Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
hier und heute stellen wir Euch ein Urteil aus Forchheim (in Bayern) im Schadensersatzprozess um restliche nach § 398 BGB abgetretene Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall vor. Beklagter war der bei der VHV Versicherung versicherte Fahrzeugführer. Sicherlich ist bei diesem Urteil zu bedenken, dass es aus dem Jahre 2015 stammt. Die jüngere Rechtsprechung des BGH ist natürlich noch nicht berücksichtigt, wie z.B. die Prüfung der Nebenkosten entsprechend der Regelungen des JVEG, unabhängig von der Frage, ob die Rechtsprechung des VI. Zivilsenates des BGH zur Überprüfung der Kosten nach § 287 ZPO zutreffend ist oder nicht. Obwohl das erkennende Amtsgericht Forchheim die zu ersetzenden Sachverständigenkosten nach § 249 II BGB entscheidet, was unseres Erachtens in Anbetracht der Entscheidung BGH VI ZR 67/06 Rn. 11 unzutreffend ist, da die Sachverständigenkosten zu den mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, sofern die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruch erforderlich und zweckmäßig ist. Da der Geschädigte regelmäßig selbst nicht in der Lage ist, den Schaden dem Umfang und der Höhe nach zu bestimmen, ist er nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur berechtigt, sachverständige Hilfe hinzuzuziehen, wobei der Sachverständige dann sogar noch der Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist (OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.). Daher hätten die berechneten Sachverständigenkosten konkret nach § 249 I BGB entschieden werden müssen. Trotz dieser Ungenauigkeit handelt es sich bei dem nachfolgend dargestellten Urteil um eine nahezu perfekte Entscheidung, denn es wurde zu Recht auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung abgestellt. Der Schadenshöhenschätzuzng nach § 287 ZPO hätte es jedoch nicht bedurft, da die Geschädigte ihren Vermögensnachteil in Form des Sachverständigenkostenrechnungsbetrages konkret abrechnet und damit eine Abrechnung des Schadens nach § 249 I BGB vornimmt, denn die beweissichernde Begutachtung dient der Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes. Lest aber selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Forchheim
Az.: 72 C 261/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
– Beklagte –
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Forchheim durch den Richter am Amtsgericht F. am 08.07.2015 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2015 folgendes
Endurteil
(teilweise abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 318,93 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit 27.02.2015 sowie 40,95 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
A.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 318,93 € gemäß §§ 823, Abs. 1 BGB; 7, 17 StVG.
1.
Die Beklagte ist der Klägerin gegenüber aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalles vom 30.08.2014, welcher sich in Forchheim ereignete, unstreitig in vollem Umfang zum Schadensersatz verpflichtet.
2.
Die Beklagte schuldet der Klägerin gemäß § 249 BGB restliche Sachverständigenkosten in Höhe von 318,93 € aus abgetretenem Recht.
Von den der Geschädigten in Rechnung gestellten 999,05 € wurden von der Haftpflichtversicherung der Beklagten 680,12 € bezahlt, sodass ein Restbetrag von 318,93 € zur Zahlung offen steht.
Diese Forderung wurde erfüllungshatber von der Geschädigten … an die Klägerin abgetreten. Es wird die Abtretungserklärung vom 08.09.2014 auszugsweise zitiert:
„Die Schadensersatzposition Gutachterkosten / Sachverständigenhonorar wird hiermit erfüllungshalber in voller Höhe, inklusive Mehrwertsteuer, an das Sachverständigenbüro … , unwiderruflich abgetreten. … Das Sachverständigenbüro … ist berechtigt, diese Abtretung den Antragsgegnem offen zu legen. Mittels der vorgelegten Abtretung handelt das Sachverständigenbüro … in eigenem Namen.“
Die Abtretung erfolgte daher nicht zur Sicherheit. Nach allem ist die Klagepartei aktivlegitimiert, d. h. berechtigt, die streitgegenständliche Forderung in eigenem Namen gegen die Beklagte geltend zu machen.
Bei einer Abtretung erfüllungshalber ist der Gläubiger im Zweifel sogar verpflichtet, aus dem erfüllungshalber angenommenen Gegenstand mit verkehrserforderlicher Sorgfalt Befriedigung zu suchen (so Palandt, 73. Auflage, Anm. v. Grüneberg, RdZ 7 zu § 364 BGB mit Rechtsprechungsnachweis).
3.
Grundsätzlich trifft einen Geschädigten keine Obliegenheit, einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu beauftragen (Vgl. Münchener Kommentar, 6. Auflage, RdZ 400 zu § 249 BGB). Die Geschädigte (der Geschädigte) ist Herrin des Restitutionsverfahrens. Bei der Prüfung, ob die Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h. Rücksicht auf die spezielle Situation der Geschädigten, insbesondere auf ihre individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für sie bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (ebenso BGH DAR 2014 S. 194 ff.). Die Geschädigte genügt ihrer Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihr zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezog e-nen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Kenntnismöglichkeiten der Geschädigten regelmäßig nieder. Dieser Maßstab ist maßgebend, auch wenn die Forderung der Geschädigten erfüllungshalber an die Klagepartei abgetreten wurde. Maßgebend ist, ob aufgrund des Erkenntnishorizonts der Geschädigten die in Rechnung gestellten Beträge deutlich erkennbar erheblich über üblichen Preisen liegen. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten der Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass die Geschädigte besondere Kenntnisse hinsichtlich der von Sachverständigen bei Schadensschätzungen üblicherweise in Rechnung gestellten Preise hatte. Die Geschädigte war grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihr zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (so BGH NZV 2014, S. 445 ff.). Allgemein ist zu berücksichtigen, dass im Falle von Sachverständigenkosten anders als bei Mietwagenkosten kein vergleichbarer „Markt“ besteht, auf welchem Sachverständigenleistungen wie Mietwagen allgemein angeboten werden. Erst wenn feststünde, dass die Geschädigte hinsichtlich der Höhe von Sachverständigenkosten besondere Kenntnisse gehabt hätte, könnte davon ausgegangen werden, dass die Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendeten Kosten hätte beeinflussen können. Nach allem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Geschädigte bei der Auswahl des Sachverständigen gegen ihre Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 BGB verstoßen hat. Aus den genannten Gründen kommt es nicht darauf an, ob sich die sachverständigenseits geforderten Kosten im Rahmen des üblichen bewegen. Auch bei Unüblichkeit bzw. Unangemessenheit der Sachverständigenforderung ist nicht erforderlich, dass dies von der Geschädigten aufgrund ihres Erkenntnishorizonts bei subjektbezogener Schadensbetrachtung von vornherein erkennbar gewesen wäre.
Im Übrigen sind Kosten, welche Sachverständigen entstehen und von diesen in Rechnung gestellt werden, nicht vergleichbar mit Kosten, welche für Privatpersonen entstehen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der geforderten Nebenkosten. Z. B. sind Kosten, die für Privatpersonen bei Kopien entstehen, den betriebswirtschaftlich bei Sachverständigen zu veranschlagenden Kosten nicht vergleichbar. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist der Geschädigten kein Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht anzulasten.
Es besteht bereits ein Anspruch auf Bezahlung der streitgegenständigen Sachverständigenkosten, soweit diese nicht bereits vorgerichtlich bezahlt wurden, ohne dass es diesbezüglich darauf ankommt, ob die Geschädigte die Gutachterkosten schon beglichen hat, da sich der zunächst bestehende Freistellungsanspruch bei Verweigerung der Schädigerin bzw. ihrer Haftpflichtversicherung, weiteren Schadensersatz zu leisten, in einen Zahlungsanspruch umwandelte.
II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB. Es ist nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Beklagte klägerseits vor dem Schreiben vom 13.02.2015 mit Fristsetzung zum 27.02.2015 in Verzug gesetzt wurde. Vorher korrespondierte die Klagepartei mit der Haftpflichtversicherung der Beklagten, mit welcher sie sich in Verhandlungen befand und welche Teilleistungen erbrachte.
Der Anspruch auf vorgerichtliche Kosten ergibt sich aus den §§ 286, 280 BGB. Diese betragen:
Gegenstandswert: 318,93 €
Geschäftsgebühr §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG 1,3 58,50 €
Anrechnung gem. Vorbem. 3 IV VV RVG aus Wert 318,93 € 0,65 -29,25 €
– Pauschale Nr. 7002 W RVG in Höhe von 11,70 € bleibt bestehen –
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 11,70 €
Zwischensumme netto 40,95 €
0 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 0,00 €
Gesamtbetrag 40,95 €
B.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91, Abs. 1 i.V.m. § 92, Abs. 2, Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung der Klagepartei hinsichtlich der Zinsen ist verhältnismäßig geringfügig.
C.
Vorläufige Voilstreckbarkeit: §§ 708, Nr. 11; 713 ZPO