AG Erding verurteilt die VHV Versicherung AG zur Zahlung der restlichen Mietwagenkosten nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel und der restlichen Reparaturkosten mit Urteil vom 30.3.2017 – 7 C 3562/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

wir bleiben in Erding und stellen Euch heute erneut ein Urteil des AG Erding zu den Mietwagenkosten und restlichen Reparaturkosten, dieses Mal gegen die VHV Versicherung, vor. Die Überprüfung der Mietwagenkosten erfolgt erfreulicherweise wieder nach Schwacke. Insofern gilt das im Vorwort zum gestern veröffentlichten Erdinger Mietwagenurteil. Interessant sind aber die Ausführungen zu den restlichen (konkreten) Reparaturkosten (Werkstatt-/ Prognoserisiko und Vorteilsausgleich). Zwar prüft das Gericht die konkreten Reparaturkosten am § 249 II BGB, obwohl die Reparatrurkosten zu dem mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und daher gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören. Im Übrigen handelt es sich bei dem Reparaturrechnungsbetrag um einen auszugleichenden Schaden. Die Rechnung bildet nämlich eine Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als auszugleichender Schaden angesehen wird. Die Überlegungen zu den Reparaturkosten sind jedoch auch auf die Sachverständigenkosdten zu übertragen (vgl. Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.). Wo genau soll eigentlich der Unterschied zwischen konkreten Werkstattkosten und konkreten Sachverständigenkosten liegen? Diese Frage wurde vom BGH unter Mitwirkung von Bundesrichter Wellner bisher nicht beantwortet. Es gibt nämlich keinen Unterschied. Sowohl die Werkstatt (siehe: BGHZ 63, 182 ff.) als auch der Sachverständige (siehe: OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.) sind Erfüllungsgehilfen des Schädigers bei der Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes. Das gilt auch für die Mietwagenunternehmer, denn durch die sofortige Bereitstellung eines Ersatzfahrzeugs wird die vor dem Unfall bestehende sofortige Nutzungsmöglichkeit am Fahrzeug wiederhergestellt. Der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädigers sparen. Er muss auch keine Besitzverluste zugunsten des Schädigers hinnehmen. Der Schädiger muss sofort Schadensersatz leisten. Kann der Geschädigte wegen Beschädigung einer Sache Wiederherstellung nach § 249 I BGB verlangen, so tritt die Fälligkeit regelmäßig sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung ein (BGH Beschluss vom 18.11.2008 – VI ZB 22/08 – = VersR 2009, 128).  Die Anmietung des Ersatzfahrzeugs ist daher sofortige Wiederherstellung. Daher ist auch der Mietwagenunternehmer als Erfüllungsgehilfe des Schädigers anzusehen. Etwaige Fehler desselben gehen daher zu Lasten des Schädigers. Lest aber selbst das Erdinger Urteil zu den Mietwagenkosten und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.  

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Erding

Az.: 7 C 3562/16

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

VHV Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Constantinstraße 90, 30177 Hannover

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Erding durch die Richterin am Amtsgericht … am 30.03.2017 aufgrund des Sachstands vom 27.03.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1.       Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 536,45 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.01.2016 zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 536,45 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.    Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall vom 08.12.2015 ein Zahlungsanspruch in Höhe von 469,00 EUR betreffend die restlichen Mietwagenkosten und in Höhe von 67,45 Euro betreffend die restlichen Reparaturkosten zu.

1. Mietwagenkosten

Der Kläger hat einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 848,61 Euro EUR betreffend die Mietwagenkosten. Hierauf hat die Beklagte bereits eine Zahlung in Höhe von 379,61 EUR geleistet, so dass es diesbezüglich bei einer Restforderung in Höhe von 469,00 EUR verbleibt.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung gem. § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, NJW 2008, 2910). Dabei ist der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation für den Geschädigten ohne weiteres zugänglich war (BGH, NJW 2007, 1676; BGH, NJW 2008, 2910).

Ein Verstoß gegen eine Schadensminderungsobliegenheit ist dann anzunehmen, wenn sich die Mietwagenkosten überhalb des durchschnittlichen Wertes, der zur Anmietung eines Wagens im örtlich relevanten Bereich erforderlich ist, bewegen. Zur Ermittlung der durchschnittlichen Mietwagenkosten sowie der Nebenkosten wurde die Schwacke-Liste 2015 herangezogen.

Hierbei handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH um eine geeignete Schätzgrundlage i. S. v. § 287 ZPO (BGH Urteil vom 17.05.2011, VI ZR 142/10; BGH Urteil vom 02.02.2010, VI ZR 139/08; BGH Urteil vom 19.01.2010, VI ZR 112/09). Das erkennende Gericht zieht die Schwacke-Liste dem beklagtenseits vorgelegten Marktpreisspiegel vor, da die Schwacke-Liste auf die ersten drei Ziffern der Postleitzahl abstellt und so den Mietwagenmarkt exakter abzubilden vermag. Die von der Beklagtenseite in Bezug genommenen Vergleichsangebote vermögen keine Zweifel an der Tauglichkeit der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage hervorzurufen. Der allgemeine Hinweis der Beklagten auf Angebote der Fa. Avis und Europcar ist hierfür nicht ausreichend. Die Angebote beziehen sich nicht auf den streitgegenständlichen Zeitraum, sondern beziehen sich jeweils auf Januar 2017, somit mehr als ein Jahr nach dem streitgegenständlichen Unfall. Rückschlüsse auf die Preisgestaltung im Dezember 2015 lassen sich nicht ziehen.

Der Mittelwert für eine 5-tägige Anmietdauer der Fahrzeug-Klasse 4 beträgt laut der Schwacke-Liste 2015 560,48 Euro (336,29 Euro : 3 Tage x 5). Entgegen der Ansicht der Beklagten war von einer Mietzeit von 5 Tagen auszugehen. Ausweislich der Rechnung vom 18.12.2015 (Anlage K2) hat die Reparatur vom 14.12.2015 bis 18.12.2015 gedauert, entsprechend wurde der Mietwagen vom 14.12.2015 bis 18.12.2015 in Anspruch genommen und auch erst am 18.12.2015 zurückgegeben (vgl. Mietvertrag Anlage K11). Nach den allgemeinen Vermietbedingungen gilt als Tagesmiete der Zeitraum von 24 Stunden beginnend mit dem auf dem Mietvertrag angegebenen Anmietzeitpunkt.
Hinzu kommen als anerkannter Teil des Erstattungsanspruchs Nebenkosten. Als Nebenkosten sind zunächst erstattungsfähig die Kosten betreffend die Vollkaskoversicherung in Höhe von 94,60 Euro (18,92 Euro pro Tag). Diese sind auch erstattungsfähig, soweit das verunfallte Fahrzeug nicht vollkaskoversichert war. Die Entscheidung, ob die Reparatur eines möglichen Schadens durchgeführt wird, liegt bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges gerade nicht bei dem Kläger, sondern bei der Mietwagenfirma.

Die Kosten für einen zweiten Fahrer betragen ausweislich der Schwacke-Liste 2015 14,29 EUR pro Tag, also insgesamt 71,45 EUR. Die Kosten für die Winterreifen belaufen sich auf 12,56 Euro pro Tag, insgesamt 62,80 EUR, die Kosten für Zustellung und Abholung auf jeweils 29,64 Euro. Sowohl Winterreifen als auch der zusätzliche Fahrer und die Zustellung und Abholung waren ausweislich der Rechnung vom 08.01.2016 zwischen dem Kläger und der Mietwagenfirma vereinbart. Die Verwendung von Winterreifen im Anmietzeitraum 14. bis 18.12.2015 ist auch zweckdienlich und erforderlich im Sinne des § 249 BGB. Hinsichtlich des zusätzlichen Fahrers ist anzumerken, dass die Eintragung eines weiteren Fahrers im Regelfall auch eine stärkere Inanspruchnahme des Fahrzeugs bedeutet, so dass hier ein Aufschlag durchaus berechtigt ist. Überdies kommt es auf die Frage, ob tatsächlich zwei Fahrer den Wagen genutzt haben, im Ergebnis nicht an, weil im Mietwagengeschäft für die Möglichkeit der Nutzung, nicht aber für die tatsächliche Nutzung bezahlt wird. Zur Erforderlichkeit der Zustellung und Abholung hat der Kläger substantiiert vorgetragen, so dass die pauschale Behauptung, dass diese Kosten nicht erforderlich gewesen seien, unbeachtlich bleibt.

Einen Abzug wegen ersparter Aufwendungen sieht das Gericht bei einer Nutzung von gerade einmal 5 Tagen nicht als angezeigt an, zumal der Kläger ohnehin einen Mietwagen einer niedrigeren Klasse angemietet hat und damit seiner Schadensminderungsobliegenheit Genüge getan hat.

2. Restliche Reparaturkosten

Daneben steht dem Kläger ein weiterer Schadensersatz in Höhe von 67,45 Euro für die Kosten der Prüfung Scheibenrad vorne rechts, Vorderachshälfte links und Vorderachshälfte rechts sowie den Lackieraufwand zu. Nach § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand zwar nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Denn er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Die Schadensbetrachtung hat sich nicht nur an den objektiven Kriterien zu orientieren, sondern ist auch subjektbezogen. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGHZ 115, 364, 368 f.).

Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeig in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei der Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einflussbereich entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfindet. Das Werkstattrisiko geht insoweit zu Lasten des Schädigers. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten und Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt wurden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, BeckRS 1995, 01930; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.2004, NJW-RR 2005, 248, 249). Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Denn zu berücksichtigen ist, dass der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis die Schadensbeseitigung für den Schädiger durchführt. Hätte der Geschädigte, wie § 249 Abs. 1 BGB vorsieht, die Schadensbeseitigung dem Schädiger überlassen, hätte dieser sich ebenfalls mit dem Verhalten der Werkstatt auseinandersetzen müssen. Dem Schädiger entsteht auch kein Nachteil, da er sich im Wege der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen kann.

Unter diesen Gesichtspunkten sind vorliegend die Kosten der Prüfung sowie der Lackierung ersatzfähig, unabhängig von der Frage, ob sie tatsächlich erforderlich sind. Mangels besserer Erkenntnis- oder Einflussmöglichkeiten darf der Kläger diese Kosten für erforderlich halten.

3. Zahlungsanspruch

Der Kläger kann nicht nur Freistellung, sondern Zahlung verlangen. Aufgrund der in der Klageerwiderung zum Ausdruck kommenden endgültigen und ernsthaften Erfüllungsverweigerung hat sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

4.  Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288, 291 BGB.

II.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

III.  Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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  1. Ra. Bayern sagt:

    @ Willi Wacker
    So wie im Vorwort vorgestellt, habe ich die Sache bisher noch nicht gesehen. Aber ich muss sagen, da ist was dran. Ich muss mir ob deiner Überlegungen die Rechtslage noch einmal vor Augen führen. Zumindest hast du mir die Augen geöffnet. Wichtig ist der Hinweis auf BGH VI ZB 22/08 mit der sofortigen Fälligkeit des Wiederherstellungsanspruchs nach § 249 I BGB, wobei sich der Geschädigte des Erfüllungsgehilfen des Schädigers bedient. Das gilt dann insgesamt. Die Werkstatt, der Abschlepper (weil die Unfallstelle freigemacht werden muss), der Sachverständige (weil die Höhe und der Umfang des Schadens beweissichernd festgehalten werden muss) der Mietwagenunternehmer (um die sofortige Nutzungsmöglichkeit wiederherzustellen), allesamt sind demnach Erfüllungsgehilfen des Schädigers. Etwaige Fehler gehen daher zu Lasten des Schädigers. Und damit hätten wir dann die Lösung.

    Nur im Falle der fiktiven Schadensabrechnung würde es dann auf den „erforderlichen Geldbetrag“ statt der Herstellung ankommen. Ich werde mir die eigentlich einleuchtende Lösung allerdings noch einmal überdenken.

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