AG Bremen verurteilt HUK-Coburg zur Freihaltung gekürzter Sachverständigenkosten (7 C 324/16 vom 17.02.2017)

Mit Datum vom 17.02.2017 (7 C 324/16) hat das AG Bremen die HUK-Coburg Versicherung zur Freihaltung von gekürzten Sachverständigenkosten in Höhe von 45,79 € verurteilt. Das Urteil ist nach hiesiger Kenntnis noch nicht rechtskräftig.

Geschäfts-Nr.: 7 C 324/16
Verkündet am 17. Februar 2017

AMTSGERICHT BREMEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

W.,

D.,

– Kläger –

Prozeßbevollm.:          Rechtsanwälte T. & H.,

gegen

H.-AG,

– Beklage –

Prozeßbevollm.:          Rechtsanwälte H. & B.,

hat das Amtsgericht Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2017 durch Richter am Amtsgericht Dr. D. für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von restlichen Ansprüchen der DAT aus der Rechnung vom 22.02.2016, Rechnungsnummer 310621825BT in Höhe von Eu­ro 45,79 freizuhalten. Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Freihaltung von restlichen Sachverständigenkosten.

Die Beklagte haftet als Kfz-Haftpflichtversicherer der Klägerin gegenüber dem Grunde nach unstreitig zu 100% aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2016.
Das Sachverständigenbüro X (DAT-Vertragspartner) wurde am 17.02.2016 mit der Schadensbegutachtung beauftragt und erstellte am 19.02.2016 ein Gutachten über Bruttoreparaturkosten von Euro 891,71 (Gutachten, Bl. 5 ff. d.A.) und stellte der Klägerin Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt Euro 358,79 mit Schreiben vom 22.02.2016 in Rechnung (auf den Inhalt der Rechnung, Bl. 16 d.A., sowie auf die Über­sicht im Rahmen der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen).
Die Beklagte hat hier vorgerichtlich pauschal Euro 313,00 zuerkannt, hierbei von „erkennbar überhöhten Honorarsätzen“ im Rahmen dieser Abrechnung ausgehend und sich demgegenüber auf das eigene „Tableau der HUK-COBURG“ berufend.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Freihaltung hinsichtlich des Differenzbetrages von Euro 45,79.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass auch hinsichtlich des Differenzbetrages ein Schadensersatzanspruch besteht und insbesondere kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorliege.

Die Klägerin beantragt,

sie von restlichen Ansprüchen der DAT aus der Rechnung vom 22.02.2016, Rechnungsnummer 310621825BT in Höhe von Euro 45,79 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszins­satz seit Rechtshängigkeit freizuhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen dazu vor, dass aus ihrer Sicht keine weitergehenden Scha­densersatzansprüche der Klägerin bestünden und behauptet hierzu bereits, dass die Einholung des Gutachtens durch die Werkstatt initiiert worden, aber zumindest keine Aufklärung über die Preisgestaltung erfolgt sei. Es habe sich zudem um einen Bagatellschaden gehandelt und die Einholung eines Gutachtens sei nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen sei hier eine Plausibilitätskontroüe erforderlich gewesen. Nicht nur das Grundhonorar sondern insbesondere die ausgewiesenen Nebenkosten seien deutlich übersetzt, auch könnten einige dort in Ansatz gebrachte Teilpositionen nicht so oder überhaupt nicht abgerechnet werden.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist begründet.

Aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalles vom xx.xx.2016 in Bremen hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen restlichen Schadensersatzanspruch auf Erstattung bzw. vorliegend Freihaltung von Sachverständigenkosten in Höhe der noch geltend gemachten Höhe von weiteren Euro 45,79.

So ist die Beklagte der Kfz-Haftpflichtversicherer des weiteren unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs und haftet der Klägerin als Geschädigte dem Grunde nach unstreitig zu 100% aus dem eingangs aufgeführten Verkehrsunfall in Bremen, §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1, 398, 249 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 VVG.

Der Höhe nach bemessen sich der erstattungsfähige Schaden und damit auch die Höhe der erstattungsfähigen Sachverständigenkosten nach § 249 BGB.

Hierbei ist auf die Klägerin als unmittelbar Geschädigte abzustellen, so dass die Ein­wendungen der Beklagten im Ergebnis unbeachtlich sind.

Danach ist bereits ausweislich des vorgelegten schriftlichen Gutachtens (Bl. 5 ff. d.A.) von einem unmittelbaren Auftragsverhältnis zwischen dieser und dem Sachverständi­genbüro X (DAT-Vertragspartner) auszugehen.
Danach wurde die Klägerin auch unmittelbar berechtigt und verpflichtet. Dies kann be­reits nicht unsubstantiiert mit der Behauptung bestritten werden, dass die Beauftragung durch die Reparaturwerkstatt initiiert worden sei.
Aber selbst eine „Initiierung“ und damit eine Veranlassung oder Anregung einer Beauf­tragung eines Sachverständigen ändert nichts an einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Sachverständigenbüro.

Schließlich ist es der Beklagten aufgrund ihres eigenen Regulierungsverhaltens verwehrt, die eigentliche Beauftragung noch in Frage zu stellen, nachdem sie im Rahmen ihres Abrechnungsschreibens vom 6. Mai 2016 ein Sachverständigenhonorar von Euro 313,00 zuerkannt und eine direkte Zahlung von Euro 313,00 an das Sachverständigen­büro X veranlasst hatte. Damit hat sie dieses Vertragsverhältnis vorbehaltlos aner­kannt.
Die Beklagte hat ausweislich der weiteren Ausführungen in ihrem Abrechnungsschrei­ben im Ergebnis ihr eigenes Tableau der Abrechnung als Maßstab zugrunde gelegt und hier   den entsprechenden Bruttoendbetrag zuerkannt und hierzu ausgeführt:

… orientieren sich an der Schadenhöhe und enthalten die u.E. erforderlichen Nebenkosten einschließlich Mehrwertsteuer“ (Bl. 61R d.A.).

Es kommt in diesem schadensrechtlichen Zusammenhang auch nicht darauf an, ob und inwieweit die Geschädigte bei Auftragserteilung über die genaue Preisgestaltung und hierbei insbesondere über die Zusammensetzung des Grundhonorars und der Neben­kosten aufgeklärt wurde. Die Geschädigte hat keine Marktforschung und keine Marktanalyse zu betreiben (vgl. hierzu und auch zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung: Bundesgerichtshof, Urt.v. 19.07.2016, NJW 2016, S. 3363 (3364)).

Die Klägerin als Geschädigte war im vorliegenden Fall auch berechtigt, einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an ihrem durch den Unfall beschädigten Pkw zu beauftragen und es kann von .der Beklagten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand der Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangt werden (Bundesgerichtshof, Urt.v. 11. Februar 2014, NZV 2014, S. 255 ff.). Als erforderlich sind hierbei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (vgl. nur. Bundesgerichtshof, Urt.v. 11. Februar 2014/NZV 2014, S: 255 ff.; Hervorhebung durch das erkennende Gericht).

Im vorliegenden Fall liegt auch insbesondere kein Bagatellschaden vor, welcher bereits grundsätzlich einer Beauftragung eines Sachverständigen entgegenstehen könnte. So liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Bagatellschadensgrenze bei Euro 700,00 (vgl. nur: Bundesgerichtshof, Urt.v. 30.11.2004, NJW 2005, S. 356), während vorliegen ein Bruttoreparaturkostenaufwand von Euro 891,71 festgestellt wurde (vgl. ohnehin zum „Einschätzungsrisiko“: AG Kiel, Urt.v. 30.11.2011, NZA 2012, S. 190 f).

Hierbei hat der Geschädigte zwar auch über die §§ 242, 254 Abs. 2 S. 1 BGB im Rah­men des Zumutbaren den wirtschaftlichen Weg zu wählen, doch verlangt dieses Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung nicht, dass der Geschädigte zu Guns­ten des Schädigers zu sparen hätte oder sich so verhalten müsse, als habe er den Schaden selbst zu tragen. Gerade unter Berücksichtigung der subjektiven Schadensbe­trachtung ist auf die Situation des Geschädigten abzustellen, auf dessen Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten (vgl. aktuell nur: Landgericht Stuttgart, Urt.v. 16.07.2014, NZV 2015, S. 553 ff.). „Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben“ (Bundesgerichtshof, Urt. v. 11. Februar 2014, NZV 2014, S. 255 ff.; Bundesgerichtshof, Urt.v. 19.07.2016, NJW 2016, S. 3363 (3364)). Diese Grundsätzen gelten auch bei Geltendmachung der Ansprüche aus abgetretenem Recht: Landgericht Stuttgart, Urt.v. 16.07.2014 – 13 S 54/14).

Seiner Darlegungslast genügt der Geschädigte durch Vorlage der Rechnung. Diese indiziert die Erforderlichkeit, sofern der Rechnungsbetrag nicht „deutlich erkennbar erheblich“ (Bundesgerichtshof, Urt.v. 11. Februar 2014, NZV 2014, S. 255 ff.) über den übli­chen Preisen liegen.

Dies kann im vorliegenden konkreten Fall bereits im Ansatz nicht angenommen werden, wenn die Beklagte die „Gesamtkosten“ von Euro 358,79 auf Euro 313,00 pauschal unter Hinweis auf ihr eigenes „Tableau HUK-Coburg“ reduziert. Wie die Beklagte den letztbenannten Betrag angesichts der differenzierten 7 Einzelpositionen der Rechnung ermittelt hat bzw. ob und inwieweit Nebenkostenpositionen in das Tableau „eingepreist“ sind, wurde im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht einmal dargelegt. Der schlichte pauschale Differenzbetrag von Euro 45,79 stellt die Klagforderung dar.
Bei einem Betrag von Euro 45,79 bzw. von rund 14,63% (bezogen auf Euro 313,00) bzw. von rund 12,76% (bezogen auf Euro 358,79) ist eine „deutlich erkennbar erhebli­che“ Abweichung im vorbenannten Sinne bereits nicht ersichtlich, auch lässt die Beklag­te durch die pauschale Handhabung nicht einmal erkennen, welche konkrete Position hier „gekürzt“ worden sein soll.

Im Übrigen würde ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung grundsätzlich nicht ausreichen, um die gel­tend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (Bundesgerichtshof, Urt.v. 11. Februar 2014, NZV 2014, S. 255 ff.).

Das Gericht kann insoweit vollinhaltlich auf seine ständige Rechtsprechung zu der streit­gegenständlichen Problematik verweisen.
Weitergehend hat der Bundesgerichtshof in seiner weiteren Grundsatzentscheidung zur streitgegenständlichen Problematik vom 22. Juli 2014 (VI ZR 357/13, NJW 2014, S. 3151 – NZV 2014, S. 445 ff.) sehr deutlich bekundet, dass eine pauschale Kappung der Nebenkosten, im entschiedenen Fall auf Euro 100,00, mit der Behauptung, dass ein übersteigender Betrag „erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig sei“, einer hinreichend tragfähigen Grundlage entbehre.

Entgegen der Ansicht der Parteien kommt es für den hier streitgegenständlichen Anspruch des Geschädigten auch nicht auf die Orientierung an einer BVSK-Honorarbefragung an.
Es kann weder auf diese und grundsätzlich überhaupt nicht „auf die Honorarumfrage eines Sachverständigenverbands“ (vgl. nur: OLG Frankfurt, Urt.v. 21.04.2016, NZV 2017, S. 27 ff.) und auch nicht auf ein internes Tableau ankommen.
Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Prei­se deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, ei­nen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (Bundesgerichtshof, Urtv. 11. Februar 2014, NZV 2014, S. 255 ff.; so ausdrücklich erneut: Bundesgerichtshof, Urt. v. 26. April 2016, NJW 2016, S. 3092 (3094)). Nur dann, wenn – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöhte Preise verlangt werden, „kann sich die Beauftragung eines Sachverständigen als nicht erforderlich iSd. § 249 II 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gem. § 287 ZPO zu bemessen hat“ (Bundesgerichtshof, Urt.v. 26. April 2016, aaO, mwN).

Dass im vorliegenden Fall der Geschädigte selbst von vornherein hinsichtlich der Nebenkosten oder auch der Grundgebühr eine dahingehende relevante Abweichung hätte erkennen müssen, ist nicht ersichtlich, auch liegen „deutlich erkennbar erhebliche“ Abweichungen gerade nicht vor. Daher ist auch bei noch nicht erfolgter Zahlung des Geschädigten an den Sachverständigen „in der Regel“ auf der Grundlage der erteilten Rechnung Schadensersatz’zu leisten (vgl. nur: LG Mannheim, Urt.v. 05.02.2016, NJW-RR2016, S. 599 ff. (LS1)).

Selbst wenn die abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung er­
sichtlichen Höchstsätze überschreiten würden, kann ein Verstoß gegen das Schadens­
minderungsgebot nicht angenommen werden (Bundesgerichtshof, Urt. v. 11. Februar
2014, NZV 2014, S. 255 ff.).

Schließlich kommt es auf die isolierte Betrachtung der einzelnen Nebenkostenpositionen und auch der Grundgebühr überhaupt nicht an. So kann es im Ergebnis nicht darauf ankommen, ob eine einzelne Nebenkostenposition (erkennbar) überteuert ist oder nicht, sondern nur, ob der gesamte Rechnungsbetrag für den Laien erkennbar überhöht ist (vgl. hierzu die ausführlichen Erwägungen von Heßeler, Erforderlichkeit von Sachverständigenhonoraren, NJW 2014, S. 1916 ff. (1917)). Vor diesem Hintergrund verliert auch eine noch nicht bezahlte Rechnung nicht ihre Indizwirkung hinsichtlich des zur Herstellung „erforderlichen“ Gesamtbetrages, zumal bei den hier im konkreten Fall (vgl. zum Abstellen auf den konkreten Einzelfäll nur: Bundesgerichtshof, Urt.v. 22. Juli 2014, RdNr. 17) nur geringfügigen Differenzen bei den Einzelpositionen, auf die es bei der „Gesamtschau“ aber nach den eingangs gemachten Ausführungen nicht einmal an­kommt (hier: Gesamtdifferenz von Euro 45,79; in der Entscheidung des Bundesgerichts­hofes vom 22. Juli 2014 eine Differenz von Euro 127,35).
Vorliegen belaufen sich z.B. die Nebenkosten auf insgesamt Euro 57,50, die auch bei pauschaler Geltendmachung ohne weiteres noch als erforderlich gehalten werden dürf­ten (vgl. zuletzt nur: Landgericht Saarbrücken, Urt.v. 06.02.2015, NJW-RR 2015, S. 1308 f.; nach OLG Dresden sind Nebenkosten in der Regel üblich, soweit diese das Grundhonorar um nicht mehr als 25% übersteigen, Urt.v. 19.02.2014, 7 U 0111/12; vor­liegend besteht ein Verhältnis von nur 23,57%).

Vorsorglich ist festzuhalten, dass die vorstehenden Grundsätze auch dann gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, nicht der Geschädigte selbst, sondern aus abgetretenem Recht geklagt wird. Auch in diesem Fall werden die Ersatzansprüche des originär Geschädig­ten geltend gemacht, die sich durch die Abtretung weder verändern noch umwandeln (vgl. nur: Landgericht Stuttgart, Urt.v. 16.07.2014, NZV 2015, S. 553 ff.; OLG Naumburg, Urt.v. 20. Januar 2006, NZV 2006, S. 546).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist vor diesem Hintergrund und angesichts die­
ser Relationen im vorliegenden konkreten Fall grundsätzlich auch keine (wertere) Plausibilitätskontrolle der einzelnen Nebenkostenpositionen angezeigt, da die streitgegen­
ständliche Rechnung in der Gesamtschau (vgl. hierzu auch nur die Anm. Heßeler zu
Bundesgerichtshof, Urt.v. 26. April 2016, NJW 2016, S. 3092 ff. (3097)) und auch hin­
sichtlich der Einzelpositionen keine deutlich überhöhten Nebenkosten aufweist (zur
Überprüfung bei deutlich überhöhten Nebenkosten: LG Bremen, Urt.v. 02.09.2016, 3 S
289/15).
Dies wiederum alles vor dem Hintergrund, dass es bei der hier maßgeblichen und damit allein schadensrechtlichen Betrachtung grundsätzlich nur auf die (beschränkten) Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten ankommt.

Aber selbst auf der Grundlage der Entscheidung des Landgerichts Bremen ergibt sich hierbei unter Heranziehung der entsprechenden Sätze des JVEG (vgl. hierzu aktuell auch: Bundesgerichtshof, Urt.v. 26.04.2016, NJW 2016, S. 3092 ff.) allenfalls eine Ab­weichung von Euro 6,00 bzw. in der Gesamtschau von Euro 1,00, so dass bereits vom Ansatz her und auch retrospektiv keine Plausibilitätskontrolle und Korrektur angezeigt ist:

Nebenkostenpositionen            Ansatz Sachverständiger      Ansatz LG/Bremen/JVEG      Diffe­renz

a) Fahrtkosten pro km                        0,70 Euro                          0,30 Euro
Differenz bei 15 km                                                                                                            6,00 Euro
b) Fotokosten (Original) pro Seite      2,00 Euro                          2,00 Euro
Differenz bei 6 Stück                                                                                                          0,00 Euro
c) Fotokosten (Duplikate) pro Seite    0,50 Euro                         0,50 Euro
Differenz bei 12 Stück                                                                                                        0,00 Euro
d) Nebenkosten, Porto, Telefon
pauschal                                           15,00 Euro                       20,00 Euro                    ./. 5,00 Euro
e) (Original) pro Seite                         1,80 Euro                         1,80 Euro
Differenz bei 5 Seiten                                                                                                         0,00 Euro
f) (Duplikate) pro Seite                       0,50 Euro                         0,50 Euro
Differenz bei 10 Seiten                                                                                                      0,00 Euro
Gesamt:                                                                                                                             1,00 Euro

Die von der Beklagten gegen, diese unter a) -f) angeführten Einzelpositionen erhobenen Einwendungen sind wiederum unsubstantiiert, unerheblich und angesichts der vorstehenden Darstellung unschlüssig.

Soweit pauschal „alle Nebenkosten“ als „deutlich“ übersetzt bezeichnet werden, ergibt sich das Gegenteil aus der vorstehenden Gegenüberstellung und dies gerade im Kon­text zu der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Landgerichts Bremen und der Regelungen des JVEG.

Danach sind alle Positionen als solche mögliche und selbständige und zulässige Abrechnungspositionen, die gerade nicht mit einem Grundhonorar abgegolten sind, wobei das erkennende Gericht auch keinerlei Bedenken gegen das hier eher moderate Grundhonorar hat.

Gerade unter Hinweis auf das landgerichtliche Urteil vom 2. September 2016 ist zu konstatieren, dass die Einzelpositionen (a) – f)) und auch die in Ansatz gebrachten Einheiten (km/Anzahl von Bildern, Kopien, Originalen etc.) abgerechnet werden durften. Insbesondere können auch die „km“ der Anfahrt zur Reparaturwerkstatt in Ansatz gebracht werden und war die Geschädigte hier nicht darauf zu verweisen, ihrerseits das Fahrzeug zum Sachverständigenbüro zu verbringen (vgl. zu diesem Argument auch ausdrücklich: Bundesgerichtshof, Urt.v. 26. April 2016, aaO, S. 3095 (3097), RdNr. 26 a.E.).

Schließlich hat gerade auch das Landgericht in seiner Entscheidung sehr deutlich und auch zutreffend zum Ausdruck gebracht, dass an pauschalen Nebenkosten grundsätz­lich Euro 20,00 in Ansatz gebracht werden können.

Eine (geringe) betragsmäßige Abweichung der in Ansatz gebrachten Nebenkosten im Vergleich zu den Kostenansätzen des JVEG führt im Übrigen gerade nicht zu einer automatischen Anpassung, da die Regelungen des JVEG lediglich als „Schätzungsgrundlage“ und „Orientierungshilfe“ im Rahmen der richterlichen Schätzung gem. § 287 ZPO heranzuziehen sind (vgl. nur: Bundesgerichtshof, Urt.v. 26. April 2016, aaO, S. 3095, 3096; vgl. auch Anmerkung Schulz, NZV 2016, S. 575 f.).

Vor diesem Hintergrund ist daher ausdrücklich zu konstatieren, dass gerade auch der Ansatz bei den Fahrtkosten von Euro 0,70 pro km im Rahmen der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26. April 2016 (NJW 2016, S. 3092 ff., vgl. RdNr. 6) ausdrücklich bestätigt wurde (aaO, S. 3096/3097, RdNr. 26).

Ein Anspruch auf Zinsen besteht bei dem hier streitgegenständlichen Freistellungsanspruch nicht (OLG Stuttgart, NJW-RR 2011, S. 239). Insoweit war die Klage abzuwei­sen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711ZPO.

Die Berufung gegen dieses Urteil gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist zuzulassen. Die Zulassung zur Berufung hat nur dann zu erfolgen, wenn die Rechtssache grundsätz­liche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitli­chen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO).

Grundsätzliche Bedeutung hat hierbei eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebli­che, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fällen stellen kann und deshalb wie ein „Musterprozess“ eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 2012, 1 BvR 3238/08, 1 BvR 3239/08, BeckRS 2013, 47975; vgl. bereits: BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002, NJW 2002, S. 3029 mwN).

Dem erkennenden Gericht ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Fragestellung aus dem hiesigen Gerichtsbezirk bislang nur die Entscheidung des Landgerichts Bremen vom 2. September 2016 – 3 S 289/15 – bekannt. So kann es durchaus angezeigt sein, auch Entscheidungen anderer Berufungskammern zu dieser Thematik zu erwirken.

Ob hierfür allerdings im Sinne der Beklagten gerade der vorliegende Sachverhalt geeig­net ist, in dem es in der Gesamtschau gerade keine erheblichen Abweichungen gibt und sich die Nebenforderungen mit einer Ausnahme sogar an den Rahmen des JVEG orien­tieren und in einer Position (pauschale Nebenkosten) sogar eine Unterschreitung statt­findet, kann für die grundsätzliche Frage der Berufungszulassung dahingestellt bleiben. Hierüber mag die Beklagte befinden.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht Bremen zugelassen worden ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist glaubhaft zu machen; eine Versicherung an Eides statt ist nicht zulässig.

Die Berufung muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Landgericht Bremen, Domsheide 16, 2 S 19S Bremen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. Die Gerichtssprache ist deutsch.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bremen zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bremen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbe­sondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorge­legt werden.

gez. Dr. D.
Richter am Amtsgericht

Soweit das AG Bremen

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5 Antworten zu AG Bremen verurteilt HUK-Coburg zur Freihaltung gekürzter Sachverständigenkosten (7 C 324/16 vom 17.02.2017)

  1. Chr. Zimper sagt:

    „Der schlichte pauschale Differenzbetrag von Euro 45,79 stellt die Klagforderung dar. Bei einem Betrag von Euro 45,79 bzw. von rund 14,63% (bezogen auf Euro 313,00) bzw. von rund 12,76% (bezogen auf Euro 358,79) ist eine „deutlich erkennbar erhebli­che“ Abweichung im vorbenannten Sinne bereits nicht ersichtlich, auch lässt die Beklag­te durch die pauschale Handhabung nicht einmal erkennen, welche konkrete Position hier „gekürzt“ worden sein soll,“

    U. a. genau dieses habe ich Herrn Dr. Weiler kommuniziert. Dennoch hat er mitteilen lassen, dass der Differenzbetrag nicht erstattet wird.

    Wenn das kein rechtswidriges und damit verabscheuungswürdiges Verhalten darstellt, was denn dann?

  2. Coburger Lumpensammler sagt:

    Diese Urteil des AG Bremen überzeugt durch interessante Entscheidungsgründe. Eine hanseatisch geprägte Ohrfeige für die HUK-Coburg-Versicherung, deren Logik schon vom Schimmel befallen ist. Dem Kläger kann nichts anderes entgegengehalten werden, als dem Geschädigten. Wenn das die Mietfedern dieser Versicherung nicht verstehen, muss das wohl wohl oder übel dem Vorstand dieser Versicherung vor den Schranken des Gericht verdeutlicht werden.

    Coburger Lumpensammler

  3. RA. Westfalen sagt:

    Dieses Urteil ist eine schallende Ohrfeige gegen die HUK-Coburg und ihre Prozessbevollmächtigten.

    Offenbar werden ihre Versicherungsanwälte auch schon überheblich. So werden allgemeine juristische Grundsätze völlig außer Acht gelassen: „Schließlich ist es der Beklagten aufgrund ihres eigenen Regulierungsverhaltens verwehrt, die eigentliche Beauftragung noch in Frage zu stellen, nachdem sie im Rahmen ihres Abrechnungsschreibens vom 6. Mai 2016 ein Sachverständigenhonorar von Euro 313,00 zuerkannt und eine direkte Zahlung von Euro 313,00 an das Sachverständigen­büro X veranlasst hatte. Damit hat sie dieses Vertragsverhältnis vorbehaltlos aner­kannt.“ So etwas nennt man widersprüchliches Verhalten und Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB.

    Weiterhin wird ihr klar vor Augen gehalten, dass das von ihr selbst geferetigte „HUK-Coburg-Honorartableau“ (was auch immer das sein soll?) keine Grundlage für eine gerichtliche Schadenshöheneinschätzung sein kann. Die HUK-Coburg sollte diese selbst gefertigte Liste schnellstens entsorgen, sonst macht sie sich noch bei vielen Instanzgerichten damit selbst lächerlich, nachdem bereits eine Vielzahl von Gerichten diese Honorarliste (nach welchen Kriterien überhaupt erstellt?) als ungeeignet bezeichnet hat.

    Schließlich hat auch das angerufene Gericht eindeutig eine Schadenshöhenschätzung nur am Endbetrag (Schadenshöhe) für zulässig erachtet. Eine (werkvertraglich orientierte) Einzelpostenüberprüfung ist über § 287 ZPO nicht möglich, und schon gar nicht nach der selbst gefertigten HUK-Honorarliste.

    Schlussendlich hat das erkennende Gericht auch noch festgestellt, dass im konkreten Fall kein Bagatellschaden vorliegt. Zwar haben die Anwälte der HUK-Coburg dies behauptet, obwohl der BGH revisionsrechtlich bei einem kalkulierten Reparaturbetrag von ca. 700,– € noch keinen Bagatellschaden angenommen hat. Von den Anwälten der HUK-Coburg wird in Kenntnis der BGH-Rechtsprechung bewußt und vorsätzlich etwas anderes behauptet.

    Vielleicht sollte die Huk-Coburg ihre Prozessbevollmächtigten besser auswählen, damit solche Peinlichkeiten unterbleiben.

  4. Hirnbeiss sagt:

    RA. Westfalen
    @“Vielleicht sollte die Huk-Coburg ihre Prozessbevollmächtigten besser auswählen, damit solche Peinlichkeiten unterbleiben.“

    Ich denke gerade deshalb wurden diese Anwälte ausgewählt, damit sie zum geistigen Niveau der Vorstände passen. Skrupellos,dummdreist und geldgeil.

  5. Babelfisch sagt:

    Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem die HUK-Coburg keine Berufung eingelegt hat.

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