Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
da wir gerade bei dem Thema „Werkstattrisiko“ sind, stellen wir Euch hier noch ein Urteil aus Cuxhaven zu den Standkosten gegen die VGH Versicherung vor. Es handelt sich dabei um ein weiteres Urteil zum Thema „Werkstattrisiko“, bei dem das erkennende Amtsgericht Cuxhaven sogar Bezug nimmt auf das heute auch hier im Captain-Huk-Blog vorgestellte Urteil des LG Bad Kreuznach vom 25.7.2014, das auch in NJW-RR 2015, 227 ff. veröffentlicht ist. Auch bei dem AG Cuxhaven wird die Werkstatt als Erfüllungsgehilfe des Schädigers bei der Wiederherstellung nach § 249 I BGB – zu Recht – angesehen, dessen eventuelle Fehler zu Lasten des Schädigers gehen (vgl. auch BGH BGHZ 63, 182 ff.). Gleiches gilt für den Sachverständigen, den das OLG Naumburg (in DS 2006, 283 ff.) ebenfalls als Erfüllungsgehilfen des Schädigers angesehen hat. Auch dessen eventuelle Fehler – auch bei der Berechnung seiner Kosten – gehen zu Lasten des Schädigers mit der Möglichkeit des Vorteilsausgleichs (vgl. Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.). Die im Urteilstext hervorgebenen Textstellen sind durch den Autor in Fettschrift versehen worden. Lest aber selbst das Urteil des AG Cuxhaven vom 4.1.2018 – 5 C 538/16 – und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht
Cuxhaven
5 C 538/16
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
VGH Landschaftl. Brandkasse Hannover, vertr. d. d. Vorstand, Schiffgraben 4, 30159 Hannover
Beklagte
hat das Amtsgericht Cuxhaven im Verfahren gemäß § 495a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 18.10.2017 am 04.01.2018 durch den Richter am Amtsgericht F. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 330,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Abfassung des
Tatbestandes
wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus den §§ 115 Abs. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG i.V.m. §§ 7, 17, 18 StVG auf Zahlung weiterer Standkosten von 330,00 EUR.
Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich, denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Zu diesen Kosten gehören bei Verkehrsunfällen grundsätzlich auch die Standkosten. Erstattungsfähig sind jedoch nur die Kosten für jenen Zeitraum, der für die Prüfung der Art zu wählenden Schadensbeseitigung erforderlich ist (OLG Celle, Urt. v. 01.06.2016 – 14 U 74/15, NJW-RR 2016, 1497 (1499)). Hier war aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin als Geschädigten ein Zeitraum von 38 Tagen vom 13.08.2016 bis 19.09.2016 für diese Prüfung erforderlich, weil die Leasinggeberin vorher die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht herausgegeben hat, die erforderlich war, um das totalbeschädigte Fahrzeug verschrotten zu lassen. Dies folgt aus dem als Anlage K3 zur Akte gereichten Schreiben der Leasinggeberin vom 30.08.2017. Dass es möglicherweise auf Seiten der Leasinggeberin zu Verzögerungen bei der Schadensbearbeitung gekommen ist, kann wiederum nicht der Klägerin angelastet werden. Die Klägerin hat es als Leasingnehmerin nicht in der Hand, die internen Abläufe bei der Leasinggeberin zu beschleunigen. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 1 BGB, wenn der Geschädigte im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen sind, weil die Schadensabwicklung in einer fremden, weder vom Geschädigten noch vom Schädiger kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (so zum Werkstattrisiko LG Bad Kreuznach, Urt. v. 25.07.2014 – 3 O 28/12, NJW-RR 2015, 227 (229)).
Die Zinsentscheidung beruht auf den §§ 291, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Streitwert wird gemäß § 3 ZPO auf 330,00 EUR festgesetzt.