AG Bochum entscheidet in einem fiktiven Abrechnungsfall mit kritisch zu betrachtender Begründung zu gleichwertiger Reparatur und zu den Sachverständigenkosten mit Urteil vom 4.8.2015 – 68 C 29/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

wir bleiben in Nordrhein-Westfalen und stellen Euch hier ein Urteil aus Bochum zur fiktiven Abrechnung, zu den Sachverständigenkosten nebst Nachbesichtigung und zur Unkostenpauschale gegen die VHV Versicherung vor. Nach Ansicht der Redaktion wurde von dem erkennenden Amtsrichter H. der 68. Zivilabteilung des AG Bochum die fiktive Abrechnung des Fahrzeugschadens nicht korrekt abgehandelt. Wo ist der BEWEIS zur Gleichwertigkeit gemäß der BGH-Rechtsprechung? Irgend eine Prozesszertifizierung ist kein Beweis für gleichwertige Arbeit in einer Werkstatt. Auch zum Thema Scheckzahlung bin ich anderer Meinung. Eine Schadensminderungspflichtverletzung des Geschädigten, wenn er den Scheck nicht einlöst, zu konstruieren, scheint mir abwegig. Mit der Scheckzahlung ist keine Erfüllung des Schadensersatzanspruchs vorgenommen worden. Allenfalls kann es sich um eine Teilerfüllung handeln, die der Gläubiger aber nicht verpflichtet ist, anzunehmen, da er Anspruch auf den vollen Schadensersatzbetrag hat. Dafür gab es aber keine „Zicken“ bei den ausgeurteilten Sachverständigenkosten. Lest selbst das Urteil des AG Bochum und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

68 C 29/15                                                                                          Verkündet am 04.08.2015

Amtsgericht Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Teilanerkenntnis- und Endurteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn … ,

Klägers,

g e g e n

die VHV Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand Thomas Voigt, Dr. Per-Johan Horgby, Jürgen A. Junker und Dietrich Werner, VHV-Platz 1, 30177 Hannover,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Bochum
auf die mündliche Verhandlung vom 04.08.2015
durch den Richter am Amtsgericht H.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an den Kläger 867,90 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5,00 EUR seit dem 06.10.2014 zu zahlen, sowie an den Sachverständigen Oehler hinsichtlich seines Gutachtens vom 24-07. 2014 einen weiteren Betrag i.H.v. 105,50 EUR.

2. den Kläger von einer Forderung seines Prozessbevollmächtigten i.H.v. 147,56 EUR gemäß der Kostennote vom 26.01.2015 anlässlich des Verkehrsunfalls vom 22.07.2014 freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 22 % und die Beklagte zu 78 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil für idie jeweils andere Partei vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht von der Vollstreckung die vollstreckende Partei Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Am xx.07.2014 gegen 17:15 Uhr kam es in Bochum-Wattenscheid auf der Marienstraße im Bereich der Einmündung zur Pohlbörger Str. zu einem Verkehrsunfall zwischen dem PKW des Klägers und dem PKW der Firma … GmbH & Co. KG aus Bochum, der bei der Beklagten haftpflichtversichert ist. Der Fahrer des Pkws der Beklagtenseite fuhr aus Unaufmerksamkeit auf das abgebremste Fahrzeug des Klägers auf. Die alleinige Haftung der Beklagten für den unfallbedingten Schaden des Klägers ist unstreitig. Der Kläger hat bezüglich seines Kfz- Schadens ein Gutachten des Sachverständigen … eingeholt. Dieser ermittelte Reparaturkosten (netto) i.H.v. 1.165,26 EUR. Mit dem Abrechnungsschreiben vom 14.09.2014 übersandte die Beklagte an den Kläger einen Scheck i.H.v. 862,90 EUR zur Begleichung des Kfz-Schadens. Zugleich verwies die Beklagte den fiktiv abzurechnenden Kläger auf die Firma … GmbH in Mülheim an der Ruhr und die dort günstigerer Reparaturmöglichkeit. Weiterhin teilte sie mit, dass sie die Ermittlung zu Haftung oder zur Schadenshöhe noch nicht abgeschlossen habe. Mit dem Schreiben vom 27.09.2014 ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten die Zahlung i.H.v. 862,90 EUR per Verrechnungsscheck als unzulässige Teilzahlung zurückweisen. Gleichzeitig machte der Kläger mit diesem Schreiben gegenüber der Beklagten die nachfolgenden Positionen geltend:

Fahrzeugschaden                 1.165,26 EUR
Sachverständigenkosten         481,65 EUR
Pauschale                                  25,00 EUR
.                                              1.671,91 EUR

Mit dem Schreiben vom 08.10.2014 rechnete die Beklagte die Position Pauschale ab und zahlte an den Kläger 20,00 EUR. Darüber hinaus rechnete sie mit dem Schreiben vom 03.12.2014 1 Tage Nutzungsausfallentschädigung mit 86,00 EUR ab und zahlte diesen Betrag ebenfalls an den Kläger. Der Kläger hat sein Fahrzeug nachbesichtigen lassen. Hierfür hat der Sachverständige ihm 64,26 EUR in Rechnung gestellt.

Mit der Klage hat der Kläger zunächst die nachfolgenden Positionen geltend gemacht:

Kfz (netto)                                              1.165,26 EUR
restliche Pauschale                                        5,00 EUR
Sachverständiger (Nachuntersuchung)      64,26 EUR
weiterer Nutzungsausfallschaden               14,00 EUR
.                                                                  1.248,52 EUR

Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.248,52 EUR nebst Zinsen zu zahlen sowie ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 235,85 EUR freizustellen. Die Beklagte hat mit dem Schriftsatz vom 17.03. und 08.04.2015 die Verteidigungsbereitschaft angezeigt und mit der Klageerwiderung vom 05.05.2015 beantragt, die Klage abzuweisen und hat diesen Antrag im Einzelnen begründet.

Der Kläger beantragte nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger 867,90 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.10.2014 zu zahlen, sowie an den Sachverständigen … hinsichtlich seines Gutachtens vom 24.07.2014 einen weiteren Betrag i.H.v. 105,50 EUR.

2. den Kläger von einer Forderung seines Prozessbevollmächtigten i.H.v. 235,85 EUR gemäß der Kostennote vom 26.01.2015 anlässlich des Verkehrsunfalls vom 22.07.2014 freizustellen.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.08.2015 die Hauptforderung i.H.v. 867,90 EUR unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt.

Im Übrigen beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, i.H.v. 867,90 EUR sei die Zahlung durch Scheck erfolgt. Diesen hätte der Kläger einlösen müssen. Mithin habe er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist überwiegend begründet.
Aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten war diese zur Zahlung von 867,90 EUR an den Kläger zu verurteilen.

Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von 5 Prozentpunkten Zinsen über den über dem Basiszinssatz aus 5,00 EUR seit dem 06.10.2014 gemäß §§ 280, 286, 288 BGB. Unstreitig hat die Beklagte dem Kläger sämtlichen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 22.07.2014 zu erstatten. Hierunter fallt auch die Pauschale, die mit 25,00 EUR anzusetzen ist (§ 287 ZPO). Außergerichtlich hat die Beklagte auf diese Position lediglich 20,00 EUR gezahlt, so dass sie nach Ablauf der mit dem Schreiben vom 27.09.2014 bis zum 05.10.2014 gesetzten Frist seit dem 06.10.2014 in Verzug war.

Weiterhin hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung weiterer 105,50 EUR an seinen Sachverständigen. Unstreitig sind die Ansprüche auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen abgetreten worden. Unstreitig hat die Beklagte auf die angefallenen Kosten i.H.v. 481,65 EUR an den Sachverständigen bisher lediglich 376,15 EUR gezahlt, so dass noch ein Betrag i.H.v. 105,50 EUR offen steht.

Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der äußergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 147,56 EUR als Schadensposition.
Als Streitwert für die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist ein Betrag i.H.v. 506,65 EUR zu berücksichtigen. Dieser Betrag ergibt sich aus der Addition der Positionen Sachverständigenkosten (481,65 EUR) und Pauschale (25,00 EUR). Der Kfz-Schaden i.H.v. 1.165,26 EUR war hingegen nicht zu berücksichtigen. Mit dem außergerichtlichen Schreiben vom 27.09.2014 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, die Positionen Kfz-Schaden, Sachverständigenkosten und Pauschale geltend gemacht. Bereits unter dem 04.09.2014 hatte die Beklagte an den Kläger einen Scheck über 862,90 EUR (Kfz-Schaden) übersandt. Zwar führt die Übersendung eines Schecks nicht zur Erfüllung der Forderung, da dieser lediglich erfüllungshalber gegeben wird (§ 364 Abs. 2 BGB). Jedoch war es dem Beklagten zumutbar, diesen Scheck einzulösen. Dies hätte der Kläger ohne großen Aufwand machen können, so dass er zumindest gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht und über die gesamte Summe seinen Rechtsanwalt beauftragt.

Es liegt auch keine unzulässige Teilzahlung im Sinne des § 266 BGB vor. Denn die einzelnen Positionen hinsichtlich eines durch einen Unfall verursachten Schaden sind Einzelpositionen und damit einzelnen Forderungen, die lediglich zu einem Gesamtschaden zusammen gefuhrt werden können. Die Beklagte hat ausdrücklich in Ihrem Schreiben vom 04.09.2014 dargelegt, dass sie den Betrag i.H.v. 862,90 EUR auf den Kfz-Schaden zahlt. Dem Kläger stand auch kein weitergehender Kfz-Schaden zu, so dass sich auch hinsichtlich der Position Kfz-Schaden keine Teilzahlung der Beklagten ergibt.

Denn die Beklagte zu hat den Kläger hinsichtlich seiner fiktiven Abrechnung des Kfz-Schadens auf die Firma … GmbH verwiesen. Diese Verweisung ist grundsätzlich möglich. Das Fahrzeug des Klägers war zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles 13 Jahre alt. Der Kläger hat mithin grundsätzlich keinen Anspruch darauf dass bei der von ihm gewählten fiktiven Abrechnung die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt berücksichtigt werden. Der Kläger selbst trägt schon nicht substantiiert vor, dass das Fahrzeug immer in einer markengebundenen Fachwerkstatt sowohl gewartet als auch repariert worden sei. Bei der Firma … GmbH handelt es sich um eine zertifizierte Reparaturwerkstatt, so dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass diese in der Lage ist, die Reparaturarbeiten ebenso gut durchzuführen, wie eine markengebundene Fachwerkstatt. Daher sind für die Berechnung des Schadens die Stundensätze der Firma … GmbH anzusetzen. Unstreitig fallen bei dieser Firma lediglich Reparaturkosten i.H.v. 862,90 EUR an.

Bei einem Streitwert von bis 1.000,00 EUR ergibt sich unter Berücksichtigung einer 1,3 Gebühr ein Gesamtbetrag für die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 147,56 EUR.

Die weitergehende Klage ist abzuweisen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Insbesondere hat der Kläger keinen Anspruch auf Verzinsung des Betrages i.H.v. 862,90 EUR. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Dabei kann für das Gericht dahinstehen, ob es an der Durchsetzbarkeit der Forderung fehlt, der Fälligkeit oder aber § 242 BGB dem Anspruch entgegensteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 269 Abs. 3 S. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Zu Gunsten der Beklagten war § 93 ZPO nicht anzuwenden, da es bereits an einem sofortigen Anerkenntnis fehlt.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Bochum entscheidet in einem fiktiven Abrechnungsfall mit kritisch zu betrachtender Begründung zu gleichwertiger Reparatur und zu den Sachverständigenkosten mit Urteil vom 4.8.2015 – 68 C 29/15 -.

  1. Werner H. sagt:

    Ob eine Werkstatt in MH (immerhin mehr als 30 km von BO entfernt) noch als eine ohne weiteres mühelos erreichbare gleichwertige Reparaturwerkstatt (Gleichwertigkeit mal untersstellt) angesehen werden kann, wage ich allerdings zu bezweifeln. Normalerweise hat die Rechtsprechung die Grenze der Zumutbarkeit im Falle einer (zulässigen) Verweisung bei rund 25 Km gelegt. Diese dürfte hier eindeutig überschritten sein. Denn von BO nach E sind es ja schon 20 km. Dann kommt noch der Weg von E nach MH dazu, dass mann schnell bei insgesamt 30 km ist.

  2. Klaus L. sagt:

    @ werner h. 20.11.2015 21:06

    Hinzu kommt noch, dass von der Versicherung kein Beweis dafür geführt wurde, das das Unternehmen in Mülheim die im Gutachten aufgeführte Reparatur qualitativ gleichwertig durchführt. M.E. reicht das vorgelegte Zertifikat nicht aus. Eurogarant war eine Einzelfallentscheidung, weil kein Bestreiten vorlag! Die Darlegungs- und Beweislast für die behauptete Gleichwertigkeit der Reparatur trägt der Schädiger. Diese ist durch irgendein Zertifikat – wer hat es ausgestellt? , was ist geprüft worden? – nicht geführt.
    Das Urteil ist einfach Schrott!

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