Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
wieder einmal ging es in einem Rechtsstreit um restliche Schadensersatzleistungen, die die HUK-Coburg als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zu erbringen gehabt hätte. Da sie zur Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten auch verurteilt wurde, ist von einer rechtswidrigen Kürzung derselben durch die HUK-Coburg auszugehen. Das im Prozess von der HUK als Maßstab vorgebrachte Gesprächsergebnis zwischen BVSK und HUK-Coburg ist strikt vom Gericht zurückgewiesen worden. Preise aufgrund einer Sondervereinbarung können keine marktüblichen Preise darstellen, so der BGH in seinem VW-Urteil. Inzidenter verwirft der zuständige Amtsrichter des AG Ebersberg (östlich von München) auch das Nebenkosten-Deckelungs-Urteil des LG Saarbrücken, das immer wieder von der HUK-Coburg angeführt wird. Hier in diesem Fall zeigt sich, dass die berechneten Nebenkosten für Fahrtkosten durchaus angemessen sind und demnach auch in voller Höhe als erforderlicher Herstellungsaufwand angesehen werden müssen. Immerhin würden diese Fahrtkosten bereits die Hälfte der gedeckelten Nebenkosten ausmachen. Schon von daher ist ersichtlich, dass das Saarbrücker Deckelungsurteil schlicht falsch ist. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. Scheut Euch nicht, Eure sachlichen Meinungen kund zugeben.
Viele Grüße und eine schöne (nicht allzu heiße) Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Ebersberg
Az.: 1 C 78/13
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Martin-Greif-Straße 1, 80222 München
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Ebersberg am 27.05.2013 auf Grund des Sachstands vom 27.05.2013 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Sachverständigen … 264,60 € zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger aufgrund Sicherungsabtretung erfüllungshalber die Zahlung restlicher Gutachterkosten an den von ihm beauftragen Sachverständigen … gemäß dessen Rechnung vom 09.01.2012 zu Gutachtennummer … .
Anlässlich eines Verkehrsunfalls am xx.01.2012 wurde das Fahrzeug des Klägers auf der Südumgehung von Ebersberg durch einen Versicherungsnehmer der Beklagten, nämlich Herrn … , mit dessen Pkw … durch Auffahren beschädigt. Der Sachverständige, der vom Kläger beauftragt wurde, ging von Reparaturkosten von netto 6.592,48 Euro und einer Wertminderung von 900,00 Euro aus. Letztlich ergaben sich Reparaturkosten von 7.988,98 Euro.
Seine Tätigkeit stellte der Sachverständige am 09.01.2012 mit 1.118,60 Euro in Rechnung, wovon die Beklagte 854,00 Euro regulierte. Die Zahlung des Restbetrages von 264,60 Euro verweigert die Beklagte mit der Begründung, die Gutachterkosten wären weder erforderlich noch angemessen noch üblich, nicht nachvollziehbar und auch nicht ortsüblich.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der weiteren Sachverständigenkosten nach §§ 823 Abs. 1 BGB, 7 Abs. 1, 18 StVG, 115 Nr. 1 VVG und 249 BGB. Die Kosten des Sachverständigengutachtens können dann ersetzt verlangt werden, wenn sie sich als zweckmäßig und notwendig darstellen, was in Anbetracht der Schadenshöhe und insoweit auch unstreitig der Fall ist. Ein Geschädigter kann nur diejenigen Aufwendungen verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (Palandt, 70. Auflage, § 249 Randnummer 12). Eine Marktforschung dahingehend, sich erst bei verschiedenen Sachverständigen nach den jeweiligen Kosten zu erkundigen, trifft den Geschädigten nach herrschender Meinung nicht. Daraus folgt, dass der Geschädigte den Ersatz von Sachverständigenkosten sogar dann verlangen kann, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet ist oder seine Kosten übersetzt sind (Palandt, BGB, 70. Auflage, § 249 Randnummer 13 und 58). Nach BGH NJW 2007, 1450, verbleibt dem Geschädigten allerdings das Risiko, überhöhte Kosten tragen zu müssen, wenn er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt.
Somit ist zu prüfen, ob die Sachverständigenrechnung sich als überhöht darstellt oder im Rahmen des Üblichen/Ortsüblichen sich bewegt. Bei der Beurteilung orientiert sich das Gericht regelmäßig an der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011.
Die von der Beklagten herangezogene Argumentation anhand eines Gesprächsergebnisses zwischen der BVSK und den Versicherungen HUK Coburg, Bruderhilfe und DEVK, veröffentlicht im Mai 2008, ist nicht zu übernehmen. Danach handelt es sich um Empfehlungen an die Sachbearbeiter der Versicherungsunternehmer, bis zu welchen Größenordnungen sie von angemessenen Sachverständigenkosten ausgehen und ohne weiteres eine Regulierung der Schäden vornehmen. Ebenso wenig erscheint es zeitgemäß, pauschal von zehn bis fünfzehn Prozent des Schadens auszugehen.
Vielmehr ergibt sich aus der BVSK-Befragung bereits deutlich, dass unterschiedliche Sachverständige unterschiedliche Honorarvorstellungen haben. Alle Beträge, die im Honorar-Korridor der Befragung enthalten sind, sind sinngemäß als angemessene und übliche Vergütung anzusehen.
Setzt man vorliegend die Nettoreparaturkosten von 6.592,48 Euro zuzüglich 900,00 Euro Minderung an (dies ergibt sich aus den Erläuterungen zur BVSK-Honorarbefragung 2010/2011), so ergibt sich ein Honorar-Korridor von 622,00 bis 688,00 Euro. Wenn der Sachverständige vorliegend ein Grundhonorar von 680,00 Euro verlangt, hält sich dies innerhalb des üblichen Honorar-Korridors.
Wie den Erläuterungen der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 weiter zu entnehmen, kann man auch nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass mit dem Grundhonorar die meisten Positionen schon abgedeckt wären, wie es vorliegend die Beklagte annimmt. Vielmehr ergeben sich aus der Tabelle neben dem Grundhonoraren die dort genannten Nebenkosten, auch weitere Nebenkosten sind möglich und nicht als „unüblich“ zu qualifizieren.
Die Beklagte beanstandet vorliegend die Fahrtkosten in Höhe von 48,00 Euro, weil vierzig Fahrtkilometer bestritten werden und der Sachverständige 1,20 Euro pro Kilometer verlangt. Im Hinblick darauf, dass der Sachverständige sich in K. befindet, der Geschädigte in R. , sind für eine einfache Hin- und Rückfahrt vierzig Kilometer bereits überschritten. Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige Positionen abrechnet, die er nicht erbracht hat, also Anhaltspunkte für ein betrügerisches Verhalten, sind nicht ersichtlich. Im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung ergeben sich üblicherweise Fahrtkostenabrechnungen zwischen 0,94 und 1,08 Euro pro Kilometer. Eine Überschreitung um 0,12 Euro pro Kilometer ist bei einer gesamten Erhöhung um 4,80 Euro zu vernachlässigen.
Schreibgebühren werden üblicherweise zwischen 2,47 und 3,75 Euro pro Seite erhoben, der Sachverständige setzt 3,60 Euro an. Telefon-, Telefax- und Internet sowie Porto setzt der Sachverständige mit 15,00 Euro bei einem Honorar-Korridor von 13,59 pro 18,88 Euro an.
Die Fotokosten in Höhe von 60,00 Euro ergeben sich anhand von 3,00 Euro pro Bild, was um 0,43 Euro oberhalb des Korridors von 2,06 bis 2,57 Euro liegt. Die Anzahl der Fotos mag bestritten sein, ergibt sich aber bei Betrachtung der Seiten 17 bis 26 des Gutachtens von selbst. Insgesamt liegt der abgerechnete Betrag um 8,60 Euro über den Durchschnittswerten.
Was letztlich die EDV-Kosten in Höhe von 29,00 Euro anbetrifft, ergibt sich ebenfalls aus den Erläuterungen zur BVSK-Honorarbefragung 2010/2011, dass solche Kosten nur noch vereinzelt von den Sachverständigen aufgeführt werden, woraus aber nicht der Rückschluss gezogen werden kann, dass solche Fremdleistungen insgesamt unüblich wären. Der Ansatz von 29,00 Euro erscheint angemessen und vertretbar.
Stellt man den erhöhten Fahrtkosten und Fotokosten (4,80 Euro + 8,60 Euro = 13,40 Euro) die Beträge gegenüber, bei denen der Sachverständige unterhalb des oberen Korridor-Betrages geblieben ist (Grundhonorar 8,00 Euro, Telefonpauschale 3,88 Euro und Schreibegebühren 4,50 Euro = 16,88 Euro), so ergibt sich eine Differenz von wenigen Euro. Dem Sachverständigen diesbezüglich eine unangemessene und überhöhte Abrechnung vorzuwerfen und dem Geschädigten eines Unfalles eine Kostentragung im Rahmen der Schadensminderungspflicht unterstellen zu wollen, wäre vollkommen überzogen.
Der Kläger kann daher den vollen Betrag der restlichen Gutachterkosten zur Zahlung an den Sachverständigen verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Warum die HUK immer wieder mit dem Gesprächsergebnis ankommt, bleibt wohl ihr Geheimnis. Entweder ist es Arroganz der Coburger Versicherung, sich nicht an die Rechtsprechung zu halten, denn die überwiegende Mehrzahl der Gerichte hat diese Sondervereinbarung zwischen BVSK und verschiedenen Versicherungen als nicht maßgeblich bezeichnet, oder es ist schlichte Unwissenheit und Unkenntnis. Da aber mit Sicherheit pfiffige Juristen in der Rechtsabteilung der Coburger Firma arbeiten, gehe ich von der ersten Alternative aus. Was ist dann mit der angeblichen Untersagung durch den BVSK?
Auf jeden Fall löst sich das Gesprächsergebnis mehr oder weniger in Luft auf, denn keiner nimmt es als Schätzgrundlage ernst. So auch hier das AG Ebersberg.
Obwohl das Gericht es nicht erwähnt, verwirft es doch das Urteil des LG Saarbrücken, indem es Nebenkosten über 100 Euro zulässt. Wieder ein Schlag gegen das Deckelungsurteil aus dem Saarland.
Grüß Gott Richard Bemerode,
du fragst, was ist dann mit der angeblichen Untersagung durch den BVSK? – Die vollmundigen Aussagen des Herrn Geschäftsführer des BVSK sind Schmarrn. Das ist Zerrissenes.
Da keine Reaktion der HUK-Coburg geschieht, ist auch davon auszugehen, dass es eine solche Untersagung gar nicht gibt.
Wieder nur Blablabla vom BVSK.
Servus und gute Nacht
Aigner Alois