Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachfolgend geben wir Euch zum beginnenden Wochenende hier ein prima Urteil aus Bremerhaven zu den restlichen, abgetretenen Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG bekannt. Die Begründung zur Nichterkennbarkeit bei der zehnprozentigen Überschreitung der Kosten ist unseres Erachtens teilweise etwas abenteuerlich formuliert. Aber ansonsten liegt insoweit eine gute Entscheidung aus Bremerhaven vor. Wieder einmal scheiterte die HUK-COBURG mit ihrer Begründung zur Kürzung der Sachverständigenkosten und wieder einmal war ihr Bezug auf BVSK unerheblich, denn der BGH hat ausdrücklich betont, dass der Geschädigte BVSK und die Honorarbefragung nicht kennen muss. Was soll also noch dieser Hinweis, der schon längst von der BGH-Rechtsprechung kassiert wurde? Kennen die Verantwortlichen in Coburg das BGH-Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – nicht? Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
AMTSGERICHT BREMERHAVEN
Abteilung für Zivilsachen
Geschäfts-Nr.: 56 C 0024/14
Verkündet am 18. Juni 2014
IM NAMEN DES VOLKES
U R T E I L
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertr.d.d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Wolfgang Flaßhoff, Stefan Gronbach, Klaus-Jürgen Heitmann, Dr. Hans Olav Heroy, Sarah Rössler, Jörn Sandig, Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Bremerhaven auf die mündliche Verhandlung vom 04. Juni 2014 durch Richter G. für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger € 73,43 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.02.2014 zu zahlen sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 70,20.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird nach § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I. Die Kläger haben einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte.
1. Ein Anspruch auf Zahlung von € 73,43 besteht nach §§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 398 S. 2 BGB.
Der Fahrzeughalter P. hat gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall vom 17.10.2013 in Bremerhaven einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der restlichen Sachverständigenkosten von € 73,43.
Die Sachverständigenkosten von € 807,43 sind insgesamt ein nach § 249 BGB erstattungsfähiger Schaden, so dass die Beklagte auch den Betrag von € 73,43, der noch auf die Kosten des Sachverständigen entfällt, zu ersetzen hat (§ 287 ZPO). Nach allgemeiner Auffassung gehören die Kosten eines Sachverständigengutachtens zu dem Geldbetrag, welcher der Schädiger zu ersetzen hat. Dabei sind die Kosten zu ersetzen, welche vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (Jahnke in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 22. Auflage 2012 Rn. 134). Somit sind der Wissensstand und die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten für die Beurteilung der Erforderlichkeit entscheidend (BGH BeckRS 2014, 04270). Der Geschädigte ist im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots gehalten, den für ihn zumutbaren und möglichen wirtschaftlichsten Weg der Schadensbeseitigung zu gehen und somit die Höhe der zu ersetzenden Kosten gering zu halten. Nicht verpflichtet ist der Geschädigte jedoch, den ihm zugänglichen Markt zu erforschen, um auf diesem die Maßnahmen zur Schadensbeseitigung durch Ermittlung des preisgünstigsten Sachverständigen zu treffen (BGH NZV 2007, S. 455). Nur, wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige eine Vergütung verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigt, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragten. Nur bei einer ihm persönlich und ohne weiteres erkennbaren Überteuerung für den Geschädigten sind die zu erstattenden Sachverständigenkosten zu kürzen (OLG Düsseldorf BeckRS 2008, 12379), Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Vor dem Hintergrund, dass die Sachverständigenkosten des Büros … € 807,43 betragen und die Beklagte eine Überhöhung von € 73,43 moniert, ist bereits aus der Tatsache, dass die etwaige Überhöhung sich unter der Grenze von 10 % der Gesamtbetrages hält, ein Auswahlverschulden des Geschädigten abzulehnen. Bei einer solchen Überschreitung ist es für den Geschädigten nicht evident, dass das Honorar des von ihm ausgewählten Sachverständigen zu hoch ist und sich daher nicht mehr mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot vereinbaren lässt. Ob dies bereits bei einem Betrag von mehr als 10 % der Fall ist, kann dahingestellt bleiben.
Im Übrigen sind neben dem Grundhonorar auch Nebenkosten zu erstatten. Das ergibt sich schon aus der Honorarbefragung der BVSK-Mitglieder, deren Aufteilung zeigt, dass die Nebenkosten regelmäßig nicht im Grundhonorar mit abgegolten werden, sondern eine eigenständige Kostenkategorie bilden.
Hinsichtlich der berechneten Fahrtkosten ist darauf zu verweisen, dass der Sachverständige aus H. die Besichtigung des Fahrzeugs unstreitig in der Reparaturwerkstatt in Bad B. vorgenommen hat, so dass durch die Begutachtung Fahrtkosten angefallen sind.
Soweit die Beklagtenseite den Haftungsgrund und insbesondere die alleinige Haftung ihres Versicherungsnehmers für den Unfall bestreitet, ist dies unbeachtlich. Vor dem Hintergrund, dass unstreitig die Beklagte einen Großteil der Fahrzeugschäden bereits reguliert hat und dabei auch einen Großteil der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten ist das pauschale Bestreiten eines Haftungsgrundes und des Haftungsanteils unbeachtlich.
Diesen Anspruch hat der Geschädigte auch wirksam an die Kläger nach § 398 BGB abgetreten. Der Wirksamkeit der Abtretung steht nicht entgegen, dass diese nicht hinreichend bestimmt war. Bestimmtheit setzt voraus, dass Gegenstand sowie Umfang der Forderung und auch Schuldner und Rechtsgrund der Forderung bezeichnet werden (vgl. Roth in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 398 Rn. 67). Diese Anforderungen erfüllt die Abtretungserklärung. Streitgegenständlich ist die Sicherungsabtretung vom 23.10.2013 (Bl. 33 d.A.). Aus dieser lässt sich entnehmen, dass der Zedent seinen Schadenersatzanspruch auf Erstattung der Kosten der Erstellung des Gutachtens aus dem in der Erklärung genannten Verkehrsunfall gegenüber Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer sicherungshalber abtritt. Damit ist die Forderung hinreichend bestimmt. Anders als teilweise in den vom Beklagten zitierten Entscheidungen hat die Abtretungserklärung nicht sämtliche Ansprüche aus einem Verkehrsunfall zum Gegenstand, sondern ist auf den einen konkreten Schadenersatzanspruch wegen der Sachverständigenkosten beschränkt.
Im Übrigen bleibt es der Beklagten unbenommen, sich vom Geschädigten nach § 255 BGB etwaige Ansprüche gegen das Sachverständigenbüro abtreten zu lassen, falls diese (teilweise) Leistungen ohne rechtlichen Grund erlangt haben sollten.
2. Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 291 S. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
3. Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 70,20 folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich bei Beauftragung der klägerischen Prozessbevollmächtigten in Verzug, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Mit der Rechnung vom 28.10.2013 wurde ein Zahlungsziel bis zum 18.11.2013 gesetzt. Eine Zahlung erfolgte nicht.
II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO und bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 713 ZPO.
Der Streitwert wird auf € 73,43 festgesetzt.