Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
krankheitsbedingt war das mir bereits vor einiger Zeit übersandte Urteil des AG Buchen im Odenwald liegen geblieben. Nachdem ich nunmehr den Urteils-Berg, der sich hier gebildet hat, nach und nach abbaue, gebe ich Euch hiermit das umfangreiche Urteil aus Buchen (Baden-Württemberg) bekannt. Während die Begründung zu den Mietwagenkosten noch top ist, fällt die Begründung zur Mehrwertsteuererstattung als Flop aus. Der übereilte Resteverkauf erscheint etwas merkwürdig. Was meint Ihr? Eure Meinungen sind gefragt.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Euer Willi Wacker
Aktenzeichen:
1 C 217/11
Verkündet am
01.12.2011
Amtsgericht Buchen
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Buchen
durch den Richter am Amtsgericht …
am 01.12.2011 nach dem Sach- und Streitstand vom 27.10.2011
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 893,78 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2010 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Euro 120,67 außergerichtliche Anwaltsgebühren nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2010 zu erstatten.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 60 %, die Beklagte zu 40 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
6. Streitwert: Euro 2.274,12
Tatbestand
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 01.12.2009 in 74722 Buchen ereignet hat. Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig sind die nachfolgenden Schadenspositionen.
a. Das Fahrzeug des Klägers Land Rover Defender 110 Td 5 (90 kW, Erstzulassung: 2003) wurde bei dem Unfall beschädigt. Der Kläger hat am 01.12.2009 die TÜV SÜD GmbH mit der Begutachtung des Fahrzeugschadens beauftragt. Im schriftlichen Gutachten der TÜV SÜD GmbH vom 07.12.2009 wird der Wiederbeschaffungswert des klägerischen Fahrzeuges mit Euro 18.300,— (mit einem MWSt-Anteil von ca. 2,5 %) angegeben, bei geschätzten Reparaturkosten in Höhe von Euro 32.000,– . Der Restwert wird mit Euro 2.850,– angegeben, auf der Grundlage eines Restwertangebotes der Firma … vom 07.12.2009. Die Wiederbeschaffungsdauer wird im Gutachten mit 12-14 Kalendertagen angegeben. Der Kläger hat das verunfallte Fahrzeug am 10.12.2009 zu einem Preis von Euro 2.200,– veräußert und bereits am 05.12.2009 ein Ersatzfahrzeug zu einem Betrag von Euro 17.802,40 erworben. Auf den vom Kläger vorgerichtlich geltend gemachten Fahrzeugschaden von Euro 16.100,– (18.300,– Wiederbeschaffungswert abzgl. 2.200,– Verkaufserlös) hat die Beklagte einen Betrag von Euro 14.992,50 (Euro 17.842,50 Nettowiederbeschaffungswert abzgl. Euro 2.850,– Restwert) bezahlt, so dass noch ein Restbetrag von Euro 1.107,50 offen steht.
b. Der Kläger hat in der Zeit vom 01.12.2009 bis 14.12.2009 bei der Autovermietung … ein Fahrzeug angemietet und mit dem Mietfahrzeug eine Strecke von 504 km zurückgelegt. Die Autovermietung hat hierfür Kosten in Höhe von Euro 1.807,70 in Rechnung gestellt. Auf diese Forderung hat die Beklagte Euro 913,92 bezahlt, so dass noch ein Restbetrag von Euro 893,78 zur Zahlung offen steht.
c. Der Kläger hat vorgerichtlich entstandene Finanzierungskosten von Euro 414,96 geltend gemacht. Auf diesen Betrag wurden von der Beklagten Euro 142,12 gezahlt, so dass noch ein Betrag von Euro 272,84 zur Zahlung offen steht.
Der Kläger macht folgende Schadenspositionen geltend:
a. restlicher Fahrzeugschaden 1.107,50 Euro
b. restliche Mietwagenkosten 893,78 Euro
c. restliche Finanzierungskosten 272,84 Euro
Klagforderung: 2.274,12 Euro
Der Kläger ist der Auffassung
a. als Fahrzeugschaden könne der Wiederbeschaffungswert brutto auf der Grundlage des Gutachtens mit Euro 18.300,– abzgl. eines Restwertes von Euro 2.200,– (erzielter Kaufpreiserlös) verlangt werden. Das Fahrzeug sei vor Erhalt des Schadensgutachtens veräußert worden, da der Kläger berufsbedingt auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen gewesen sei.
b. die Mietwagenkosten könnten auf der Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegels zuzüglich eines Aufschlages verlangt werden. Zum geltend gemachten Unfallersatztarif tragt der Kläger vor, die Termine seien im Unfallersatzgeschäft nicht planbar, es seien Zustell-/Abstellkosten zu kalkulieren und Regulierungsverzögerungen zu beachten, auf die Gestellung einer Kaution werde verzichtet, im übrigen sei die Mietwagenfirma insoweit 24 Stunden erreichbar, was mit Personalkosten verbunden sei.
c. Es seien Finanzierungskosten von Euro 414,96 entstanden.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 2.274,12 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2010 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Euro 272,87 außergerichtliche Anwaltsgebühren nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten üher dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2010 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte ist der Auffassung:
a. Der Fahrzeugschaden sei auf der Grundlage eines Nettowiederbeschaffungswertes von 17.842,50 unter Abzug eines Restwertes gemäß Gutachten in Höhe von Euro 2.850,– zu berechnen.
b. die Mietwagenkosten seien auf der Grundlage des nach der Fraunhofer Studie zu ermittelten Normal-Tarifs zu bestimmen. Ein Pauschalaufschlag sei nicht vorzunehmen. Die geltend gemachten Nebenkosten für Haftungsfreistellung und Winterreifen seien nicht erstattungsfähig. Es sei eine Eigenersparnis zu berücksichtigen.
c. die geltend Finanzierungskosten werden bestritten. Die Beklagte habe bereits am 22.12.2009 zügig reguliert.
Wegen des näheren Sachvortrages wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
1. Der Kläger kann von der Beklagten in der Hauptsache Zahlung in Höhe von Euro 893,78 verlangen (§§ 823 Abs. 1, 249 BGB, 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG). Die weitergehende Klage war abzuweisen.
1.1 Fahrzeugschaden
Ein Anspruch auf Erstattung eines weiteren Fahrzeugschadens über den bereits erstatteten Betrag hinaus besteht nicht.
Unstreitig kann im vorliegenden Falle auf Totalschadensbasis abgerechnet werden (Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert). Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt vor, weil die geschätzten Reparaturkosten weit über 130 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen.
a. Wiederbeschaffungswert
Die Parteien streiten insoweit, ob der Mehrwertsteueranteil, der im vom Sachverständigen festgestellten Wiederbeschaffungswert enthalten ist, zu erstatten ist.
Der Wiederbeschaffungswert war im vorliegenden Falle netto unter Berücksichtigung des Steuersatzes mit Euro 17.842,40 anzusetzen.
Für die Frage, ob der Mehrwertsteueranteil zu ersetzen ist, ist zunächst von Bedeutung, ob der Geschädigte seinen Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens oder konkret auf der Basis einer von ihm vorgenommenen Ersatzbeschaffung abrechnet. Im vorliegenden Falle rechnte der Kläger fiktiv auf der Grundlage des Gutachtens (Wiederbeschaffungswert dort Euro 18.300 brutto) ab.
Erwirbt der Unfallgeschädigte bei einem wirtschaftlichen Totalschaden von einem Privatmann ein Ersatzfahrzeug, dessen Preis den im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Betrag unterschreitet, so steht ihm ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer nicht zu (Landgericht Stuttgart, Urteil vom 12.11.2008, 5 S 89/08). Ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer besteht grundsätzlich nur, wenn diese tatsächlich angefallen ist (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dies ist nicht der Fall, wenn von Privat erworben wird (LG Stuttgart a.a.St.o). Im vorliegenden Falle hat der Kläger weniger als den Nettowiederbeschaffungswert nach dem Gutachen aufgewendet. Das der Kläger von Privat erworben hat, wie von der Beklagten behauptet, wurde vom insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht näher dargelegt oder unter ausreichend unter Beweis gestellt. Aus dem vorgelegten Kaufvertrag ergibt sich, dass es sich um einen „privaten Kauf“ eines gebrauchten Kraftfahrzeuges gehandelt hat. Soweit unter Ziffer 2.3 des Vertragstextes unter der vorherigen Nutzungsart angegeben ist, dass das Fahrzeug gewerblich genutzt wurde und handschriftlich Mitarbeiterfahrzeug ergänzt ist, dient diese Passage des Kaufvertrages nach ihrer Intention augenscheinlich dazu, die Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) des Fahrzeuges zu bestimmen, was für Gewährleistungsansprüche bedeutsam ist. So führt die Nutzung als Fahrschulwagen oder Mietwagen (wie im Vertragstext genannt) regelmäßig dazu, dass nur ein geringerer Kaufpreis erzielt werden kann. Soweit im übrigen der Gesamtkaufpreis genannt ist (inkl. Mehrwersteuer) und auch ein Nettokaufpreis genügt dies vor dam Hintergrund der zuvor genannten Punkte nicht, um den Anfall von Mehrwertsteuer zu beweisen. Hierbei war zu berücksichtigen, dass bei einem umsatzsteuerpflichtigen Vorgang nach den entsprechenden steuerrechtlichen Bestimmungen der gewerbliche Verkäufer unter fortlaufender Rechnungsnummer unter anderem auch seine eigene Steuernummer bzw. Umsatzsteueridentifikationsnummer anzugeben hat, was im vorliegenden Falle fehlt. Es war deshalb bei der Schadensberechnung lediglich vom Nettowiederbeschaffungswert auszugehen, der über dem tatsächlich aufgewandeten Kaufpreis von Euro 17.802,40 lag.
b. Restwert
Es war von dem vom Gutachter ermittelten Restwert von Euro 2.850,– auszugehen und nicht vom tatsächlich erzielten Erlös von Euro 2.200,–.
Der Geschädigte, der bei der tatsächlichen Veräußerung des unfallbeschädigten Fahrzeuges weniger erzielt, braucht sich zwar nicht generell auf den von seinem Sachverständigen geschätzten höheren Restwert verweisen lassen. Vielmehr kann er seiner Schadensschätzung grundsätzlich den konkret erzielten Restwertbetrag zugrunde legen, was auch gilt, wenn der Fahrzeugschaden im übrigen fiktiv auf Gutachtenbasis abgerechnet wird (BGH, Urteil vom 30.05.2006, VI ZR 174/05). Maßgeblich ist aber immer der Einzelfall.
Die Totalschadensabwicklung steht unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, welches auch für die Frage gilt, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeuges bei der Schadensberechnung berücksichtigt werden muss. Der Geschädigte muss insoweit den für ihn wirtschaftlichsten Weg wählen unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmögiichkeiten. Dabei musste berücksichtigt werden, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs des Fahrzeuges bereits vom Kläger die TÜV SÜD GmbH mit der Erstattung eines Gutachtens auch zum Restwert beauftragt war. Wenn ein Gutachten vorliegt, leistet der Geschädigte leistet im allgemeinen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf jem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH, Urteil vom 12.07.2005, VI ZR 132/04). Das vorliegende Gutachten stellt eine verlässliche Grundlage für die Bestimmung des Restwertes dar und wird insoweit auch nicht inhaltlich von dem Kläger angegriffen. Es enthält ein konkretes Restwertangebote eines regionalen Händlers.
Die Tatsache, dass der Kläger noch vor Erhalt des Gutachtens sein Fahrzeug zu einem geringen Kaufpreis veräußert hat, geht zu seinen Lasten, den er hatte am 01.12. den Gutachtensauftrag erteilt, ihm war bekannt, dass ein entsprechendes Gutachten erstellt wird, das Gutachten war auch bereits am 07.12. erstellt. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger, wenn er vor Erhalt des schriftlichen Gutachtens sein Fahrzeug verkaufen will, sich vor Veräußerung zumindest telefonisch an den Gutachter wenden müssen, und hätte so von dem Restwertangebot erfahren, denn der Verkauf des beschädigten Fahrzeuges erfolgte erst am 10.12.2009. Dies wäre dem Kläger ohne weiteres auch möglich gewesen. Die Veräußerung zu einem geringern Kaufpreis widerspricht insoweit dem vorstehend genannten Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und deshalb muss sich der Kläger das vom Gutachter festgestellten Restwert anrechnen lassen.
1.2. Mietwagenkosten
Der Kläger kann von der Beklagten restliche Mietwagenkosten in Höhe von Euro 893,78 verlangen.
Der Kläger ist berechtigt die Mietwagenkosten auf der Grundlage des Normaltarifs nach dem Schwacke Automietpreisspiegel 2009 zuzüglich eines Aufschlags von 30 % abzurechnen. Der KFZ-Mietwagenvertrag wurde vorgelegt.
a. Mietwagenkosten als erstattungsfähiger Schaden
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH Urteil vom 14.10.2008 AZ.: VI ZR 308/07). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg des Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlichen Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis verlangen kann (BGH a.a.St.o.). Demzufolge ist der von der Mietwagenfirma im vorliegenden Fall berechnete Tarif mit dem auf dem örtlichen relevanten Markt erhältlichen „Normaltarifen“ zu vergleichen (s.u. unter Ziffer b.).
Der örtliche „Normaltarif stellt grundsätzlich einen erstattungsfähigen Schaden dar. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11.03.2008 (VI ZR 164/07). In den Urteilsgründen heißt es dort: „Dem folgend hat das Berufungsgericht den von der Mietwagenfirma berechneten Tarif mit den auf dem örtliche relevanten Markt erhältlichen „Normaltarifen“ verglichen. Insoweit spielt es keine Rolle unter welchen Voraussetzungen Mietwagenkosten, denen ein Unfallersatztarif zugrunde liegt, zu ersetzen sind. Das Berufungsgericht hat nämlich …. angenommen, das der Mietwagenrechnung ein „Normaltarif“ zugrunde liegt.“ Auf die Frage der Erforderlichkeit und damit zusammenhängend der Erkundigungspflicht nach günstigeren Tarifen kommt es nicht an, wenn auf der Grundlage eines Normaltarifs, der ja dem üblichen örtlichen Tarift entspricht, abgerechnet wird.
b. Bestimmung des Normaltarifs
Der Normaltarif konnte auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreispiegels 2009 bestimmt werden. Der Tatrichter kann (auch nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes) in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH a.a. St. o.). Nach der Rechtsprechung des AG Buchen wird bei der Schätzung der „Schwacke- Mietpreispiegel“ zugrundelegt. Auch das dem Amtsgericht Buchen übergeordnete Landgericht Mosbach erkennt die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage an (Urteil des Landgericht Mosbach vom 01.07.2009 – AZ.: 5 S 6/09, Urteil vom 14.04.2010 a.a.St.o), ebenso das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe VersR2008, 92f – Urteil vom 18.09.2007). In seiner Entscheidung vom 12.04.2011 (VI ZR 300/09) hat der Bundesgerichtshof nochmals klargestellt, dass sowohl die Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer-Mietpreisspiegel grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet sind. Der Tatrichter ist nach dieser Entscheidung nicht gehindert, die Schwacke-Liste seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.
Das Gericht hat bei dem Vergleich zwischen Fraunhofer-Liste und Schwacke-Liste gesehen, dass im Gegensatz zur Erhebung der Schwacke-Liste, die Erhebung der Fraunhofer-Liste anonym und ohne Offenlegung des Umstandes erfolgt, dass Zweck der Abfrage die Erstellung einer Preisübersicht ist. Dies ist ein nicht unbeachtliches Argument, welches gegen die Schwacke-Liste sprechen könnte.
Gegen die Fraunhofer-Liste sprechen jedoch folgende Punkte: Bei der Liste des Fraunhofer-Instituts wird im Gegensatz zur Schwacke-Liste lediglich nach zweistelligen Postleitzahlenbereichen unterschieden. Regional bedingte Unterschiede und Besonderheiten in den Mietpreisen bleiben insoweit unberücksichtigt. Die Liste des Fraunhofer-Instituts beruht auf den Ergebnissen einer Internetrecherche und einer telefonischen Preiserhebung. Bei der Internetrecherche beschränkt sich Fraunhofer auf Internetportale, die eine verbindliche Buchung erlauben und damit auf sechs große Anbieter. In vielen Fällen werden mehrere Preisnennungen eines Unternehmens innerhalb derselben Fahrzeugklasse ausgewertet, was aus mathematischer Sicht problematisch ist. Einen deutlichen Hinweis auf eine spezielle Datensituation bei der Interneterhebung liefert auch die in vielen Fällen äußerst geringe Streuung der Werte. Längere Vorbuchungszeiten gerade bei überregional tätigen Vermietern erlauben eine bessere Abstimmung des Fuhrparks einer Anmietstation auf die Nachfragesituation, die durch einen Preisnach!ass an die Kunden weitergegeben werden kann. Preisunterschiede je nach Vorbuchungszeit lassen sich jedoch leicht belegen. Diese Einwendungen rechtfertigen es, die Schwacke-Liste weiterhin als Schätzgrundlage zu verwenden. Die Schwacke-Liste stellt mit Modus, arithmetischem Mittel, Medianwerten, Minimum und Maximum alle gebräuchlichen, als Lagemaß geeigneten statistischen Kennzahlen zur Verfügung. Zusammen ermöglicht die Anzahl der Nennungen, wie sie sich nunmehr aus der Schwacke-Liste ergibt, eine Bewertung der statistischen Signifikanz der angegebenen Kennzahlen sowie eine Beurteilung der Wettbewerbssituation im Postleitzahlengebiet.
Die Eignung von Listen/Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den konkreten Fall auswirken. (BGH DAR 2008 643 f – Urteil vom 24.06.2008). Ein solcher Vortrag liegt auf Beklagtenseite nicht vor. Die Beklagte hat nicht ausreichend mit konkreten Tatsachen aufgezeigt, dass die geltend gemachten abstrakten Erhebungsmängel des Schwacke-Mietpreisspiegels sich auf den konkreten Fall ausgewirkt haben (BGH DAR 2008 643 f – Urteil vom 24.06.2008). Soweit auf Mietwagenangebote außerhalb des regionalen Marktes „747“ Buchen/Walldürn/Hardheim verwiesen wird, sind diese nicht beachtlich.
c. Erstattungsfähigkeit des geltend gemachten Unfallersatztarifs (Erhöhung des Normaltarifs um 30 Prozent)
– Ein höherer Tarif als der Normaltarif kann nur verlangt werden, wenn die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen u.a.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen. Der Kläger rechnet einen höheren Tarif als den Normaltarif nach Schwacke und damit einen Unfallersatztarif ab.
– Auf die Frage, ob ein Unfallersatztarif erstattungsfähig ist, kommt es nicht an, wenn dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif“ ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung im Hinblick der ihr gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht hätte zugemutet werden können. Dann ist nur dieser Tarif erstattungsfähig. Ein günstigerer Tarif war nicht zugänglich. Hierbei war die besondere Situation des Neckar-Odenwald-Kreises und hier des Raums Walldürn/Buchen als einem ländlich geprägten Raum mit geringem Mietwagenangebot zu berücksichtigen. Autovermieter sind hier nur begrenzt verfügbar. Avis, Hertz oder Sixt haben hier keine Vermietungsstellen. Der öffentliche Personennahverkehr ist hier nicht so gut ausgebaut, der es ermöglichen würde, Mietwagenunternehmen außerhalb des Wohn/Unfallortes leicht zu erreichen. Dem Geschädigten war es in der konkreten Situation nicht zuzumuten, Angebote in größeren Städten mit mehreren Mietwagenunternehmen einzuholen. Ohne weiteres zugänglich war deshalb ein günstigerer Normaltarif in dem vorliegenden Fall nicht, zumal die Geschädigte zur Erhaltung der Mobilität bereits am Tage des Unfalls ein Ersatzfahrzeug angemietet hat. Es lag insoweit unter Berücksichtigung der zuvor geschilderten regionalen Besonderheiten noch eine Notsituation vor. Es liegt kein Sachvortrag des Beklagten vor, der eine andere Bewertung rechtfertigen könnte.
Der Geschädigte verstösst nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem „Unfallersatztarif“ anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, solange dies dem Geschädigten nicht ohne weiteres erkennbar ist (BGH, U. vom 12.10.2004 – VI ZR 151/03 – VersR 2005, 239). Hier musste berücksichtigt werden, dass die Anmietung bereits am Unfalltag zur Erhaltung der Mobilität erfolgte. Im ländlich geprägten Neckar-Odenwald-Kreis mit einer geringen Dichte des öffentlichen Personennahverkehrs lag eine Eilsituation vor, die eine sofortige Anmietung eines Fahrzeuges rechtfertigt. Bei dieser Sachlage waren weitergehende Erkundigungen nicht zumutbar.
– Ein prozentualer Aufschlag auf den Normaltarif, wie von der Mietwagenfirma berechnet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO möglich, um etwaigen Mehrleistungen und Risiken des Versicherers bei der Vermietung an Unfallgeschädigte Rechnung zu tragen. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Geschädigte. Dies kann nur insoweit der Fall sein, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden und den Kfz.-Versicherer u.a.) einen gegenüber dem Normaltarif höhreren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die zu dem von § 249 BGB erfassten, für die Schadensbeseitigung erforderlichen Aufwand gehören (BGH Urteil vom 12.10.2004, VersR 2005, 239). Ausreichender Vortrag des Klägers liegt vor.
Zur Begründung der Mehrleistungen ist der Geschädigte nicht genötigt, die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachzuvollziehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif rechtfertigen (BGH Urteil vom 14.02.2006 – VI ZR 126/05). Diesen Anforderungen an die Darlegungslast hat der Kläger entsprochen.
– Das Gericht geht davon aus, dass im Bereich des Odenwald in einer Unfallsituation, bei der die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs eilbedürftig und dringend erforderlich ist, in der Regel ein Zuschlag von 30 % angemessen ist (vgl hierzu: zuletzt LG Mosbach Urteil vom 08.10.2010, 5 S 29/10, sowie Urteil vom 01.07.2009, 5 S 6/09, Urteil vom 30.07.2008, 5 S 9/08). OLG Karlsruhe, VersR 2008, 92: 20 %). Es konnte ein Aufschlag von 30 % in vorgenommen werden (s.o.). Die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit wurde begründet.
d. Abzug Eigenersparnis
Ein Abzug wegen ersparter eigener PKW-Kosten war im vorliegenden Fall nicht vorzunehmen.
Zum Abzug ersparter eigener Pkw-Kosten führt das OLG Zweibrücken in seiner Entscheidung vom 02.05.2007 (AZ.: 1 U 28/07) aus, dass bei Fahrtstrecken unter 1.000 km eine Einsparung gerade im Ansehen der Wartungsintervalle moderner Fahrzeuge und des nicht nennenswerten Verschleißes kaum messbar und damit ein Abzug gegen Eigenersparnis nicht gerechtfertigt sei. Dieser Ansicht folgt das erkennende Gericht. Im vorliegenden Falle hat die Klägerin mit dem Mietwagen lediglich 510 km zurückgelegt.
e. Haftungsfreistellungskosten
Die Haftungsfreistellungskosten sind zu ersetzen. Die Kosten einer für das Ersatzfahrzeug abgeschlossenen Vollkaskoversicherung können auch dann erstattungsfähig sein, wenn das eigene Fahrzeug nicht vollkaskoversichert war. Der Geschädigte kann die Aufwendungen für eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung grundsätzlich ersetzt verlangen, als er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist. In der Regel ist die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs mit Vollkaskoschutz eine adäquate Schadensfolge (vgl. BGH NJW 2005, 1041, LG Mosbach Urteil vom 14.04.2010 a.a.St.o).
f. Winterreifen
Die in Rechnung gestellten Kosten für Winterreifen sind erstattungsfähig. Wie sich aus den Vorbemerkungen zum Schwacke-Mietpreispiegel ergibt, stellen diese Kosten zusätzlich anfallende Kosten dar, die bei der Berechnung des Normaltarifs nicht berücksichtigt sind. Sofern solche zusätzliche Kosten angefallen sind, sind diese erstattungsfähig (LG Mosbach, Urteil vom 14.04.2010, a.a.Sto).
g. Herabstufung aufgrund Alters des Fahrzeuges
Das verunfallte Fahrzeug war unter Berücksichtigung des Fahrzeugalters von mehr als 5 Jahren unter Berücksichtigung der Ausstattung der Fahrzeugklasse 5 nach Schwacke zuzuordnen. Diese Einordnung entsprechend der Mietwagenrechnung der Firma … wird von der Beklagten auch nicht bestritten.
h. Maßgebliches Postleitzahlengebiet
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Mietpreisspiegel im Postleitzahlengebiet des Geschädigten maßgeblich (Urteil vom 19.01.2010, VI ZR 112/09). Der Kläger wohnt in 74746 Höpfingen, der Unfall fand in 74722 Buchen statt.
i. Dauer der Anmietung
Das Gutachten des TÜV SÜD geht von einer Wiederbeschaffungsdauer von 12 bis 14 Tagen aus. Insoweit entspricht die in Rechnung gestellte Anmietdauer von 14 Tagen der zeitlichen Einschätzung des Gutachters.
j. Zusammenfassung
Auszugehen war von der Fahrzeugklasse 5 nach Schwacke. Bei der Zugrundelegung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2010 unter Postleitzahlengebiet „747″, Mietwagenklasse 5 war bei der Schadenschätzung der Tarif nach dem arithmetischen Mittel zu bestimmen. Das arithmetische Mittel ist der Mittelwert aller ermittelten Tarife und stellt somit eine verlässliche Grundlage für die Bestimmung des Normaltarifs dar. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Amtsgerichts Buchen (bspw. 1 C 11/07 – Urteil vom 06.03.2008).
Mietdauer 14 Tage
2 x Wochentarif (2 x 534.86) 1.096,72 Euro
nach Schwacke inkl. Mehrwertsteuer 1.096,72 Euro
zzgl. Aufschlag von 30 % 1.390,64 Euro
zzgl. Nebenkosten:
Haftungsbetreiuung 224,– Euro
Winterreifen 168,– Euro
. 392,– Euro
zzgl. Mehrwertsteuer: 74,48 Euro
Summe: 466,48 Euro
Summe: 1.857,12 Euro
Da der in Rechnung gestellte und geltend gemachte Betrag geringer ist, steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von Euro 893,78 zu.
1.3. Finanzierungskosten
Durch den Unfall verursachte Finanzierungskosten können zwar einen erstattungsfähigen Schaden darstellen. Der Kläger kann insoweit jedoch über den bereits bezahlten Betrag hinaus keine weiteren Finanzierungskosten verlangen. Insoweit ist aus den vorgelegten Kontoauszügen und dem Klagvortrag nicht ersichtlich, unter Berücksichtigung des Vortrages der Beklagten, inwieweit ihm noch im Jahr 2010 ein weiterer erstattungsfähiger Zinsschaden von Euro 272,84 entstanden sein soll.
1.4. Zusammenfassung
a. restlicher Fahrzeugschaden -,— Euro
b. restliche Mietwagenkosten 893,78 Euro
c. restliche Finanzierungskosten -.— Euro
Zuerkannter Betrag: 893,78 Euro
2. Der Zinsausspruch folgt aus § 288, 247 ZPO. Die Beklagte wurde unstreitig vorgerichtlich unter Fristsetzung zur Zahlung aufgefodert.
3. Der Kläger war berechtigt zur Schadensgeltendmachung einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die Kosten des Rechtsanwalts stellen insoweit grundsätzlich einen erstattungsfähigen Schaden (§ 249 BGB) dar. Die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten berechnen sich im vorliegenden Falle wie folgt:
Gegenstandswert: Euro 893,78
1,3 Geschäftsgebühr WRVG Nr. 2300 83,50 Euro
Auslagenpauschale W RVG Nr. 7002 16,90 Euro
Zwischensumme: 101,40 Euro
zzgl. 19 % USt W RVG Nr. 7008 19.27 Euro
Zuerkannter Betrag: 120,67 Euro
II: Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO; die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.