Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
heute stellen wir Euch hier ein Urteil aus Eisleben zu den Sachverständigenkosten vor, bei dem der Versicherungsnehmer durch die LVM „verheizt“ wurde. Die LVM hatte den Klagebetrag gekürzt und war auch nach einer Mahnung nicht bereit, den restlichen Betrag zu erstatten. Vielmehr hat sie den Versicherungsnehmer entsprechend animiert, keine Zahlungen zu leisten. Da der Geschädigte jedoch bei voller Haftung der Gegenseite auf vollen Schadensersatz bestand, musste gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Mit Recht hat das Unfallopfer nur den Schädiger persönlich wegen des verweigerten Restschadensersatzes verklagt. Es kam damit zum Prozess gegen den Versicherungsnehmer der LVM. Der Anwalt wurde dem Beklagten zwar durch die LVM gestellt. Inwieweit aber ein persönliche Mandatierung durch den Beklagten erfolgte, bleibt leider im Dunkeln. Es kam natürlich, wie es kommen musste. Der Beklagte verlor den Prozess. Die LVM hat nach dem verlorenen Prozess dann sämtliche Kosten übernommen. Bleibt nur zu hoffen, dass dem Beklagten eine Abschrift des Urteils von der Klägerseite übersandt wurde, damit der auch schwarz auf weiß mitgeteilt bekommt, bei welchem „Sch…laden“ er versichert ist. Der wird sicherlich zum Ende November die Versicherung wechseln. Da sind wir uns sicher. Denn es ist Aufgabe der Versicherung, den vom Versicherten schuldhaft herbeigeführten Schaden zu ersetzen und nicht, wegen rechtswidrig gekürzter Schadenspositionen, den Versicherten vor den Kadi schleppen zu lassen. Was denkt Ihr über das Verhalten der LVM? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht
Eisleben
21 C 336/14 Verkündet am 31.07.2015
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
…
– Beklagter –
hat das Amtsgericht Eisleben im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 23. Juli 2015 durch die Richterin am Amtsgericht B.
für R e c h t erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, 31,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2014 sowie weitere 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Februar 2014 an den Kläger zu zahlen.
Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 31,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
(abgekürzt gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)
Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend begründet.
Der Beklagte beauftragte den Kläger in der Folge eines Verkehrsunfalls vom 3. Dezember 2013 mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Die Parteien vereinbarten keine konkrete Vergütung, gingen jedoch davon aus, dass diese in Abhängigkeit zur noch festzustellenden Schadenhöhe steht und sich einer – weder näher bezeichneten noch erörterten – Preisliste entnehmen lässt. Die durch den Kläger ermittelten Nettoreparaturkosten für das Fahrzeug des Beklagten, ein US-amerikanisches Fabrikat, beliefen sich auf 6.701,62 €. Der Kläger stellte ein Grundhonorar in Höhe von 661,00 € sowie Nebenkosten in Höhe von insgesamt 131,00 €, jeweils netto, in Rechnung.
Der Beklagte verwendete das Gutachten bei der Geltendmachung seines Schadens gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners. Dieser glich die mit Rechnung vom 13. Dezember 2013 berechnete Vergütung des Klägers – ohne inhaltliche Einwendungen gegen das Gutachten – mit Ausnahme eines Differenzbetrages von 31,00 € aus und sagte dem Beklagten die Übernahme seiner Rechtverteidigungskosten für den Fall der gerichtlichen Inanspruchnahme wegen des Differenzbetrages zu.
Der Kläger kann von dem Beklagten auch den gekürzten Teil der Vergütung verlangen.
In Ermangelung einer vereinbarten oder taxmäßigen: Vergütung schuldet der Beklagte die übliche Vergütung (§§ 631, 632 Abs. 2 BGB).
Zur Ermittlung der üblichen Vergütung kommen verschiedene Methoden in Betracht. Für die Feststellung, ob der geltend gemachte Betrag üblich ist, gilt § 287 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 ZPO. Das Gericht hat sich für die Schätzung der üblichen Vergütung entschieden, namentlich weil es eine repräsentative Erhebung zur Vergütung für KFZ-Schadensgutachten gibt, die als Schätzungsgrundlage dienen kann, und weil der hier streitige Betrag außer Verhältnis zu den Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens stünde. Das Gericht stützt seine Schätzung auf das Ergebnis der sogenannten BVSK-Honorarbefragung 2013, dessen Methode und Ergebnisse von keiner der Parteien substantiiert angegriffen werden.
Die von dem Kläger in Ansatz gebrachte Vergütung bleibt in dem durch die BVSK-Honorarbefragung definierten Honorarkorridor, in dem je nach Schadenhöhe zwischen 50 und 60 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen (HB V Korridor). Bewegen sich die berechneten Honorare für Routinegutachten innerhalb der Nettowerte der BVSK-Honorarkorridore, überschreitet der Sachverständige die Grenzen des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums nicht (Urteil des KG Berlin vom 30. April 2015, 22 U 31/14, Rdnr. 54, zitiert nach juris – auf der Basis, der BVSK-Honorarbefragung 2008/2009 für den Honorarkorridor III, der den Bereich abbildete, in dem 40 bis 60 % der Verbandsmitglieder ihre Honorare berechnet hatten).
Die vom Kläger berechnete Grundvergütung bewegt sich innerhalb dieses Korridors, der sich bei einer Nettoschadenshöhe von 6.500,01 € bis 7.000,- € von einer Grundvergütung von 636,00 € bis 690,00 € spreizt. Der Kläger hat mit einem Grundhonorar von 661,00 € den sich aus diesem Korridor ergebenden Mittelwert nahezu punktgenau bestimmt. Die Einordnung der Schadenssumme, die etwas unterhalb des Mittelwertes dieser Schadenstufe liegt, begegnet in diesem konkreten Einzelfall namentlich deshalb keinen Bedenken, weil der Kläger für die Ermittlung der Reparaturkosten einen überdurchschnittlichen Aufwand betreiben musste. Dies war deshalb der Fall, weil er eine Vielzahl der zu ermittelnden Kostenbeträge nicht aus dem AUDATEX-System entnehmen konnte, sondern einzeln ermitteln musste. Dies war darauf zurückzuführen, dass es sich bei dem geschädigten Fahrzeug um einen auf dem deutschen Fahrzeugmarkt selten anzutreffenden Fahrzeugtyp handelte.
Ein Privatgutachter darf neben einem Grundhonorar für seine eigentliche Ingenieurleistung grundsätzlich auch Pauschalen für Nebenkosten bei der Bemessung seines Gesamthonorars berechnen (BGH, Urteil vom 4. April 2006, X ZR 80/05, Rdnr. 20, zitiert nach juris.).
Mit den Photokosten von 2,50 €/Stück bewegt sich der Kläger ebenfalls in dem durch den HB V Korridor gesetzten Rahmen von 2,21 bis 2,55 €. Der Kläger hat dem Beklagten auch nicht mehrere identische Photos in Rechnung gestellt, vielmehr handelt es sich ausnahmslos um Abbildungen des beschädigten Fahrzeugs aus abweichenden Perspektiven. Dessen ungeachtet ist einem Sachverständigen jedenfalls in den Fällen ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen, in denen ihm durch die konkrete Aufgabenstellung keine Einschränkung auferlegt ist. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sachverständigen, welche Perspektiven den Schaden sachgerecht abzubilden vermögen, kann der Sachverständige oft nur mutmaßen, ob und hinsichtlich welcher Fahrzeugteile künftig Streit entstehen kann. Der mit einer Nachbegutachtung verbundene zusätzliche Kostenaufwand dürfte den Mehraufwand einer großzügigen Bemessung der Anzahl der Lichtbilder regelmäßig deutlich überschreiten.
Die berechneten Fahrtkosten in Höhe von 65,00 € entsprechen bei einer von dem Kläger zurückgelegten Strecke von 104 Kilometern einem Betrag von 0,63 € pro Kilometer und liegen damit sogar deutlich unterhalb des im HB V Korridor gesteckten Rahmens von 0,92 € bis 1,16 €. Ob es dem Beklagten im Verhältnis zum Schädiger oblegen hätte, einen Sachverständigen zu beauftragen, der einen deutlich kürzeren Anfahrtsweg gehabt hätte, ist in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden, denn das Gericht hat nicht zu prüfen, ob die von dem Kläger berechnete Vergütung die „erforderliche“ im Sinne des § 249 BGB darstellt.
Den Kläger trifft auch keine Nebenpflicht zur allgemeinen Beratung des Geschädigten über die Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenvergütung. Freilich darf er seinen Auftraggeber nicht bewusst täuschen. Dass der Kläger dem Beklagten in rechtsmissbräuchlicher Weise eine seinen Erfahrungen widersprechende Auskunft hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit seiner Vergütung vermittelt hat, hat der Beklagte jedoch nicht dargelegt. Die von dem Beklagten geschilderte Auskunft des Klägers, dass der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners die Sachverständigenkosten bezahle, wenn es sich um einen Haftpflichtfall handele, genügt dafür jedenfalls nicht. Bei dieser allgemeinen Aussage handelte es sich offensichtlich nicht um eine Zusicherung des Klägers zum Regulierungsverhalten des Haftpflichtversicherers in diesem konkreten Einzelfall. Aus einem solchen Hinweis kann redlicherweise auch nicht geschlossen werden, dass jede beliebige Berechnung ungeprüft akzeptiert werden würde.
Auch die mit einer Pauschale von 31,00 € berechneten Auslagen/Nebenkosten begegnen keinen durchgreifenden Bedenken. Der Kläger hat dargelegt, dass er mit dieser Position namentlich Schreib- und Kommunikationskosten abrechne. Die Schreibkosten je Seite ist im HB V Korridor mit 2,45 € bis 2,86 € angesetzt, Porto und Telefon pauschal mit 14,48 € bis 18,17 €. Angesichts eines Umfangs von (bereinigten) sieben Seiten Gütachten ohne Photoanlage ist der Pauschalbetrag, den der Kläger nach einer eigenen Vergütungstabelle berechnet, nicht unangemessen.
Die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind im Verzug des Beklagten entstanden. Der Beklagte hat diesen Verzugsschaden zu erstatten, weil der Kläger in dieser konkreten Fallkonstellation auch die zunächst nur außergerichtliche Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten als erforderlich betrachten durfte. Zu diesem Zeitpunkt musste er nach Lage der Dinge weder von einer Zahlungsunfähigkeit des Beklagten noch von dessen endgültiger Zahlungsunwilligkeit ausgehen.
Die Zinsforderung ist gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs, 1 und 2 BGB berechtigt, hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten allerdings nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB), denn die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind im Verhältnis zwischen den Prozessparteien keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, sondern Schadenersatz.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang zu tragen. Die Zuvielforderung des Klägers hat keine höheren Kosten verursacht und war verhältnismäßig geringfügig.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO, §§ 39, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.
Die Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 4 ZPO) ist nicht veranlasst, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.