AG Dortmund urteilt, dass Geschädigter Kürzung der sachverständig angenommenen Stundenverrechnungssätze, Lackierkosten und UPE-Aufschläge nicht hinnehmen muß

Das AG Dortmund hat mit Urteil vom 02.02.2007 (435 C 11189/06) die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 298,62 € nebst Zinsen zu zahlen.

Aus den Gründen:

Der Kläger verlangt von den Beklagten restlichen Schadensersatz aufgrund eines Unfallereignisses vom 24.05.2006 in E. Die Beklagten haften unstreitig zu 100 %. Nach dem Gutachten des Sachverständigen V. beträgt der Nettoreparaturschaden am Fahrzeug des Klägers 1.961,96 €. Von der begehrten fiktiven Abrechnung auf Gutachterbasis hat die Beklagte 298,62 € in Abzug gebracht. Des weiteren sind für die Nachbesichtigung des Fahrzeuges Kosten in Höhe von 45,00 € angefallen. Der Kläger beantragt die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 343,62 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagten beantragen Klageabweisung. Sie behaupten, aufgrund des Prüfberichtes der Beklagten zu 2. sei zu Recht ein Abzug hinsichtlich der Lohnkosten in Höhe von 108,10 € in Höhe der Lackierkosten in Höhe von 121,25 € und in Höhe der sogenannten UPE-Aufschläge von 69,27 € vorgenommen worden. Der Kläger sei über dies mit Schreiben vom 08.06.2006 darauf hingewiesen worden, dass die Reparatur zu den günstigeren Reparaturkosten der Firma G. GmbH in X. durchgeführt werden könne. Sie sind weiter der Auffassung, dass die Nachbesichtigungskosten nicht erstattungsfähig seien.

Das AG hält die Klage für zulässig und überwiegend begründet. Dem Kläger steht restlicher Schadenersatz in Höhe von 298,62 € gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zu. Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Der Kläger begehrt fiktive Abrechnung aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen V., der die Reparaturkosten in Höhe von 1.961,96 € kalkuliert hat. Diesen Betrag haben die Beklagten bis auf einen Betrag von 298,62 € erstattet. Die von der beklagten Haftpflichtversicherung vorgenommenen Kürzungen sind unberechtigt.

Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann der Kläger von den Beklagten den für die Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Er kann ohne Rücksicht daruaf, ob und wie er den Schaden tatsächlich beseitigt, im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis abrechnen. Grundsätzlich wird die Dispositionsfreiheit durch die Schadensminderungspflicht des Geschädigten begrenzt. Aber nur der Geschädigte, der eine ohne weiteres zugängliche, günstigere gleichwertigere Reparaturmöglichkeit hat, muss sich auf diese verweisen lassen. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist allerdings nicht festzustellen, da es dem Kläger aufgrund des Prüfberichtes nicht zumutbar ist, sein Fahrzeug bei der FIrma G. GmbH in X. reparieren zu lassen. Der Prüfbericht berücksichtigt lediglich den Stundensatz der Alternativfirma, völlig losgelöst vom konkreten Unfallschaden. Es erfolgt keine Fahrzeugbesichtigung, keine eigene Bewertung und keine Kostenkalkulation der Alternativwerkstatt. Der Kläger hat keinerlei Gewähr dafür, dass die Firma G. GmbH bei konkreter Durchführung der Reparatur diese genau in dem Umfang vornehmen kann, wie der Sachverständige V. sie kalkuliert hat. Zur Überzeugung des Gerichtes ist damit gerade nicht gewährleistet, dass der Kläger das ihm zustehende Ziel einer vollständigen und umfassenden Reparatur mit den lediglich niedriger angesetzten Lohn-, Lackier- und Ersatzteilkosten erreichen kann. Der Kläger müßte sich zur Überzeugung des Gerichtes nur dann auf die kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen lassen, wenn ein konkretes verbindliches Angebot oder zumindest ein gleichwertiger Kostenvoranschlag der Alternativfirma vorliegen würde. So, wie ein verbindliches Restwertangebot die wirtschaftliche Schwelle setzt, die ein Geschädigter bei der Veräußerung seines Fahrzeuges nicht überschreiten darf, ohne gegen seine Schadensminderungobliegenheit zu verstossen, so würde ein verbindliches Angebot einer Werkstatt zur fachgerechten Beseitigung der im Gutachten ausgewiesenen Schaden eine zumutbare Alternativmöglichkeit darstellen, auf die sich der Geschädigte verweisen lassen muss. Ein verbindliches Angebot der Firma G. GmbH liegt allerdings nicht vor. Die Beklagten haben lediglich einen unverbindlichen Hinweis auf eine preisgünstig Reparaturmöglichkeit vorgelegt. Unbeachtlich ist dabei auch, dass der Kläger fiktiv abrechnet, sein Fahrzeug aber ohne Vorlage einer Reparaturrechnung ausweislich des Nachbesichtigungsgutachtens hat reparieren lassen. Das konkrete Verhalten des Geschädigten beeinflusst die Schadenshöhe nicht, solange die Schadensberechnung das Gebot der Wirtschaftlichkeit und das Verbot der Bereicherung beachtet. In diesem Rahmen ist der Geschädigte grundsätzlich hinsichtlich der Verwendung des zum Schadensausgleich erhaltenen Geldbetrages frei (vergl. BGH NJW 2003, 2086, 2088 m. w. N.). Dementsprechend hat der Kläger Anspruch auf die im Gutachten ausgeworfenen Stundenverrechnungssätze und Lackierkosten.

Der Kläger kann auch die Erstattung der Ersatzteilpreisaufschläge verlangen. Durch die Reparaturkostenkalkulation einschließlich der Ersatzteilpreisaufschläge hat der Sachverständige zum Ausdruck gebracht, dass in der Region und bei dem entsprechenden Fabrikat im Falle einer Reparatur typischerweise Ersatzteilpreisaufschläge in der Region erhoben werden. Soweit die Beklagten behaupten,  in den Werkstätten der Region würden diese Zuschläge üblicherweise nicht anfallen, ist dieses Bestreiten unsubstantiiert. Die pauschale Behauptung rechtfertigt auch keine Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dies liefe nämlich auf eine Ausforschung hinaus.

Der Ersatzteilpreisaufschlag kann auch bei fiktiver Schadensabrechnung in Ansatz gebracht werden. Durch die Neuformulierung des § 249 BGB wird deutlich, dass lediglich bei Geltendmachung der Mehrwertsteuer ein konkreter Nachweis erforderlich ist. Weitere Einschränkungen hat der Gesetzgeber nicht formuliert. Folglich würde bei erforderlichem konkreten Nachweis des UPE-Aufschlages eine Beschneidung der fiktiven Schadensberechnung eintreten.

Die Kosten für das Nachbesichtigungsgutachten sind allerdings nicht erstattungsfähig. Der Kläger hat mangels Vorlage einer Rechnung eine fachgerecht durchgeführte Reparatur des Pkw nicht nachgewiesen. Folglich ist nicht nachvollziehbar, wie es sich bei den Nachbesichtigungskosten um kausale Unfallschäden handeln soll.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesetz. Das Gericht hat die Berufung zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung erscheint die Frage inwieweit sich der Geschädigte auf günstigere Reparatur verweisen lassen muss und inwieweit bei fiktiver Abrechnung UPE-Aufschläge in Ansatz gebracht werden können.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Dortmund urteilt, dass Geschädigter Kürzung der sachverständig angenommenen Stundenverrechnungssätze, Lackierkosten und UPE-Aufschläge nicht hinnehmen muß

  1. Virus sagt:

    Ein weiterer „lieber“ Gruß an die Adresse von controlexpert und Co.
    Bei Info an die DIHK/IHK die hier gelisteten Urteile mit anfügen, damit die Damen und Herren nachvollziehen können, wovon die Rede ist.

    Gutes Gelingen.

    Virus

  2. Siegfried Sturm sagt:

    Hallo Willi Wacker,
    wieder ein schönes Urteil, mit dem UPE-Zuschläge und Fachwerkstattlöhne zugesprochen wurde. Weiter so.

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