Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Samstag geben wir Euch hier ein Urteil aus Eisleben zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den Versicherungsnehmer der VHV Allgemeine Versicherung AG bekannt. Wieder einmal hat der Forderungsberechtigte aus abgetretenem Recht nicht den eintrittspflichtigen Versicherer, sondern die Unfallverursacher persönlich wegen des Restschadensersatzes auch gerichtlich in Anspruch genommen. Obwohl auch in diesem Fall seitens des Versicherers die Aktivlegitimation des klagenden Sachverständigen bestritten wurde, sieht das Gericht zu Recht keinen Anlass an der bestehenden Aktivlegitimation zu zweifeln. Dem Grunde nach war in der Hand des Geschädigten der Anspruch auf vollständige Erstattung der – berechneten – Sachverständigenkosten entstanden, so dass auch in der Hand des Sachverständigen dieser Schadensersatzanspruch vollständig zu erfüllen war. Leider wurden die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zugesprochen. Die dafür gegebene Begründung überzeugt mich allerdings nicht, denn es gilt der formaljuristische Beklagtenbegriff. Der im Rechtsstreit in Anspruch genommene Unfallverursacher persönlich ist nicht mit dem Haftpflichtversicherer identisch. Diese verbindet nur ein Haftpflichtversicherungsverhältnis. Sie haften auch als Gesamtschuldner, wenn sie beide in Anspruch genommen werden, sind demnach eigene juristische Personen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare zu diesem Urteil des AG Eisleben bekannt.
Viele Grüße und ein sonniges Wochenende
Willi Wacker
Amtsgericht
Eisleben
21 C 64/16 Verkündet am 15.07.2016
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
…
– Beklagter –
hat das Amtsgericht Eisleben im schriftlichen Verfahren gemäß § 123 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 8. Juli 2016 durch die Richterin am Amtsgericht B.
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, 212,06 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. März 2016 an den Kläger zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger 1/4, dem Beklagten 3/4 auferlegt.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
und b e s c h l o s s e n :
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 212,06 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
(abgekürzt gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)
Der Kläger nimmt den Beklagten, der dem Geschädigten … für die Folgen
eines Verkehrsunfalls vollen Ersatz schuldet, aus abgetretenem Recht auf Zahlung der dem Geschädigten berechneten Vergütung für die Erstellung eines Schadensgutachtens (212,06 €) sowie Zinsen hiervon und auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (70,20 €) in Anspruch.
Die Klage ist zulässig und überwiegend auch begründet.
Die Einwendungen der Beklagten gegen die Hauptforderung greifen im Ergebnis nicht durch.
Bedenken gegen die Aktivlegitimation des Klägers bestehen nicht. Namentlich hätte der Kläger nicht zunächst Befriedigung bei seinem Auftraggeber, dem Geschädigten . suchen müssen. Jedenfalls nach Inkrafttreten des Gesetztes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen vom 12. Dezember 2007 (BGBI. I S. 2840) ist die Einziehung der Ersatzforderung des Geschädigten wegen der Sachverständigenvergütung durch den Sachverständigen selbst als Nebenleistung zu seinem Tätigkeitsbild zu qualifizieren, wie auch die Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 16/3655, Seite 53) ausdrücklich aufführt. Es kommt nicht (mehr) darauf an, dass es dem Zessionar vorrangig um die Verwirklichung der ihm mit der erfüllungshalber eingeräumten Sicherheit geht.
Der Beklagte kann den Geschädigten und damit auch den Kläger nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass er wegen der Geringfügigkeit des Schadens nur einen Kostenvoranschlag hätte einholen dürfen. Bei dieser Frage handelt es sich entgegen der Ansicht des Beklagten nicht erst um eine solche der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB), sondern um die bereits im Rahmen des § 249 Abs. 1 BGB zu beantwortende Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit, so dass die Darlegungs- und Beweislast hierfür beim Geschädigten liegt (vgl.: BGH, Urteil vom 30. November 2004, VI ZR 365/03, Rdnr. 17, zitiert nach juris, veröffentlicht auch in NJW 2005, 356). Es kommt also darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für die Schadensfeststellung für geboten erachten durfte. Für diese Frage ist nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters sind einem Geschädigten diese Daten gerade nicht bekannt. Allerdings kann der später ermittelte Schadensumfang im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten (BGH, ebenda, Rdnr. 18). Der Kläger hat die Bruttoreparaturkosten mit 781,95 € schlüssig dargelegt, denen der Beklagte aus seiner Sicht erforderliche Nettoreparaturkosten in Höhe von 594,40 € gegenüber gestellt hat. Zur Begründung führt er aus, der Kläger habe einen zu hohen Materialpreis angesetzt und außerdem beabsichtige der Geschädigte angesichts eines vorhandenen Altschadens (Eindellung am Tür-schweller hinten links) gar keine Reparatur. Eine Konkretisierung des angeblich überhöhten Materialpreises durch Vorlage des als Anlage B 2 angekündigten Prüfberichts ist der Beklagte jedoch schuldig geblieben. Auch der Verweis auf eine etwa fehlende Reparaturabsicht greift nicht durch. Auf diesen Gesichtspunkt könnte es hier allenfalls dann ankommen, wenn der Geschädigte bereits vor Erteilung des Gutachtenauftrags davon ausgegangen wäre, unabhängig vom Ergebnis des Gutachtens keine Reparatur vornehmen zu lassen. Hierfür ist jedoch nichts dargelegt oder ersichtlich. Im Übrigen rechtfertigte selbst ein langfristiger Verzicht auf die Reparatur einer Delle am Türschweller nicht die Annahme, der Geschädigte werde auch Lackschäden, die nicht lediglich oberflächliche sind, unrepariert lassen.
Das abgerechnete Sachverständigenhonorar steht auch weder in seiner Gesamtheit noch in seinen Einzelpositionen außer Verhältnis zu den ermittelten Reparaturkosten.
Die von dem Beklagten vorgeschlagene prozentuale Begrenzung der Nebenkosten im Verhältnis zum Grundhonorar ist schon deshalb abzulehnen, weil es stets eine Frage des konkreten Schadens ist, welchen Aufwand der Sachverständige zur angemessenen Ermittlung und Dokumentation des auf ein konkretes Schadensereignis zurückzuführenden Schadens betreiben muss. Eine zwingende, erst recht eine linear verlaufende Korrelation zwischen Schadenshöhe und Aufwand besteht nicht. Etwas anderes lässt sich auch dem von dem Beklagten zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 2007 (Az.: VI ZR 67/07) nicht entnehmen.
Auch die im Einzelnen gegen die Nebenkosten ins Feld geführten Einwände des Beklagten greifen nicht durch. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass die Schadensdokumentation – jedenfalls bei Haftpflichtgutachten – zur Hauptpflicht des Sachverständigen gehört, nicht die Annahme, dass die Kosten der Dokumentation mit dem Grundhonorar abgegolten sein sollen. Diese liegt schon deshalb fern, weil – wie vorstehend ausgeführt – keine Korrelation zwischen Schadenshöhe und Dokumentationsaufwand besteht, das Grundhonorar jedoch an der Schadenshöhe orientiert ist.
Schließlich ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund eine Verletzung einer etwa bestehenden Obliegenheit des Geschädigten sich vor Auftragserteilung nach den zu erwartenden Kosten zu erkundigen, in diesem Fall zu einer Kürzung der Schadensposition hätte führen müssen.
Die geltend gemachten Zinsen schuldet der Beklagte gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1 und 2, 288 Abs. 1, 291 BGB.
Freistellung von vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Gestalt einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale kann der Kläger allerdings nicht verlangen. Bereits vor Beauftragung seines späteren Prozessbevollmächtigten war dem Kläger klar, dass der hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherer die Zahlung verweigerte, weil er die Einholung eines Gutachtens zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs weder für zweckmäßig noch für erforderlich hielt. Dies hat die VHV Allgemeine Versicherung AG mit ihrem an den Geschädigten gerichteten Schreiben vom 27. November 2015 (Anlage B 2) hinreichend deutlich gemacht. In Kenntnis dieses Umstandes durfte auch der hierüber zweifellos informierte Kläger nur noch einen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung für erforderlich halten. Der Umstand, dass der Kläger letztlich ausschließlich den Beklagten und nicht (auch) den im Innenverhältnis Zahlungspflichtigen Haftpflichtversicherer verklagt hat, ändert daran nichts, denn der Kläger musste davon ausgehen, dass der Beklagten sich der Argumentation seines Haftpflichtversicherers unterwerfen würde. Die gebotene anwaltliche Fristsetzung mit Ankündigung der Klageerhebung zur Verdeutlichung, dass auch der Kläger nicht bereit ist, die Weigerungshaltung des Haftpflichtversicherers hinzunehmen, hätte zum Rechtszug gehört (§19 Abs. 1 RVG) und daher keine zusätzliche Geschäftsgebühr ausgelöst. Ein entsprechend aufgeklärter Auftraggeber, der sich gleichwohl für die Erteilung eines zunächst nur außergerichtlichen Auftrags oder eines bedingten Klageauftrags entschieden hätte, sähe sich zwar der Gebührenforderung seines Rechtsanwalts ausgesetzt, könnte diesen Schaden jedoch nicht bei dem Beklagten liquidieren, weil die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit eines solchen Vorgehens zu verneinen wäre. Ein hierüber nicht entsprechend aufgeklärter Auftraggeber könnte dem Vergütungsanspruch seines Rechtsanwalts mit Erfolg einen Beratungsfehler entgegenhalten und deshalb den Ausgleich derKostennote verweigern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers hat zwar keine höheren Kosten veranlasst, war jedoch nicht verhältnismäßig geringfügig im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO, §§ 39, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.
Die Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 4 ZPO) ist nicht veranlasst, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.