AG Bochum verurteilt HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse nur zum Teil zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit nicht überzeugender Begründung im Urteil vom 20.8.2015 – 45 C 11/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nach dem mustergültigen Urteil des AG Darmstadt, das wir Euch gestern hier im Blog vorgestellt hatten, veröffentlichen wir heute genau das Gegenstück, nämlich ein Schrotturteil des AG Bochum. Wieder einmal kürzte die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse die berechneten Sachverständigenkosten. Da der Geschädigte mit der Vorlage der Rechnung seinen Unfallschaden aus dem von dem Fahrer des bei der HUK-COBURG haftpflichtversicherten Fahrzeugs dargelegt und bewiesen hatte, hätte aus dem Gesichtspunkt des § 249 BGB die HUK-COBURG auch die ihrer Meinung nach überhöhten Sachverständigenkosten erstatten müssen, denn auch  überhöhte Rechnungen sind dem Geschädigten grundsätzlich zu erstatten (vgl. Himmelreich-Halm-Müller, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht Kap. 6 Rn. 226 mit Hinweis auf BGH  VI ZR 67/06; OLG München NJW 2010, 1462; OLG Düsseldorf SP 2008, 340; AG Gronau ZfS 2007, 510; AG Nürnberg NZV  2010, 627). Wie das AG Darmstadt in dem gestern veröffentlichten Urteil zutreffend formuliert hat, hätte der Schädiger von seinem Recht auf Abtretung eventueller Bereicherungsansprüche gegen den Sachverständigen Gebrauch machen können, denn der Streit um die erforderlichen Sachverständigenkosten darf nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden (OLG Naumburg DS 2006, 283 ff). Alles das hat der erkennende Dezernent der 45. Zivilabteilung des AG Bochum missachtet. Hinzu kommt, dass das Gericht eine Angemessenheitsprüfung vorgenommen hat, obwohl es im Schadensersatzprozess auf sachverständigenvertragsrechtliche Gesichtspunkte nicht ankommt (Himmelreich-Halm-Müller aaO. unter  Hinweis auf BGH DS 2007, 144; OLG München aaO.; OLG Düsseldorf aaO.; LG Saarbrücken DAR 2007, 270; AG Bochum SP 2009, 266, 267; AG Herne SP 2008, 232 ). Eine Schadenhöhenschätzung nach § 287 ZPO  verbietet im Übrigen eine Schätzung einzelner Positionen, denn es kommt lediglich auf den Gesamtbetrag an. Im Übrigen ist der vom Geschädigten beauftragte Kfz-Sachverständige nicht dessen Erfüllungsgehilfe (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283 ff. ), so dass dessen Fehler gemäß §§ 254 II 2 , 278 BGB dem Schädiger zuzurechnen sind (vgl. Himmelreich-Halm-Müller Kap. 6, Rn. 227 unter Hinweis auf BGHZ 63, 182; OLG Naumburg aaO; OLG Nürnberg SP 2002,  358; LG Hagen NZV 2003, 337; Imhof/Wortmann DS 2011, 149, 151). Das  einzig Positive an diesem Urteil ist, dass die Berufung zugelassen wurde. Vielleicht kann der Einsender der Redaktion mitteilen, ob das Berufungsverfahren bei dem LG Bochum abgeschlossen ist? Lest aber selbst das  Urteil des AG Bochum und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

45 C 11/15                                                                                         Verkündet am 20.08.2015

Amtsgericht Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

in dem Rechtsstreit

der Frau … ,

Klägerin,

gegen

die HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse a. G., vertr. d. d. Vorstand, Saarlandstr. 25, 44139 Dortmund,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Bochum
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO
aufgrund der Sach- und Rechtslage vom 30.07.2015
durch den Richter am Amtsgericht B.
für Recht erkannt:

Das aufgrund der Sach- und Rechtslage vom 09.04.2015 und am 30.04.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum (45 C 11/15) wird teilweise aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 87,45 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2014 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt das Urteil in der Hauptsache aufrechterhalten.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu3/4 und die Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch dürfen die Parteien die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht vor der Vollstreckung die jeweilige Gegenseite Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Am 11.08.2014 gegen 14.30 Uhr wurde auf der Lohacker Straße in Bochum ein Ford Ka, welcher von Herrn D K-R geführt wurde, beschädigt. Der Unfall wurde von einer Versicherungsnehmerin der Beklagten allein verursacht. Der Zeuge K.-R. beauftragte im Namen der Klägerin den Sachverständigen … mit der Erstellung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Dieses wurde am 19.08.2014 erstellt und mit gleichem Datum über 1.153,97 Euro in Rechnung gestellt. Auf diesen Betrag zahlte die Beklagte an den Sachverständigen 817,00 Euro.

Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin des Fahrzeuges.

Auf den Antrag der Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, an sie 336,97 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2014
zu zahlen, hat das Amtsgericht die Klage aufgrund der Sach- und Rechtslage vom
09.04.2015 durch Urteil abgewiesen. Aufgrund der seitens der Klägerin erhobenen Gehörsrüge ist das Verfahren fortgesetzt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil vom 30.04.2015 aufzuheben und die Beklagte dem Klageantrag entsprechend zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Gehörsrüge der Klägerin zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der vorprozessual gezahlte Betrag von 817,00 Euro stelle den erforderlichen Geldbetrag dar.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Das Gericht ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung davon überzeugt, dass die Klägerin Eigentümerin des Ford Ka ist. Die Klägerin hat nunmehr die verbindliche Bestellung sowie die entsprechende Rechnung vom 19.09.2013 der Firma Autohaus … GmbH über den Ford Ka vorgelegt. Es entspricht der üblichen Praxis, dass ein Verkäufer einer Ware entsprechend der sich aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebenden Verpflichtung auch das Eigentum daran übertragen hat Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nicht Eigentümerin ist, liegen nicht vor. Allein der Umstand, dass das Fahrzeug von einer dritten Person geführt wurde, reicht nicht aus. Gemäß § 1006 Abs. 1 BGB wird lediglich vermutet, dass der Besitzer bei der Besitzerlangung auch Eigentum erlangt hat Diese Vermutung greift nur dann zugunsten des Besitzers, falls keine anderen Umstände vorliegen. Dies ist jedoch, wie bereits dargelegt, der Fall.

Die Klägerin hat einen restlichen Schadensersatzanspruch in Höhe von noch offenen Sachverständigenkosten in Höhe von 87,45 Euro.

Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Der Höhe nach hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 904,45 Euro.

Gemäß § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB ist der erforderliche Geldbetrag zu erstatten. Dabei gelten als erforderlich diejenigen Aufwendungen die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. insoweit schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO den erforderlichen Betrag auf Grundlage der BVSK-Honorarbefragung 2013 nach dem sogenannten HB V Korndor. Die BVSK-Befragung stellt nach Ansicht des Gerichtes eine geeignete Schätzungsgrundlage dar.

Ais erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann jedoch allenfalls der Höchstbetrag des HB V Korridors angesehen werden. Dieser beträgt einschließlich „Fremdleistung-Datenbank (AUDATEX) nach Anfall“ (bei Netto-Reparaturkosten von 6.213,17 Euro) 668,00 Euro. Hinzu kommt die Anfahrpauschale von 21,34 Euro, die Post- und Telekommunikationspauschale von 18,00 Euro, für 7 Originalfotos á 2,55 Euro ein Betrag von 17,85 Euro und für den zweiten Fotosatz 1,67 Euro je Foto, insgesamt weitere 11,69 Euro. Die Schreibkosten für das Originaigutachten betragen je Seite 2,86 Euro, so dass sich bei 6 Seiten ein Betrag von 17,16 Euro ergibt. Hinzu kommen weitere 6,00 Euro für 6 weitere Seiten als zweite Ausfertigung. Weshalb eine dritte und vierte Ausfertigung des Gutachtens erforderlich gewesen sein sollen, hat die Klägerin nicht dargelegt. Gleiches gilt für die Fotokopiekosten in Höhe von 36,00 Euro. Auch insoweit ist nicht dargelegt inwieweit diese, obwohl schon 4 Gutachten gefertigt wurden, erforderlich gewesen sein sollen. Aus den dargelegten Beträgen errechnet sich ein Gesamthonoraranspruch in Höhe von netto 760,04 Euro, dem die gesetzliche Mehrwertsteuer in Höhe von 144,41 Euro hinzuzurechnen ist. Auf den Gesamtzahlungsanspruch von 904,45 Euro hat die Beklagte vorgerichtlich bereits 817,00 Euro gezahlt, so dass noch 87,45 Euro offen sind.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Verzug kann das Gericht allerdings erst ab dem 01.09.2014 feststellen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 29.08.2014 weitere Zahlungen endgültig ab. Insoweit kommt es jedoch auf den Zugang des Schreibens bei der Klägerin an, den das Gericht mangels anderweitiger Anhaltspunkte auf den 01.09.2014 schätzt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.

Die Berufung war gemäß § 511 Absatz 4 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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