Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
hier und heuute veröffentlichen wir das fünfte Urteil aus Frankfurt am Main zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG und schließen damit zunächst einmal diese Wochendserie ab. Leider gebraucht die erkennende Amtsrichterin das falsche Wort „Gebühren“ bei den Sachverständigenkosten. Das resultiert aber daraus, dass die HUK-COBURG selbst diesen falschen Begriff verwendet. Offenbar will sie damit suggerieren, dass es – wie bei den Gebühren im öffentlich-rechtlichen Sinne – einheitliche Kostenansätze im gesamten Bundesgebiet gäbe. In die gleiche Richtung zielt ja auch ihr Versuch, das von ihr selbst gefertigte Honorartableau als einheitlichen Bemessungsmaßstab bundesweit zu etablieren. Beide Versuche müssen scheitern, da der Coburger Versicherung die gesetzgeberische Berechtigung fehlt. Bis auf das Wort „Gebühren“ handelt es sich bei dem nachfolgend dargestellten Urteil um eine lesenswerte Entscheidung. Die Richterinnen und Richter beim Amtsgericht Frankfurt wissen offensichtlich, wo es im Schadensersatzrecht lang geht und lassen sich durch teilweise unsinnige Schriftsätze der HUK-Anwälte nicht fehlleiten. Lest selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und – nach wie vor – ein schönes Wochenende mit Alaaf und Helau.
Willi Wacker
Amtsgericht Frankfurt am Main Verkündet – lt. Prot. – am:
Aktenzeichen: 31 C 976/15 (23) 09.10.2015
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG ges.vertr.d.d.Vorstand, Lyoner Str. 10, 60528 Frankfurt am Main
Beklagte
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin am Amtsgericht J. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2015 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41,71 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, hinsichtlich der Zinsforderung teilweise unbegründet.
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 7 Abs. 1, 17 StVG, 249 BGB in Verbindung mit § 115 VVG ein Schadenersatzanspruch in Höhe der von der Beklagten nicht beglichenen Kosten für die Einholung des von dem Kläger als Geschädigten in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens zu.
Der geltend gemachte Anspruch ist in seiner Höhe von 41,71 € berechtigt. Der Einwand der Beklagten, die dem Geschädigten in Rechnung gestellten Gebühren seien nicht angemessen und damit nicht ersatzfähig, dringt nicht durch. Aufgrund der alleinigen Beurteilung des Ersatzfähigkeit der Sachverständigehkosten anhand ihrer Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB kommt es auf die Frage der Üblichkeit der Vergütung i.S.d. § 632 BGB und damit auf die Frage, ob als Schätzgrundlage die BVSK-Honorarbefragung, eine Pauschale im Verhältnis zur Höhe der Reparaturkosten oder ein Zeithonorar zugrunde zu legen ist und ob und in welcher Höhe Nebenkosten abrechenbar sind, nicht entscheidüngserheblich an.
Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens sind gemäß § 249 BGB als Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte, dem Grunde nach erstattungsfähig. Aus dem Grundanliegen des § 249 BGB, dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen, folgt für die Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung für zweckmäßig und notwendig halten durfte und in vernünftigen Grenzen gehalten hat, dass eine subjektbezogene Schadensbetrachtung vorzunehmen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten, zu nehmen ist, vgl. BGH NJW 1996, 1958.
Aus der Höhe der für die Gutachtenerstellung dem Geschädigten in Rechnung gestellten Kosten kann regelmäßig nicht auf deren fehlende Erforderlichkeit geschlossen werden – mit Ausnahme des Vorliegens eines Auswahlverschuldens des Geschädigten oder bei fehlerhaften Angaben gegenüber dem Gutachter sowie bei Bagatellschäden. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für den Geschädigten als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Verschulden bei der Auswahl des Sachverständigen zur Last fällt, kann der Geschädigte von dem Schädiger den Ausgleich der an den Sachverständigen gezahlten Aufwendungen verlangen. Anhaltspunkte für solch ein Auswahlverschulden des Klägers bei seiner Entscheidung zur Beauftragung des Kfz-Sachverständigenbüros … oder für eine für den Kläger bei Beauftragung erkennbare Überhöhung von dessen Gebühren sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist unerheblich, wo der Sachverständige dienstansässig ist, da keine Fahrtkosten abgerechnet worden sind. Dass die berechneten Gutachterkosten insgesamt eine derartige Höhe erreicht haben, dass bei dem Geschädigten vernünftigerweise Zweifel an der Richtigkeit der Rechnung aufkommen mussten, ist insbesondere unter Berücksichtigung der Aufschlüsselung der angefallenen Kosten im Einzelnen in der Rechnung vom 26.07.2014 nicht erkennbar. Das einfache Bestreiten der Beklagten, dass einzelne Nebenkosten angefallen seien, ist unerheblich. Die Beklagte hätte unter Berücksichtigung der konkreten Aufschlüsselung der Kosten in der Rechnung das Anfallen substantiiert bestreiten müssen.
Die Beklagte beruft sich nicht mit Erfolg auf die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB. Schon mangels eigenen Anspruchs der Beklagten auf Rückzahlung eventuell unangemessen hoher Sachverständigenkosten greift ihr Einwand nicht durch. Die Beklagte trägt schon nicht substantiiert vor, dass der Kläger ihr einen ihm gegebenenfalls zustehenden Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der Sachverständigenkosten abgetreten und die Beklagte diese Abtretung angenommen hat.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2, 247 BGB, 261 Abs. 1, 253 ZPO.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Der Kläger legt keinen früheren Zinsbeginn als die Rechtshängigkeit der Klage konkret dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht zuzulassen.
Hallo, Willi Wacker,
wenn ich die Diskussion um das Sachverständigenhonorar richtig verstehe, ist doch die die Frage der „Üblichkeit“werkvertraglich an § 632 BGB gebunden und die Frage der Erforderlichkeit an § 249 BGB?
H.R.
Genau, H.-R.,
denn die Begutachtung durch den Sachverständigen ist erforderlich und zweckmäßig und damit erstattungsfähig (vgl. BGH, NJW 2014, 3151 bis 3154, zitiert nach juris), weil die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören und diese auf EURO und Cent genau gem. § 249 BGB auszugleichen sind. Veranlassung zu einer Schätzung ist hingeggen fast regelmäßig nicht gegeben, weil exaktere Beurteilungskriterien vorliegen und von einer Abrechnung an der Wuchergrenze nicht auszugehen ist, wenn das abgerechnete Honorar um nicht mehr als das doppelte des Erforderlichen deutlich erkennbar festzustellen ist. Das hat bisher noch kein Versicherer behauptet, geschweige denn verständlich begründen können.
Zu beachten ist deshalb:
„Entscheidend für die Bejahung der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB der in Rechnung gestellten Sachverständigenvergütung ist vielmehr, dass vorliegend für den geschädigte Zedenten eine etwaige Überhöhung der ihm in Rechnung gestellten Sachverständigenvergütung nicht erkennbar war und er seine Pflichten zur Schadensminderung nicht verletzt hat.“
Man sieht, dass mache Gerichte wohl nicht zwischen werkvertraglichen Gersichtpunkten und schadenersatzrechtlichen Randbedingungen unterscheiden können oder auch nicht wollen.
Für die 2. Variante steht die Besorgnis der Befangenheit vor der Tür und der Verdacht der Rechtsbeugung. Da sollte man dann nicht lange noch um den heißen Brei herumreden.-
BORIS