Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenbeginn geben wir Euch heute ein Urteil des AG Erkelenz zur Freistellung der Kosten für die Fahrzeugreinigung, für die Probefahrt und für die Mietwagenkosten bekannt. Bei den Mietwagenkosten legt das Gericht der Rechtsprechung des LG Mönchengladbach folgend den Schwacke-Mietpreisspiegel zugrunde. Zu den Schadenspositionen „Fahrzeugreinigung“ und „Probefahrt“ hat die Beklagte nicht erheblich vorgetragen, so dass der klägerische Vortrag als zugestanden anzusehen war. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
Amtsgericht Erkelenz
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägers,
gegen
die HDI Direkt Versicherung AG, vertreten durch den Vorstandsvorstitzenden des Vorstandes, Am Schönenkamp 45, 40599 Düsseldorf,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Erkelenz
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 07.06.2013
durch den Richter am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger aus der restlichen Forderung der Autohaus … GmbH aus … aus der Rechnung vom 27.02.2011, Rechnungsnummer … , in Höhe von 69,26 Euro freizustellen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger aus der restlichen Forderung der Autohaus … GmbH aus … aus der Rechnung vom 28.02.2011, Rechnungsnummer … in Höhe von 495,08 Euro freizustellen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger von Rechstanwaltsgebühren der Rechtsanwälte … aus … in Höhe restlicher 61,88 Euro freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Auf einen Tatbestand wird gem. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist zulässig und bis auf die jeweilige Zinsforderung begründet.
1.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten zunächst ein Anspruch auf Freistellung hinsichtlich der weiteren Reparaturkosten in Höhe eines Betrages von 69,26 Euro zu.
a.)
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Kosten der vor Auslieferung erfolgten erneuten Reinigung erstattungsfähig.
Der Kläger hat insoweit die Gründe, die eine erneute Innenreinigung erforderlich machten, in der Klageschrift substantiiert dargelegt (Bl. 4 d.A.), ohne dass sich die Beklagte in ihrer Erwiderung mit diesen Ausführungen auseinandergesetzt hätte, so dass der diesbzgl. Sachvortrag als zugestanden gilt.
Die vom Kläger dargelegten – und nach Vorstehendem als zugestanden anzusehenden – Gründe der Vornahme einer erneuten Reinigung lassen die dadurch entstandenen Kosten nach Auffassung des Gerichts indes als erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 1 BGB erscheinen. Dass insbesondere aufgrund der durchgeführten Reparaturarbeiten im Fahrzeug befindliche Glasreste entfernt werden müssen, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung.
b)
Soweit die Beklagte vorträgt, die – als solche nicht bestrittenen – nach Abschluss der Reparaturarbeiten durchgeführte Probefahrt sei bereits in den regelmäßigen Arbeitskosten enthalten, ist dies ohne jede Substanz und erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein, so dass auch insofern – ohne weitere Beweiserhebung – von einer Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 1 BGB auszugehen war.
2.
Auch die weiteren Mietwagenkosten in Höhe eines Betrages von 495,08 Euro sind erstattungsfähig.
Das Gericht hat insoweit die Schwacke-Liste 2012 als Schätzungsgrundlage für die Ermittlung des Mietpreises (Normaltarif) herangezogen. Zugrunde zu legen ist der für den örtlichen Postleitzahlenbereich maßgebliche Normaltarif (Modus).
Im Anschluss an die neueste Rechtsprechung des Landgerichts Mönchengladbach (LG Mönchengladbach Urt. v. 24.01.2012, Az.: 5 S 55/11) schätzt das Gericht die erforderlichen Herstellungskosten im Sinne des Normalpreises auf einen Betrag, der sich nach dem „Normaltarif“ abzüglich eines Abschlags in Höhe von 17% errechnet.
Die Notwendigkeit eines Abschlages in dieser Höhe beruht auf der Erwägung, dass die Schwacke-Liste als „Normaltarif“ nicht den erstattungsfähigen Normalpreis im Sinne des allgemeinen Schadensrechts wiedergibt, sondern einen Wert darstellt, der aufgrund der in der Methodik der Preisermittlung liegenden Besonderheiten in einem Maße überhöht ist, dass eine Korrektur nach unten gerechtfertigt erscheint (so auch LG Nümberg-Fürth DAR 2011, 589 ff.). Im Editorial zur „Schwacke-Liste Automietpreisspiegel 2009″ werden die Schwierigkeiten, die u.a. mit den wettbewerbsrechtlichen Vorgaben bei der Veröffentlichung von Preisrecherchen begründete werden, im Einzelnen dargestellt. Der Umstand, dass die Befragung der Mietwagenunternehmung „offen“, d.h. unter Angabe des Verwendungszwecks erfolgt, legt angesichts der nicht nur in der Autovermietungsbrache hinlänglich bekannten Streitfragen bei der Kostenübernahme von Mietwagenkosten im Versicherungsfall die Befürchtung nahe, dass Preise genannt werden, die sich nicht in einem vollständig wettbewerbsorientierten Markt bilden würden. Indizien hierfür ist, dass zur Preisermittlung zwar auch Preise aus dem Internet herangezogen werden, und zwar in Form feststehender Preislisten; auf interaktive Systeme, bei denen sich die Preise je nach Auslastung verändern, greift die Schwacke-Liste wegen der sich je nach Zeitpunkt und Verfügbarkeit ergebenden starken Schwankungen und wegen der nicht eindeutigen Reproduzierbarkeit nicht zurück. Diese Methodik bringt es mit sich, dass in die Datenerfassung nur Mietpreise eingehen, die gezahlt werden, wenn der Mieter eine nach Ort und Zeit im Voraus spezifizierte Anmietung nicht vornehmen kann. In den Fällen, in denen ein Geschäfts- oder ein Privatkunde den Ort, den Zeitpunkt, die Anmietungsdauer und den Ort der Mietwagenrückgabe im Voraus kennt, wird ein Mieter durch Nutzung des interaktiven (Internet-)Systems den tagesaktuellen Preis ermitteln und auf dieser Grundlage eine Anmietung durchführen. Dann muss aber eben nicht auf diejenigen Preise zurückgegriffen werden, die in den Preislisten genannt sind. Für die Anmietung zu den Listenpreisen bleibt dann der Markt der Kunden, die spontan ein Fahrzeug anmieten wollen oder müssen und denen gerade die Alternative der Buchung im interaktiven System nicht offen steht. Zu diesem Kundenkreis gehören nicht nur Kunden, die eine unfallbedingte Anmietung vornehmen, sondern alle Eil- und Notfälle, bei denen in die spontane Erhaltung der Mobilität zwingend ist und daher im Vordergrund steht. Um den „Normaltarif“ nach der Schwacke-Liste auf das Maß des im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erstattungsfähigen Normalpreises zu bereinigen, macht das Gericht im Rahmen des § 287 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch, einen prozentual bezifferten Abschlag vorzunehmen. Das Gericht folgt hier der Schätzung des Landgerichts Mönchengladbach, wonach der in der Schwacke-Liste als „Normaltarif“ jeweils genannte Betrag mit einen Abschlag von 17% zu versehen ist, um im Wege der Schätzung den im Sinne des allgemeinen Schadensrechts erstattungsfähigen Normalpreis zu ermitteln.
Es sind vorliegend als (Grund-) Mietwagenkosten 1.254,96 € anzusetzen. Zugrunde zu legen ist der für den örtlichen Postleitzahlenbereich 418 (Wohnort Hückelhoven) maßgebliche Normaltarif (Modus) für die Anmietung eines Fahrzeuges der Mietwagenkategorie 5. Bei einer Mietdauer von 14 Tagen ist der Wochentarif von 630,00 € in Ansatz zu bringen, durch 7 Tage zu teilen und mit 14 zu multiplizieren. Von dem Betrag in Höhe von 1.260,00 € ist – wie bereits erörtert – ein Abschlag von 17% (-214,20 €) zu tätigen, um den im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erstattungsfähigen Normalpreis (1.045,80 €) zu ermitteln.
Da die Anmietung vier Tage nach dem Unfalltag erfolgte, ist sodann ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20%, also in Höhe von 209,16 € vorzunehmen, was einen Betrag von 1.254,96 € ergibt.
Das Gericht hält in Anschluss an die Rechtsprechung des LG Mönchengladbach einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20% für angemessen, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeugsgeschäfts im Vergleich zur „normalen“ Autovermietung angemessen zu berücksichtigen (vgl. LG Mönchengladbach Urt. v. 20.01.2009, Az.: 5 S 110/08). Für einen solchen Aufschlag besteht nur dann kein Anlass, wenn der Geschädigte sich weder in einer unfallbedingten Eil- und Notsituation noch in einer auf den Unfall zurückzuführenden besonderen Lage befindet, die aus seiner Sicht die Inanspruchnahme unfallspezifischer Mehrleistungen notwendig erscheinen lässt. Je weiter der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und der Miete des Ersatzfahrzeugs ist, umso ferner liegt es, dem Geschädigten einen gegenüber dem ortsüblichen „Normaltarif erhöhten Betrag als erforderlichen Schadensbeseitigungsaufwand zuzubilligen, weil er dem Vermieter hier wie jeder andere Mietwagenkunde gegenübertritt, der seinen Fahrzeugbedarf vorausschauend planen, Angebote vergleichen, Finanzierungsfragen regeln und sich für die wirtschaftlich günstigste Lösung entscheiden kann. Da die Anmietung vier Tage nach dem Unfallgeschehen erfolgte, ist angesichts der insoweit noch bestehenden zeitlichen Nähe ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif vorzunehmen.
Ein Abzug wegen ersparter eigener Aufwendungen war vorliegend nicht vorzunehmen, da klassentiefer angemietet wurde.
Neben diesen Grundmietkosten sind als Nebenkosten die Kosten der Vollkaskoversicherung in Höhe von 308,00 € (22,00 € x 14 Tage) auf Grundlage der Schwacke-Liste 2012 zu erstatten. Dies gilt unabhängig davon, ob das geschädigte Fahrzeug entsprechend versichert war. Denn der durch einen Unfall Geschädigte ist während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt (BGH Urt. v. 12. 2. 2005 Az.: VI ZR 74/04). Er hat regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse daran, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (vgl. LG Bonn Urt. v. 26.06.2009, Az.: 15 O 7/09). Dabei ist jedoch der vorgenannte pauschale Aufschlag auf den Normaltarif der Mietkosten nicht auf die Nebenkosten vorzunehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass bzw. inwieweit sich die besonderen Risiken bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen, die eine Tariferhöhung beim Mietpreis rechtfertigen, auch hinsichtlich der Nebenkosten auswirken.
Die geltend gemachten Nebenkosten für eine Winterbereifung sind ebenfalls erstattungsfähig und nach der Schwacke-Liste 2012 mit 140,00 € (10,00 € pro Tag x 14 Tage) zugrunde zu legen.
Es ergibt sich damit eine erstattungsfähiger Betrag von 1.702,96 Euro, der durch den Betrag aus der Rechnung vom 28.02.2013 (1.293,88 Euro) nicht überschritten wird.
3.
Erstattungsfähig sind – im Hinblick auf die Ausführungen zu beiden vorstehenden Schadenspositionen – schließlich auch die weiteren mit dem Klageantrag zu Ziffer 3 geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren.
4.
Abzuweisen war die Klage demgegenüber hinsichtlich der jeweiligen Zinsforderung.
Eine unmittelbare Anwendung des § 288 Abs. 1 S. 1 BGB muss insoweit ausscheiden, da vorliegend keine Geldschuld, sondern ein Freistellungsanspruch geltend gemacht wird. § 288 Abs. 1 S. 1 BGB kann auf einen Freistellungsanspruch auch keine entsprechende Anwendung finden (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 239, 243; Palandt-Grünberg, BGB, 72. Auflage 2013, § 288 Rn. 6).
Dass bei der Klägerin ein konkreter Schaden durch die bisherige Nichtzahlung der Mietwagenkosten eingetreten wäre, ist nicht vorgetragen.
5.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Anlass, die Berufung zuzulassen, besteht aus Sicht des Gerichts nicht.
Streitwert: 569,34 Euro
Im Rheinland muss allerdings bei den Mietwagenkosten jetzt aufgepasst werden. Der bisher als Schwacke-freundlich eingeschätze OLG-Senat hat seine Rechtsprechung geändert. Er hat nunmehr, wie ich noch bekanntgeben werde, einen Mittelwert aus Schwacke und Fraunhofer gebildet.
Im Rheinland (OLG-Bezirk Köln) scheint sich eine Anderung in der Mietwagenkostenrechtsprechung anzubahnen. Der 15. Zivilsenat des OLG Köln, der bisher auf Seiten Schwackes stand, hat nunmehr mit Urteil vom 30.7.2013 Az. 15 U 212/12 einen Mittelwert aus dem gewichteten Schwacke- und Fraunhofer-Wert gebildet.