AG Darmstadt verurteilt zur Zahlung restlicher Gutachterkosten aus abgetretenem Recht, verneint aber Anspruch auf Gerichtskostenzinsen mit Urteil vom 13.2.2013 – 315 C 236/12 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

die Urteilsreise durch Deutschland geht weiter. Nachfolgend gebe ich Euch ein Urteil des AG Darmstadt bekannt. Wie so oft ging es um gekürzte Sachverständigenkosten aus einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Die vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen klagten aus abgetretenem Recht. Die Aktivlegitimation wurde unter Bezug auf BGH VI ZR 260/10 bejaht. Ebenso wurde die Erstattungspflicht der restlichen, vorher gekürzten Sachverständigenkosten bejaht. Nicht zugesprochen wurden jedoch die  Gerichtskostenverzinsung bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsgesuches. Lest aber selbst das Urteil des AG Darmstadt. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor zugesandt durch die Anwaltskanzlei Dr. Imhof und Partner, Aschaffenburg.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Darmstadt

Geschäfts-Nr.: 315 C 236/12

Urteil
Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

D., D. & K. GbR gesetzlich vertreten durch die Gesellschafter R. D. und R. T. aus  G-Z.

Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.

gegen

Herrn U. K. aus M.

Beklagter

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte W. & K. aus F.

hat das Amtsgericht Darmstadt durch die Richterin am Amtsgericht … im schriftlichen Verfahren gem. § 495a ZPO nach dem Verfahrenstand vom 13.02.2013 für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5%punkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 1.3.2012 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5%punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.3.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313a I ZPO abgesehen. Gegen das Urteil ist unzweifelhaft kein Rechtsmittel zulässig, weil die Berufungssumme nicht erreicht wird.

Tatbestand

Die zulässige Klage ist in der Hauptsache (Antrag zu 1) begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 40,27 € aus abgetretenem Recht gem. §§ 7 I StVG, 249 Abs.2 Satz 1 BGB i.V.m. § 398 BGB aus dem Verkehrsunfall vom 2.1.2012, für dessen Schadensfolgen unstreitig der Beklagte zu 100% haftet.

Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Abgetreten wurde ausweislich des eindeutigen Inhalts der Abtretungsurkunde konkret und bestimmt der Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten für das streitgegenständliche Gutachten. Für eine Heranziehung der Rechtsprechung des BGH zur Unbestimmtheit einer Abtretung (BGH VI ZR 260/10) besteht nicht der geringste Anlass.

Der Einwand des Beklagten, die dem Geschädigten in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten seien um 40,27 € überhöht, ist unerheblich.

Nach feststehender Rechtsprechung sind auch überhöhte Rechnungen eines Sachverständigen dem Geschädigten wegen seiner begrenzten Erkenntnismöglichkeiten grundsätzlich zu erstatten (BGH NJW 2007, 1450 ff.; OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029 ff.), da der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, sondern des Schädigers ist und etwaige Fehler des Sachverständigen demzufolge dem Schädiger zuzurechnen sind. Sachverständigenkosten sind nach insoweit feststehender obergerichtlicher Rechtsprechung dann nicht zu erstatten, wenn der Geschädigte mit dem Sachverständigen ein offensichtlich überhöhtes Honorar vereinbart, ihm ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er grobe und offensichtliche Unrichtigkeiten der Vergütungsberechnung missachtet oder gar selbst verursacht (Vgl. BVerfG Schaden-Praxis 2008, 162-163 m.w.N.).

Keine dieser Alternativen ist hier gegeben, was sich schon aufgrund der geringen streitgegenständlichen Differenz zum gezahlten Betrag der Sachverständigenkosten aufdrängt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht insoweit als die Klägerin pauschal Nebenkosten in Höhe von 75,00 € in Rechnung gestellt hat. Auch insoweit ist es der Beklagten verwehrt, sich auf eine Überhöhung zu berufen (vgl. OLG Naumburg a.a.O.). Eine Unangemessenheit der Nebenkosten ergibt sich nicht schon aus dem prozentualen Verhältnis von Nebenkosten zu Gutachtenkosten. Es kommt darauf an, ob die Gesamthöhe der berechneten Kosten für den Geschädigten offensichtlich grob falsch ist. Auch die Haftpflichtversicherung des Beklagten hat sich im vorgerichtlichen Schreiben vom 17.1.2012 nur auf die Abweichung des Bruttoendbetrages der Rechnung von dem Gesprächsergebnis BVSK 2009-HUK-Coburg bezogen. Aus einem niedrigen Gesamtschaden als Ergebnis des Gutachtens ist nicht auf niedrige Nebenkosten zu schließen. Die Sachverständigenkosten von 396,27 € stehen auch nicht außer Verhältnis zu den berechneten Reparaturkosten. Die Bagatellschadensgrenze von 700,00 € ist überschritten (vgl. dazu BGH NJW 2005, 356).

Nachdem auf die Sachverständigenrechnung in Höhe von 396,27 € nur 356,00 € gezahlt wurden, besteht der Anspruch der Klägerin in Höhe von 40,27 €.

Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nur in Höhe von insgesamt 46,41 €, so dass noch der ausgeurteilte Betrag von 27,66 € verbleibt, nachdem ausweislich des Mahnbescheids ein Betrag von 18,75 € bereits mit der Mahnverfahrensgebühr verrechnet wurde.

Für die außergerichtliche Tätigkeit der Klägervertreter kann keine höhere Gebühr als die Regelgebühr von 1,3 verlangt werden. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihre Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen wäre, was auch angesichts des feststehenden Sachverhaltes nicht zu begründen wäre. Die von der Klägerin zitierte Toleranzrechtsprechung ändert daran nichts. Nach der letzten dazu ergangenen Entscheidung des BGH (VIII ZR 323/11 vom 11.7.2012) ist die Erhöhung der Regelgebühr von 1,3 nur möglich, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich und schwierig war. Eine 1,3 Gebühr aus dem Wert 40,27 zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer beträgt 46,41 €.

Zinsen auf beide Forderungen stehen der Klägerin in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes gem. §§ 280 II, 286 I, 288 I BGB zu.

Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Mahnkosten. Die Klägerin behauptet nur ein Mahnschreiben vom 23.1.2012. Die Kosten der Erstmahnung, d.h. der den Verzug erst begründenden Mahnung, sind nicht erstattungsfähig. Vorher bestand kein Verzug des Beklagten.

Der Feststellungsantrag ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Verzinsung der verauslagten Gerichtskosten von 75,00 € mit 5%punkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang des Kostenvorschusses bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags.

Der Anspruch besteht weder aufgrund der Verpflichtung des Beklagten als allein haftendem Unfallschädiger zur Erstattung der angemessenen Kosten der Rechtsverfolgung aus §§ 823, 249 BGB noch aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

Zwar ist anerkannt, dass neben dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Kostenerstattung bestehen kann. Dieser Anspruch setzt eine materiellrechtliche Anspruchsgrundlage voraus. Er ist beschränkt auf vorprozessuale oder außerprozessuale Kosten, die in Bezug auf einen möglichen oder geführten Rechtsstreit aufgewendet worden sind, aber nicht kraft Veranlasserhaftung, sondern kraft Verschuldens-, evtl. auch Gefährdungshaftung ersetzt werden müssen. (Zöller-Herget, vor § 91 Rn 11). Der sog. materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch umfasst die Vorbereitungskosten eines Prozesses als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, etwa außergerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Der Verzug des Beklagten mit der Erfüllung der Schadensersatzforderung aus dem Verkehrsunfall begründet keineswegs bereits die fahrlässige Verursachung des zur Feststellung begehrten Zinsschadens der Klägerin in Höhe des Verzugszinssatzes gem. § 288 I BGB in Bezug auf die als Vorschuss vorausgezahlten Prozesskosten. Der Begriff der materiellen Kostenerstattung umfasst grundsätzlich nicht die reinen Prozesskosten (Gebühren und Auslagen nach RVG und GKG), die wegen und ab Einleitung eines Gerichtsverfahrens durch bloße Veranlassung ausgelöst werden (BGH WM 87,248 hier zitiert nach juris bei RN 30; Zöller-Herget, ZPO, vor § 91 RN 11). Ein vorprozessualer oder außerprozessualer Zinsschaden durch die Notwendigkeit der Einzahlung des Prozesskostenvorschusses wird im Streitfall nicht dargelegt. Er ist auch bei eingezahlten Gerichtskosten von 75,00 € kaum vorstellbar. Denkbar ist ein materieil-rechticher Schadensersatzanspruch wegen des Zinsschadens bei einzuzahlendem Gerichtskostenvorschuss in Fällen, in den der Kläger für den Kostenvorschuss einen Kredit aufnehmen muss, ihm also ein vorprozessualer Schaden tatsächlich entsteht. Der Zinsschaden, der ab Einzahlung des Vorschusses entsteht, ist jedoch kein vorprozessualer oder außerprozessualer. Im Umkehrschluss aus der Aussage des BGH (a.a.O.), dass Kosten, deren Entstehungsgrund nicht der Rechtsstreit selber ist, auch Gegenstand eines materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs sein können, folgt, dass Rechtsverfolgungskosten, die gerade durch die Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelöst werden, nur nach prozessrechlichen Grundsätzen zu erstatten sind. Zu diesen Kosten gehört der geltend gemachte Zinsschaden, der deshalb nicht über die gesetzliche Regelung in § 104 i ZPO hinaus aus einer materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage begründet ist. Es besteht daher auch kein Feststellungsanspruch insoweit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Das Teilunterliegen der Klägerin betrifft mit dem Feststellungsantrag eine überaus geringfügige Forderung im Wert von geschätzt unter 1 €, die keine zusätzlichen Kosten verursacht hat, und eine Nebenforderung, die im Streitwert nicht berücksichtigt wird.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff.11, 713 ZPO.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 40,27 €.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Darmstadt verurteilt zur Zahlung restlicher Gutachterkosten aus abgetretenem Recht, verneint aber Anspruch auf Gerichtskostenzinsen mit Urteil vom 13.2.2013 – 315 C 236/12 -.

  1. Ra Imhof sagt:

    Zinsen auf die eingezahlten Gerichtskosten gibts ab dem Einzahlungstermin beim OLG Frankfurt,beim OLG Hamburg,beim OLG Karlsruhe,beim LG Saarbrücken und bei vielen weiteren Gerichten,so auch bei manchen Richtern des AG Darmstadt,nur hier halt eben nicht.
    Tja,die Wege des Herrn……

  2. Willi Wacker sagt:

    Lieber RA. Imhof,
    dass die Richterin in diesem Verfahren – m.E. zu Unrecht – die Gerichtskostenzinsen nicht zugesprochen hat, hatte ich im Vorspann vermerkt. Auch mir ist bekannt, dass die wohl überwiegende Rechtsprechung die Gerichtskostenzinsen zuspricht. Meines Erachtens auch mit guten Gründen, denn ohne den Regulierungsverzug des Schädigers oder dessen Versicherers wäre es nicht zu der Klage – und damit zur Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses – gekommen.
    Aber so ist es nun mal in der Rechtsprechung. Manchmal sind die Gründe von Entscheidungen unergründlich.
    Mit freundl. koll. Grüßen
    Willi Wacker

  3. Bert Gramm sagt:

    also das liest sich schon mal spannend an, sagte ich gerade in einem Blog wo ich den Link hierher gefunden hatt – und es geht spannend weiter. Ich muss den Link mal bookmarken, leider geht mir die Zeit aus. Wäre schön wenn hier mal ein Bookmark eingebaut wird 🙂

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