Mit Urteil vom 15.05.2009 (7 C 61/09) hat das AG Calw die AXA Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 51,24 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Fraunhofer Tabelle sowie die Zinn-Erhebung ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Bezahlung von restlichen Mietwagenkosten aus der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges im Schadensfall X., versichertes Fahrzeug Y. betreffend den Verkehrsunfall vom xx.xx.2006 in Höhe von 51,24 € aus §§ 7, 17 StVG, 823 I BGB, 1, 3 PflVG 398 ff BGB i V m §§ 249 ff BGB.
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerseite auf Bezahlung restlicher Mietwagenkosten insbesondere über die Höhe der angemessenen Mietwagenkosten.
Die Klägerin hat die Mietwagenkosten für die Anmietung eines Fahrzeuges im Zeitraum 21. bis 22.8.2008 wie folgt abgerechnet:
Durchschnittsnormaltarif
Schwacke 2007, Gruppe 2, PLZ Gebiet 708 186,80 €
15% Aufschlag 28,02 €
Summe 214,82 €
Die Beklagte bezahlte auf die Mietwagenkosten den Betrag von 152,32 €, so dass die Klägerin den noch offenen Differenzbetrag von 62,50 € geltend macht.
Die Klage ist jedoch nur in Höhe des Betrages von 51,24 € begründet.
Nach gefestigter Rechtsprechung kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH NJW 2007, 2916 m.w.N.). Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin das Mietfahrzeug bei der Firma Z. gemietet. Allerdings macht die Klägerin lediglich die Beträge aus der Schwacke-Mietpreisliste 2007, Gruppe 2, Postleitzahlengebiet 708 geltend.
Die objektiv erforderlichen Kosten hat das Gericht aufgrund § 287 ZPO zu schätzen (BGH, NJW 2007, 2916 ff). Dabei kann der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ 2007 im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln.
Allerdings rechnet die Klägerin mit dem arithmetischen Mittel aus der Tabelle und nicht mit dem sog. Modus, dem gewichteten Mittel, das nach der Rechtsprechung der Referatsrichterin zugrunde zu legen ist.
Nach Ansicht des Gerichts ergibt sich dann folgende Rechnung:
Tarif für 2 Tage (2 x 72,85 €) 145,70 €
Vollkasko für 2 Tage (2 x 18,00 €) 36,00 €
Summe 181,70 €
Zuzüglich Zuschlag 15 % aus 145,70 € 21,86 €
Gesamtsumme 203,56 €
Abzüglich bezahlter Betrag 152,32 €
Restbetrag 51,24 €
Die Beklagte bezweifelt zwar, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel im vorliegenden Fall überhaupt herangezogen werden kann. Die Zweifel gründen darin, dass sich die Normaltarife gegenüber 2003 merklich erhöht haben. In der von der Beklagten zitierten Untersuchung von Zinn aus dem Jahr 2007 (Zinn, Der Stand der Mietpreise in Deutschland im Sommer 2007) basierend auf etwa 15.000 anonym bei 437 Vermietstationen durchgeführten Telefonaten ist der Autor zu dem Ergebnis gekommen, dass die im Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 genannten Normaltarife erheblich über den von den Anbietern genannten Preisen lagen (zwischen 47 % und 120,37 %). Die gegen die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels von 2006 und 2007 vorgebrachten Argumente überzeugen das Gericht jedoch nicht. Dass sich die Normaltarife im Vergleich zum Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 erhöht haben, verwundert in Anbetracht der seit 2004 vollzogenen Rechtsprechungsänderung nicht. Wenn die (naheliegende) These zutrifft, dass die Vermieter die Normaltarife durch überteuerte Unfallersatztarife quersubventioniert haben, ist diese Entwicklung geradezu zwingend. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel von 2003 als Schätzgrundlage noch problematischer erscheint. Immerhin hat der BGH darauf abgestellt, dass die Unfallersatztarife nicht maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt worden seien. Dann aber ist der Schwacke-Mietpreisspiegel, der dieses gestörte Marktgeschehen wieder gibt, als Schätzgrundlage ungeeignet. Daher ist der Schwacke-Mietpreisspiegel 2007 als Schätzgrundlage für den vorliegenden Fall zugrunde zu legen.
Nach Ansicht des Gerichts stellt die Untersuchung von Zinn auch nicht die Anwendbarkeit der Schwacke-Mietpreisspiegels von 2006 und 2007 in Frage (vgl. Vuia, Die Ermittlung des „Normaltarifs“ und des „pauschalen Aufschlags“ in der Unfallersatztarifrechtsprechung des BGH, NJW 2008, 2369 ff). Aufgrund der von Zinn angewendeten Erhebungsmethode ist davon auszugehen, dass in die Untersuchung in nicht unerheblichem Maße Tarife mit Sonderkonditionen eingeflossen sind. Im Rahmen der von Zinn durchgeführten Testanrufe wurden bestimmte Legenden verwendet, die sich Überwiegend dadurch auszeichnen, dass der (potentielle) Kunde eine hohe Flexibilität in den Modalitäten der Anmietung aufweist. Dies führt dazu, dass der Vermieter in der Lage ist, weniger ausgelastete Fahrzeuge zu Sonderkonditionen anzubieten. Bei der Anmietung in einer Unfallsituation wird die Inanspruchnahme von Sonderkonditionen dagegen regelmäßig nicht in Betracht kommen. Selbst wenn der Geschadigte zu einer Vorleistung bereit ist, hat er doch Anspruch auf ein klassengleiches Fahrzeug. Auch ist er regelmäßig auf einen bestimmten Anmietungszeitpunkt angewiesen. Die Dauer der Anmietung lässt sich nicht immer genau voraussehen Die Abholung und die Rückgabe des Fahrzeugs am Ort der Anmietung wird häufig nicht möglich sein. Dann scheidet aber auch die Anmietung zu günstigeren Konditionen aus.
Soweit gegen den Schwacke-Mietpreisspiegel eingewendet wird, dass dieser keine Internettarife berücksichtige, überzeugt dies ebenfalls nicht. Der Schwacke-Mietpreisspiegel soll den Tarif wieder geben, der auf dem „freien“, allgemein zugänglichen Markt durchschnittlich von jedem Kunden verlangt wird. Bei Internetangeboten handelt es sich um ein eigenständiges Marktangebot für besondere Nutzergruppen. Diese Angebote werden vor allem darauf angelegt sein, eine möglichst hohe Auslastungsquote zu erreichen. Letztlich wird es mehr oder weniger vom Zufall abhängen, ob der Geschädigte im Internet ein klassengleiches Fahrzeug findet.
Nicht von der Hand zu weisen sind möglicherweise die grundlegenden Schwächen des Schwacke-Mietpreisspiegels aus statistisch-methodischer Sicht. Diese Schwächen gelten jedoch für die Tabelle aus 2003 gleichermaßen wie für die Tabellen 2006 und 2007. Es ist aber nicht Sinn und Zweck des § 287 ZPO, eine mathematisch exakte Ermittlung zu ermöglichen. Vielmehr soll die Schätzung der Wahrheit möglichst nahe kommen. Solange keine genauere Schätzgrundlage vorhanden ist, bestehen daher gegen die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 aus Sicht des Gerichts keine durchgreifenden Bedenken. Da in die Erhebung die Nennung sämtlicher Vermietstationen und nicht lediglich der einzelnen Anbieter einfließen, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass im Schwacke-Mietpreisspiegel die Marktanteile bei der Gewichtung ausgeblendet werden.
Soweit in den Schriftsätzen der Beklagtenseite auf den „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″ des Frauenhofer Institutes Arbeitswirtschaft und Organisation verwiesen wird, ist festzustellen, dass sich diese Erhebung zu einem Großteil auf sog. „Internetpreise“ stützt und damit zumindest teilweise Tarife erfasst sind, die eine Vorbuchzeit voraussetzen, was bei sogenannten „Vor-Ort-Tarifen“ regelmäßig nicht der Fall ist. Der „Marktpreisspiegel“ des Fraunhofer Institutes räumt zudem unbestritten ein, dass die Datenbereitstellung der Studie ohne Anspruch auf Richtigkeit Aktualität und Vollständigkeit erfolgt ist. Schließlich ist zu beobachten, dass dieser „Marktpreisspiegel“ Durchschnittspreise für sehr viel weiträumigere Postleitzahlengebiete zusammenfasse als dies bei der Schwackeliste 2007 der Fall ist, die nach den ersten 3 Ziffern differenziert (Landgericht Dresden, Urteil vom 8.10.2008 Aktenzeichen 4 S 247/08).
Damit war der Klage in Höhe von 51,24 € stattzugeben, im Übrigen war sie abzuweisen.
Soweit das AG Calw.