AG Esslingen – Az.: 2 C 512/15 vom 19.06.2015 – verurteilt die VN der Württembergischen Versicherung überwiegend zur Zahlung des rechtswidrig gekürzten Schadensersatzanspruches auf das Sachverständigen-Honorar

Wohin die Zwei-Klassen-Rechtsprechung des 6. Senats am BGH führen kann, zeigt die nachfolgende Urteilsbegründung in aller Deutlichkeit auf.

Aktenzeichen: 2 C 512/15

Amtsgericht Esslingen

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

– Beklagte –

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Esslingen durch die Richterin am Amtsgericht B. im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO nach dem Sach- und Streitstand vom 19.06.2015 für Recht erkannt:

1.       Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 130,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 14.07.2014 zu bezahlen.
2.        Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.        Von den Kosten dss Rechtsstreits trägt die Klägerin 20 %, die Beklagte 80 %,
4.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5.        Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 162,41 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1 StVG , 115 Abs. 1 Nr. VVG i. V. m. § 1 PflVG, § 398 BGB auf Zahlung von 130,99 €.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die von der Klägerin im Rahmen der Schadensabrechnung nach dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall geltend gemachten Kosten für ihre Einschaltung als Sachverständige in voller Höhe ersatzfähig sind.

Zum ersatzfähigen Schaden nach einem Verkehrsunfall und zu den nach § 249 Abs. 1 BGB zu erstattenden Vermögensnachteile gehören auch die Kosten eines eingeholten Sachverständigengutachtens, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 können als erforderlicher Herstellungsaufwand nur die Kosten beansprucht werden, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Der Geschädigte seinerseits ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu nehmen, soweit er hierauf Einfluss hat. Der Geschädigte ist nicht zur Erforschung der Sachverständigenpreise verpflichtet.

Er genügt seiner Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage der Rechnung des beauftragten Sachverständigen. Liegen die vom Sachverständigen und die mit diesem vereinbarten Preise für den Geschädigten sichtbar erkennbar erheblich über den üblichen Preisen so sind sie jedoch nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand darzustellen. In einem solchen Fall ist vom erkennenden Gericht nach § 287 ZPO der erforderliche Geldbetrag anhand tragfähiger Anknüpfungstatsachen zu ermitteln (vgl. BGH in seinem Urteil vom 22.07.2014, Aktenzeichen VI ZR 357/13). Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung allerdings ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages. Zusammenfassend ist also davon auszugehen, dass ein Indiz für die Erforderlichkeit die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung bildet, sofern diese nicht für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Vereinbaren die Parteien wie vorliegend eine Pauschale, die bereits über dem Korridor der BVSK Honorarbefragung 2013 liegt (HB V Korridor 510,00 € bis 530,00 €), das vorliegend mit 641,20 € diesen Korridor deutlich überschreitet, so ist diese Vereinbarung regelmäßig dahingehend auszulegen, dass damit die Gutachtenerstellung insgesamt abgegolten sein soll und daneben lediglich tatsächlich angefallene Auslagen ersetzt verlangt werden können. Das geltend gemachte Grundhonorar liegt aber noch innerhalb der Marktpreise von 329,00 – 745,00 € und wird vom Gericht nicht als für den Geschädigten nicht als deutlich erkennbar überhöht eingestuft.

Das Gericht hält demgegenüber die geltend gemachten auftragsbezogene EDV-Fremdleistung REP/VIN/BW nicht für ersatzfähig, weil mit dem Grundhonorar bereits abgegolten und weist die Klage diesbezüglich in Höhe von 31,42 € (26,00 + Mehrwertsteuer) ab.

Die weiter geltend gemachten Nebenkosten sind tatsächlich angefallen, sie überschreiten auch allesamt den HB V Korridor, aber nicht in einem solchen Maße, dass dies für den Geschädigten als deutliche Erhöhung erkennbar gewesen wäre.

Es war wie tenoriert zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzung von § 511 Abs. 4 ZPO nicht gegeben sind.

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2 Antworten zu AG Esslingen – Az.: 2 C 512/15 vom 19.06.2015 – verurteilt die VN der Württembergischen Versicherung überwiegend zur Zahlung des rechtswidrig gekürzten Schadensersatzanspruches auf das Sachverständigen-Honorar

  1. Wiilli Wacker sagt:

    Es handelt sich nicht um ein Urteil der Zweiklassen-Rechtsprechung, sondern schlicht um eine Entscheidung einer schwäbischen Amtsarichterin, die die BGH-Rechtsprechung nicht vollständig beachtet. So hat der VI. Zivilsenat des BGH, den sie mit VI ZR 357/13 zitiert, mit VI ZR 225/13 entschieden, dass der Geschädigte die Honorarbefragung des BVSK nicht kennen muss. Folglich kann diese BVSK-Honorarbefragung auch nicht Maßstab einer gerihtlichen Schadenshöhenschätzung gemäß § 287 ZPO sein, denn es kommt einzig und allein auf die Ex-Ante-Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an (vgl. BGH VI ZR 67/06).

    Selbst wenn das erkennende Gericht die Sachveständigenkosten der Höhe nach für übersetzt erachtet, was bei einer Überschreitung des Honorakorridors der Fall sein kann, denn die vereinbarten Kosten fallen aus dem Rahmen der Preise der Branche (vgl. BGH VI ZR 225/13), hätte die Amtsarichterin grundsätzlich dennoch der Klage stattgeben müssen und die Beklagte auf den Vorteilsausgleich gem. § 255 analog BGB verweisen müssen, da der Streit um das Sachverständigenhonorar nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden darf.

    Das Urteil zeigt aber, wohin es führt, wenn der Sachverständige bei seiner Preisgestaltung über das Ziel, sprich über die branchenüblichen Preise, hinauszielt.

    Noch einen schönen Abend
    Willi Wacker

  2. Gottlob Häberle sagt:

    @ Willi Wacker,

    „Das Urteil zeigt aber, wohin es führt, wenn der Sachverständige bei seiner Preisgestaltung über das Ziel, sprich über die branchenüblichen Preise, hinauszielt.“

    Na ja Willi, ich glaube jetzt zielst Du gerade etwas über das Ziel hinaus. Ich empfehle Dir hierzu als Lektüre die lesenswerten Aufsätze von Wortmann in „Der Sachverständige.“

    Viele Grüße aus dem Wilden Süden
    Gottlob Häberle

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