AG Diez verurteilt im Schadensersatzprozess den Schädiger, dessen Versicherer LVM Münster dem Rechtsstreit beigetreten ist, mit Urteil vom 14.3.2018 – 3 C 114/17 – zur Zahlung der von der LVM gekürzten Sachverständigenkosten.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

kurz bevor das WM-Spiel mit deutscher Beteiligung beginnt, stellen wir Euch hier ein Urteil aus Diez im Schadensersatzprozess um restliche Sachverständigenkosten gegen den LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G., der dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten ist,  und den bei ihm Versicherten als gerichtlich in Anspruch Genommenen vor. Auch hier erfolgte durch das erkennende Gericht – zu Recht – wieder eine klare Absage gegen das willkürliche Kürzungsverhalten der eintrittspflichtigen Versicherung. Allerdings überzeugt die Begründung nicht in jeder Hinsicht, denn das Gericht nimmt eine unzulässige Preiskontrolle im Schadensersatzprozess vor, obwohl eine konkrete Rechnung vorlag. Den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen hat der Geschädigte mit der Hinzuziehung des qualifizierten Kfz-Sachverständigen eingehalten, denn er selbst konnte die beweissichernde Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe nicht vornehmen. Ihm fehlte die erforderliche Sachkunde. Da der Sachverständige der Erfüllungsgehilfe des Schädigers zum Zwecke der Wiederherstellung ist, gehen ohnehin eventuell vorliegende Fehler zu Lasten des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherers.  Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. 

Viele Grüße und einen schönen Fußballnachmittag
Willi Wacker

Aktenzeichen:
3 C 114/17

Amtsgericht Diez

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. & P. aus A.

gegen
1.    …

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. & D. aus A.

2.    LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G., vertreten durch den Vorstand, Kolde-Ring 21, 48126 Münster

– Nebenintervenientin zu 1 –

wegen Schadensersatz aus Unfall/Vorfall
hat das Amtsgericht Diez durch die Richterin am Amtsgericht W. am 14.03.2018 auf Grund des Sachstands vom 14.03.2018 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1.        Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 169,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.04.2017 zu zahlen.

2.        Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Die Kosten der Nebenintervention trägt die Nebenintervenientin selbst.

4.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5.        Die Berufung wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Parteien streiten vorliegend um restliche Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht betreffend Sachverständigenkosten aufgrund eines Verkehrsunfalls in Singhofen. Die vollständige Haftung des Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls weitere 169,82 € Sachverständigenkosten zu zahlen.

Soweit der Beklagte nunmehr eine Beauftragung des Sachverständigen … durch den Kläger bestreiten will, ist dies im Hinblick darauf, dass vorgerichtlich bereits ein erheblicher Teil der Sachverständigenkosten gezahlt worden sind, unsubstantiiert und unerheblich. Es fragt sich, warum dann vorgerichtlich gezahlt und reguliert worden ist.

Aus der Tatsache, dass der Kläger vorgerichtlich Teilzahlungen abgelehnt hat, kann der Beklagte nichts herleiten. Es ist unstreitig ein Teil gezahlt worden und vom Kläger auch – entgegen der zunächst getätigten Äußerung – auch angenommen worden. Damit ist in der gezahlten Höhe Erfüllung eingetreten.

Der Schädiger hat grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Sachverständigenkosten zu ersetzen, soweit diese aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind. Hinsichtlich der hier nur noch streitgegenständlichen Kosten ist dabei maßgeblich, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten  im Rahmen des Erforderlichen halten, d.h. die Kosten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich erachtet. Er ist dabei nicht gehalten Marktforschung zu betreiben. Dabei genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast durch Vorlage einer Rechnung des von ihm in Anspruch genommenen Sachverständigen. Dieser bildet die Grundlage und das Indiz für die Erforerlichkeit der geltend gemachten Aufwendungen (vgl mit weiteren Nachweisen BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13 mit weiteren Nachweisen).

Dies ist hier der Fall. Die Abrechnung des hier beauftragten Sachverständigen entspricht auch nach ständiger Rechtsprechung einer rechtlich zulässigen Preisgestaltung. Ein Preisvergleich ist einem Geschädigten in der Regel nicht möglich und nicht zuzumuten. Der Streit über die Höhe der Gutachterkosten kann nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden.

Etwas anderes kann immer nur dann gelten, wenn der Geschädigte sich im Einzelfall eine Verletzung der Schadensminderungspflicht entgegenhalten lassen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Geschädigten auf den ersten Blick hätte auffallen müssen, dass das Honorar des Sachverständigen nicht einer üblichen Vergütung nach § 632 BGB und der Billigkeit im Sinne des §315 BGB entspricht. Dies ist vorliegenden offensichtlich nicht der Fall.

Entgegen der Ansicht der Beklagten können auch die im Rahmen der BVSK Honararbefragungen üblichen Beträge angesetzt werden.

Engegen der Ansicht der Beklagten sind diesem Honorar die geltend gemachten Nebenkosten für Schreibauslagen, Kilometerkosten, Lichtbilder, Schreibgebühren, Porto, Telefon, EDV und Kalkulation Kosten hinzuzusetzen.

Inwieweit die genannten Kosten für übersetzt angesehen werden, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Im Übrigen gilt hier auch das oben Gesagte.Warum der Geschädigte diese hätte erkennen sollen, erschließt sich nicht.

Der Einwand gegen die Fahrtkosten kann ebenfalls nicht durchgreifen. Grundsätzlich muss es dem Sachverständigen überlassen bleiben, inwieweit er in einem vertretbaren Rahmen Fahrtkosten ansetzen will. Auch im übrigen vermag er die Kosten pauschaliert geltend zu machen. Im übrigen gilt das oben Gesagte.

Die Ausführungen des Beklagten zu einem Unfallhelferring gehen erkennbar fehl. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist offensichtlich ins Blaue hinein aufgestellt. Darüber hinaus findet die Rechtsauffassung auch im von dem Beklagten zitierten Urteil des OLG München keine Grundlage. Zwar sind entsprechende Ausführungen im redaktionellen Leitsatz des C-H. Beck-Verlages zu finden, nicht jedoch in den dort veröffentlichten Gründen selbst. Darüber hinaus klagt hier der Geschädigte selbst, nicht der Sachverständige. Die zitierte Rechtsprechung des BGH vom 21.06.2016 hat mit dem hiesigen Fall erkennbar nichts zu tun.

Nach allemdem war der Klage stattzugeben.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 ZPO nicht vorliegen.

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5 Antworten zu AG Diez verurteilt im Schadensersatzprozess den Schädiger, dessen Versicherer LVM Münster dem Rechtsstreit beigetreten ist, mit Urteil vom 14.3.2018 – 3 C 114/17 – zur Zahlung der von der LVM gekürzten Sachverständigenkosten.

  1. Schinderhannes sagt:

    Es ist in der Tat ein Phänomen, dass sich Gerichte immer wieder zu einer unzulässigen Preiskontrolle veranlasst sehen, obwohl der BGH eine solche verworfen hat, denn wenn eine Rechnung und vielleicht sogar eine Honorarvereinbarung vorliegt, ist eine solche schadenersatzrechtlich nicht erforderlich, wie auch nicht eine Bezugnahme auf die Honorarumfrage eines Berufsverbandes.

    Zutreffend hat der BGH in seinem Urteil vom 24.Oktober 2017 VI ZR 61/17 auch als beachtenswert ausgeführt:

    “ Der Tatrichter ist gehalten, solche Listen oder Schätzgrundlagen einer PLAUSIBILITÄTSKONTROLLE zu unterziehen.“

    Würde das in dem dazu erforderlichen Umfang tatsächlich auch berücksichtigt, wären Hindernisse aus einer solchen Bezugnahme ausgeräumt. Liest man jedoch in Urteilen entsprechende Bezugnahmen, so wird deutlich, dass von einer tatsächlich erfolgten Plausibilitätskontrolle gerade nicht ausgegangen werden kann, weil eine solche in der Regel noch nicht einmal ansatzweise erkennbar ist.

  2. HR sagt:

    Die LVM hat nicht Die Sachverständigenkosten gekürzt, sondern im Nebenkostenbereich nur einen Pauschalbetrag von 100,00 € entgegen der BGH-Rechtsprechung für ertattungspflichtig gehalten. Dazu war eine Bezugnahme auf eine BVSK-Befragung nicht erforderlich, es sei denn, der Kläger hätte sich auf eine solche ausdrücklich berufen. Eine darüber hinausgehende Betrachtungsweise unter werkvertraglichen Gesichtspunkten war somit auch nicht erforderlich.

  3. Iven Hanske sagt:

    „Die Parteien streiten vorliegend um restliche Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht“
    „Darüber hinaus klagt hier der Geschädigte selbst, nicht der Sachverständige.“
    Ist das ein Widerspruch, oder Factoring?

  4. Willi Wacker sagt:

    Hallo Iven Hanske,
    du hast Recht. Es ist tatsächlich ein Widerspruch in der Urteilsbegründung. Oben: abgetretenes Recht; unten: Klage des Geschädigten selbst.
    Auch Richter können irren. Irren ist nämlich männlich!
    Was ist aber, wenn Richterinnen irren?

  5. Iven Hanske sagt:

    # Willi Wacker
    🙂 Richterinnen irren nie, dass hat die Natur der Dinge für sich sinnvoll so bestimmt, denn in Halle gibt es Dinge, mit ganz viel natürlichen Irrsinn:-)

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