Das AG Essen-Borbeck hat mit Urteil vom 06.08.2008 – 5 C 151/08 – dem Geschädigten, der seinen Unfallschaden auf fiktiver Schadensabrechnung vornimmt, zugesprochen.
Dazu hat das Amtsgericht wie folgt in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt:
Bei der Ermittlung der Schadenshöhe ist von Nettoreparaturkosten in Höhe von 1.124,70 € auszugehen. Der Kläger ist berechtigt, seiner Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen KIA-Fachwerkstatt zugrunde zu legen. Er muss sich im Rahmen der fiktiven Abrechnung keineswegs auf günstigere Fachwerkstätten und deren Stundenverrechnungssätze verweisen lassen. Dabei verkennt das Gericht keineswegs die Rechtsprechung des BGH in seinem sog. und inzwischen unzählige Male zitierten „Porsche-Urteil“. Den Beklagten ist insoweit zuzusprechen, dass der BGH in diesem Urteil erklärt, dass sich der Geschädigte unter Umständen auf eine gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen lassen muss. Was der BGH allerdings mit einer gleichwertigen Reparaturmöglichkeit gemeint hat, ist in diesem Urteil offen geblieben und Gegenstand vieler Rechtstreitigkeiten geworden.
Das AG Essen-Borbeck ist einhellig der Auffassung, dass eine „gleichwertige“ Reparaturmöglichkeit nicht schon dann vorliegt, wenn eine fachgerechte Reparatur in einer anderen Werkstatt erfolgen kann. Denn die Reparatur eines Fahrzeuges in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat weitere Auswirkungen, die in einer anderen Werkstatt nicht erreicht werden können. So ist allgemein bekannt, dass das Vertrauen der Menschen in eine Leistung markengebundener Werkstätten weit größer ist als in die freien Fachwerkstätten. So werden regelmäßig bessere Erlöse bei einem Weiterverkauf erzielt, wenn sich aus dem Scheckheft ergibt, dass ein Fahrzeug der Marke Mercedes beispielsweise auch immer bei Mercedes gewartet oder repariert worden ist. Hinzu kommt, dass sich der Geschädigte ohne Weiteres vertrauensvoll an eine markengebundene Fachwerkstatt begeben kann in dem Wissen, dass dort die benötigten Teile oder Werkzeuge mit Sicherheit vorhanden sein werden. Ob dies bei anderen freien Werkstätten der Fall ist, müsste der Geschädigte zunächst herausfinden. Dies ist einem Geschädigten nach Auffassung des Gerichts aber schlicht nicht zumutbar. Er muss sich auch nicht darauf verlassen, dass entsprechende Angaben der eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung zutreffend sind. Diese ist nämlich an einer Schadensminimierung interessiert, auch dies ist einem Geschädigten durchaus bewusst.
Weiterhin ist ein Eingriff der Versicherung in die Dispositionsfreiheit des Geschädigten nicht zulässig. Es ist Sache des Geschädigten, wo und wann er sein Fahrzeug reparieren lässt. Der Einwand, bei Vorlage einer Reparaturrechnung einer markengebundenen Fachwerkstatt würde diese anstandslos erstattet, bei fiktiver Abrechnung allerdings müsse sich der Geschädigte günstigere Verrechnungssätze anrechnen lassen, verfängt nicht. Eine solche Unterscheidung zwischen konkreter und fiktiver Abrechnung ist vom Gesetzgeber weder bestimmt noch gewollt. Darüber hinaus läge hierin ein mittelbarer Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Geschädigten, der gerade nicht erlaubt ist.
Gleiches gilt vorliegend für die angesetzten Verbringungskosten und die UPE-Aufschläge. Diese beiden Positionen fallen unstreitig bei Reparatur der markengebundenen KIA-Werkstatt an, sind daher auch im Rahmen der fiktiven Abrechnung anzusetzen, da es keinen Unterschied zwischen konkreter Schadensabrechnung und fiktiver Schadensabrechnung machen darf.
Ausgehend von einem Reparaturbetrag in Höhe von 1.124,70 € und einer Kostenpauschale in Höhe von 25,00 €, mithin insgesamt 1.149,70 €, steht dem Kläger noch ein Anspruch auf Zahlung von 862,28 € zu.
Da die Beklagten jedoch nur zu 2/3 haften, sind die vorgerichtlich gezahlten 474,75 € anzurechnen, so dass noch ein Restbetrag von 387,53 € verbleibt, den der Kläger verlangen kann.
hi willi
super urteilsbegründung!
richtig:es gibt keinen unterschied zwischen fiktiver und konkreter naturalrestitution!!
nach richtiger ansicht des bgh ist die rechnung lediglich indiz für die höhe des erforderlichen geldbetrages;
also ist mitnichten einzusehen,weshalb versicherer rechnungen regulieren,kalkulationen aber auf irgendwelche niedrigeren stundensätze kürzen.
wieder ein schönes urteil gegen diese blanke versicherungswillkür;danke dafür!!!
grüsse aus dem outback
Hi Mr. Downunder,
gerade wegen der von Dir angesprochenen und vom Gericht sauber geführten Bgründung ist das Urteil eines kleinen Gerichtes hier eingestellt worden. Ich bin begeistert, dass der hiesige Blog auch im Outback gelesen wird.
Daher Grüsse ins outback nach downunder.
Dein Willi Wacker
Hallo Willi Wacker,
also auch im Kohlenpott werden schöne Urteile gesprochen.
Wieder ein schönes Urteil gegen die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung. Vielleicht lernen die jetzt doch, dass man mit willkürlichen Kürzungen nicht weiter kommt. So langsam müsste der Lernprozess doch beginnen und die unsinnigen Kürzungen ihr Ende finden, oder?
Grüsse
Siegfried Sturm