Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
zum Wochenende stellen wir Euch hier ein Urteil aus Cham zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. vor. Im Ergebnis ist das Urteil zwar richtig, in der Begründung jedoch teilweise fehlerhaft. So werden die restlichen Sachverständigenkosten, obwohl sie durch die Rechnung konkret belegt und bewiesen sind, über § 249 II 1 BGB geprüft. Hinsichtlich der restlichen Sachverständigenkosten besteht, da die Abtretung erfüllungshalber erfolgt ist, nach wie vor eine Zahlungsverpflichtung des Geschädigten dem Sachverständigen gegenüber. Diese Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung ist ein zu ersetzender Schaden, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung entschieden hat (vgl. BGHZ 59, 148, 149 f.; BGH NJW 1986, 581, 582 f.; BGH NJW 2005, 1112, 1113; BGH NJW 2007, 1809 Rn. 20; BAG NJW 2009, 2616 Rn. 18; Offenloch ZfS 2016, 244, 245). Dieser Schaden, der unmittelbar mit dem Unfallereignis zusammenhängt, ist über § 249 I BGB zu regulieren. Der BGH hat bereits mit Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – entschieden, dass die Sachverständigenkosten zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, wenn eine Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Insoweit hätte das erkennende Gericht § 249 I BGB anwenden und die restlichen Sachverständigenkosten als konkreten Schaden ansehen müssen. Eines ist aber erfreulich an dem Urteil des AG Cham vom 10.1.2017: Das erkennende Gericht hat – zu Recht – die Anfertigung von 4 Exemplaren des Gutachtens für erforderlich angesehen. Wenn die HUK-COBURG immer wieder fordert, dass nur zwei Exemplare notwendig seien, so kann sie sich in Zukunft mit einer Kopie begnügen, was dann allerdings Protest hervorrufen würde. Mit zutreffender Begründung hat daher das Gericht vier Exemplare für erforderlich angesehen. Eigentlich müssten es sogar fünf Exemplare sein: Eines für den Geschädigten, eines für die Werkstatt, eines für den Anwalt des Geschädigten, eines für die Versicherung und ein weiteres für das Gericht!!! Denn ohne Rechtsstreit sind heute kaum noch Unfallschäden abzurechnen und durchzusetzen. das gilt auch für die erforderlichen Sachverständigenkosten. Was denkt Ihr? Lest selbst das Urteil des AG Cham und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und einen schönen Sonnabend
Willi Wacker
Amtsgericht Cham
Az.: 8 C 567/16
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., vertreten durch d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96450 Coburg
-Beklagte-
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Cham durch den Richter am Amtsgericht Dr. G. am 10.01.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 496a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 633,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von je 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz
aus einem Betrag von 147,05 EUR seit 01.04.2014
aus einem Betrag von 70,90 EUR seit 26.04.2014
aus einem Bewag von 148,88 EUR seit 19.06.2014
aus einem Betrag von 111,83 EUR seit 22.10.2014
aus einem Betrag vom 104,79 EUR seit 01.05.2015
zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 421,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.07.2016 zu bezahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 583,47 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahern nach billigem Ermessen. lnnerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus restlichen Schadensersatz aua §§ 7, 18 StVO, 823 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i. V. m.§ 398 ff. BGB in Höhe von 583,47 EUR. Die außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 421,20 EUR sind nach §§ 260, 286 BGB erstattungsfähig.
Der Kläger macht eine von den Geschädigten abgetretene Schadensersatzforderung geltend. Allein ausschlaggebend für die Berechtigung derForderung ist daher zunächst die Sicht der Geschädigten.
Ein Unfallgeschädigter kann einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Fahrzeug beauftragen und vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Erforderlich sind dabei die Aufwendungen, die ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der konkreten Lage des Geschädigten tätigen würde.
Hierbei besteht für den Geschädigten grundsätzlich die Pflicht zur Schadensminderung naoh § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB. Mitverschulden im Sinne des Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 ist gegeben, wenn der Geschädigte die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergreifen würde (BGH NJW 11, 1529). Dies muss nach Treu und Glauben geprüft werden.
Es ist zu prüfen, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat. Dabei sind seine Individuellen Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Bei der Auswahl des Kfz-Sachverständigen ist der Geschädigt frei, einen in seiner Lege erreichbaren, qualifizierten Sachverständigen zu beauftragen. Er ist auch grundsätzlich nicht zu seiner Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. (BGH VersR 2014, 474).
Dennoch ist dem Geschädigten eine im Rahmen der Wirtschaftlichkeit gebotene Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der geforderten und später berechneten Preise zumutbar (BGH Urteil vom 28.04.2016).
Nur wenn für den Geschädigten erkennbar ist, dass die Gutachterkosten die in der Branche normalerweise üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit, einen anderen zur Verfügung stehenden preisgünstigeren Sachverständigen zu beauftragen.
Dass die Geschädigten bei Beauftragung über derartige Erkenntnisse verfügten, ist jedoch nicht ersichtlich. Auch nach Erhalt der Honoraabrechnung liegt ebenfalls kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor, zumal da die Gutachterkosten innerhalb des HB III-Korridor derBVSK liegen und in der Summe als angemessen angesehen werden. Immerhin rechnen 5 % der Sachverständigen mehr ab, als der HB III-Konidor angibt.
Auch hinsichtlich der Duplikate, Lichtbilder und Nebenkosten des Sachverständigen liegt kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor.
Eine erhöhte Anzahl der objektiv erforderlichen Duplikate ist nicht ersichtlich. Das Original wurde an die Versicherung versandt. Ein Duplikat erhielt die Werkstatt, ein weiteres der Geschädigte und eines der Anwalt.
Die Anzahl der gefertigten Lichtbilder waren objektiv aus der Sicht eines vernünftig denkenden Menschen notwendig und angemessen, insbesondere haben die Geschädigten keine Einflussmöglichkeit wie viele Lichtbilder der Sachverständige macht und durften auch darauf vertrauen, dass diese erforderlich sind. Ein Kfz-Sachverständiger ist im Rahmen seines Berufs regelmäßig mit Unfällen konfrontiert und besitzt daher auch die gewisse Erfahrenheit und Routine, wie viele Lichtbilder erforderlich sind, um den Schaden bestmöglich zu beweisen. Da man von einem Sachverständigen auch erwartet, dass der Schaden auf den Lichtbildern letztendlich auch gut erkennbar ist, sind auch mehrere Bilder pro Schadensfall notwendig und angemessen. Zumal da auch erst nach der Entwicklung der Bilder erkennbar ist, welche Bilder scharf sind und den Schaden bestmöglich darstellen.
Auch die Nebenkosten, wie Porto-, Telefon- und Fahrtkosten des Klägers sind nicht zu beanstanden.
II.
Der Zinsanspruoh beruht auf §§ 286, 288 BGB.
Da die Beklagte mit Schreiben vom 31.03.2014 Zahlung im Fall H. P. D. abgelehnte, befindet sie sich seit dem 01.04.2014 in Verzug.
Im Fall B. F. setzte der Kläger mit Schreiben vom 09.04.2014 eine Frist zum 24.04.2014, eine Zahlung seitens der Beklagten erfolgte nicht. Sie befindet sich seit 25.04.2014 in Verzug.
Im Fall J. D. setzte der Kläger mit Schreiben vom 11.06.2014 eine Frist zum 18.06.2014, eine Zahlung seitens der Beklsatan erfolgte nicht. Sie befindet sich seit 19.06.2014 in Verzug.
Im Fall S. W. setzte der Kläger mit Schreiben vom 13.10.2014 eine Frist zum 21.10.2014, eine Zahlung seitens der Beklagten erfolgte nicht. Sie befindet sich daher seit 22.10.2014 in Verzug.
Im Fall K. W. lehnte setzte der Kläger mit Schreiben vom 16.04.2015 eine Frist zum
30.04.2015, eine Zahlung seitens der Beklagten erfolgte nicht. Sie befindet sich daher seit 01.05.2015 in Vorzug.
III.
Der Anspruch auf vorgerichtliche Reohtsanwaltskosten beruht auf §§ 280, 286 BGB. Der diesbezügliche Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 BGB,
IV.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 ZPO, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Erkennbar wollten die Geschädigten die jeweils entstandenen Gutachterkosten nicht über § 249 II 1 BGB fiktiv abrechnen, sondern nach § 249 S.1 BGB, so dass mit Vorlage einer existierenden Rechnung auch eine Schätzung nicht veranlasst war.-
Ein Auswahlverschulden, die Person des jeweiligen Sachverständigen betreffend, war wohl auch nicht festzustellen und damit kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht der Unfallopfer, wie von der HUK-Coburg unisono behauptet.
Dass die jeweiligen Auftraggeber mit dem Sachverständigen keinen Pauschalpreisvertrag auf Basis des HUK-Coburg-Tableaus abgeschlossen haben, dürfte auch unstreitig sein.
Die HUK-Coburg Vers. ist somit den Beweis schuldig geblieben, das die Kürzungsbeträge n i c h t erforderlich waren bzw. dass insoweit keine Schadenersatzverpflichtung bestand.
Vor diesem Hintergrund war der versicherungsseitige Vortrag schadenersatzrechtlich nicht erheblich, zumal diverse Gerichte entschieden haben, dass das HUK-Coburg-Tableau kein Maßstab für den zu erbringenden Schadenersatz ist.
Es kommt auch nicht darauf an, ob die Rechnung des Sachverständigen überhöht ist. Die vertragsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Sachverständigen und dem Geschädigten sind von der schadensersatzrechtlichen Beziehung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger zu unterscheiden.
Eine unter vertragsrechtlichen Gesichtspunkten überhöhte Rechnung ist grundsätzlich erstattungspflichtig sofern nicht der Tatbestand des Wuchers feststellbar ist, denn der Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe seines Auftraggebers. Folglich kann die Berechnung des Schadens auch nicht von „Mängeln“ aus Verträgen abhängig gemacht werden, die der Geschädigte abgeschlossen hat, um den Schaden zu beheben. Die Erstattungspflicht einer Sachverständigenrechnung richtet sich nach schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere nach § 249 BGB (Müller in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts, Verkehrsrecht 4. Aufl., Kapitel 6, Rz. 224 u. 226, Seite 463 u. 464) und das ist auch der hier Beklagten selbstverständlich bekannt.
Erstattungsfähig ist, was „dem wirtschaftlich denkenden Menschen „in der Lage des Geschädigten“ zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint“ (BGH NJW 2007, 1450 ff = DS 2007, 144 m. zutr. Anm. Wortmann).
Eingefügt aus AG Darmstadt verurteilt mit lesenswertem Urteil vom 17.7.2015 – 308 C 28/15 – den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG zur Zahlung der restlichen, von der HUK-COBURG rechtswidrig gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht..
D.M.
AG CHAM und AG NORDERSTEDT bieten kein gutes Pflaster für die Vorstellungen der HUK-Coburg Vers. Warum das teilweise im Ruhrpott , am AG / LG Wuppertal und am AG / LG Hagen extrem anders ist, werden wir auch noch zu klären wissen.
H.F.
VI ZR 67/06 erklärt nach 249 I und 249 II, es macht also keinen Sinn, immer einseitig zu ignorieren, oder? „1. Im Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler hält das Berufungsgericht die Kosten des Sachverständigengutachtens dem Grunde nach für erstattungsfä- hig. Diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforder- lich und zweckmäßig ist (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03 – VersR 2005, 380; BGH, Urteil vom 29. November 1988 – X ZR 112/87 – NJW-RR 1989, 953, 956). Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. Senatsurteile vom 6. November 1973 – VI ZR 27/73 – VersR 1974, 90, insoweit in BGHZ 61, 346 nicht abgedruckt; vom 29. Januar 1985 – VI ZR 59/84 – VersR 1985, 441, 442; vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03 – aaO; Wortmann, VersR 1998, 1204, 1210 f.).“
Hallo Iven, lies mal VI ZR 27/73. Dort geht es darum, ob das Unfallopfer einen Kredit zur Vorfinanzierung – überhaupt auf Kosten – des Schädigers aufnehmen durfte. Dies wurde nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB bejaht. Es ging nicht darum, ob der konkrete Betrag der Kreditkosten nach § 249 Abs. 1 Satz 1 BGB in voller Höhe vom Schädiger zu erstatten war.
Iven, und dann lies in aller Ruhe VI ZR 67/06 und Du wirst das stinkende, weil faule Ei, welches dort vom 6. Senat gelegt wurde, finden.
Gruß Virus