Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von den Sachverständigenkosten nun zu einem anderen Thema der Schadensregulierung, das ebenfalls häufig zu Schadenskürzungen durch die Versicherer genutzt wird. Es handelt sich um die fiktive Schadensabrechnung nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall. Grundsätzlich stehen dem Unfallopfer nach einem unverschuldeten Vekehsunfall zwei Wege zur Verfügung, einmal die Reparatur bzw. Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs und andererseits die Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens. In dem Schadensgutachten gibt der Sachverständige die für die Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes erforderlichen Kosten bekannt. Diese Kosten können dann – ohne Umsatzsteuer – Grundlage der fiktiven Schadensabrechnung sein. Immer wieder streichen die eintrittspflichtigen Kfz-Versicherer dann im Rahmen der Schadenseregulierung die im Gutachten aufgeführten Beträge. Meistens sind diese Kürzungen jedoch rechtswidrig, weil sie gegen Recht und Gesetz verstoßen. So auch in dem Fall, der dem nachstehend aufgeführten Urteil des AG Düsseldorf zugrunde liegt. Nachdem die eintrittspflichtige HUK-COBURG nur unvollständig Schadensersatz geleistet hatte, obwohl einhundertprozentige Haftung bestand, hat das Unfallopfer mit qualifizierter anwaltlicher Hilfe den Schädiger, also den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG, persönlich in Anspruch genommen. Das angerufene Gericht verurteilte den VN der HUK-COBURG dasjenige zu zahlen, was die HUK-COBURG vorgerichtlich widerrechtlich gekürzt hatte. Lest selbst das positive Urteil zur fiktiven Schadensabrechnung. Gebt dann bitte anschließend Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
39 C 9254/14
Amtsgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
Frau … ,
Beklagte
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 12.02.2015
durch den Richter am Amtsgericht J.
für Recht erkannt:
Das Versäumnisurteil vom 17.9.2014 wird teilweise aufrechterhalten, soweit die Beklagte dort verurteilt wird,
1.
an den Kläger 1.007,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.6.2014 zu zahlen,
2.
an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 78,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen mit der Maßgabe, dass Zinsbeginn der 26.8.2014 ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und das Versäumnisurteil vom 17.9.2014 aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Beklagte haftet dem Kläger aus einem am 8.5.2014 in Düsseldorf stattgefundenen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des Klägers der Marke VW mit dem amtlichen Kennzeichen … beschädigt wurde.
Der Kläger beauftragte beim Kfz-Sachverständigenbüro … ein schriftliches Sachverständigengutachten, welches der Sachverständige am 8.5.2014 (Bl. 6-24 der Gerichtsakte) erstattete. Der Sachverständige … ermittelte einen Nettoreparaturkostenbetrag in Höhe von 4.621,08 EUR zur Behebung der unfallbedingten Schäden am Fahrzeug des Klägers. Die nächste VW-Vertragswerkstatt befindet sich 3 km vom Wohnort des Klägers entfernt.
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten rechnete mit Schreiben vom 26.6.2014 (Bl. 42 der Gerichtsakte) mit einem Betrag von 3.561,58 EUR gegenüber dem Kläger ab und zahlte diesen Betrag. Ferner zahlte sie das Sachverständigenhonorar sowie eine allgemeine Kostenpauschale.
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten gab bei der Dekra Niederlassung Düsseldorf ein Gutachten in Auftrag, welches die Dekra am 14.5.2014 erstattete (Bl. 44 f. der Gerichtsakte). Aus diesem ergibt sich der von der Versicherung der Beklagten ausgezahlte Betrag i.H.v. 3.561,58 EUR.
Der Kläger behauptet, die im Prüfgutachten genannte Firma sei nicht mühelos und ohne weiteres dem Kläger zugänglich gewesen. Er ist der Auffassung, der pauschale Hinweis der Beklagten auf eine angeblich kostengünstigere Werkstatt sei unzureichend, da Angaben dazu erforderlich seien, ob es sich um eine Meisterwerkstatt handele, ob diese zertifiziert sei, ob dort Originalersatzteile Verwendung fänden und über welche Erfahrungen man bei der Reparatur von Unfallfahrzeugen verfüge.
Der Kläger begehrt von der Beklagten den bislang von der Versicherung nicht gezahlten Differenzbetrag zwischen dem im Gutachten … ausgewiesenen Netto-Schadensbetrag und dem im Prüfgutachten vom 14.5.2014 genannten Betrag.
Am 17.9.2014 hat das Amtsgericht im schriftlichen Vorverfahren gegen die Beklagte, der die Klage ordnungsgemäß am 6.8.2014 zugestellt worden ist, ein Versäumnisurteil erlassen, nachdem sie keine Verteidigungsanzeige abgegeben hat. In dem Versäumnisurteil wurde die Beklagte verurteilt
1.
an den Kläger 1.059,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 6.6.2014 zu zahlen.
2.
an den Kläger durch außergerichtliche Tätigkeit entstandene Rechtsanwaltskosten i.H.v. 78,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu zahlen.
Gegen dieses Versäumnisurteil, welches der Beklagten am 22.9.2014 zugestellt
worden ist, hat sie durch ihren Prozessbevollmächtigten mit am 29.9.2014 bei
Gericht eingegangenem Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Versäumnisurteil vom 17.9.2014 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie wendet ein, die Position Radaufhängung (vorne links/Lenkgetriebe und Hinterachse) sei nicht erforderlich, da sich um eine reine Sichtprüfung handele, die im Rahmen der Reparaturdurchführung zu den Grundregeln der Instandsetzung gehöre. Es entstehe daher kein zusätzlicher Arbeitsaufwand i.H.v. 51,60 EUR.
Sie behauptet, die im Gutachten … genannten Stundenverrechnungssätze und auch die Lackierkosten seien erheblich übersetzt. Dies ergebe sich aus dem Prüfbericht der Dekra GmbH vom 14.5.2014.
In der Nähe des Wohnsitzes des Klägers sei der Fachbetrieb für Karosserie-und Lackierarbeiten S. Karosserie und Lack e.K. in Leverkusen ansässig. Es handele sich um einen qualifizierten Kfz-Meisterbetrieb, in dem eine fachgerechte und nach den Herstellerrichtlinien qualitativ hochwertige Reparatur gewährleistet sei. Es sei sichergestellt, dass der Qualitätsstandard des Betriebes regelmäßig durch einen Verband oder eine Zertifizierungsstelle überprüft werde. Es würden ausschließlich Originalersatzteile verwendet und der Betrieb gewähre auf eine durchgeführte Karosserie-und Lackierarbeiten eine zweijährige Garantie. Aufgrund der modernen Ausstattung und umfangreichen Erfahrung des ausgewählten Reparaturbetriebes es sei sichergestellt, dass die erforderlichen Arbeiten an dem klägerischen Fahrzeug gleichwertig einer markengebundenen Reparaturwerkstatt durchgeführt werden könnten. Bei den genannten Stundenverrechnungssätzen handele es sich um die allgemeinen Aushanglöhne.
Dasselbe gelte für einen weiteren Referenzbetrieb, der dem Kläger mitgeteilt worden sei. Hierbei handele es sich um die K. T. Fahrzeuglackierung in Hilden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
Nachdem die Beklagte fristgerecht gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt hat, wurde der Prozess zunächst nach § 342 ZPO in die Lage vor Säumnis der Beklagten zurückversetzt. Das Versäumnisurteil war weit gehend aufrechtzuerhalten.
Der Kläger hat gegen die Beklagte aus dem Unfallereignis vom 8.5.2014 in Düsseldorf einen Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes i.H.v. 1.007,90 EUR nach § 7 Abs. 1 StVG.
Die Haftung dem Grunde nach für den entstandenen Unfallschaden ist zwischen den Parteien unstreitig.
Ohne Erfolg beruft die Beklagte sich darauf, die in dem Gutachten … zugrundegelegten Stundenverrechnungssätze für Mechanik, Elektrik und Lackierarbeiten einer Vertragswerkstatt seien deshalb nicht zu ersetzen, weil dem Kläger zwei Werkstätten aufgezeigt worden seien, die zu günstigeren Preisen abrechnen.
Grundsätzlich darf der Geschädigte seiner fiktiven Schadensberechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrundelegen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH NJW 2010, 606). Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, muss der Schädiger darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass eine Reparatur dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard der Reparatur einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht (BGH a.a.O.; BGH NJW 2010, 2118).
Die Beklagte hat bereits nicht substantiiert dargetan, dass dem Kläger eine mühelos und ohne weiteres zugängliche freie Werkstatt zur Verfügung gestanden hätte, die vom Qualitätsstandard her eine Reparatur erbringen könnte, die derjenigen einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.
Auf diesen Gesichtspunkt hat der Kläger schon in der Klageerwiderung hingewiesen, so dass es eines erneuten gerichtlichen Hinweises auf die mangelnde Substanz des Beklagtenvortrages nicht bedurfte. Denn die Beklagte hat keine Angaben dazu gemacht, wie viele Mitarbeiter die beiden Werkstätten haben und über welche Berufsausbildung die einzelnen Mitarbeiter der beiden genannten Werkstätten verfügen und inwieweit sie an Lehrgängen etc. teilnehmen bzw. teilgenommen haben. Die Beklagte trägt pauschal vor, die Werkstätten würden „durch einen Verband oder eine Zertifizierungsstelle“ regelmäßig überprüft. Wann Überprüfungen durch welche der beiden genannten Arten von Institutionen stattgefunden haben und um welche konkreten Stellen es sich gehandelt hat, wird indes nicht vorgetragen.
Bei dem von der Beklagten mitgeteilten Betrieb K. T. Fahrzeuglackierung handelt es sich offensichtlich um einen auf Lackierungen spezialisierten Betrieb. Jedenfalls hat die Beklagte auf den entsprechenden Einwand des Klägers in der Replik nichts Gegenteiliges vorgetragen. Inwiefern ein solcher Betrieb für die vorliegend auch erforderlichen nicht unerheblichen Karosseriearbeiten ebenso qualifiziert sein soll wie eine Vertragswerkstatt, ist nicht konkret vorgetragen.
Hinzu kommt, dass die insoweit beweisbelastete Beklagte den vom Kläger ausdrücklich bestrittenen Sachvortrag insgesamt nicht unter Beweis gestellt hat. Zeugen wurden nicht benannt. Die Beklagte ist damit auch beweisfällig geblieben.
Schließlich ist der von der Beklagten genannte Reparaturbetriep S. Karosserie und Lack für den Kläger auch nicht mühelos und ohne weiteres zugänglich im Sinne der BGH-Rechtsprechung. Denn nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten beträgt die Entfernung zum Anspruchsteller 24,7 km, wohingegen nach dem unstreitig gebliebenen Vorbringen des Klägers die nächste VW-Werkstatt nur ca. 3 km von seinem Wohnort entfernt ist. Bei einem Bring- und Holaufwand von insgesamt vier Fahrten hätte der Kläger statt nur 12 km zur Vertragswerkstatt knapp 100 km zu der Referenzwerkstatt zurückzulegen. Von müheloser Zugänglichkeit kann hier nicht mehr die Rede sein.
Soweit in dem Prüfgutachten begründungslos Ersatzteilkosten in Höhe von 153,26 EUR sowie von Kleinteilkosten i.H.v. 3,07 EUR als nicht berechtigt angesehen werden, ist die pauschale Bezugnahme der Beklagten auf das Prüfgutachten unzureichend.
Die Erforderlichkeit der Prüfposition (Radaufhängung vorne links/Lenkgetriebe und Hinterachse) ist von der Beklagten substantiiert bestritten worden, der Kläger hat hierzu keinen substantiierten Sachvortrag gehalten, eine Schadensersatzforderung ist i.H.v. 51,60 EUR somit nicht schlüssig dargetan. Der pauschale Verweis des Klägers darauf, sämtliche Reparaturkosten im Gutachten des Sachverständigen … seien zutreffend kalkuliert, geht nicht auf den substantiierten Einwand der Beklagten bezüglich der Prüfposition (Radaufhängung vorne links/Lenkgetriebe und Hinterachse) ein.
Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges nach §§ 286, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.
Darüber hinaus hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 78,90 EUR nach §§ 286 Abs. 1, 280 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus den § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Mit der geringfügigen Zuvielforderung des Klägers war ein sogenannter Kostensprung nicht verbunden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 1.059,50 Euro
Nun weiß der Beklagte VN der HUK Coburg, was unter Beweise zu verstehen ist bzw. dass Behauptungen ins Blaue hinein gerade keine Beweise sind. Dieses Urteil gehört somit in jede Klageschrift, wenn wieder ein „Prüfbericht“ zur „fiktiven Fahrzeugreparatur“ für 3,50 dem Schädiger bzw. dessen Versicherer einen Tausender einbringen soll.
An die mitlesende Richterschaft – einfach abschreiben!
Und wieder einmal hat die Huk-Coburg bzw. der von ihr beauftragte Ra. ins Blaue hinein vorgetragen. Derartiger Vortrag ist aber nicht erheblich und wird daher folgerichtig nicht om Gericht beachtet. Das hätte doch der Huk-Anwalt wissen müssen. Aber vielleicht konnte er gar nicht substantiell vortragen, denn die benanntn Firmen konnten effektiv gar nicht gleichwertig reparieren. Das hätte aber auch die DEKRA in ihrem Püfbericht angeben müssen.
Festzuhalten bei diesem Urteil ist daher wieder, dass die Angaben in dem DEKRA-Prüfbericht nur mit Vorsicht betrachtet werden dürfen. Darüber hinaus ist bei den pauschalen Angaben der Huk die gleiche Vorsicht geboten.
Eine Verweisung auf eine fast 25 km (von D nach LEV) entfernte Alternativwerkstatt ist nicht zumutbar. Wenn also durch die Huk Düsseldorfer Geschädigten eine alternative Werkstatt in Leverkusen benannt wird, ist dies schon von vornherein unzumutbar, da nicht mühelos und ohne Weiteres erreichbar!
Dass sich die DEKRA nicht zu schade ist, diese Püfpamphlete zu erstellen? Spricht nicht für die DEKRA, meine ich.