AG Brilon verurteilt Württembergische Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (2 C 71/08 vom 12.01.2009)

Mit Urteil vom 12.01.2009 (2 C 71/08) hat das Amtsgericht Brilon die Württembergische Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 215,92 € zzgl. Zinsen sowie weiterer vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht läßt in seiner Entscheidung die Anwendung der Schwacke-Liste zu.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 215,92 € aus abgetretenem Recht aus §§ 3 PflVG, 7 Abs. 1,18 Abs. 1 StVG, 398 BGB, nicht aber auf Zahlung der geltend gemachten 310,90 €.

Der Zeuge H. hat seine Schadensersatzansprüche aus dem Unfall vom 11.04.2007 gegen die Beklagte, die ihm dem Grunde nach unstreitig zustehen, hinsichtlich der ihm zustehenden Mietwagenkosten wirksam gemäß § 398 BGB an die Klägerin abgetreten.

Die von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten sind jedoch lediglich in Höhe von 215,92 € erstattungsfähig. Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand lediglich Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Für die Frage der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten ist Anknüpfungspunkt für den abzurechnenden Tarif nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich der auf dem örtlich relevanten Markt erhältliche Normaltarif, der einem selbstzahlenden Kunden in Rechnung gestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2008, VI ZR 164/07, juris Rn. 7).

Den Normaltarif hat das Gericht gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des Schwacke Mietpreisspiegels 2007 geschätzt. Laut der genannten Schwacke-Liste 2007 ist die Anmietung eines PKW’s der Fahrzeuggruppe 4 in der Region für 6 Tage für 424,14 € netto möglich.

Dabei war vorliegend von einer Mietdauer von 6 Tagen auszugehen. Ausweislich der Rechnung der Klägerin wurde das Fahrzeug vom 11.04. bis zum 16.04.2007 angemietet, wobei der erste und der letzte Tag entgegen der Ansicht der Beklagten voll mitzählen.

Die Einwände der Beklagten, der Schwacke-Automietpreisspiegel sei zur Ermittlung des Normaltarifs nicht geeignet, greifen demgegenüber nicht durch. Es bestehen nach ständiger Rechtsprechung des BGH keine Bedenken, den Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädigten zu ermitteln, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2008, VI ZR 164/07, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 14.10.2008, VI ZR 308/07, juris Rn. 19). Daran fehlt es vorliegend. Zwar hat die Beklagte Vergleichsangebote vorgelegt, die den Normaltarif weit unterhalb des Schwacke-Automietspiegels 2007 ausweisen, die belegen sollen, dass allgemein geltend gemachten Fehler in der Methodik bei der Erstellung des Mietpreisspiegels sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Bei den von der Beklagten eingereichten Online-Angeboten ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese den Stand eines erst weit nach dem Verkehrsunfall recherchierten Angebotes wiedergeben. Es kann nicht eingeschätzt werden, ob an diesem Tag eventuell Restfahrzeuge besonders günstig angeboten werden, die am Unfalltag zu diesem Preis nicht zu erhalten gewesen wären (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 29.05.2008, 4 S 169/07). Aus den für Juni 2008 eingereichten Angeboten kann nicht gefolgert werden, dass diese dem Zedenten im April 2007 zur Verfügung gestanden hätten und dass die Schwacke-Liste 2007 aus diesem Grund für den betreffenden Fall falsch und nicht anwendbar sei. Da überdies die inhaltliche Gleichwertigkeit der vorgelegten Vergleichsangebote zweifelhaft erscheint, bedurfte es nicht der Einholung des angebotenen Sachverständigengutachtens.

Auf den so ermittelten Normaltarif war mit Rücksicht auf die besondere Unfallsituation ein pauschaler Aufschlag von 20% vorzunehmen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist hierfür nicht vom Geschädigten im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, dass er unfallbedingte Mehrleistungen vom Vermieter in Anspruch genommen hat. Es kann ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif vorgenommen werden, um etwaigen Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2006, VI ZR 338/04, Juris Rn. 14). Als solche Mehrleistungen wurden von dem Kläger u.a. der besondere Beratungs- und Serviceaufwand, der besondere Verwaltungsaufwand, die zusätzlichen Risiken durch Falschbewertung von Haftungsanteilen und hierdurch entstehenden Forderungsausfällen, das erhöhte Unterschlagungsrisiko sowie das zusätzliche Planungsrisiko mit der Folge schlechter Fahrzeugauslastung vorgetragen. Diese Risiken rechtfertigen einen gewissen Aufschlag zur Schadensbeseitigung im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, ohne dass es darauf ankommt. Allerdings erscheint dem Gericht ein Aufschlag von 20% und nicht von 25%, wie von der Klägerin geltend gemacht, zur Bemessung des durchschnittlichen Wertes der Mehrleistungen bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen im Vergleich zur normalen Autovermietung als angemessen und ausreichend, § 287 ZPO. Daraus ergibt sich ein Betrag von 502,88 €.

Der Zedent hat auch nicht deshalb seine Schadenminderungspflicht verletzt, weil er sich nicht nach günstigeren Konkurrenzangeboten erkundigt hat. Es fehlt an ausreichend beweisbewehrtem Vortrag der Beklagten, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Normaltarif ohne weiteres zugänglich war. Die Beklagte hat lediglich pauschal behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt, dass dem Geschädigten, hätte er in der konkreten Situation ein oder zwei Konkurrenzangebote großer Mietwagenformen eingeholt, ihm ein Normaltarif von unter 300,00 € angeboten worden wäre. Es fehlt jedoch an konkretem auf den Fall bezogenen Vortrag, dass dem Geschädigten ein solcher Tarif auch ohne weiteres zugänglich war, wovon bei der ländlichen Gegend nicht automatisch ausgegangen werden kann. Geht es aber, wie vorliegend, um einen Fall, in dem die Inanspruchnahme eines Unfallersatztarifs grundsätzlich gerechtfertigt erscheint und durch einen Aufschlag zum Normaltarif geschätzt werden kann, trägt der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast, wenn er geltend macht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen „ohne weiteres“ zugänglich gewesen sei (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008, VI ZR 308/07, Juris Rn. 14).

Hinzuzurechnen sind die Kosten für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung in Höhe von 105,90 € für 6 Tage. Diese Kosten sind grundsätzlich erstattungsfähig, unabhängig davon, ob der Geschädigte für sein eigenes Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung unterhält oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2005, VI ZR 74/04, juris Rn. 11). Hinzu kommen die Kosten für die Zustellung/Abholung mit 25,21 €.

Zuzüglich Mehrwertsteuer errechnet sich ein Betrag von 754,45 €. Von diesem Betrag ist allerdings ein Abzug von 10% für ersparte Aufwendungen vorzunehmen, da der Zedent ein gruppengleiches Fahrzeug angemietet hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz, weil die Ersparnis in einem rechnerisch nicht mehr erfassbaren Bereich bewegt, kam bei einer Kilometerleistung von 248 km in nur 6 Tagen nicht in Betracht.

Unter Berücksichtigung der vorprozessual gezahlten 463,09 € verbleibt damit der ausgeurteilte Betrag in Höhe von 215,92 €.

Aus diesem Betrag hat die Klägerin ferner einen Anspruch auf Zinsen in der gesetzlichen Höhe seit dem 05.11.2007 aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz stehen der Klägerin nicht zu, da sie zum einen aus abgetretenem Recht klagt und es sich zum anderen bei dem geltend gemachten Anspruch nicht um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB handelt.

Schließlich steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 € aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB zu. Nach Vorlage einer entsprechenden Quittung wird die Zahlung der Rechtsanwaltskosten durch die Beklagte nicht mehr bestritten. Die Höhe der ersatzfähigen Rechtsanwaltskosten ergibt sich entsprechend dem zuerkannten Teil der Klageforderung.

Soweit das AG Brilon.

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3 Antworten zu AG Brilon verurteilt Württembergische Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten (2 C 71/08 vom 12.01.2009)

  1. Willi Wacker sagt:

    Hi Babelfisch,
    mit diesem Urteil muss auch die Württembergische Versicherungs AG zur Kenntnis nehmen, dass Fraunhofer nicht massgebend ist. Auch im Hochsauerland gilt Schwacke. Im übrigen hat der Amtsrichter die Beklagte hinsichtlich ihres unerheblichen Sachvortrages richtig abgebügelt. Prima Urteil. Danke Babelfisch.
    MfG
    Willi Wacker

  2. Gottlob Häberle sagt:

    Hallo Babelfisch,

    Ja ja, die sparsamen Schwaben.
    Wir leben nicht vom Einnehmen, sondern vom Nichtausgeben.

    Grüße aus dem Wilden Süden
    Gottlob Häberle

  3. Werkstatt-Freund sagt:

    Hi Gottlob Häberle,
    wenn die Schwaben, dazu gehören wohl auch die Württemberger, nicht vom Einnehmen, sondern vom Nichtausgeben leben, dann müssen sie sich aber mit dem Zurückhalten der Ausgaben mit dem Gesetz in Einklang befinden, was bei der Württembergischen Vers., wie das Urteil zeigt, nicht der Fall ist. Gesetzesgemäß Schadensersatzleisten ist das Gebot, nicht den Geschädigten zu prellen zu versuchen. Mir scheint, dass in letzter Zeit die Württembergische sehr viel Rechtsstreite provozieren will. Mir liegt jetzt auch eine Schadensregulierung der besagten Versicherung vor, die gerade nach gerichtlicher Inanspruchnahme schreit.
    MfG in den Wilden Süden (Schwaben?)
    Dein Werkstatt-Freund

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