Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nach dem „Schrotturteil“, das wir Euch gestern noch vorgestellt hatten, veröffentlichen wir heute, quasi als Kontrast dazu, ein positives Urteil aus Frankfurt-Höchst zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht. Das erkennende Gericht in Frankfurt-Höchst hat hier klare Worte gefunden. Sofern in den Urteilsgründen ausgeführt wird:
„Wenn jedoch nicht einmal der Fachjurist ohne Weiteres feststellen kann, welche Honorare und Nebenkosten angemessen sind und nach welchen Tabellen sich diese orientieren sollen und auch der BGH offen lässt, ob die BVSK- Honorarbefragung, das JVEG, eine prozentuale Toleranzgrenze oberhalb der JVEG-Sätze oder keine dieser Tabellen den geeigneten Vergleichsmaßstab bilden soll, ist es dem normalen Geschädigten schlechterdings unmöglich und unzumutbar, entsprechende Ermittlungen und Vergleiche anzustellen“,
so ist das überzeugend. Wenn die berechneten Sachverständigenkosten für den Geschädigten nicht erkennbar deutlich überhöht sind, so ist der Schädiger und sein Versicherer zur vollständigen Zahlung des berechneten Betrages verpflichtet, ohne Wenn und Aber. Der Versicherer ist trotzdem nicht rechtlos gestellt, denn ihm steht der Weg des Vorteilsausgleichs offen. Nur diesen Weg scheuen die Versicherer aus guten Gründen. Lest selbst das Urteil des AG Frankfurt am Main Außenstelle Höchst vom 7.7.2016 und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare dazu ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Frankfurt am Main Verkündet laut Protokoll am:
Außenstelle Höchst 07.07.2016
Aktenzeichen: 385 C 265/16 (70)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
…
Beklagte
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht … im
schriftlichen Verfahren gem. § 495a ZPO mit Schriftsatzschluss am 30.06.2016 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 112,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 25.02.2018 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a Abs.1 S.1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulassig.
Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 32 ZPO.
Der Unfallort liegt in Frankfurt a.M.-Schwanheim und damit im Bezirk der Außenstelle Höchst.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gem. §§ 823 Abs. 1, 249ff., 398 BGB, 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 115 VVG aus abgetretenem Recht Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten von 112,00 € netto.
Die volle Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfallereignis vom 09.07.2015 dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit. Die Beklagte hat den weit überwiegenden Teil, nämlich 832,00 € netto der Sachverständigenkosten von 944,00 € netto an den Kläger gezahlt.
Der Kläger hat eine Abtretungserklärung vom 13.07.2015 vorgelegt, die eine Abtretung der Ansprüche der Geschädigten … an den Kläger belegen.
Die Formulierung der Abtretung ist eindeutig und der Kläger aktivlegitimiert.
Die geltend gemachten Ansprüche sind auch in voller Höhe begründet. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten sind in dieser Höhe als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB ersatzfähig.
Der erforderliche Aufwand für die Schadensbeseitigung umfasst die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in die Lage des Geschädigten aufwenden muss, ohne dass er sich so verhalten muss, wie er dies täte, wenn er den Schaden selbst tragen müsste (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az.: VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947).
Beauftragt der Geschädigte einen Kfz-Sachverständigen zur Feststellung des Schadens an seinem Pkw, darf er einen für ihn erreichbaren wählen, ohne dass er zuvor eine Marktforschung betreiben muss, um den preislich günstigsten Sachverständigen zu finden; lediglich denn, wenn für ihn erkennbar ist, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorar fordert, die die branchenüblichen Preise deutlich übersteigen, wäre von ihm zu fordern, einen anderen Sachverstandigen auszuwählen (vgl. BGH, a.a.O.; LG Frankfurt a.a.O.).
Danach genügt ein Geschädigter seiner Darlegungslast hinsichtlich der Schadenshöhe in der Regel bereits dadurch, dass er die Rechnung des Sachverständigen vorlegt, wobei deren Höhe für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Schadensbeseitigung erforderlichen Betrages liefert (LG Frankfurt am Main a.a.O. und der ausdrückliche Hinweis auf die vorzitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes).
Entsprechend ist vorliegend die vom Sachverständigen erstellte Rechnung vom 16.07.2015 (Anlage K2, Bl. d.A.), zu deren Zahlung die Geschädigte erfolglos aufgefordert wurde, als Indiz für die Angemessenheit ihrer Höhe der Schadensschätzung zugrunde zu legen.
Es ist nicht ersichtlich und nicht in geeigneter Weise unter Beweis gestellt, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung im Sinne des § 254 Abs. 2 S. 1, 2. Alternative BGB verstoßen hat, weil für ihn erkennbar war, dass die Honorarabrechnung überhöht war. Der Kläger hat ausschließlich das Grundhonorar ohne weitere Nebenkosten in Rechnung gestellt.
Anderes gilt auch nicht unter Berücksichtigung der Entscheidungen des BGH vom 22.07.2014 (NJW 2014, 3151 – NZV 2014, 445). Nach dieser Entscheidung ist zwar nicht zu beanstanden, dass das LG Saarbrücken in seinem Urteil vom 20.07.2013 –13 S 41/13 verschiedene der vom dortigen Kläger zur Berechnung seines Aufwendungsersatzanspruchs in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen festsetzt und in seiner Honorarrechnung ausgewiesenen Pauschbeträge als erkennbar deutlich überhöht gewertet und die BVSK-Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten hat, die Höhe der Nebenkosten zuverlässig abzubilden. Nach der Zurückverweisung hat das LG Saarbrücken mit Urteil vom 19.12.2014 (13 S 41/13) die Nebenkosten anhand bzw. deren Überhöhung anhand des JVEG emittelt und dort eine 2O-prozentige Überschreitung als maximal zulässig erachtet.
Wenn jedoch nicht einmal der Fachjurist ohne Weiteres feststellen kann, welche Honorare und Nebenkosten angemessen sind und nach welchen Tabellen sich diese orientieren sollen und auch der BGH offen lässt, ob die BVSK- Honorarbefragung, das JVEG, eine prozentuale Toleranzgrenze oberhalb der JVEG-Sätze oder keine dieser Tabellen den geeigneten Vergleichsmaßstab bilden soll, ist es dem normalen Geschädigten schlechterdings unmöglich und unzumutbar, entsprechende Ermittlungen und Vergleiche anzustellen. Anders als etwa bei den Mietwagenkosten gibt es keinen allgemeinen Markt, der sich via Internet oder Telefonanrufen einfach und auch für den Laien nachvollziehbar erschließt. Auch handelt es sich bei der Beauftragung eines Sachverständigendigen nach einem Unfall, andere als bei der Anmietung eines Fahrzeuges, keinesfalls um ein Rechtsgeschäft des alltäglichen Lebens.
Solange der Bundesgerichtshof keine eindeutigen Beurteilungskriterien herausgearbeitet hat, die auch dem Laien ermöglichen, in nachvollziehbarer Zeit und ihm aufgrund der Umstände eines Unfalls zumutbar Sachverständigenkosten zu vergleichen und zu überprüfen, sind die in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten das wesentliche Indiz und als Schätzgrundlage der Schadenschätzung gemäß § 287 ZPO weiterhin geeignet. Die in der Rechnung vom 16.07.2015 enthaltenen Honorarsätze sind keineswegs per se erkennbar übersetzt und gänzlich überhöht. Eine Divergenz besteht allein in Höhe von 95,00 € hinsichtlich des Grundhonorare (berechnete 885,00 € statt erstattete 790,00 €) und hinsichtlich hälftiger Fotokosten von 17,00 €. Dies rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Der Kläger hat daher Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Sachverständigenkosten. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in § 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Ein schnörkelloses Urteil mit klarer und somit verständlicher Diktion, losgelöst von dem Verhau der zu exotischen Interpretationen anregenden Gedankengänge und der unnötigen Strapazierung eines fiktiven unbekannten Dritten, verkleidet als ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Mensch.
Besonders hilfreich:“Der erforderliche Aufwand für die Schadensbeseitigung umfasst die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in die Lage des Geschädigten aufwenden muss, ohne dass er sich so verhalten muss, wie er dies täte, wenn er den Schaden selbst tragen müsste (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az.: VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947).
Dipl.-Ing. Harald Rasche
Bochum + Tangendorf (Nordheide)
Frage:
Welches Gericht würde die Schadensersatzkage des Unfallopfers über gekürzte Gutachterkosten via Schätzung nach §287 ZPO und analog JVEG abweisen,wenn die dem Schadensersatzanspruch zugrundeliegende Werklohnforderung des SV gegen seinen Auftraggeber bereits in einem vorangegangenen Verfahren tituliert worden ist?
Was ist der Unterschied zwischen einer titulierten aber unbezahlten Werklohnforderung und einer fälligen aber unbezahlten Werklohnforderung?
Weshalb schützt der BGH Unfallopfer erst bei eigener Zahlung über die „Indizwirkung“ der Rechnung und nicht schon bei drohender Klageerhebung oder drohender Vollstreckung der Werklohngläubigers?
Der BGH hat ohne jede Not ein Zweiklassensystem unter den Unfallopfern eingeführt:Indizwirkung für Reiche,keine Indizwirkung für Arme.
Die Instanzgerichte sind nicht verpflichtet,unplausible BGH-Meinungen abzuschreiben.
Mit diesem Urteil hat ein weiteres Amtsgereicht der Rechtsprechung des BGH zu der Indizwirkung nur bei bezahlter Sachverständigenkostenrechnung die Gefolgschaft verweigert. Die Rechtsprechung des BGH ist – wie das AG Frankfurt-Höchst zutreffend feststellt – auch nicht plausibel.
Zum Einen ist der Bezahlung die Schuldverpflichtung zur Zahlung als Belastrung mit einer Zahlungsverpflichtung gleich gestellt. Darüber hinaus ist nicht einsehbar, dass derjenige, der bereits vom Sachverständigen werkvertraglich auf vollständige Zahlung verurteilt wurde, schlechter gestellt werden soll als derjenige, der die Rechnung außergerichtlich bereits bezahlt hat. Die titulierte Forderung ist der Bezahlung gleichzustellen.
Zum letzten kann es keinen Unterschied machen, ob der Schuldner eine logische Sekunde vor oder nachher die Rechnung des Sachverständigen bezahlt. Bei der Situation eine Sekunde vorher, also ohne Bezahlung, soll keine Indizwirkung bestehen und eine Sekunde später dann doch. Das ist unlogisch und kann letztlich vom VI. Zivilsenat des BGH auch nicht schlüssig begründet werden.
Die Indizwirkung der bezahlten Rechnung ist daher einfach BGH-licher Unsinn! Daher folgen die nachgeordneten Gerichte zu Recht auch nicht dieser BGH-Rechtsaprechung, wie das obige Urteil zeigt!
@ RA Imhof
Ähnlich sieht es das AG Kerpen für die Unterteilung nach scheckheftgepflegt / nicht scheckheftgepflegt bei Fahrzeugen, die Älter als 3 Jahre sind.
@RA Schepers
So isses. Das AG Kerpen hatte den Schwindel des BGH durchschaut und enttarnt.
Die BGH-Rechtsprechung zur fiktiven Abrechnung geht völlig am Gesetz vorbei. Welche göttliche Eingabe erlaubt es dem BGH, willkürliche Regeln aufzustellen mit der Folge einer Ungleichbehandlung der Geschädigten? Angefangen mit der „Gleichwertigkeit“ und dann weiter mit der 3-Jahres-Frist (heutzutage gibt es jede Menge Fahrzeuge mit einer längeren Garantie) und dann noch den Schrott mit der Scheckheftpflege.
Warum soll einer, der seinen Service in irgend einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt hat erledigen lassen, bei Karosseriereparaturen auf eine nicht markengebundene Fachwerkstatt verwiesen werden können? Inspektion und Karosseriereparatur sind 2 völlig unterschiedliche Stiefel. Beim Service meist technische Schraubteile, bei der Karosserie oftmals Eingriff in die Fahrzeugstruktur. Woher saugt sich der BGH die Erkenntnis, dass der Geschädigte sich bei einem Unfallschaden genauso verhält wie bei seinen Inspektionen? Aber selbst wenn, warum soll er dann weniger bekommen als einer, der stets zur Marke läuft? Weil sich Besserverdiener, wie z.B. BGH-Richter mit lukrativen Versicherungs-Seminar-Nebenjobs, die Marke immer locker leisten können?
Die gesamte BGH-Rechtsprechung zur fiktiven Abrechnung ist so was von an den Haaren herbeigezogen, dass einem das leckerste Essen wieder hochkommt. Und viele AGs u. LGs plappern den Mist einfach nach.
Frei nach EU-Junker: Wir machen irgend eine Schweinerei und wenn es funktioniert machen wir immer schön weiter auf dieser Linie. Falls es dann doch nicht funktionieren sollte, gehen wir eben einen Schritt zurück.
Genauso tickt heutzutage die gesamte Rechtsprechung.
Und nun praktiziert der BGH nach der fiktiven Abrechnung die Zweiklassengesellschaft bei den Sachverständigenkosten auf „Junker´sche Art“ => Pinocchio-Urteil. Dort 3-Jahres-Regel und Scheckheft, hier „Indizwirkung der bezahlten Rechnung“.
All diese Pinsel sind reif für die Insel. Guantanamo hat noch viel Platz.
Conny