Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
hier und heute stellen wir Euch noch ein Urteil aus Coburg zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG mit positivem Ergebnis vor. Das Ergebnis des Rechtsstreits vor dem Haudgericht der HUK-COBURG wird dieser sicherlich nicht schmecken, zumal festgestellt wurde, dass die von ihr vorgenommenen Kürzungen rechtswidrig waren. Am Anfang der Urteilsbegründung wurde alles völlig korrekt dargestellt. Dann aber erfolgte leider wieder der richterliche Rückgriff auf die werkvertragliche Überprüfung der Einzelpositionen auf der Grundlage der BVSK-Honorarbefragung. Als ob die Richter nicht begreifen können, dass die Honorarbefragung des BVSK lediglich die werkvertraglich üblichen Rechnungsbeträge angibt. Im Schadensersatzprozess kommt es aber auf die werkvertraglichen Gesichtspunkte wie Angemessenheit und Üblichkeit im Sinne der §§ 631, 632 BGB nicht an. Trotzdem handelt es sich bei dem nachstehend dargestellten Urteil um eines der besseren Urteile aus Coburg. Insbesondere da es sich bei der Beklagten um die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG gehandelt hat, die bekanntlich ihren Sitz in Coburg hat. Lest aber selbst und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Coburg
Az.: 12 C 866/17
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg
– Beklagte –
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Coburg durch die Richterin am Amtsgericht K. am 29.08.2017 aufgrund des Sachstands vom 25.08.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 59,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.10.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 59,64 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat weiter einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe von 59,64 €.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Klägerin ist Eigentümerin des verunfallten Fahrzeuges. Aus der Anlage B 1 folgt keine Abtretung der Schadenersatzansprüche an den Sachverständigen. Insbesondere wurde keine Abtretungserklärung vorgelegt.
Die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens (Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 58; BGH NJW-RR 1989, 956). Der Schädiger hat daher die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 58; BGH NJW 1974, 35; BGH NJW 2007, 1451). § 249 Abs. 2 S. 1 BGB beschränkt den Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten auf den objektiv erforderlichen Herstellungsaufwand.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte deshalb vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nur den Ersatz derjenigen Sachverständigenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich halten darf (BGH VersR 2005, 380; BGH NJW 2007, 1452). Der Geschädigte hat dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (so BGH, 6. Zivilsenat, 11.02.2014, VI ZR 225/13). Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen (so BGH, 6. Zivilsenat, 11.02.2014, VI ZR 225/13).
Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (so BGH, 6. Zivilsenat, 11.02.2014, VI ZR 225/13). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH, NJW 2014, 3151 ff.). Es ist dabei grundsätzlich anerkannt, dass ein Sachverständiger sein Honorar zeitunabhängig und pauschal nach Grundhonorar und Nebenkosten abrechnen darf.
Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Sachverständigen abgerechneten Preisen für die Begutachtung um den erforderlichen Herstellungsaufwand, denn die Rechnung ist nicht in einer Weise überhöht, dass selbst ein Laie die Überhöhung erkennen hätte müssen und als wirtschaftlich denkender Mensch die Sachverständigenrechnung nicht bezahlt hätte.
Die Berechnung eines Grundhonorars in Höhe von 360,00 € bei Reparaturkosten in Höhe von 1.505,45 € netto ist für einen verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen nicht erkennbar erheblich überhöht dar. Dies deswegen weil, dass abgerechnete Grundhonorar unter den höchsten Werten des Korridors der BVSK-Honorarbefragung 2015 (HB III und HB IV) liegt. Bei einem Nettoschaden bis zu 1.750,00 € netto rechnen danach 90 % der BVSK-Mitglieder maximal 370,00 € bzw. 95 % der BVSK-Mitglieder maximal 376,00 € ab. Eine Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung im Rahmen der Schadensschätzung durch das Gericht gemäß § 287 ZPO ist anerkannt und zulässig. Bei der Schadensschätzung können grundsätzlich Listen oder Tabellen Verwendung finden (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2008, Aktenzeichen VI ZR 164/07).
Dabei kann das Gericht sich am üblichen Sachverständigenhonorar orientieren, wie es in der Honorarbefragung des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK) ermittelt wird. Die Befragung wird bereits seit Jahrzehnten durchgeführt und bildet einen wichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit von Sachverständigenhonoraren. Zudem bildet der BVSK den größten Zusammenschluss freiberuflicher qualifizierter Kfz-Sachverständiger in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass die im Rahmen der Befragung erlangten Ergebnisse nicht ohne Realitätsbezug sind. Deshalb sind diese geeignet um einen Anhaltspunkt für eine Schätzung im Sinne des § 287 ZPO zu bilden. Auch kann die BVSK-Tabelle 2015 zu Grunde gelegt werden (so Landgericht Coburg; AZ: 33 S 78/15). Das Grundhonorar übersteigt zwar dem Mittelwert nach HB II und HB IV. Es liegt jedoch unter HB IV und HB III, so dass keine subjektive Erkennbarkeit für den Geschädigten vorliegt. Mithin ist das Grundhonorar nicht im Ansatz überhöht.
Hinsichtlich geltend gemachten Nebenkosten gelten dieselben Grundsätze wie für das abgerechnete Grundhonorar. Die abgerechneten Nebenkosten sind nicht erkennbar überhöht.
Auch bei den Nebenkosten ist grundsätzlich auf die BVSK-Honorarbefragung 2015 abzustellen (Landgerichts Coburg, AZ: 32 S 71/15 und 32 S 79/15). Ausweislich der BVSK-Honorarbefragung 2015 sind für den 1. Fotosatz 2,- €, den 2. Fotosatz 0,50 €, für Fahrtkosten 0,70 €, für Schreibkosten 1,80 € je tatsächlich beschriebene Seite, für Kopien 0,50 € und für Porto/Telefon 15,- € jeweils netto zu berücksichtigen waren.
Die Fahrkosten und die Pauschale für Porto/Telefon entsprechen der BVSK-Befragung. Die Lichtbilder für den 1. Fotosatz entsprechen nicht der BVSK-Befragung (2,50 € statt 2,00 €), auch die Schreibkosten liegen darüber (7 Originalseiten und 3 Kopien). Insoweit ist das Gericht jedoch der Ansicht, dass aufgrund der geringfügigen Überschreitung dieser Werte es für einen Geschädigten nicht subjektiv erkennbar überhöht war. Gleiches gilt für die Kosten für Audatex/Schwacke mit 10,00 €. Diese Position ist grundsätzlich vom Grundhonorar mit um-fasst. Das Grundhonorar liegt bei 360,00 €. Addiert man die Nebenkosten mit 10,00 € hinzu, liegt das Grundhonorar immer noch unter HB III und entspricht HB IV.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
Das Gericht befasst sich m.E. viel zu ausführlich mit der Brauchbarkeit der BVSK-Erhebung und man sollte sich insoweit nicht vom „Ergebnis“ her blenden lassen, denn auch hier wurde wiederum unter werkvertraglichen Beurteilungskriterien rechtswidrig geprüft und die BGH-Grundsatzentscheidung VI ZR 67/06 vom 23.01.2007 ebenso ignoriert, wie das Urteil des OLG Bamberg und des OLG Saarbrücken.
In VI ZR 67/06 ist nämlich aufgeführt, dass weder das Gericht noch der Schädiger im Schadensersatzprozess berechtigt sind, eine Preiskontrolle auch bei den Sachverständigenkosten durchzuführen, sofern der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt. Diesen Rahmen wahrt der Geschädigte, wenn er zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe beweissichernd einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen hinzuzieht, denn er selbst ist regelmäßig nicht in der Lage, den Schadensumfang und die Schadenshöhe anzugeben und zu beweisen. Da der Geschädigte regelmäßig die Höhe der zu berechnenden Sachverständigenkosten nicht beeinflussen kann, sind grundsätzlich die berechneten Sachverständigenkosten ein nach § 249 I BGB zu ersetzender Vermögensnachteil, der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfallschaden steht.
Wo überhaupt Veranlassung bestehen könnte, die Frage der Erforderlichkeit weiter auszuleuchten, hat der
IX. Zivilsenat des BGH mit folgendem Beschluss vom 24.07.2003 (IX ZR 131/00) verdeutlicht:
„Honorarvereinbarungen dürfen im Hinblick auf die Verfassungsgarantie der Berufsausübung (Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz) in ihrer Rechtswirksamkeit nicht ohne ausreichenden Sachgrund beschnitten werden.
Eine Honorarvereinbarung kann grundsätzlich das Sittengesetz nicht verletzen, wenn sie zu einem aufwandsangemessenen Honorar führt (BGH Urteil vom 03.04.2003 aaO).
Die äußerste Grenze eines angemessenen Honorars ist überschritten, wenn der Auftragnehmer seinen Aufwand in grober Weise eigensüchtig aufbläht und das Wirtschaftlichkeitsgebot wissentlich außer Acht lässt.
Das ist der Fall, wenn die äußerste Grenze eines aufwandsangemessenen Honorars um etwa das Doppelte überschritten wird.“
Der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag umfasst auch die Kosten, welche der Geschädigte für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufwenden musste (vgl. auch: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 249 Rn. 58).
Die Vorschrift des § 249 BGB verpflichtet den Schädiger grundsätzlich, im Rahmen seiner Haftung die dem Geschädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen.
Es ist nicht Anliegen der Norm, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen.
In einer marktwirtschaftlichen Ordnung, in der gerade auch die Beklagte ihr Geschäft betreibt, kann der Gesetzgeber bei Bedarf Berufsbilder normieren, beispielsweise das eines Kfz-Sachverständigen und Gebührenordnungen vorgeben. Tut er dies nicht, sind die allgemein geltenden zivilrechtlichen Grenzen bei der Preisbestimmung anwendbar, nämlich die Grenzen der Sittenwidrigkeit und die Vorschriften bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten, wobei letztere nur eingeschränkt herangezogen werden können.
Ein Verstoß gegen all diese zivilrechtlich maßgeblichen Vorschriften ist auch nicht ansatzweise dargetan. Der Beklagten sind die Sachverständigenkosten schlicht zu teuer, was nachvollzogen werden kann, aber eben nicht ortsunüblich noch sittenwidrig, noch unangemessen, sondern schlicht marktwirtschaftlich.
Aus < AG St. Ingbert 9 C 210/16 (10) vom 15.9.2016
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