Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
von München wieder nach Niedersachsen, zum Amtsgericht Burgdorf. Nachfolgend gebe ich Euch das Urteil des Direktors des AG Burgdorf als erkennender Richter der 3. Zivilabteilung des Gerichtes bekannt. Wie so oft ging es um restliche Sachversatändigenkosten, bei denen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung meinte, dass diese sich an dem ZSEG messen lassen müssten, obwohl damit ganz andere Regelungsbereiche betroffen sind. Weiter ging es um den Schaden bei Wiederbeschaffung eines differenzbesteuerten Fahrzeuges, wie es der Sachverständige in seinem Schadesgutachten aufgeführt hat. Schließlich ging es um die 1.3-Anwaltsgebühr im Rahmen der erforderlichen rechtsverfolgungskosten. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Verkündet am: 15.11.2011
Burgdorf
Geschäfts-Nr.:
3 C 196/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Firma … GmbH & Co. KG , ges. vertr. d. … GmbH, d. ges. vertr. d. Geschäftsführer… aus A-W
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. I. u. P. aus A
gegen
1. Herrn T. T. aus U
2. Firma HUK24 AG Die Online Versicherung, gesetzlich vertreten durch Vorstand Detlef Frank, Günther Schlechta, Lange Laube 20, 30159 Hannover
Beklagte
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. S. u. P. aus H.
hat das Amtsgericht Burgdorf im schriftlichen Verfahren gem. § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 08.11.2011 durch den Direktor des Amtsgerichts
für Recht erkannt:
1.) Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 1.735,18 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.) Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.) Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 25. November 2010 ereignet hat. Die alleinige Haftung des Beklagten zu 1. und seiner Haftpflichtversicherung, der Beklagten zu 2. steht zwischen den Parteien außer Streit.
Die Klägerin begehrt die Erstattung der restlichen Gutachterkosten sowie die Regulierung des Unfallschadens auf der Grundlage des gutachterlich bezifferten „differenzbesteuerten“ Wiederbeschaffungswertes.
Der Sachverständige … erstellte unter dem 01. Dezember 2010 ein schriftliches Sachverständigengutachten über den Umfang der am klägerischen Fahrzeug entstandenen Schäden und der erforderlichen Reparaturkosten. Der Sachverständige stellte der Klägerin das Gutachten unter dem 01. Dezember 2010 mit 887,55 € netto in Rechnung (vgl. Bl. 33 d.A.). Hierauf leistete die Beklagte zu 2. lediglich einen Teilbetrag in Höhe von 356,31 €.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der gesamte, vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag erstattungsfähig sei.
Der Sachverständige bewertete in seinem Sachverständigengutachten den Wiederbeschaffungswert für das verunfallte klägerische Fahrzeug mit 8.900,00 €, „differenzbesteuert“ mit 8.682,93 €. Die Beklagte zu 2. regulierte den Schaden an dem klägerischen Fahrzeug auf der Grundlage des vom Sachverständigen festgestellten Wiederbeschaffungswertes in Höhe von 8.900,00 €, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer in Höhe von 19%, mithin in Höhe von 7.478,99 €. Die Klägerin begehrt die Zahlung des Differenzbetrages zum „differenzbesteuerten“ Wiederbeschaffungswertes in Höhe von 1.203,94 €.
Die Klägerin macht ferner die Erstattung der restlichen, nicht festsetzungsfähigen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend. Sie ist der Ansicht, dass Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 9.527,99 € entstanden sind, wobei sich unter Ansatz einer 1,5-Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale ein zu erstattender Betrag in Höhe von 749,00 € ergebe. Hierauf habe die Beklagte zu 2. lediglich 693,50 € reguliert.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.735,18 € nebst Zinsen jeweils in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem Jahreszinssatz seit dem 23.12.2010 zu zahlen,
die Beklagten ferner zu verurteilen, an die Klägerin restliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 55,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2010 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, dass die von dem Sachverständigen abgerechneten Kosten überhöht seien. Nach den Empfehlungen des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVKS) sei ein Honorar in Höhe von lediglich 356,31 € angemessen, so dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung des begehrten Differenzbetrages in Höhe von 531,24 € nicht zustehe. Die von dem Sachverständigen in Rechnung gestellten Einzelkosten, insbesondere die Kilometerpauschale mit 1,70 €/km, der Lichtbilder mit 2,50 €/Stück sowie der Schreibkosten mit pro Seite von 3,00 € sowie der Kopien mit 0,75 €/Seite seien unangemessen hoch. Die ferner in Rechnung gestellten Kosten für Büromaterial sowie Kommunikationskosten seien darüber hinaus vom Grundhonorar mit umfasst.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Klägerin sich hinsichtlich des erstattungsfähigen Wiederbeschaffungswertes die Mehrwertsteuer in Höhe von 19% entgegenhalten lassen müsse. Die Klägerin selbst sei vorsteuerabzugsberechtigt. Daher mache für sie der Erwerb eines „differenzbesteuerten“ Fahrzeugs keinen Sinn, sie könne vielmehr ein Fahrzeug mit ausgewiesener Umsatzsteuer günstiger erwerben.
Sie sind ferner der Ansicht, dass hinsichtlich des Ersatzes der nicht festsetzungsfähigen, außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten lediglich eine 1,3-fache Gebühr angemessen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig und weitestgehend begründet.
1.
Die Klägerin kann von den Beklagten als Gesamtschuldner die Zahlung des begehrten Schadensersatzes in der beantragten Höhe gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, §§ 823, 249 BGB i.V.m. §§ 1, 3 PflVersG beanspruchen.
Die alleinige Haftung der Beklagten an dem Unfallgeschehen steht zwischen den Parteien außer Streit.
a.
Die Klägerin kann zunächst von den Beklagten die Zahlung der gesamten, ihr von dem Sachverständigen … unter dem 1.12.2010 in Rechnung gestellten 887,55 € netto (Bl. 33 d.A.) beanspruchen.
Der Geschädigte ist nach den schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint, so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu begehen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Bei der Ersatzpflicht der Gutachterkosten ist generell auf das anerkennenswerte Rechtsverfolgungsinteresse des Geschädigten abzustellen. Dabei sei er regelmäßig nicht verpflichtet, sich nach dem „günstigsten“ Sachverständigen zu erkundigen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann der Geschädigte vielmehr davon ausgehen, dass sich der Sachverständige, der nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist, im Rahmen des ihm eingeräumten billigen Ermessens bei der Bemessung seiner Sachverständigenvergütung hält. Hat der Geschädigte keine Hinweise darauf, dass die für das Gutachten in Rechnung gestellten „Gebühren“ völlig aus dem üblichen Rahmen fallen bzw. in keinerlei vernünftigem Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen, so kann er diese Kosten vom Schädiger ersetzt verlangen (BGH, NJW 2007, 1450 f. Rdz. 16 f; OLG Nürnberg, VRS 103, 321 Rdz. 27 ff.; OLG Naumburg, NJW-RR 2006, 1029 Rdz. 48 ff.). Der Sachverständige hat in seiner Rechnung vom 1.12.2010 den Rechnungsbetrag und die Rechnungspositionen detailliert aufgeführt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass für die Klägerin erkennbar war, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festgesetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen. Die Klägerin kann daher die Erstattung der gesamten Sachverständigenkosten beanspruchen. Die Frage, inwieweit die Klägerin etwaige Rückforderungsansprüche gegen den Sachverständigen wegen einer ggf. überhöhten Rechnung an die beklagte Versicherung abzutreten hat, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kapitel 3, Rdz. 118, 121).
Die Beklagten dringen auch nicht mit ihrem Einwand durch, wonach die Höhe der zu erstattenden Kosten sich u.a. auch an die Vorschriften des ZSEG zu orientieren habe. Die Vorschriften des ZSEG lassen sich nur auf die Entschädigung eines gerichtlichen Sachverständigen anwenden. Das ZSEG gilt nur für diesen Fall, da das Gesetz auf Werten beruht, die auf die Rechtsbeziehung des Geschädigten zum Schädiger nicht übertragbar sind (Geigel, a.a.O., Rdz. 118; BGH a.a.O., Rdz. 21).
b.
Die Klägerin kann von den Beklagten ferner den Ersatz der restlichen Wiederbeschaffungskosten in der beantragten Höhe beanspruchen. Bei der Frage, in welchem Umfang ein Abzug der Umsatzsteuer vorzunehmen ist, ist entscheidend darauf abzustellen, ob entsprechende Ersatzfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt überwiegend regelbesteuert, differenzbesteuert oder umsatzsteuerfrei veräußert werden. Im gewerblichen Kfz-Gebrauchtwarenhandel ist die Differenzierungsbesteuerung die Regel, so dass sie bei der Regulierung eines Kfz-Schadens regelmäßig zugrunde zu legen ist. Eine andere Beurteilung wird dann vorgenommen, wenn es sich bei dem verunfallten Fahrzeug um ein Nutzfahrzeug, gewerblich genutztes Sonderfahrzeug, einen Pkw des Luxussegments oder um ein älteres Fahrzeug handelt, das erfahrungsgemäß nur noch von Privatpersonen veräußert wird (vgl. Geige! a.a.O., Kapitel 5, Rdnr. 15; Palandt-Grüneberg, 70. Aufl., § 249, Rdnr. 30). Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich zwar um ein offenbar als Auslieferungsfahrzeug genutztes Fahrzeug. Das Fahrzeug ist jedoch augenscheinlich kein sog. Sonderfahrzeug, sondern wie auch aus der Fahrzeugbeschreibung in dem Gutachten (Bl. 167 d.A.) sowie den Lichtbilder Bl. 52 ff.; Bl. 176 ff.) hervorgeht, ein übliches Serienfahrzeug, das auch an Privatpersonen verkauft wird. Unter Berücksichtigung des Alters des Fahrzeugs von knapp vier Jahren geht das Gericht daher mangels weiterer Anhaltspunkte in Anwendung des § 287 ZPO davon aus, dass derartige Fahrzeuge überwiegend im gewerblichen Handel differenzbesteuert angeboten werden.
Die Klägerin kann daher von den Beklagten die Erstattung des Differenzbetrages zwischen des von der Beklagten zu 2. bereits regulierten Betrages auf der Grundlage eines 19%-igen Umsatzsteuerabzuges und dem vom Sachverständigen festgestellten „differenzbesteuerten“ Wiederbeschaffungswertes in Höhe des beantragten Betrages in Höhe von 1.203,94 € beanspruchen.
2.
Der Zinsanspruch begründet sich unter dem Gesichtpunkt des Ersatzes des Verzugsschadens gemäß §§ 280, 286, 288 BGB.
3.
Die Klägerin kann von den Beklagten jedoch nicht die Erstattung des darüber hinausgehend geltend gemachten Betrages für die nicht festsetzungsfähigen, außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten beanspruchen. Zwar bewegt sich die von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgenommene Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr innerhalb der sog. Toleranzgrenze (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011, Az: IX ZR 110/10). Eine vom Gericht zu tolerierende Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt liegt jedoch gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG nur dann vor, wenn sie aufgrund der Umstände des Einzelfalls in Verbindung mit den vier Bemessungskriterien getroffen worden ist. Es wurde insoweit von Seiten der Klägerin nicht weiter dargelegt, welche konkreten Umstände Veranlassung gegeben haben, von der bei durchschnittlichen Verkehrsunfällen üblichen 1,3-fachen Regelgebühr abzuweichen und eine 1,5-fache Gebühr rechtfertigen (Gerold/SchmidtA/.Eicken RVG, 17. Aufl., § 14 Rdnr. 12 m.w.N.). Die Anwendung der Toleranzgrenze würde anderenfalls dazu führen, dass die übliche 1,3-fache Regelgebühr ohne weitere Begründung faktisch zu einer 1,5-fachen Gebühr erwächst, die einer weiteren Überprüfung und Abänderung entzogen ist.
Der weitere Klageantrag ist daher unbegründet.
Die Klage ist daher in dem erkannten Umfang begründet.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung war hier als geringfügig im Sinne des § 92 Abs. 2 ZPO anzusehen, so dass die Beklagten als Gesamtschuldner die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.