Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier geben wir Euch ein prima Urteil zur fiktiven Abrechnung und Kürzung der VGH zu Stundenverrechnungssätzen und Verbringungskosten nebst Sitzungsprotokoll bekannt. Leider hatte der Anwalt die Wertverbesserung „vergessen“, wodurch sich die Aufbürdung der anteiligen Verfahrenskosten ergibt. Die (junge) Richterin hatte am Anfang noch zur Klagerücknahme geraten, da sie der Meinung war, dass es sich um eine Werkstatt handelt, die technisch gleichwertig wie die Markenfachwerkstatt reparieren könnte. Nach der Beweisaufnahme mit der Zeugenbefragung des Werkstattbesitzers und des Klägeranwalts war sie dann wohl doch anderer Meinung. Deshalb muss man immer die Werkstättler zum Termin laden lassen. Das ist wichtig.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht
Cuxhaven
5 C 90/14 Verkündet am 24.09.2014
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Kläger
gegen
VGH Landwirtschaftliche Brandkasse Hannover, vertreten durch den Vorstand, Schiffgraben 4, 30159 Hannover
Beklagter
hat das Amtsgericht Cuxhaven auf die mündliche Verhandlung vom 27.08.2014 durch die Richterin … für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 448,74€ nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. März 2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 33% und die Beklagte 67%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.
Der Kläger erlitt am 08.06.2013 in Cuxhaven mit seinem Fahrzeug, einen VW T 5, amtliches Kennzeichen … Erstzulassung 10.11.2003, mit den bei der Beklagten versicherten Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … einen Verkehrsunfall, der von dem Fahrer des vorgenannten Fahrzeugs verursacht wurde. Die Haftung ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Parteien streiten lediglich über die Höhe des entstandenen Schadens. Der Kläger ließ sein Fahrzeug von dem Sachverständigen … begutachten, der für die Beseitigung des Schadens notwendige Nettoreparaturkosten in Höhe von 3.833,79 € feststellte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Die Beklagte zahlte hierauf lediglich 3.175,49 €, wobei sie Verbringungskosten in Höhe von 97,50 €, Lackierkosten in Höhe von 566,51 € und Lohnkosten in Höhe von 1,24 € in Abzug brachte. Die Beklagte verwies der Kläger auf eine in ihrer Sicht günstigere Vergleichswerkstatt, der Firma Autohaus … . Der von dem Kläger beauftragte Sachverständige ermittelte den Wert für die Wertverbesserung in Höhe von 216,51 €.
Der Kläger behauptet, die Firma Autohaus … hätte sein Fahrzeug nur zum Preis von 3.833,79 € repariert.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 665,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, der Kläger habe keinen Anspruch auf die weitergehend geltend gemachten Reparaturkosten, weil diese nicht unfallbedingt erforderlich im Sinne des § 249 BGB seien. Sie behauptet, der Kläger müsse sich angesichts des Fahrzeugalters auf eine kostengünstigere Reparatur bei dem Autohaus … in Cuxhaven verweisen lassen. Diese Werkstatt hätte für die Reparatur lediglich einen Betrag in Höhe von 3.175,49 € netto verlangt. Die Autohaus … sei vom Qualitätsstandart her vergleichbar mit einer markengebundenen Fachwerkstatt. Die Werkstatt habe zum Zeitpunkt des Juni 2013 für Mechanikarbeiten 89,60 € pro Stunde, für Karosseriearbeiten 99,36 € und für Lackierarbeiten 55,00 € pro Stunde zuzüglich 30 % Lack- Materialaufschlag veranschlagt. Verbringungskosten seien dort nicht angefallen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und… . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das^Sitzungsprotokoll (Blatt 74 – 77) Bezug genommen.
Ergänzend wird hinsichtlich des Parteivortrags auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Betrags von noch 448,74 € gem. § 823 Abs. 1, § 249 BGB i. V. m. § 115 VVG. Der Geschädigte hat gem. § 823 Abs. 1, § 249 BGB einen Anspruch auf Ersetzung der Aufwendungen, die ein wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für die Wiederherstellung eines Sachschadens für zweckmäßig und notwendig halten darf (Wirtschaftlichkeitsgebot). Der Geschädigte kann den erforderlichen Aufwand fiktiv auf der Basis eines Sachverständigengutachtens berechnen. Im Grundsatz sind die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt zu ersetzen, auch wenn diese erheblich höher sind als der aus dem Preisen der Fachwerkstätten ermittelte Durchschnittswert. Bei technischer Gleichwertigkeit der Reparatur kann der Geschädigte gem. § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB auf eine freie Werkstatt verwiesen werden, wenn ihm dies zumutbar ist. Hier kann jedoch offen bleiben, ob bei dem 10 Jahre alten und nicht scheckheftgepflegten Fahrzeug des Klägers zumutbar war, die Reparatur bei der Firma Autohaus … vorzunehmen und nicht bei einer markengebundenen Fachwerkstatt. Die beweisbelastete Beklagte hat den Beweis nicht erbringen können, dass die Firma Autohaus … die Reparatur des Fahrzeugs günstiger als die von dem Sachverständigen … veranschlagten Reparaturkosten erbracht hätte. Der Sachverständige … erachtete Nettoreparaturkosten in Höhe von 3.833,79 € als erforderlich. Die Beklagte hat zum Beweis der Tasache, dass die vorgenannte Firma die Reparatur günstiger durchgeführt hätte, den Zeugen … benannt. Dieser vermochte jedoch in der Hauptverhandlung ihre Behauptung nicht zu bestätigen. Insoweit ist unerheblich, dass Sonderkonditionen mit Versicherern bestehen, bei den Verbringungskosten nicht anfallen. Maßgeblich ist, welche Kosten für einen Privatmenschen entstehen, der die Reparatur in Auftrag gibt. Der Zeuge … erklärte weiter, dass grundsätzlich im Falle, dass jemand einen Kostenvoranschlag bei ihm einreiche, er selbständig prüfe, wie hoch die Reparaturkosten im Einzelfall ausfallen würden und er gebe die Preise in die EDV ein und errechne seinen eigenen Kostenvoranschlag. Der Rechtsanwalt H. gab, als Zeuge vernommen, an, dass er bei der Firma Autohaus … das Sachverständigengutachten des Herrn … eingereicht habe und Herr … angerufen und mitgeteilt habe, dass er das Fahrzeug zu den im Gutachten genannten Konditionen und Preisen reparieren würde.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 09.09.2104 beantragt, den Zeugen … ergänzend zu vernehmen, ob es zutreffe, dass die allgemeinen Aushangstundenverrechnungssätze zum Zeitpunkt des Verweises am 28.06.2013 für Mechanikarbeiten 89,16 €, für Karrosseriarbeiten 99,36 € und für Lackarbeiten 85,00 € netto betragen hätten. Diesen Antrag war nicht nachzugehen, da der Vortrag der Beklagten insoweit unsubstantiiert ist. Selbst wenn der Zeuge diese Fragen bejahen würde, wäre damit noch nicht geklärt, wie hoch die konkreten Repararturkosten für das Fahrzeug ausgefallen wären. Es handelt sich hierbei nicht um einen konkreten Kostenvoranschlag, dem man den Kostenvoranschlag des Sachverständigen … entgegenhalten könnte.
Hingegen ist die Klage in Höhe von 216,51 € abzuweisen, da laut dem Gutachten des Sachverständigen … bei Durchführung der Reparatur eine Wertverbesserung in Höhe von 216,51 € gegeben wäre. Diesen Betrag muss sich der Kläger abziehen lassen, da er durch das schädigende Ereignis nur Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, aber keinen Anspruch darauf hat, sich zusätzlich bereichern zu lassen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Amtsgericht
Cuxhaven
5 C 90/14 Cuxhaven, 27.08.2014
Öffentliche Sitzung des Amtsgerichts
Gegenwärtig
Richterin …
– ohne Protokollführer/in –
Das Speichermedium, auf dem dieses Protokoll diktiert ist, wird einen Monat nach Zugang der Protokollabschriften an die Parteivertreter gelöscht. Nach diesem Zeitpunkt können Beanstandungen nicht mehr entgegen genommen werden.
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Kläger
gegen
VGH Landwirtschaftliche Brandkasse Hannover, vertreten durch den Vorstand, Schiffgraben 4, 30159 Hannover
Beklagter
erschienen bei Aufruf der Sache:
1,) für den Kläger Herr Rechtsanwalt H.
2.) für die Beklagte Herr Rechtsanwalt …
Herr Rechtsanwalt … überreichte eine Vollmacht zur Terminsvertretung, die als Anlage 1 zum Protokoll genommen wird.
Außerdem erschienen ist der Zeuge … . Der Zeuge wurde gemäß § 395 ZPO zur Wahrheit ermahnt und auf die Strafbarkeit uneidlicher oder eidlicher Falschaussagen hingewiesen. Der Zeuge verließ sodann den Sitzungssaal.
Es wird sodann in die Güteverhandlung eingetreten.
Der Sach- und Streitstand wurde mit den Parteien im Rahmen der Güteverhandlung erörtert.
Vergleichsgespräche scheiterten. Eine gütliche Einigung kam nicht in Betracht.
Es wird sodann in die mündliche Verhandlung eingetreten. Es folgten die Sachanträge:
Der Klägervertreter stellt den Klagantrag aus der Klageschrift vom 13.02.2014. Der Beklagtenvertreter stellt den Antrag, die Klage abzuweisen. Es wird sodann in die Beweisaufnahme eingetreten.
Der Zeuge … wurde hereingerufen und wie folgt vernommen:
Zur Person:
Ich heiße … , bin geboren am … , wohnhaft in … , Geschäftsführer und mit keiner der Parteien verwandt oder verschwägert.
Zur Sache:
Mit mir hat keiner der Parteien Kontakt aufgenommen, mein Vater, Herr … ist bereits verstorben. Ich kann sagen, dass es in unserem Unternehmen verschiedene Verrechnungssätze gibt, je nachdem ob es sich um den Bereich Karosserie, Elektronik oder Mechanik handelt oder ob ein Großauftraggeber den Auftrag erteilt. Es bestehen auch Vereinbarungen mit den einzelnen Versicherern. Meine Firma hat den gleichen Qualitätsstandard wie eine Markenfachwerkstatt, die Ausbildung unserer Mitarbeiter ist die Gleiche, es handelt sich um dieselben Kfz-Meisterbriefe. Lackierarbeiten können in unserer Firma nicht gemacht werden, diese werden fremd vergeben an ein anderes Unternehmen. Es werden Verbringungskosten zu diesem Unternehmen fällig, wenn nicht eine Versicherung den Auftrag erteilt. In diesem Fall bestehen Sonderkonditionen, wo Verbringungskosten nicht anfallen. Der Klägervertreter hält dem Zeugen vor, dass er mit Schreiben vom 14.10.2013 das von ihm erholte Sachverständigengutachten an den Zeugen übersandt hat und nachgefragt hat nach einem Kostenvoranschlag für die Reparatur. In diesem Zuge überreicht der Klägervertreter ein Schreiben vom 14.10.2013, welches als Anlage 2 zum Protokoll genommen wird. Der Klägervertreter hält dem Zeugen vor, dass er am folgenden Tage, 15.10.2013, 11:30 Uhr, ein Telefonat mit dem Zeugen geführt hat, in dem der Zeuge sich bereit erklärt hat, die Reparatur zu dem in dem Gutachten genannten Preis zu erbringen. Der Zeuge erklärte hierzu, dass er sich an dieses Telefonat nicht erinnert. Dass es nicht stattgefunden habe, kann er nicht ausschließen. Der Zeuge erklärt weiter, es bestehen mit über 50 Firmen verschiedene Kostenvereinbarungen. Wenn jemand einen Kostenvoranschlag bei uns einreicht, dann prüfe ich selbstständig, wie hoch die Reparaturkosten bei uns im Einzelfall ausfallen würden und gebe die Preise in die EDV ein und errechne so meinen eigenen Kostenvoranschlag.
Laut diktiert und genehmigt. Auf nochmaliges Vorspielen wurde verzichtet. Der Zeuge wird um 11:45 Uhr entlassen.
Der Rechtsanwalt H. bietet Beweis an zu der Tatsache, dass der Zeuge … am 15.10.2013 bereit erklärt hat, die Reparatur zu dem im Sachverständigengutachten genannten Betrag zu übernehmen.
Beschlossen und verkündet:
Der Rechtsanwalt H.g soll als Zeuge vernommen werden. Der Zeuge wurde auf seine Wahrheitspflicht hingewiesen.
Zur Person:
V. H. , Rechtsanwalt, mit den Parteien nicht verwandt oder verschwägert.
Zur Sache:
Ich habe von derVGH Versicherung den Hinweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit bei der Firma … erhalten. Die Firma … , so war mir bekannt, hat unterschiedliche Verrechnungs- und Vergütungssätze. Das war mir aus mehreren Prüf- und Verweisungsberichten der Versicherung bekannt. Ich wollte ausschließen, dass sich die Firma … auf Stundenberechnungssätze beruft, die auf Sonderkonditionen mit Versicherern beruhen. Daher habe ich mit Schreiben vom 14.10.2013 bei der Firma … unter Einreichung des Sachverständigengutachtens einen Kostenvoranschlag eingeholt. Am 15.10.2013, 11:32 Uhr, rief Herr … mich an und teilte mir mit, dass er das Fahrzeug zu den im Gutachten genannten Konditionen und zu den dort genannten Preisen reparieren würde.
Die Parteien erklären, dass mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren Einverständnis besteht. Der Beklagtenvertreter beantragte Stellungnahmefrist von 2 Wochen.
Laut diktiert und genehmigt. Auf nochmaliges Vorspielen wird verzichtet.
Die Parteien verhandelten mit den eingangs gestellten Anträgen.
Beschlossen und verkündet:
Dem Beklagtenvertreter wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen hinsichtlich des Beweisergebnisses durch Einvernahme des Rechtsanwalts H. gestattet.
Ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung wird bestimmt auf
Mittwoch, den 24. September 2014, 09:00 Uhr, Saal 112.
Auch hier windet sich ein Zeuge, der von der Versicherung benannt wurde. Er will sich nicht an das Telefonat mit dem Rechtsanwalt erinnern…
Wie oft kommt es in dieser Verweisungswerkstatt denn vor, daß ein Rechtsanwalt ein Sachverständigengutachten an die Werkstatt schickt und anschließend fragt, ob die Werkstatt zu diesen Konditionen reparieren würde?
Da ist das Nichterinnern dann eine willkommene Möglichkeit, keine der Versicherung nachteilige Aussage zu machen, ohne die volle Wahrheit zu sagen…
… deshalb ist es wichtig, die Werkstattleiter oder -inhaber als Zeugen vor Gericht laden zu lassen. Selbst wenn sie sich drehen und winden und sich an nix erinnern, dann leidet ihre Glaubwürdikeit. Und ein unglaubwürdiger Zeuge ist kein guter Zeuge.