüfen dürfen?

    Den Flurschaden, den das AG Mitte verursacht hat, den kann ich mir auch gut vorstellen.

  35. F-W Wortmann sagt:

    Hallo Herr Kollege Schepers,

    ob virus Prozesse führt, weiß ich nicht. Das ist eben das Problem der Anonymität in diesem Blog. Ich gehe aber davon aus. Im übrigen macht es auch Sinn, wenn Sachverständige die einzelnen Verfahren sammeln und zur Info des Anwalts geben.

    Also, da sehe ich kein Problem.

  36. joachim otting sagt:

    @ Wortmann

    „Warum bleiben Sie mit Angaben “ein Amtsrichter in einer Mittelstadt” wieder im Nebulösen?“

    Weil der Prozess noch läuft und noch nicht abgeschlossen ist. Kommt Zeit, kommt Urteil, wenn der Kläger nicht zurücknimmt.

    „…dass “die Klägerin die Marktüblichkeit der von der Beklagten benannten Preise nicht bestritten habe…“

    Im Leitsatz b geht es um die technische Gleichwertigkeit.

    Zitat aus dem Urteil:

    „Für die technische Gleichwertigkeit der Reparatur der am Fahrzeug der Klägerin entstandenen Bagatellschäden hat das Berufungsgericht in tatrichtericher Würdigung festgestellt, dass sämtliche benannten Fachbetriebe den „Eurogarant-Fachbetrieben“ angehören, deren hoher Qualitätsstandard regelmäßig vom TÜV oder der DEKRA kontrolliert werde. Es handele sich um Meisterbetriebe und Mitgliedsbetriebe des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik, die auf die Instandsetzung von Unfallschäden spezialisiert seien. Zudem erfolge die Reparatur nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag unter Verwendung von Originalteilen.

    Auf dieser Grundlage durfte sich das auch im Rahmen des § 254 Abs. 2
    Satz 1 BGB nach § 287 ZPO besonders frei gestellte Berufungsgericht ohne Rechtsfehler die Überzeugung bilden, dass die benannten Betriebe die Unfallschäden genauso kompetent beheben könnten wie eine markengebundene Vertragswerkstatt.“

    Ich reagiere dann reflexartig, wenn die CH – Leser auf offensichtlich falsche Rechtsgrundsätze reinfallen können.

    Wenn Sie das BGH – Urteil für falsch haltem, gestehe ich Ihnen das ohne weiteres zu. Dass der BGH jedoch die technische Gleichwertigkeit unter § 287 ZPO fasst, steht in dem Urteil. Wörtlich. Genau. Unmissverständlich.

  37. SV F.Hiltscher sagt:

    @ joachim otting
    „Hätte der Anwalt vorher nachgedacht (oder nachgefragt)….
    Den Flurschaden bei dem Gericht kann ich mir gut vorstellen.“

    Hallo Herr Otting,

    wenn man qualifiziert unterscheidet, wer im Einzelfall der Auftraggeber für einen markenungebundenen Karosseriebetrieb ist, entsteht keinerlei „Flurschaden“!
    Eine markengebundene Fachwerkstätte, welche die Unfallreparaturen an einen freien Karosseriebetrieb nach eigener Wahl und ihres Vertrauens abgibt, ist keineswegs vergleichbar mit dem Dienstleistungsergebnis für andere Auftraggeber (privat oder Versicherer)aus folgenden Gründen, welche auch RA wissen sollten:
    Selbst wenn es sich um den selben Karosseriebetrieb handelt, den auch eine markengebundene Werkstatt beauftragt, kann ein privater Auftraggeber nicht davon ausgehen, dass er nur Markenersatzteile erhält, die vollständigen Werksinformationen zur Verfügung stehen, sowie eine Reparaturüberwachung und eine Arbeitskontrolle durch den markengebundenen Auftraggeber erfolgt.

    1.Der markengebundene Auftraggeber gibt vollständig u. ohne an Sicherheit zu sparen die Originalteile mit.
    2.Der markengebundene Auftraggeber stellt in diesen Fall sein Spezielwerkzeug u. sein Spezialwissen zur Verfügung.
    3.Der markengebundene Auftraggeber baut in der Regel das unfallinstandgesetzte Fahrzeug wieder fachgerecht zusammen u. überprüft ob die Reparaturqualität seinen Vorgaben u. denen des Herstellerwerkes entspricht.
    4.Der markengebundene Auftraggeber stellt durch Vermessungsarbeiten die Achsgeometrie wieder ein.
    5.Der markengebundene Auftraggeber stellt unter seiner Mitwirkung u. nur damit auch sicher, dass die Garantiebestimmungen nicht verletzt bzw. eingehalten werden. usw.

    Diese Unterstützung u. Überwachung der oben genannten Dinge findet bei einem anderen Auftraggeber keinesfalls statt.

    Deshalb ist es nicht das Gleiche wenn einer etwas ähnliches tut.

    Wenn diese wichtigen Argumente dem Gericht vorgetragen werden, gibt es keinen Flurschaden, sondern nur eine ausgiebige Befragung an den Gerichtssachverständigen, welcher sich m. E. nun zusätzlich mit einer völlig anderen Sachlage auseinandersetzen muss.
    *Zumindest nehme ich das an, weil die wenigsten Personen, welche das Gericht hier als sachkundig sieht, nicht unbedingt über die dazu nötige u. ausreichende Denkweise verfügen.

  38. F-W Wortmann sagt:

    @ Otting
    „Auf dieser Grundlage durfte sich das auch im Rahmen des § 254 Abs. 2
    Satz 1 BGB nach § 287 ZPO besonders frei gestellte Berufungsgericht ohne Rechtsfehler die Überzeugung bilden, dass die benannten Betriebe die Unfallschäden genauso kompetent beheben könnten wie eine markengebundene Vertragswerkstatt.”

    Herr Otting, aber doch nur, weil vorher nichts bestritten wurde, weder die technische Gleichwertigkeit noch die (marktüblichen) Preise. Schon in der Berufungsinstanz mussten die Zivilrichter der Kammer den Vortrag der Beklagten als unstreitig hinstellen. Wo nichts bestritten wird, braucht auch keine Beweiserhebung zu erfolgen, so dass die technische Gleichwertigkeit (wegen Nichtbestreitens) durchgewunken werden konnte. Ich bin mir sicher, dass die Berufungskammer – und später dann der VI. Zivilsenat – im Falle des Bestreitens anders entschieden hätten. Denn ansonsten wäre in der Tat der § 287 ZPO ausgeweitet worden, obwohl sein Wortlaut das nicht hergibt.

    Also ist in Bezug auf das Eurogarant-Urteil immer zu beachten, dass dieses nur deshalb zustande kam, weil alles unbestritten blieb. Ich meine, dass diese Tatsache erwähnt werden muss, wenn der Leitsatz des Eurogarant-Urteils zitiert wird.

    Im übrigen verstehe ich Ihren Hinweis auf den angeblichen Flurschaden nicht. Der Inhaber der Markenwerkstatt schließt mit dem Kunden einen Werkvertrag. Aufgrund dieses Werkvertrages ist er auch in der Haftung, wenn Fehler am Werk auftreten. Dabei ist es gleichgültig, ob der Wagen in der eigenen Fachwerkstatt repariert wird, oder ob Arbeiten außer Haus durchgeführt werden. Das war übrigens früher auch schon so, als Lackierarbeiten außer Haus gegeben wurden. Deshalb fallen ja auch Verbringungskosten üblicherweise an. Wenn der vom Inhaber der Markenfachwerkstatt (unter-)beauftragte Karosserie- und Lackunternehmer Fehler macht, muss der Fachwerkstattunternehmer haften und bei Garantiearbeiten sogar jeder Markenunternehmer im Lande. Das heißt, schon allein die bestehende Frage der möglichen Haftung rechtfertigt höhere Stundensätze als bei der unterbeauftragten Blech & Lack- Firma. Ihr Argument hinkt daher bei genauerer Betrachtung.

    Es kommt daher jetzt auf den Anwalt an, dass er das dem Gericht darstellt, dass es völlig uninteressant ist, wo welche Arbeiten durchgeführt werden. Entscheidend isr der abgeschlossene Werkvertrag mit der markengebundenen Fachwerkstatt. Also ich sehe da noch nicht unbedingt einen Flurschaden. Diesen sehe ich vielmehr und viel größer nach dem Urteil des AG Mitte bei den Haftpflichtversicherern und ihren Partnerwerkstätten. Auch bei den Eurogarantbetrieben, denn aufgrund der Feststellungen des Gerichtes handelt es sich offensichtlich um Betriebe, die aufgrund von Sondervereinbarungen mit den Haftpflichtversicherern verbunden sind. Und was von Sondervereinbarungen zu halten ist, hat der BGH in VI ZR 53/09 angegeben.

  39. RA Schepers sagt:

    @ F-W Wortmann

    Im übrigen verstehe ich Ihren Hinweis auf den angeblichen Flurschaden nicht.

    Ich verstehe Herrn Ottings Hinweis sehr wohl – glaube ich zumindest.

    Wenn ich mich vor Gericht gegen eine Verweisung wehre mit dem Argument, nur die markengebunde Fachwerkstatt könne qualitativ hochwertig reparieren, und dann stellt sich heraus, daß diese markengebundene Fachwerkstatt gar nicht selber repariert, hinkt die Argumentation.

    Wenn dann die Versicherung auch noch auf genau die Werkstatt verweist (ich weiß nicht, ob es in dem von Herrn Otting zitierten Fall so ist), die auch die markengebundene Fachwerkstatt als Subunternehmer einschaltet, dann dürfte eine Verweisung auf eine qualitativ gleichwertige Werkstatt vorliegen.

    Herrn Hiltschers Argumenten

    1.Der markengebundene Auftraggeber gibt vollständig u. ohne an Sicherheit zu sparen die Originalteile mit.
    2.Der markengebundene Auftraggeber stellt in diesen Fall sein Spezielwerkzeug u. sein Spezialwissen zur Verfügung.
    3.Der markengebundene Auftraggeber baut in der Regel das unfallinstandgesetzte Fahrzeug wieder fachgerecht zusammen u. überprüft ob die Reparaturqualität seinen Vorgaben u. denen des Herstellerwerkes entspricht.
    4.Der markengebundene Auftraggeber stellt durch Vermessungsarbeiten die Achsgeometrie wieder ein.
    5.Der markengebundene Auftraggeber stellt unter seiner Mitwirkung u. nur damit auch sicher, dass die Garantiebestimmungen nicht verletzt bzw. eingehalten werden. usw.

    vermag ich nicht, zumindest nicht ohne weiteres zu folgen. Letztendlich wird die markengebunde Fachwerkstatt nur den Subunternehmer (dauerhaft) beauftragen, dessen Qualität den Anforderungen des Herstellers genügt.

    Ihr Argument

    Das heißt, schon allein die bestehende Frage der möglichen Haftung rechtfertigt höhere Stundensätze als bei der unterbeauftragten Blech & Lack- Firma.

    bezieht sich auf die höheren Kosten in der markengebundenen Fachwerkstatt, nicht aber auf die Gleichwertigkeit der Reparatur.

    Herr Otting hat Recht. Das von ihm zitierte Beispiel ist ein Argument gegen die Angriffe bezüglich der Gleichwertigkeit.

    Eine ganz andere Frage ist, ob überhaupt verwiesen werden darf (BGH: ja; AG Kerpen, Düsseldorf und Berlin: nein)

  40. SV-F.Hiltscher sagt:

    @ RA Schepers
    “ Herrn Hiltschers Argumenten…………vermag ich nicht, zumindest nicht ohne weiteres zu folgen. Letztendlich wird die markengebunde Fachwerkstatt nur den Subunternehmer (dauerhaft) beauftragen, dessen Qualität den Anforderungen des Herstellers genügt.“

    Ich weiss nicht, wie man das noch deutlicher aufführen kann.
    Ohne die tatkräftige Unterstützung der markengebundenen Fachwerkstätte fehlen dem Subunternehmer die E-Teile, die Werksinfos,die Spezialwerkzeuge und die entsprechenden Zertifikate, Reparaturen so auszuführen, dass auch die Garantie erhalten bleibt. Wichtig ist allerdings die Überwachung der Reparaturausführung.

    Wo gibt es das bei einem Privatauftrag? Bringt der Privatkunde das Spezialwerkzeug mit? Bringt der Privatkunde das technische Wissen mit? Kann der Privatkunde nach einem Motor/Getriebeausbau die notwendige markenspezifische Softwareinstellung vornehmen? Kann der Privatkunde eine werkskonforme Reparaturüberwachung vornehmen? Kann der Privatkunde darüber bestimmen ob seine Garantie verfallen oder noch gültig ist? Nein!!
    Die freie Karosseriewerkstätte kann das auch nicht, wenn die Werksunterstützung fehlt.
    Was soll ich noch deutlicher erklären? Ohne die Mitwirkung des jeweils markengebundenen Fachbetriebes kann eine freie Karosseriewerkstätte nicht jedes beliebige Fabrikat qualifiziert reparieren.
    Ein erheblicher Unterschied an der „Gleichwertigkeit“ kann somit nachvollzogen werden.

  41. Rüdiger sagt:

    Hallo Herr Schepers,

    soweit die Theorie der Juristen.

    Nun die Gegenfrage aus dem wahren Leben.

    Beispiel:

    Ihr Fahrzeug, ein 4 Jahre alter Mercedes, wurde in einen unverschuldeten Unfall verwickelt, den Sie anschließend ordnungsgemäß (nach Herstellervorgaben) reparieren lassen wollen. Die gegnerische Versicherung verweist Sie nun auf eine freie Werkstatt „Blech und Lack GmbH & Co. KG“ die, nach Angaben der Versicherung, genau so gut repariert, wie Ihre Markenwerkstatt und sogar für Ihre Markenwerkstatt tätig sein soll. „Blech und Lack“ bietet einen (für Sie) kostenlosen Hol- und Bringservice, eine hauseigene „Garantie“ der Fa. Blech und Lack, Ersatzfahrzeug usw.. Geplant war, das Fahrzeug nach 6 Jahren zu veräußern. Ach so, da hätte ich ja fast etwas vergessen. Das Fahrzeug ist soweit scheckheftgepflegt. Aus terminlichen Gründen wurde in der Vergangenheit lediglich 1 Ölwechsel bei der Ölwechselstation um die Ecke durchgeführt.

    Wo lassen Sie ihr Fahrzeug nun reparieren und aus welchem Grund gerade dort?

  42. Mister L sagt:

    Hab ich was verpasst?!
    Wo steht in den BGH-Urteilen etwas von einer t e c h n i s c h gleichwertigen Reparatur? Warum beziehen sich die Gerichte nachfolgend immer auf eine technische Gleichwertigkeit?
    Hier wird doch Äpfel mit Birnen verglichen bzw. bewusst vom Thema abgewichen.
    Ich lese in den BGH-Urteilen nur etwas bezüglich einer „vom Qualitätsstandart her gleichwertigen Reparatur“.

  43. Hein Blöd sagt:

    @ Hiltscher
    jetzt hab´ich´s auch verstanden,danke!

  44. Babelfisch sagt:

    Ich lese das Urteil des BGH (VI ZR 259/09) so, dass sich der Senat ein eigenes Urteil über die technische Gleichwertigkeit nicht gebildet hat und auch nicht bilden durfte, da diese bereits von der Instanzrechtsprechung bewertet wurde. Die Grundlage dieser Bewertung durch die Instanzengerichte – ob richtig oder falsch – wurde vom BGH bestätigt, nicht jedoch der Inhalt, denn dieser war nicht Gegenstand der Prüfung durch den BGH.

  45. joachim otting sagt:

    @ Mister L

    Bezug: Ihre Fragen von 12:16

    „Hab ich was verpasst?!“

    Ja.

    „Wo steht in den BGH-Urteilen etwas von einer t e c h n i s c h gleichwertigen Reparatur?“

    Da: BGH VI ZR 259/09, Rdnr. 12, siehe auch oben 8.11. um 16:21

  46. RA Schepers sagt:

    @ Rüdiger

    soweit die Theorie der Juristen.

    Nun die Gegenfrage aus dem wahren Leben.

    Bitte nicht schon wieder Fronten aufbauen zwischen den Juristen und den anderen, ok?

    Ihre Gegenfrage aus dem Leben hinkt. Wenn ich in einer Werkstatt reparieren lasse, kann ich eine Reparaturrechnung vorlegen. Und dann gibt es keine Probleme. Reguliert wird gemäß Rechnung.

    Gleichwohl kann ich auf Ihr Beispiel antworten: Ich möchte dann in der Mercedes-Werkstatt reparieren lassen. Und nicht in der Referenzwerkstatt, selbst dann, wenn sie die Reparaturen für die Mercedes-Werkstatt durchführt.

    Ich halte die Verweisungsmöglichkeiten, die der BGH erschaffen hat, für falsch.

    Unabhängig davon bin ich der Meinung, daß ich selbst dann, wenn ich Schäden am Fahrzeug (aus Geiz oder mangels finanzieller Mittel) bisher immer notdürftig selber geflickt habe, und mit einer häßlichen Rappelskiste rumfahre, im Schadenfall auf Kosten der Versicherung eine teuer Luxusreparatur in der Fachwerkstatt (fiktiv) beanspruchen kann (natürlich nicht, um Altschäden mitreparieren zu lassen).

    Wieso sollte ich, wenn ich sonst ein sparsamer (oder armer) Mensch bin, im Schadenfall zugunsten der Versicherung sparen müssen (wenn auch fiktiv)? Umgekehrt muß die Versicherung ja auch nicht mehr zahlen, wenn ich ansonsten ein besonders großzügiger Mensch bin, und in der Fachwerkstatt freiwillig immer den doppelten Preis zahle.

    Der BGH hat im Porsche-Urteil entschieden, daß die Reparatur in der markengebundenen Fachwerkstatt „erforderlich“ ist. Diese Entscheidung halte ich für richtig. In Autos steckt hochkomplizierte Technik, die ständig weiterentwickelt wird, die von Hersteller zu Hersteller variieren kann. Ständige Weiterentwicklung erfordert ständige Fortbildung, auch fahrzeugspezifisch. Dies rechtfertigt es in meinen Augen, bei der „Erforderlichkeit“ auf markengebunde Fachwerkstätten abzustellen, und nicht „nur“ auf freie Fachwerkstätten.

    Die Konsequenz des Porsche-Urteils müßte sein, daß eine Verweisung unzulässig ist.

  47. Rüdiger sagt:

    Hallo Herr Schepers,

    hier geht es nicht um den Aufbau von Fronten, sondern darum, aufzuzeigen, dass sich das gesamte juristische (auch höchstrichterliche) „Herumgepupse“ inzwischen weit von der Realität (und wohl auch vom Gesetz) entfernt hat.

    Wo Sie reparieren lassen, haben Sie ja nun beantwortet. Warum, bleibt weiter im Dunkeln. Deshalb werde ich es Ihnen sagen.

    Selbstverständlich lassen Sie, wie alle Menschen mit etwas Grips im Kopf, ihren Mercedes bei dem obigen Beispiel nur in der Werkstatt reparieren, bei der die besten Chancen bestehen, den technisch optimalen sowie merkantilen und ideellen Wert wiederherzustellen. Zur Markenwerkstatt gibt es demnach keine Alternative. Bei möglichen Garantie / Kulanzansprüchen sowieso nicht. Der Anspruch für die konkrete Reparatur in einer Markenwerkstatt ist durch das Gesetz gedeckt und wird in der Regel auch nicht bestritten = Anspruch auf vollständigen Schadensausgleich.

    „Ihre Gegenfrage aus dem Leben hinkt. Wenn ich in einer Werkstatt reparieren lasse, kann ich eine Reparaturrechnung vorlegen. Und dann gibt es keine Probleme. Reguliert wird gemäß Rechnung.“

    Davon abgesehen, dass nichts „hinkt“, wenn man fiktive und konkrete Abrechnung gleichstellt, nun die Frage an den Juristen:

    Wo ergibt sich aus dem Gesetz, weshalb ich bei der fiktiven Abrechnung nicht den gleichen Anspruch haben sollte wie bei der konkreten? Warum sollte es nur bei der Vorlage einer Rechnung „keine Probleme“ geben? Von der Erstattung von Rechnungen steht im Gesetz nichts. Vielmehr steht im Gesetz, dass ich einen Anspruch auf Schadensersatz in GELD habe. Ob der Anspruch durch eine Rechnung (der Markenwerkstatt) nachgewiesen wird oder durch ein Gutachten (erstellt nach Markenwerkstattkriterien), spielt dabei wohl keine Rolle. Oder hat eine Reparaturrechnung einen höheren Stellenwert, als das Schadensgutachten eines unabhängigen Kfz-Sachverständigen?

    Steht die BGH-Rechtsprechung durch die Differenzierung der konkreten zur fiktiven Abrechnung (unter Aufstellung von völlig frei erfundenen Grundsätzen und Willkürgrenzen) nun über dem Gesetz oder ist das Gesetz nur unvollständig, weil nicht im Sinne der BGH-Rechtsprechung entsprechend „angepasst“? Oder hat sich der BGH bei der Thematik „fiktive Abrechnung“ nach dem Porsche-Urteil vielleicht doch nur etwas zu weit aus dem Schadensersatzrecht-Fenster gelehnt?

  48. RA Schepers sagt:

    @ Rüdiger

    aufzuzeigen, dass sich das gesamte juristische (auch höchstrichterliche) “Herumgepupse” inzwischen weit von der Realität (und wohl auch vom Gesetz) entfernt hat.

    Das sehe ich anders. Die Fälle, die wir Juristen bearbeiten, sind Realität. Und ich bin davon überzeugt, daß sich auch die Höchstrichterlichen in Karlsruhe seeehr genau überlegen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen auf die Praxis haben.

    Zur Markenwerkstatt gibt es demnach keine Alternative.

    Diese These ist sehr gewagt, da in der Realität jede Menge freie Werkstätten existieren. Ich schätze, es sind mehr als Markenwerkstätten. Wovon leben die freien Werkstätten denn, wenn es zu den Markenwerkstätten keine Alternative gibt?

    Davon abgesehen, dass nichts “hinkt”, wenn man fiktive und konkrete Abrechnung gleichstellt, …

    In der Praxis (Realität) schon, und damit meine ich nicht nur die Umsatzsteuer.

    Wo ergibt sich aus dem Gesetz, weshalb ich bei der fiktiven Abrechnung nicht den gleichen Anspruch haben sollte wie bei der konkreten?

    Mit Ausnahme der Umsatzsteuer (§ 249 II 2 BGB) ist der Anspruch der Höhe nach gleich. Das hat das AG Berlin-Mitte auch zutreffend und gut dargestellt:

    Zum anderen verkennt er, dass es nicht einen konkreten und einen fiktiven Schaden gibt, sondern nur einen einheitlichen Vermögensschaden, der auf zwei Wegen – nämlich fiktiv oder konkret – ermittelt werden kann.

    Wobei das AG Berlin-Mitte dann doch etwas differenziert, wenn es darauf abstellt, ob „sich das Fahrzeug vor dem Unfall in dem Bereich, der repariert werden muss in dem Zustand, in dem es vom Hersteller ausgeliefert worden ist,“ befand.

    Steht die BGH-Rechtsprechung durch die Differenzierung der konkreten zur fiktiven Abrechnung (unter Aufstellung von völlig frei erfundenen Grundsätzen und Willkürgrenzen) nun über dem Gesetz oder ist das Gesetz nur unvollständig, weil nicht im Sinne der BGH-Rechtsprechung entsprechend “angepasst”?

    Gesetz, Recht und richterliche Rechtsfortbildung dürften Ihnen doch nicht fremd sein, oder?

    Oder hat sich der BGH bei der Thematik “fiktive Abrechnung” nach dem Porsche-Urteil vielleicht doch nur etwas zu weit aus dem Schadensersatzrecht-Fenster gelehnt?

    So kann man das natürlich auch sehen. Die gesamte Verweisungsrechtsprechung ist eine Einschränkung des Porsche-Urteils, eine Form des Zurückruderns.

  49. Rüdiger sagt:

    Hallo Herr Schepers,

    bearbeitet werden in er Tat immer reale Fälle. Nur was einige Juristen daraus machen ist oftmals nichts weiter als theoretische Rechtsdogmatik. Den Grad der Exzessivität, die oftmals an den Tag gelegt wird, kann man noch viel besser bei der Mietwagenrechtsprechung erkennen. Deshalb bekommt man ja (nach Ansicht der Juristen) nur ein Urteil und nicht immer das, was einem nach dem Gesetz (real) zusteht. Besser kann man juristisches „Herumgepupse“ doch nicht ausdrücken, oder?

    „Zur Markenwerkstatt gibt es demnach keine Alternative.

    Diese These ist sehr gewagt, da in der Realität jede Menge freie Werkstätten existieren. Ich schätze, es sind mehr als Markenwerkstätten. Wovon leben die freien Werkstätten denn, wenn es zu den Markenwerkstätten keine Alternative gibt?“

    An dieser These ist überhaupt nichts gewagt. Thema der Diskussion war ausschließlich der Anspruch des Geschädigten im Schadensrecht bzw. die Gleichwertigkeit im besonderen. Zum Thema Gleichwertigkeit gibt es keine Alternative zu den Markenwerkstätten.

    Freie Werkstätten leben in der Regel nur vom Angebot einer deutlich günstigeren Reparatur. Ansonsten ginge jeder zum Markenhändler. Günstigere Stundenverrechnungssätze können jedoch nur deshalb angeboten werden, weil die Kostenstruktur der „Freien“ geringer ist (z.B. geringere Raumkosten, einfache Werkstatteinrichtung, keine Spezialwerkzeuge, geringe Mitarbeiterschulung, keine vertraglichen Verpflichtungen, keine Verpflichtung zur Reparatur nach Herstellervorgaben, Keine Herstellergarantien, usw.).
    Freie Werkstätten werden meist in Anspruch genommen, wenn der Auftraggeber selbst für den Schaden aufkommen muss. Für die billigere Reparatur nimmt er dabei ggf. Nachteile einer nicht gleichwertigen Reparaturausführung (hoffentlich) bewusst in Kauf. Er entscheidet, ob sein Fahrzeug ggf. unvollständig oder minderwertig repariert wird und ob der (Verkaufs)Wert seines Fahrzeuges dadurch sinkt.
    Im Falle eines Haftpflichtschadens muss er wohl keine Nachteile oder Wertverluste durch eine Billigreparatur hinnehmen, nur damit der Schädiger Kosten spart?
    Freie Werkstätten leben in der Regel, etwas überspitzt ausgedrückt, von der Not der Leute. In Zeiten knapper Kassen können viele die Reparaturkosten in einer Markenwerkstatt einfach nicht (mehr) bezahlen. Deshalb „brummt“ zur Zeit auch das Geschäft in den freien Werkstätten. Mit Schadensrecht hat das jedoch nichts zu tun.

    „Oder hat sich der BGH bei der Thematik “fiktive Abrechnung” nach dem Porsche-Urteil vielleicht doch nur etwas zu weit aus dem Schadensersatzrecht-Fenster gelehnt?

    So kann man das natürlich auch sehen. Die gesamte Verweisungsrechtsprechung ist eine Einschränkung des Porsche-Urteils, eine Form des Zurückruderns.“

    Da haben Sie mich wohl komplett missverstanden. Das Porsche Urteil lag bis auf 2. aa) (Seite 7) noch einigermaßen im Rahmen des Gesetzes. Nur zu 2. aa) hätte der BGH zurückrudern müssen. Der Hinweis auf einen möglichen Verweis auf eine andere Werkstatt war nämlich schon damals schadensrechtlich falsch, da hierdurch bereits zwischen fiktiver und konkreter Abrechnung eine Differenzierung eingeleitet wurde. Mit Herauslehnen war vielmehr das VW-Urteil gemeint und alles was danach noch weiter schlechtverbessert wurde.

    „Gesetz, Recht und richterliche Rechtsfortbildung dürften Ihnen doch nicht fremd sein, oder?“

    Recht und richterliche Rechtsfortbildung müssen sich dabei aber immer im Rahmen des Gesetzes bewegen. Das ist bei der Beurteilung bzw. Differenzierung zwischen fiktivem und konkreten Anspruch eben nicht mehr gewährleistet.

    Das AG Berlin u.a. haben diese Problematik inzwischen exakt auf den Punkt gebracht.

  50. Mister L sagt:

    @ joachim otting

    Und wieder wird verdreht bzw. nur das gesehen was man will.

    Unter der Randnummer 7 ist zu lesen:

    „Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2. BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandart her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würde.“

    Dies bezüglich der allgemeinen Ansicht.

    Unter der von Ihnen aufgezeigten Randnummer 12 jedoch, stellt man auf die tatrichterliche Entscheidung des Berufungsgerichtes (in diesem speziellen Fall) ab, da es sich hier um einen Bagatellschaden handelte, bei dem nur der hintere Stoßfänger zu tauschen war (spezieller Einzelfall).

    So wurde auch nur für diesen Einzelfall unter Randnummer 12 zitiert.

    Hier eine allgemein für jeden Einzelfall unterstellte t e c h n i s c h e Gleichwertigkeit abzuleiten ist nicht richtig. Es ist und bleibt, wie das EUROGARANT-Uteil, ein Einzelfall. Denn jeder Schadenfall ist in sich unterschiedlich und erfordert (s)eine dementsprechende Vorgehensweise.

    Daher werden in meinen Augen Äpfel mit Birnen verglichen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert